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Lichtverzögerung im Chip In einer Glasfaser wurde Infrarotlicht auf ein 1200-stel der Lichtgeschwindigkeit abgebremst Wenn sich Licht in einer gasgefüllten hohlen Glasfaser ausbreitet, aus der es seitlich nicht entweichen kann, wechsel- wirkt es sehr intensiv mit den Gasatomen. Dadurch treten auch schon bei geringen Lichtintensitäten nichtlineare optische Ef- fekte auf, die man nutzen kann, um mit einem Lichtstrahl einen anderen zu steu- ern. So reichen schon wenige Photonen aus, um durch elektromagnetisch indu- zierte Transparenz (EIT) eine mit Rubidi- umgas gefüllte Faser lichtdurchlässig zu machen. Jetzt haben US-amerikanische Forscher infrarote Lichtpulse in solch einer Glasfaser mit Hilfe der EIT auf 250 km/s abgebremst. Damit konnte Licht erstmals in einem Chip verlangsamt werden. Vor elf Jahren hatten Lene Vestergaard Hau und ihre Kollegen Lichtpulse auf 17 m/s ab- gebremst, indem sie das Licht durch ein Bo- se-Einstein-Kondensat aus Natriumatomen laufen ließen. Das Kondensat hatten sie durch Bestrahlung mit Laserlicht für die Lichtpulse transparent gemacht. Laserlicht und Lichtpulse brachten die Atome aus zwei unterschiedlichen Ausgangszuständen in einen gemeinsamen Endzustand. Hatte das Licht eine bestimmte Frequenz, so kam es zu destruktiver Interferenz zwischen den beiden Anregungsvorgängen und die Pulse konnten die Atome nicht mehr anregen. Es trat EIT auf. Bei einer kleinen Ver- änderung der Lichtfrequenz änderten sich die optischen Eigenschaften des Kondensats er- heblich, wodurch der Brechungsindex giganti- sche Werte annahm und die Geschwindigkeit der Pulse sehr klein wurde. Diesen Effekt, wenn auch in abge- schwächter Form, haben jetzt Holger Schmidt von der UC Santa Cruz und seine Kollegen von der Brigham Young University in einem daumennagelgroßen Chip beob- achtet. Den Chip hatten sie aus einem von ihnen produzierten Wafer herausgetrennt, der insgesamt 32 solcher Chips enthielt. Im Innern eines Chips befand sich eine Glasfaser, deren Kern einen niedrigen Bre- chungsindex hatte. Der Kern war von unter- schiedlichen dielektrischen Schichten aus Si- liziumoxid und Siliziumnitrid umgeben, die so bemessen waren, dass sie das Licht fast vollständig reflektierten und daran hinder- ten, seitlich aus der Faser zu entweichen. Im mittleren Drittel der etwa 1 cm lan- gen Faser war der Kern hohl. Dieser etwa 10 µm durchmessende Tunnel hatte an sei- nen beiden Enden seitliche Ausgänge, die mit gasgefüllten, versiegelten Reservoirs verbunden waren. Aus ihnen diffundierte das Rubidiumgas in den hohlen Glasfaser- kern und erreichte dort bei einer Tempera- tur von 80 °C eine atomare Dichte von etwa 10 12 cm -3 , wie Lichtabsorptionsmessungen ergaben. Zur Minimierung des Einflusses der Kollision der Atome mit den Wänden wurde der Tunnel von innen beschichtet. Dann konnte die Lichtverzögerung be- ginnen. Dazu schickten die Forscher einen Kontroll- und einen Sondenstrahl durch die Glasfaser, die im hohlen Teil der Faser die Atome anregten. Der Kontrollstrahl war ex- akt auf den Übergang 5S 1/2 (F=3) 5P 3/2 (F=3) abgestimmt, der Sondenstrahl nahezu auf den Übergang 5S 1/2 (F=2) 5P 3/2 (F=3). Beide Übergänge hatten also denselben oberen Zustand, sodass die Voraussetzungen für EIT erfüllt waren. Die Intensität des am an- deren Ende der Glasfaser wieder austreten- den Sondenstrahls wurde in Abhängigkeit von seiner Frequenz gemessen. Kam die Frequenz des Sondenstrahls der zugehöri- gen atomaren Übergangsfrequenz näher, so nahm zunächst die Lichtdurchlässigkeit der Faser ab, um aber an der Übergangsfre- quenz deutlich zuzunehmen. Die gasgefüll- te Faser war transparent geworden. In diesem Frequenzbereich untersuchten die Forscher, ob sich der Sondenstrahl verlang- samt ausbreitete. Mit einem optoakustischen Modulator formten sie aus dem Strahl 20 ns lange Pulse, deren Ausbreitung durch die gas- gefüllte Faser sie mit der Ausbreitung von Re- ferenzpulsen außerhalb des Chips verglichen. Dabei traten zeitliche Verzögerungen der Sondenpulse von bis zu 16 ns auf. Die Länge der Pulse wurde im Chip von 6 m auf 5 mm gestaucht. Ihre Gruppengeschwindigkeit lag bei 250 km/s, was einem Brechungsindex von 1200 entspricht. Die gasgefüllte Glasfaser verlangsamte demnach das Licht siebenmal stärker als man es bisher mit Glasfasern aus photonischen Kristallen erreichen konnte. Schaltet man den Kontrollstrahl aus, so verschwindet die EIT. Macht man dies, während der Sondenpuls in der Faser ist, so kommt er zum Stillstand und wird als lokale Anregung der Atome „eingefroren“. Schal- tet man den Kontrollstrahl wieder ein, so kann der Lichtimpuls im Idealfall seine Reise in der Lichtfaser fortsetzen. Auf diese Weise ließen sich mit dem Chip optische Informa- tionen speichern. Die hohe Temperatur des Rubidiumgases könnte allerdings die Quali- tät des Speichers beeinträchtigen. Doch in jedem Fall eröffnet der lichtbremsende Chip interessante Möglichkeiten für die optische Informationsverarbeitung. Rainer Scharf Weitere Infos: - mic quantum state control. Nature Photonics (online 5.9.2010), dx.doi.org/10.1038/npho- ton.2010.211 et.byu.net/ - res per second in an ultracold atomic gas. Nature 397, 594 (1999), dx.doi.org/10.1038/17561 pro-physik.de (29.5.2009), www.pro-physik.de/ Phy/leadArticle.do?laid=11852 ABB.: Ein Wafer mit lichtbremsenden Chips. & TECHNIK 20 & © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Lichtverzögerung im Chip : In einer Glasfaser wurde Infrarotlicht auf ein 1200-stel der Lichtgeschwindigkeit abgebremst

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Lichtverzögerung im ChipIn einer Glasfaser wurde Infrarotlicht auf ein 1200-stel der Lichtgeschwindigkeit abgebremst

Wenn sich Licht in einer gasgefüllten hohlen Glasfaser ausbreitet, aus der es seitlich nicht entweichen kann, wechsel-wirkt es sehr intensiv mit den Gasatomen. Dadurch treten auch schon bei geringen Lichtintensitäten nichtlineare optische Ef-fekte auf, die man nutzen kann, um mit einem Lichtstrahl einen anderen zu steu-ern. So reichen schon wenige Photonen aus, um durch elektromagnetisch indu-zierte Transparenz (EIT) eine mit Rubidi-umgas gefüllte Faser lichtdurchlässig zu machen. Jetzt haben US-amerikanische Forscher infrarote Lichtpulse in solch einer Glasfaser mit Hilfe der EIT auf 250 km/s abgebremst. Damit konnte Licht erstmals in einem Chip verlangsamt werden.

Vor elf Jahren hatten Lene Vestergaard Hau und ihre Kollegen Lichtpulse auf 17 m/s ab-gebremst, indem sie das Licht durch ein Bo-se-Einstein-Kondensat aus Natriumatomen laufen ließen. Das Kondensat hatten sie durch Bestrahlung mit Laserlicht für die Lichtpulse transparent gemacht. Laserlicht und Lichtpulse brachten die Atome aus zwei unterschiedlichen Ausgangszuständen in einen gemeinsamen Endzustand. Hatte das Licht eine bestimmte Frequenz, so kam es zu destruktiver Interferenz zwischen den beiden Anregungsvorgängen und die Pulse konnten die Atome nicht mehr anregen. Es trat EIT auf. Bei einer kleinen Ver-änderung der Lichtfrequenz änderten sich die optischen Eigenschaften des Kondensats er-heblich, wodurch der Brechungsindex giganti-sche Werte annahm und die Geschwindigkeit der Pulse sehr klein wurde.

Diesen Effekt, wenn auch in abge-schwächter Form, haben jetzt Holger Schmidt von der UC Santa Cruz und seine Kollegen von der Brigham Young University in einem daumennagelgroßen Chip beob-achtet. Den Chip hatten sie aus einem von ihnen produzierten Wafer herausgetrennt, der insgesamt 32 solcher Chips enthielt. Im Innern eines Chips befand sich eine Glasfaser, deren Kern einen niedrigen Bre-chungsindex hatte. Der Kern war von unter-schiedlichen dielektrischen Schichten aus Si-

liziumoxid und Siliziumnitrid umgeben, die so bemessen waren, dass sie das Licht fast vollständig reflektierten und daran hinder-ten, seitlich aus der Faser zu entweichen.

Im mittleren Drittel der etwa 1 cm lan-gen Faser war der Kern hohl. Dieser etwa 10 µm durchmessende Tunnel hatte an sei-nen beiden Enden seitliche Ausgänge, die mit gasgefüllten, versiegelten Reservoirs verbunden waren. Aus ihnen diffundierte das Rubidiumgas in den hohlen Glasfaser-kern und erreichte dort bei einer Tempera-tur von 80 °C eine atomare Dichte von etwa 1012 cm-3, wie Lichtabsorptionsmessungen ergaben. Zur Minimierung des Einflusses der Kollision der Atome mit den Wänden wurde der Tunnel von innen beschichtet.

Dann konnte die Lichtverzögerung be-ginnen. Dazu schickten die Forscher einen Kontroll- und einen Sondenstrahl durch die Glasfaser, die im hohlen Teil der Faser die Atome anregten. Der Kontrollstrahl war ex-akt auf den Übergang 5S1/2(F=3) 5P3/2(F=3)abgestimmt, der Sondenstrahl nahezu auf den Übergang 5S1/2(F=2) 5P3/2(F=3). Beide Übergänge hatten also denselben oberen Zustand, sodass die Voraussetzungen für EIT erfüllt waren. Die Intensität des am an-deren Ende der Glasfaser wieder austreten-den Sondenstrahls wurde in Abhängigkeit von seiner Frequenz gemessen. Kam die Frequenz des Sondenstrahls der zugehöri-gen atomaren Übergangsfrequenz näher, so nahm zunächst die Lichtdurchlässigkeit der Faser ab, um aber an der Übergangsfre-quenz deutlich zuzunehmen. Die gasgefüll-te Faser war transparent geworden.

In diesem Frequenzbereich untersuchten die Forscher, ob sich der Sondenstrahl verlang-samt ausbreitete. Mit einem optoakustischen Modulator formten sie aus dem Strahl 20 ns lange Pulse, deren Ausbreitung durch die gas-gefüllte Faser sie mit der Ausbreitung von Re-ferenzpulsen außerhalb des Chips verglichen. Dabei traten zeitliche Verzögerungen der Sondenpulse von bis zu 16 ns auf. Die Länge der Pulse wurde im Chip von 6 m auf 5 mm gestaucht. Ihre Gruppengeschwindigkeit lag bei 250 km/s, was einem Brechungsindex von 1200 entspricht. Die gasgefüllte Glasfaser verlangsamte demnach das Licht siebenmal stärker als man es bisher mit Glasfasern aus photonischen Kristallen erreichen konnte.

Schaltet man den Kontrollstrahl aus, so verschwindet die EIT. Macht man dies, während der Sondenpuls in der Faser ist, so kommt er zum Stillstand und wird als lokale Anregung der Atome „eingefroren“. Schal-tet man den Kontrollstrahl wieder ein, so kann der Lichtimpuls im Idealfall seine Reise in der Lichtfaser fortsetzen. Auf diese Weise ließen sich mit dem Chip optische Informa-tionen speichern. Die hohe Temperatur des Rubidiumgases könnte allerdings die Quali-tät des Speichers beeinträchtigen. Doch in jedem Fall eröffnet der lichtbremsende Chip interessante Möglichkeiten für die optische Informationsverarbeitung.

Rainer Scharf

Weitere Infos:

-

mic quantum state control. Nature Photonics

(online 5.9.2010), dx.doi.org/10.1038/npho-

ton.2010.211

et.byu.net/

-

res per second in an ultracold atomic gas. Nature

397, 594 (1999), dx.doi.org/10.1038/17561

pro-physik.de (29.5.2009), www.pro-physik.de/

Phy/leadArticle.do?laid=11852

ABB.: Ein Wafer mit lichtbremsenden Chips.

& TECHNIK

20 & © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim