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susan-kirsch
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'Spätsommertrauma – Nachhall einer bizarren Affäre' ist ein humorvoll-ironisches Liebesdrama und handelt von einer leidenschaftlichen Affäre, die zunächst von bezaubernder Leichtigkeit gekennzeichnet ist, bald jedoch einen sehr bizarren Verlauf nimmt. Die Protagonistin Toni entführt den Leser mit ihrer eigenwilligen und sehr einfühlsamen Erzählweise in ein emotionales Wechselbad von Liebe und Herzschmerz. ‚Spätsommertrauma’ zeugt von der Bedeutung wahrer freundschaftlicher Bindungen und ist zugleich ein Appell, sich selbst treu zu bleiben und der eigenen Intuition zu vertrauen und zu folgen. Gewürzt mit einer guten Prise Sarkasmus verspricht der Roman kurzweiliges Lesevergnügen an trüben Winterabenden und regt zugleich zum Nachdenken an. www.amazon.de/gp/product/151948870X
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Und dann erzählte er mir etwas schier Unglaubliches: Ihm und seiner
Freundin war am Sonntag von ihrer Tante aus dem Kaffeesatz gelesen worden
und bei beiden sei eine blonde, schlanke Frau aus Leons näherer Umgebung in
der dunklen Brühe aufgeblitzt. Eine Frau von Bedeutung. Und dass er sich in
vier Wochen entscheiden müsse. So die grimmigen Erläuterungen der Tante. Er
sagte mir, dass er niemals vorher an solche Dinge geglaubt hätte, in diesem Fall
jedoch relativ schockiert gewesen sei. Ich hingegen dachte nur, dass ich wohl
doch schon recht präsent sein müsse in Leons Leben, wenn ich sogar schon im
Kaffeesatz auftauchte.
'Schon merkwürdig, was da passiert ist', meinte er kopfschüttelnd. 'Was mich
aber wirklich irritiert, ist die Tatsache, dass ich mich schon jetzt total von
meiner Freundin entfremdet habe. Nach nur einer Woche mit dir. Ich kann das
alles gar nicht fassen.'
Verwirrt betrachtete er mich. Ich schwieg.
'Und habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich nie schlafen kann neben
dir? Ich bin immer so unruhig, dass ich kein Auge zu kriege.'
Mir ging es genauso. Neben Leon zu schlafen, war schier unmöglich.
'Gerade auch, wenn du gegangen bist, liege ich stundenlang wach. Das ist
doch alles verrückt.'
Ich fand das gar nicht so verrückt, dachte nur, dass er vielleicht doch schon
mehr für mich empfand, als er sich selbst eingestehen wollte.
'Ich denke, es ist besser, wenn wir uns ab sofort nicht öfter als einmal die
Woche sehen. Das geht mir alles viel zu schnell und ich bin jetzt schon so
durcheinander', sagte er.
Ich nahm sein Vorhaben sehr entspannt zur Kenntnis. War mir doch klar, dass
es ohnehin zum Scheitern verurteilt sein würde. Wir konnten uns gar nicht aus
dem Wege gehen, selbst wenn wir es versuchten. Ganz abgesehen von der
räumlichen Nähe fühlten wir uns schon viel zu sehr zueinander hingezogen.
Wir verbrachten erneut eine wunderschöne Nacht. Als ich Leon gegen vier
Uhr morgens verließ, wurde er zickig.
'Geh' doch, du weißt ja, wo die Tür ist!', polterte er mir hinterher.
Offensichtlich schmeckte es ihm gar nicht, dass ich ihn schon wieder alleine
ließ.
Zwei Tage später kam ich am frühen Abend gut gelaunt von meiner
Schneiderin, der ich gerade in einem längeren Gespräch von meiner Hausaffäre
berichtet hatte. Schon seit geraumer Zeit brachte ich meine Klamotten zum
Ändern zu ihr und mittlerweile war es zur Gewohnheit geworden, dass wir uns
über die Männer in unserem Leben unterhielten. Sie war gut 15 Jahre älter als
ich, lebte alleine, und ich fand es sehr interessant, dass sie in ihrem Leben
ähnliche Erfahrungen mit Männern gemacht hatte wie ich. Meinen aktuellen
Bericht hatte sie mit offensichtlicher Besorgnis aufgenommen.
Dreiecksgeschichten wie diese haben halt einen faden Beigeschmack. Doch ich
ließ mich in meiner Euphorie nicht beirren. Und so trabte ich im Anschluss
fröhlich die sonnige Straße entlang, atmete genüsslich die süße Sommerluft und
betrachtete die bunten Häuser. Ich liebte unser Viertel. Die schönen,
verträumten Altbauten, das holprige Kopfsteinpflaster. Und ganz besonders
unsere Straße mit den vielen, hochgewachsenen Lindenbäumen. Die im
Frühjahr derart ihren Blütensaft vergossen, dass man fast mit den Schuhsohlen
auf den Gehwegen kleben blieb.
Verträumt schlendernd erreichte ich bald unser Haus mit dem hübsch
geschwungenen Torbogen, als ich plötzlich Leons Wagen erblickte. Geparkt im
kühlen Schatten der Bäume. Ich war vollkommen baff, dass er ganz entgegen
seiner Gewohnheit so früh Feierabend gemacht hatte und trabte direkt zu ihm.
Seine Tür war nur angelehnt. Ich klopfte, er riss die Tür auf und stand vor
mir, nur mit einem Slip bekleidet. Sexy sah er aus, wie er so da stand.
'Ich wusste, dass du kommst', meinte er strahlend.
Ich küsste ihn und lief leichtfüßig direkt in die Küche, wo ich schwungvoll
meinen Schlüssel auf die Arbeitsplatte schmiss und mich wie selbstverständlich
in meinen Stuhl fallen ließ. Munter blickte ich ihn an, als er sich lächelnd zu mir
setzte.
'Du bist heute aber früh zuhause', sagte ich.
'Ich hatte keine Lust mehr zu arbeiten.'
Das war mehr als ungewöhnlich. Liebte er doch seinen Job.
'Hast du Hunger?' Fragend sah er mich an.
'Klar.'
'Ich habe ein paar Dinge für uns eingekauft.' Wow...für uns!
Er stand auf und begann, auf der Terrasse den Tisch für uns zu decken. Als
ich gerade ein paar Teller aus dem Schrank nahm, kam er zurück in die Küche,
überlegte kurz, sah mich an und fragte:
'Möchtest du meinen Wohnungsschlüssel haben?'
Was hatte er da gesagt???
Fast wäre ich bewusstlos zusammengebrochen.
'Dann könntest du auch immer hier sein, wenn ich über’s Wochenende weg
bin. Natürlich nur, wenn du willst.'
Völlig verblüfft starrte ich ihn an, während er weiter die leckersten Dinge aus
dem Kühlschrank zauberte.
Wie lange lief das jetzt mit uns? Anderthalb Wochen? Anderthalb Wochen!
Und er wollte mir seinen Schlüssel geben! Abgesehen davon, dass mir noch nie
ein Mann seinen Wohnungsschlüssel überlassen hatte, übertraf dies hier meine
kühnsten Erwartungen. Und doch war es auf eine gewisse Art so
selbstverständlich, denn schließlich bewies es einmal mehr das Vertrauen, dass
es doch vom ersten Moment an zwischen uns gegeben hatte.
Leon drehte zu mir und sah mich fragend an.
'Und?'
'Ja, gern', meinte ich mit ausdrucksloser Miene, während mir mein Herz so
gegen den Brustkorb hämmerte, dass ich Angst hatte, mein T-Shirt würde
Wellen schlagen.
Wortlos verließ er die Küche. Ich hörte ihn irgendwo herumkramen. Dann
kam er zurück und drückte mir, nun doch ein wenig von seinem eigenen Tun
überwältigt, seinen Zweitschlüssel in die Hand.
'Ich muss verrückt sein', stammelte er wirr.
'Hat deine Freundin eigentlich auch einen Schlüssel?', fragte ich.
Sein Ton veränderte sich augenblicklich.
'Nein', brummte er, 'Sie braucht auch keinen zu haben.' Ups.
Dieser Abend stand symbolisch für einige weitere, die in diesem August noch
folgen sollten: Wir saßen bei Kerzenschein auf der Terrasse, tranken Wein,
hielten uns zärtlich an den Händen, während im Hintergrund sanfte Musik
erklang. Leon war sehr bemüht, las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Rings
um uns war es still, es schien, als seien wir die einzigen Menschen weit und
breit. Was selbstverständlich daran lag, dass wir uns immer nur unter der Woche
sehen konnten und bald alles schlief, während wir oft bis weit nach Mitternacht
auf der Terrasse saßen und uns über Gott und die Welt unterhielten. Zur
romantischen Untermalung tauchte des Öfteren ein freundlich schimmernder
Mond über den Dächern der Stadt auf und tauchte die Szenerie in mattes Licht.
Es war eine Insel. Unsere Insel. Unvergesslich schön. Als sei es schon immer so
gewesen. Eine Schein-Harmonie. Die nur getrübt wurde durch die
allabendlichen Anrufe seiner Freundin. Nach denen Leon immer zurück auf die
Terrasse geschlichen kam wie ein geprügelter Hund. Und während er mir dann
übers Haar strich und mich auf die Stirn küsste, fühlte ich mich einfach nur
hilflos.
Das darauffolgende Wochenende verbrachte er bei seinem Sohn in Köln. Als
er am Sonntagabend zurück kam, erwartete ich ihn bereits wie verabredet in
seiner Küche. Ich hatte mich so auf ihn gefreut, hatte ihn furchtbar vermisst,
doch schon als er zur Tür hereinkam, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Er
schien sehr bedrückt, begrüßte mich nur halbherzig und setzte sich zu mir an den
Tisch. Nervös knetete er seine Hände. Konnte mir nicht in die Augen sehen.
'Wir müssen reden.'
Nach langer Zeit krampfte sich mein Magen mal wieder zusammen.
'Es kann so nicht mehr weitergehen.'
Jetzt wurde mir richtig schlecht.
'Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll. Ich bin so verwirrt, dass ich am
liebsten für eine Woche verschwinden würde. Einfach mal ganz ohne Frauen
sein.'
Scheiße. Das hörte sich gar nicht gut an. Aber es war absehbar gewesen. Denn
seit Tagen war er das personifizierte schlechte Gewissen.
'Auf der einen Seite du und die schönen Abende mit dir. Auf der anderen
Seite meine Freundin, die mir in den Ohren liegt, was denn bloß los wäre. Sie
wundert sich, warum ich in letzter Zeit immer so kurz angebunden bin am
Telefon. Sie spürt, dass ich mich von ihr entferne. Und ich weiß einfach nicht
mehr weiter. Irgendwie wächst mir das gerade alles über den Kopf.'
Ich sah ihm direkt in die Augen und hörte mich dann sagen:
'Gut. Dann sehen wir uns eben in der kommenden Woche nicht.'
Oh Gott...hatte ich das wirklich gerade gesagt???
Er sah mich nur an.
'Ok. Vielleicht hilft mir das ja.'