11
Claude Baumann WÄDENSWIL, MY LOVE Auszug aus “Peach Paper” 2/2011

Wädenswil my Love

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Claude Baumann: Wädenswil my Love Peach Property Group AG

Citation preview

Claude Baumann

WÄDENSWIL, MY LOVE

Auszug aus “Peach Paper” 2/2011

PEACH PAPER

381

1

MY

Woran liegt es, dass aus einer Stadt, die einem die längste Zeit egal war, plötzlich der Ort wird, den man liebt? Bei unserem Autor hatte es mit dem Geruch der Luft zu tun, und mit cher-chez la femme. Sowie, natürlich, damit, dass er in diese Stadt zog. Von Claude Baumann (Text) und Stephanie Gygax (Bilder)

WÄDENSWIL,LOVE

PEACH PAPER

38

1

1

MY

Woran liegt es, dass aus einer Stadt, die einem die längste Zeit egal war, plötzlich der Ort wird, den man liebt? Bei unserem Autor hatte es mit dem Geruch der Luft zu tun, und mit cher-chez la femme. Sowie, natürlich, damit, dass er in diese Stadt zog. Von Claude Baumann (Text) und Stephanie Gygax (Bilder)

WÄDENSWIL,LOVE

PEACH PAPERWÄDENSWIL

1

Ein Ort, an dem Pappeln ste- hen und wo die Luft nach Seewasser riecht – hier hat der Autor sein Zuhause gefunden.

Ich werde den Gesichtsausdruck meiner dama-ligen Arbeitskollegin Emma nie vergessen, als ich ihr sagte, dass ich in Wädenswil wohne. Er war weder erstaunt, noch verwundert. Schon gar nicht neugierig. Eher verständnislos bis entsetzt. Sie, überzeugte Städterin, konnte partout nicht verstehen, weshalb man «aufs Land» zieht, wie sie sagte. Alles Argumentieren nützte nichts, und mein Einwand, dass Wädenswil schliesslich auch eine Stadt sei, wirkte im besten Fall wie eine Rechtfertigung und im schlechtesten lächerlich.

Ehrlich gesagt, hatte ich früher ähnlich ge-dacht. Ich hätte mir nie vorstellen können, mei-ne Stadt Zürich gegen einen Flecken Agglomera-tion zu tauschen – bis ich Anfang der neunziger Jahre auf ein Inserat stiess, das eine kleine Dach-wohnung in Wädenswil am Zürichsee zu einem vernünftigen Preis anpries.

Der Rest ist Geschichte, die damit beginnt, dass ich am Abend eines 1. Augusts, des Schweizer Nationalfeiertags, allein in eben dieser Wohnung stand, mit fantastischem Blick auf den See und ei-

nem Feuerwerk am Nachthimmel darüber, und nicht mehr aus dem Staunen kam. Zu dem Zeit-punkt wusste ich noch wenig von diesem Ort, Wädenswil, ausser dass er bloss eine knappe hal-be Zugstunde von Zürich entfernt liegt und mir dennoch wie eine andere Welt vorkam – ein son-derbares Gefühl, doch nicht unangenehm.

Wädenswil, «Wädi» oder «Wädischwil» ge-nannt, ist eine mittelgrosse Stadt am oberen, lin-ken Zürichseeufer mit gut 20 000 Einwohnern; es gibt einen Autobahnanschluss, eine Schnell-zugverbindung (die Strecke zwischen Basel, Zü-rich und Chur) sowie zwei S-Bahnlinien und die Südostbahn, die nach Einsiedeln fährt. Und auf dem Zürichsee verkehren regelmässig sogenann-te Kursschiffe.

Tatsächlich habe ich mich dann in Wädens-wil schnell zurechtgefunden – im Rhythmus der Jahreszeiten sozusagen. Im Frühjahr, wenn die familiäre Eisbahn auf dem Seeplatz abgebaut und

die Strasse von den Fas-nachtskonfettis leergefegt wird, reizen erste Spazier-gänge durch die wieder

erwachende Natur. Und sobald es wärmer wird, beginnt die Schwimmsaison in der «Brättliba-di» hinter dem Bahnhof oder auf der kleinen Halbinsel beim «Rothus». Bis die grosse Wä-denswiler «Chilbi», am vorletzten Wochenende im August, das immer irgendwie überraschend schnell da ist, dem Hochsommer-Gefühl eine letzte Chance gibt. Es kann aber auch vorkom-men, dass ich noch im Oktober im See schwim-me – Wochen nach dem jährlichen Herbstmarkt und der Viehprämierung. In der Vorweihnachts-zeit schliesslich baut Marroni-Toni seine Bude am «Plätzli» auf und verkauft gebratene Marro-ni, Edelkastanien aus dem warmen Süden, und Mandarinen, Nüsse, Honig, getrocknete Feigen und Datteln gibt es auch bei ihm.

Das Marronibraten hat hier Tradition. Ange-fangen hat alles 1882, als Giacomo Togni, Berg-bauer aus dem Bleniotal im Tessin, im Winter seinen Verdienst mit einem mehrwöchigen Auf-enthalt am Zürichsee aufbesserte. Und weil die Wädenswiler seinen Namen nicht aussprechen konnten, heis sen die Marronibrater seither in je-der Genera tion Marroni-Toni. Lino Togni, der

Auf der Halbinsel Giessen in Wädenswil baut die Peach Property Group auf einem rund 30 000 Qua dratmeter grossen Gelände, mit über 400 Meter Seeanstoss, 100 Wohnungen in unterschied-lichen Grössen und mit ver- schiedenen Grund rissen. Zur Immobilien entwicklung «Peninsula» gehören etwa ein verkehrsfreier Park, ein Café, eine eigene Kinder-krippe, ein privates Hallen-schwimmbad mit Spa sowie Seeeinstiege. Auf dem Ge-lände gibt es zudem einen See- und Ruderclub.

PEACH PAPERWÄDENSWIL

1

Ein Ort, an dem Pappeln ste- hen und wo die Luft nach Seewasser riecht – hier hat der Autor sein Zuhause gefunden.

Ich werde den Gesichtsausdruck meiner dama-ligen Arbeitskollegin Emma nie vergessen, als ich ihr sagte, dass ich in Wädenswil wohne. Er war weder erstaunt, noch verwundert. Schon gar nicht neugierig. Eher verständnislos bis entsetzt. Sie, überzeugte Städterin, konnte partout nicht verstehen, weshalb man «aufs Land» zieht, wie sie sagte. Alles Argumentieren nützte nichts, und mein Einwand, dass Wädenswil schliesslich auch eine Stadt sei, wirkte im besten Fall wie eine Rechtfertigung und im schlechtesten lächerlich.

Ehrlich gesagt, hatte ich früher ähnlich ge-dacht. Ich hätte mir nie vorstellen können, mei-ne Stadt Zürich gegen einen Flecken Agglomera-tion zu tauschen – bis ich Anfang der neunziger Jahre auf ein Inserat stiess, das eine kleine Dach-wohnung in Wädenswil am Zürichsee zu einem vernünftigen Preis anpries.

Der Rest ist Geschichte, die damit beginnt, dass ich am Abend eines 1. Augusts, des Schweizer Nationalfeiertags, allein in eben dieser Wohnung stand, mit fantastischem Blick auf den See und ei-

nem Feuerwerk am Nachthimmel darüber, und nicht mehr aus dem Staunen kam. Zu dem Zeit-punkt wusste ich noch wenig von diesem Ort, Wädenswil, ausser dass er bloss eine knappe hal-be Zugstunde von Zürich entfernt liegt und mir dennoch wie eine andere Welt vorkam – ein son-derbares Gefühl, doch nicht unangenehm.

Wädenswil, «Wädi» oder «Wädischwil» ge-nannt, ist eine mittelgrosse Stadt am oberen, lin-ken Zürichseeufer mit gut 20 000 Einwohnern; es gibt einen Autobahnanschluss, eine Schnell-zugverbindung (die Strecke zwischen Basel, Zü-rich und Chur) sowie zwei S-Bahnlinien und die Südostbahn, die nach Einsiedeln fährt. Und auf dem Zürichsee verkehren regelmässig sogenann-te Kursschiffe.

Tatsächlich habe ich mich dann in Wädens-wil schnell zurechtgefunden – im Rhythmus der Jahreszeiten sozusagen. Im Frühjahr, wenn die familiäre Eisbahn auf dem Seeplatz abgebaut und

die Strasse von den Fas-nachtskonfettis leergefegt wird, reizen erste Spazier-gänge durch die wieder

erwachende Natur. Und sobald es wärmer wird, beginnt die Schwimmsaison in der «Brättliba-di» hinter dem Bahnhof oder auf der kleinen Halbinsel beim «Rothus». Bis die grosse Wä-denswiler «Chilbi», am vorletzten Wochenende im August, das immer irgendwie überraschend schnell da ist, dem Hochsommer-Gefühl eine letzte Chance gibt. Es kann aber auch vorkom-men, dass ich noch im Oktober im See schwim-me – Wochen nach dem jährlichen Herbstmarkt und der Viehprämierung. In der Vorweihnachts-zeit schliesslich baut Marroni-Toni seine Bude am «Plätzli» auf und verkauft gebratene Marro-ni, Edelkastanien aus dem warmen Süden, und Mandarinen, Nüsse, Honig, getrocknete Feigen und Datteln gibt es auch bei ihm.

Das Marronibraten hat hier Tradition. Ange-fangen hat alles 1882, als Giacomo Togni, Berg-bauer aus dem Bleniotal im Tessin, im Winter seinen Verdienst mit einem mehrwöchigen Auf-enthalt am Zürichsee aufbesserte. Und weil die Wädenswiler seinen Namen nicht aussprechen konnten, heis sen die Marronibrater seither in je-der Genera tion Marroni-Toni. Lino Togni, der

Auf der Halbinsel Giessen in Wädenswil baut die Peach Property Group auf einem rund 30 000 Qua dratmeter grossen Gelände, mit über 400 Meter Seeanstoss, 100 Wohnungen in unterschied-lichen Grössen und mit ver- schiedenen Grund rissen. Zur Immobilien entwicklung «Peninsula» gehören etwa ein verkehrsfreier Park, ein Café, eine eigene Kinder-krippe, ein privates Hallen-schwimmbad mit Spa sowie Seeeinstiege. Auf dem Ge-lände gibt es zudem einen See- und Ruderclub.

PEACH PAPERXXXXXX

4

7

Kursschiffe wie die MS Zimmerberg fahren viele auf dem Zürichsee. Das erste seiner Art war die «Minerva». Sie wurde 1835 zu Wasser gelassen.

PEACH PAPERXXXXXX

4

7

Kursschiffe wie die MS Zimmerberg fahren viele auf dem Zürichsee. Das erste seiner Art war die «Minerva». Sie wurde 1835 zu Wasser gelassen.

PEACH PAPERWÄDENSWIL

12

aktuelle Marroni-Toni und ebenfalls Bergbauer im Bleniotal, kommt seit 1963 jedes Jahr an den Zürichsee.

Natürlich ist es nicht gerecht, die Stadt auf Saisoneigenheiten zu reduzieren. Wädenswil ist für mich vor allem ein Gegenentwurf zum Ar-beitsalltag, dem ich mich in Zürich aussetze. Abends, wenn ich zurückkehre und aus dem Zug steige, könnte ich schwören, die Luft hier rieche besser. Dem Klischee nach wohl nach Seewasser, für mich einfach vertraut und einladend.

In solchen Augenblicken werde ich unterneh-mungslustig. Also spaziere ich zum Seeplatz, wo ich in der MS Glärnisch einkehre, einem Passa-gierschiff, das knapp eine Million Kilometer zu-rückgelegt hatte, bevor es 2007 im Hafen fest-gemacht wurde. Im Sommer sitzt man im Heck und träumt, leicht schaukelnd, von Ferien am Meer (oder wovon auch immer). Im Winter gibt’s Fondue und, montags, «Moules et Frites», beson-ders stimmungsvoll an klaren Abenden, wenn der Mond auf den See scheint. Oder ich setze mich in das Wädi-Brau-Huus, das vor etwa zwanzig Jahren im ganzen Land beachtet wurde, als es das erste Bio-Hanf-Bier auf den Markt brachte. Manche Kellner nehmen einen alten Brauch des Hauses noch immer ernst: Solange man keinen Bierdeckel auf sein ausgetrunkenes Glas setzt, wird einem, ungefragt, ein neues, frisch gezapf-tes Bier hingestellt.

Obschon Wädenswil seit rund 40 Jahren of-fiziell eine Stadt ist, sprechen die Einheimischen nach wie vor von «Dorf», was bisweilen etwas untertrieben ist. Immerhin hat dieses «Dorf» zum Beispiel das Schloss Cinéma, angeblich das bequemste Landkino am Zürichsee, wo Sascha Heubacher ein täglich wechselndes Programm zeigt. Und es gibt das Theater Ticino, das der Betreiber Ueli Burkhardt über Jahre zu einem überregionalen Anziehungspunkt für beste Klein-kunst und Jazzmusik aufgebaut hat. Von über-allher kommen Gäste in das Coriander Leaf, ein asiatisches Restaurant, das der Singapur-Chinese Albert Tan vor wenigen Jahren im Volkshaus er-öffnete – zuvor gab es viele Pächterwechsel, und das heruntergekommene Ergebnis war ein Lokal, in das die meisten keinen Fuss gesetzt hätten. Heu-

te bleiben Leute bis mitten in der Nacht in dem, kann man schreiben, angesagtesten Asia-Cuisine-Spot am Zürichsee.

Ich wohnte bereits einige Jahre in Wädenswil, als ich meine Arbeitskollegin Emma, die Städte-rin, einmal «auf das Land», also nach Wädens-wil einlud. Nachdem ich sie am Bahnhof abge-holt hatte, spazierten wir zur Halbinsel Au, wo es eine Anhöhe gibt, von der man eine atembe-raubende Aussicht auf den oberen Zürichsee hat. Ich erzählte Emma von der Familie des Schaff-hauser Industriellen und Uhrenfabrikanten Hein-rich Moser, die hier gewohnt hatte. Während die eine Tochter, Fanny, zu einer Kapazität auf dem Gebiet der Parapsychologie und des Okkultis-mus aufstieg und mit C.G. Jung befreundet war, enga gierte sich die zweite Tochter, Mentona, im Sozia len und Karitativen. Dank ihres Erbes war sie wirtschaftlich unabhängig. Sie wandte sich dem Kommunismus zu, 1950 bot ihr Wilhelm Pieck, der erste Präsident der DDR, die Staats-bürgerschaft und die Übersiedlung nach Berlin an, was Mentona annahm. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod mit 96 Jahren; auf dem Ehrenfried-hof der DDR erhielt sie ein Staatsbegräbnis.

Für meine damalige Arbeitskollegin hatte ich noch weitere Geschichten auf Lager. Zurück im «Dorf» erzählte ich, dass Wädenswil die gröss-te Stadt Europas ohne Verkehrsampeln sei, und ich zeigte Emma das Haus «Abendstern», wo der Schriftsteller Robert Walser eine Zeit lang ge-wohnt hatte und sein grosser Roman «Der Ge-hülfe» spielt. Danach setzte ich zu einem Vortrag an über Wädenswils Vorteile als Bildungsstand-ort. Ich führte dafür meine Kollegin zuerst zur Eidgenössischen Forschungsanstalt beim Schloss Wädenswil und dann zur Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit ihren fast end-losen Gärten, die im Grund zu jeder Jahreszeit bestaunenswert sind. Und plötzlich sagte Emma: «Hier gefällt es mir.»

Über die Jahre habe ich einige Male meinen Wohnort in Wädenswil gewechselt. Nie wäre es mir aber in den Sinn gekommen, nach Zürich zu-rückzukehren. Warum auch? Inzwischen kenne

ich die besten Bauernhof-läden der Gegend, weiss, welche Bäcker am Sonn-tag die feinsten Zöpfe ba-

1. «Coriander Leaf» – das asiatische Restaurant am See; 2. Yoga-Trainerin Luzia Bertschinger; 3. Burgruine Alt-Wädenswil; 4. Brauerei und Restaurant «Wädi- Brau-Haus»

1

3

4

2

Zukünftiger Dorfplatz der Siedlung «Peninsula» von Peach Property (Computerbild)

PEACH PAPERWÄDENSWIL

12

aktuelle Marroni-Toni und ebenfalls Bergbauer im Bleniotal, kommt seit 1963 jedes Jahr an den Zürichsee.

Natürlich ist es nicht gerecht, die Stadt auf Saisoneigenheiten zu reduzieren. Wädenswil ist für mich vor allem ein Gegenentwurf zum Ar-beitsalltag, dem ich mich in Zürich aussetze. Abends, wenn ich zurückkehre und aus dem Zug steige, könnte ich schwören, die Luft hier rieche besser. Dem Klischee nach wohl nach Seewasser, für mich einfach vertraut und einladend.

In solchen Augenblicken werde ich unterneh-mungslustig. Also spaziere ich zum Seeplatz, wo ich in der MS Glärnisch einkehre, einem Passa-gierschiff, das knapp eine Million Kilometer zu-rückgelegt hatte, bevor es 2007 im Hafen fest-gemacht wurde. Im Sommer sitzt man im Heck und träumt, leicht schaukelnd, von Ferien am Meer (oder wovon auch immer). Im Winter gibt’s Fondue und, montags, «Moules et Frites», beson-ders stimmungsvoll an klaren Abenden, wenn der Mond auf den See scheint. Oder ich setze mich in das Wädi-Brau-Huus, das vor etwa zwanzig Jahren im ganzen Land beachtet wurde, als es das erste Bio-Hanf-Bier auf den Markt brachte. Manche Kellner nehmen einen alten Brauch des Hauses noch immer ernst: Solange man keinen Bierdeckel auf sein ausgetrunkenes Glas setzt, wird einem, ungefragt, ein neues, frisch gezapf-tes Bier hingestellt.

Obschon Wädenswil seit rund 40 Jahren of-fiziell eine Stadt ist, sprechen die Einheimischen nach wie vor von «Dorf», was bisweilen etwas untertrieben ist. Immerhin hat dieses «Dorf» zum Beispiel das Schloss Cinéma, angeblich das bequemste Landkino am Zürichsee, wo Sascha Heubacher ein täglich wechselndes Programm zeigt. Und es gibt das Theater Ticino, das der Betreiber Ueli Burkhardt über Jahre zu einem überregionalen Anziehungspunkt für beste Klein-kunst und Jazzmusik aufgebaut hat. Von über-allher kommen Gäste in das Coriander Leaf, ein asiatisches Restaurant, das der Singapur-Chinese Albert Tan vor wenigen Jahren im Volkshaus er-öffnete – zuvor gab es viele Pächterwechsel, und das heruntergekommene Ergebnis war ein Lokal, in das die meisten keinen Fuss gesetzt hätten. Heu-

te bleiben Leute bis mitten in der Nacht in dem, kann man schreiben, angesagtesten Asia-Cuisine-Spot am Zürichsee.

Ich wohnte bereits einige Jahre in Wädenswil, als ich meine Arbeitskollegin Emma, die Städte-rin, einmal «auf das Land», also nach Wädens-wil einlud. Nachdem ich sie am Bahnhof abge-holt hatte, spazierten wir zur Halbinsel Au, wo es eine Anhöhe gibt, von der man eine atembe-raubende Aussicht auf den oberen Zürichsee hat. Ich erzählte Emma von der Familie des Schaff-hauser Industriellen und Uhrenfabrikanten Hein-rich Moser, die hier gewohnt hatte. Während die eine Tochter, Fanny, zu einer Kapazität auf dem Gebiet der Parapsychologie und des Okkultis-mus aufstieg und mit C.G. Jung befreundet war, enga gierte sich die zweite Tochter, Mentona, im Sozia len und Karitativen. Dank ihres Erbes war sie wirtschaftlich unabhängig. Sie wandte sich dem Kommunismus zu, 1950 bot ihr Wilhelm Pieck, der erste Präsident der DDR, die Staats-bürgerschaft und die Übersiedlung nach Berlin an, was Mentona annahm. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod mit 96 Jahren; auf dem Ehrenfried-hof der DDR erhielt sie ein Staatsbegräbnis.

Für meine damalige Arbeitskollegin hatte ich noch weitere Geschichten auf Lager. Zurück im «Dorf» erzählte ich, dass Wädenswil die gröss-te Stadt Europas ohne Verkehrsampeln sei, und ich zeigte Emma das Haus «Abendstern», wo der Schriftsteller Robert Walser eine Zeit lang ge-wohnt hatte und sein grosser Roman «Der Ge-hülfe» spielt. Danach setzte ich zu einem Vortrag an über Wädenswils Vorteile als Bildungsstand-ort. Ich führte dafür meine Kollegin zuerst zur Eidgenössischen Forschungsanstalt beim Schloss Wädenswil und dann zur Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit ihren fast end-losen Gärten, die im Grund zu jeder Jahreszeit bestaunenswert sind. Und plötzlich sagte Emma: «Hier gefällt es mir.»

Über die Jahre habe ich einige Male meinen Wohnort in Wädenswil gewechselt. Nie wäre es mir aber in den Sinn gekommen, nach Zürich zu-rückzukehren. Warum auch? Inzwischen kenne

ich die besten Bauernhof-läden der Gegend, weiss, welche Bäcker am Sonn-tag die feinsten Zöpfe ba-

1. «Coriander Leaf» – das asiatische Restaurant am See; 2. Yoga-Trainerin Luzia Bertschinger; 3. Burgruine Alt-Wädenswil; 4. Brauerei und Restaurant «Wädi- Brau-Haus»

1

3

4

2

Zukünftiger Dorfplatz der Siedlung «Peninsula» von Peach Property (Computerbild)

PEACH PAPERXXXXXX

MS GlärnischSeeplatz 18820 WädenswilTelefon 044 780 16 66

Wädi-Brau-HuusFlorhofstrasse 13  8820 WädenswilTelefon 044 782 66 55

Schloss CinémaSchlossbergstrasse 78820 WädenswilTelefon 044 780 05 55

Theater TicinoSeestrasse 578802 WädenswilTelefon 044 780 93 58

Coriander LeafSchönenbergstrasse 258820 WädenswilTelefon 044 780 31 41

Coiffeurgeschäft CarmenSeestrasse 1308820 WädenswilTelefon 044 780 35 93

Planet Trash CD-StoreSeestrasse 1278820 WädenswilTelefon 044 780 68 80

WÄDENSWIL FAKTENWädenswil, 407 Meter über dem Meer, liegt im Kanton Zürich und gehört zum Bezirk Horgen. Ende 2010 wohnten 20 376 Personen in der Stadt. Erstmals urkundlich genannt wird der Ort im Jahr 1130, als in einem Stiftungsbrief des Klos-ters Fahr die Freiherren von «Wadinswilere» erwähnt sind, wobei die Echtheit des Doku-ments nicht bewiesen ist. Fest steht hingegen, dass die noblen Herren ihren Wohnsitz auf der Burg Alt-Wädenswil hatten, die als Ruine noch existiert, sich kurioserweise aber auf dem Boden der Nachbargemeinde Richterswil befindet. Zu überregionaler Bedeutung gelangte «Wädensweil», wie die Gemeinde bis 1903 hiess, im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung. Der Ort entwickelte sich zu einem Zentrum der Textilindustrie. Inzwischen haben Forschung und Ausbildung die Industrie mehrheitlich abgelöst. Mit der Eidgenössischen Forschungs-anstalt und der Zürcher Hoch-schule für Angewandte Wis-senschaften (ZHAW) hat sich Wädenswil zu einem Bildungs-standort gewandelt.

«Nie käme es mir in den Sinn, nach Zürich zurück zu ziehen», schreibt der Autor.

cken, habe in der Stadt, in der es – keine Ahnung, weshalb – gut zwei Dutzend Coiffeur-Geschäf-te gibt, meine Lieblings-Coiffeuse Carmen, die mir, immer noch mit Hingabe, mein schütteres Haar kürzt, und kaufe mir danach im gegenüber-liegenden Second-Hand-CD-Store «Planet Trash» ein paar gebrauchte Silberlinge. Ich schätze die Fachsimpelei mit Rolf Kaser, dem Ladenbesitzer, der etwa so alt ist wie ich und mit seiner Band «Poison Ivvy» zu den Ur-Punks der Schweiz ge-hört. Wenn man sein grandioses musikalisches Talent (zwischen «Iggy-Pop-Tribut» und «Surf-Parodie» à la Ramones) erkennt, bekommt das Le-ben in Wädenswil sogar ein wenig Beatnik-Poesie.

Mit einigen alten, für mich jedoch neuen CDs spaziere ich nach Hause. Früher ging ich hier mit meinen Söhnen spazieren. Als Teenager orientie-ren sie sich heute eher nach Zürich. Sie müssen sich und den Freunden in der grossen Stadt noch etwas beweisen. Ich muss das weniger, denke ich.

Manchmal sagt meine Frau, die, bevor ich es vergesse, Emma heisst: «Ich werde deinen Ge-sichtsausdruck nie vergessen, als du mir mit viel Überzeugung gesagt hast, dass du in Wädens-wil wohnst.»

PEACH PAPERXXXXXX

MS GlärnischSeeplatz 18820 WädenswilTelefon 044 780 16 66

Wädi-Brau-HuusFlorhofstrasse 13  8820 WädenswilTelefon 044 782 66 55

Schloss CinémaSchlossbergstrasse 78820 WädenswilTelefon 044 780 05 55

Theater TicinoSeestrasse 578802 WädenswilTelefon 044 780 93 58

Coriander LeafSchönenbergstrasse 258820 WädenswilTelefon 044 780 31 41

Coiffeurgeschäft CarmenSeestrasse 1308820 WädenswilTelefon 044 780 35 93

Planet Trash CD-StoreSeestrasse 1278820 WädenswilTelefon 044 780 68 80

WÄDENSWIL FAKTENWädenswil, 407 Meter über dem Meer, liegt im Kanton Zürich und gehört zum Bezirk Horgen. Ende 2010 wohnten 20 376 Personen in der Stadt. Erstmals urkundlich genannt wird der Ort im Jahr 1130, als in einem Stiftungsbrief des Klos-ters Fahr die Freiherren von «Wadinswilere» erwähnt sind, wobei die Echtheit des Doku-ments nicht bewiesen ist. Fest steht hingegen, dass die noblen Herren ihren Wohnsitz auf der Burg Alt-Wädenswil hatten, die als Ruine noch existiert, sich kurioserweise aber auf dem Boden der Nachbargemeinde Richterswil befindet. Zu überregionaler Bedeutung gelangte «Wädensweil», wie die Gemeinde bis 1903 hiess, im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung. Der Ort entwickelte sich zu einem Zentrum der Textilindustrie. Inzwischen haben Forschung und Ausbildung die Industrie mehrheitlich abgelöst. Mit der Eidgenössischen Forschungs-anstalt und der Zürcher Hoch-schule für Angewandte Wis-senschaften (ZHAW) hat sich Wädenswil zu einem Bildungs-standort gewandelt.

«Nie käme es mir in den Sinn, nach Zürich zurück zu ziehen», schreibt der Autor.

cken, habe in der Stadt, in der es – keine Ahnung, weshalb – gut zwei Dutzend Coiffeur-Geschäf-te gibt, meine Lieblings-Coiffeuse Carmen, die mir, immer noch mit Hingabe, mein schütteres Haar kürzt, und kaufe mir danach im gegenüber-liegenden Second-Hand-CD-Store «Planet Trash» ein paar gebrauchte Silberlinge. Ich schätze die Fachsimpelei mit Rolf Kaser, dem Ladenbesitzer, der etwa so alt ist wie ich und mit seiner Band «Poison Ivvy» zu den Ur-Punks der Schweiz ge-hört. Wenn man sein grandioses musikalisches Talent (zwischen «Iggy-Pop-Tribut» und «Surf-Parodie» à la Ramones) erkennt, bekommt das Le-ben in Wädenswil sogar ein wenig Beatnik-Poesie.

Mit einigen alten, für mich jedoch neuen CDs spaziere ich nach Hause. Früher ging ich hier mit meinen Söhnen spazieren. Als Teenager orientie-ren sie sich heute eher nach Zürich. Sie müssen sich und den Freunden in der grossen Stadt noch etwas beweisen. Ich muss das weniger, denke ich.

Manchmal sagt meine Frau, die, bevor ich es vergesse, Emma heisst: «Ich werde deinen Ge-sichtsausdruck nie vergessen, als du mir mit viel Überzeugung gesagt hast, dass du in Wädens-wil wohnst.»