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Lidocain – intravenöse Applikation zur perioperativen Analgesie Nico Krüger NDS HF Anästhesiepflege Kurs H 15 Spital Zollikerberg 04.04.2017

Lidocain – intravenöse Applikation zur perioperativen ... · 3 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Im Rahmen meines Nachdiplomstudiums der Anästhesiepflege haben mich der umfangreiche

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Lidocain – intravenöse Applikation zur perioperativen Analgesie Nico Krüger

NDS HF Anästhesiepflege

Kurs H 15

Spital Zollikerberg

04.04.2017

Zusammenfassung

Die perioperative Schmerztherapie mit Lidocain stellt eine sichere Alternative zur konventionellen Therapie dar. Speziell in der Abdomialchirurgie erweist sie sich als besonders effektiv. Für diese Patientengruppe zeigt sich eine deutliche Opiateinsparung, die hinsichtlich der Reduktion von opiatbedingten Nebenwirkungen sehr vorteilhaft ist. Das anästhesiologische Management ist sehr wichtig, um eine patientensichere und erfolgreiche Anwendung zu garantieren. Aus diesem Grund wurden wichtige Informationen und Erkenntnisse zu diesem Anästhesieverfahren zusammengefasst. Diese Arbeit befasst sich allgemein mit dem Medikament Lidocain, der sicheren analgetischen intravenösen Anwendung sowie mit dem Erkennen und Behandeln von Komplikationen. Meine Diplomarbeit soll dem Leser Sicherheit im klinischen Alltag geben und bei der Umsetzung dieser analgetischen Anwendung unterstützen. Während der gesamten Diplomarbeit wird zur Vereinfachung die männliche Form verwendet, welche für beide Geschlechter Gültigkeit findet.

Version 3.0

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ......................................................................................................... 3

1.1 Ausgangslage .............................................................................................. 31.2 Fragestellung .............................................................................................. 31.3 Abgrenzung ................................................................................................ 3

2 Lokalanästhetika ................................................................................................ 42.1 Geschichte der Lokalanästhetika .................................................................... 42.2 Unterteilung der Lokalanästhetika .................................................................. 42.3 Wirkungsmechanismus ................................................................................. 5

3 Lidocain ............................................................................................................ 63.1 Pharmakologische Daten ............................................................................... 63.2 Anwendung ................................................................................................. 63.3 Metabolisierung ........................................................................................... 73.4 Dosierung ................................................................................................... 73.5 Interaktionen mit Pharmaka .......................................................................... 73.6 Kontraindikationen ....................................................................................... 83.7 Nebenwirkungen .......................................................................................... 83.8 Zulassungsbestimmungen ............................................................................. 8

4 Intravenöses Applikation in der perioperativen Analgesie ......................................... 94.1 Praktische Anwendung .................................................................................. 94.2 Dosierung .................................................................................................. 104.3 Patientensicherheit ...................................................................................... 104.4 Überwachungsmassnahmen ......................................................................... 114.5 Geeignete Patientengruppen ......................................................................... 12

5 Lokalanästhetika-Intoxikation ............................................................................ 125.1 Symptome der Lokalanästhetika-Intoxikation ................................................. 125.2 Therapie .................................................................................................... 13

6 Merkblätter ..................................................................................................... 156.1 Intravenöse perioperative Applikation von Lidocain .......................................... 156.2 Lokalanästhetika-Intoxikation ....................................................................... 16

7 Fazit .............................................................................................................. 178 Anhang ........................................................................................................... 19

8.1 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 208.2 Onlineverzeichnis ........................................................................................ 218.3 Abbildungsverzeichnis ................................................................................. 218.4 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ 228.5 Selbständigkeitserklärung ............................................................................ 238.6 Veröffentlichungs- und Verfügungsrecht ......................................................... 23

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1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Im Rahmen meines Nachdiplomstudiums der Anästhesiepflege haben mich der umfangreiche Einsatzbereich und die entsprechenden Varianten der Analgesie sehr fasziniert. Ich erkannte, welchen hohen Stellenwert eine suffiziente Analgesie im anästhesiologischen Management hat. Daher entwickelte ich schnell Interesse für die speziellen analgetischen Medikamente sowie deren enormes Potenzial. Während meiner Praktika im Kinderspital Basel und im Universitätsspital Zürich wurde ich erstmalig mit der intravenösen Applikation von Lidocain konfrontiert, um einen analgetischen Effekt zu erzielen. Diese Art der adjuvanten Massnahme und die Kombinationsmöglichkeiten des Lidocains waren mir bisher unbekannt und begeisterten mich umgehend. Ich beobachtete mehrfach, dass unter der Anwendung von Lidocain der intraoperative Opiatbedarf deutlich reduziert und die erste postoperative Phase im Aufwachraum von den Patienten als angenehm empfunden wurde. In Gesprächen mit diversen anästhesiologischen Fachleuten wurden mir diese positiven Erfahrungen mehrfach bestätigt. Trotz dieser positiven Anwenderergebnisse wurden aber auch die entsprechenden Risiken als sehr bedenkenswert beschrieben. Da ich mit diesem beeindruckenden Thema nicht vertraut war und es auch aus meinen Ausbildungsspital nicht kannte, war ich schnell motiviert, dies zum Thema meiner Diplomarbeit zu machen. Mein Ziel in dieser Diplomarbeit ist es, die analgetischen Vorteile von Lidocain aufzuzeigen und dem Leser Unterstützung zu geben, um eine sichere intravenöse Anwendung zu gewährleisten.

1.2 Fragestellung

Welche Erkenntnisse präsentieren sich, um eine sichere intravenöse Applikation von Lidocain zu garantieren und zugleich einen analgetischen Effekt zu erzielen?

1.3 Abgrenzung

Lidocain ist ein sehr bekanntes Medikament, das täglich in verschiedensten Bereichen der Medizin Anwendung findet. Im Rahmen dieser Diplomarbeit richte ich den Fokus auf die analgetische Komponente von Lidocain. Vollständigkeitshalber werden auch andere Anwendungsmöglichkeiten erwähnt. Diese Diplomarbeit befasst sich ausschliesslich mit der Anwendung bei Erwachsenen nach der Vollendung des 18. Lebensjahres.

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2 Lokalanästhetika

2.1 Geschichte der Lokalanästhetika

Der Wiener Augenarzt Carl Koller gilt als Begründer der Lokalanästhesie. Er verwendete im Jahre 1884 erstmalig Cokain in der Ophthalmologie, um die Reflexbewegung des Auges bei Berührungen zu unterdrücken. Bereits 1885 führte William Stewart Halsted die ersten Leitungsanästhesien mittels Cokain durch. Aufgrund des hohen Suchtpotenzials von Kokain wurde die Forschung vorangetrieben, um ein Mittel mit einer vergleichbaren lokalanästhetischen Wirkung, aber mit einer geringeren Toxizität zu entwickeln. Im Jahre 1905 ist es Alfred Einhorn gelungen, Procain zu synthetisieren, das erste Lokalanästhetikum des Estertyps. Darauf folgte 1944 von Nils Löfgren mittels der Synthese von Lidocain das erste Lokalanästhetikum des Amidtyps. (Plata, Böttiger & Dagtekin, 2013; Mutschler, 1996). Folgende Grafik zeigt einen Stammbaum zur Entwicklung der Lokalanästhetika.

Abb. 1, Stehr-Zirngibl, S., Kampe, S. (2011)

2.2 Unterteilung der Lokalanästhetika

Lokalanästhetika werden nach ihrer chemischen Struktur unterschieden: Aminoester (Ester) und Aminoamide (Amide). Ihr Aufbau unterscheidet sich in der Zwischenkette, die entweder aus Amid- oder Esterbindungen besteht. Aminoamidverbindungen sind chemisch stabil, haben eine längere Wirkdauer und lösen seltener anaphylaktische Reaktionen aus. Heutzutage werden fast ausschliesslich Lokalanästhetika dieses Typs verwendet. Wichtige Vertreter sind Lidocain, Mepivacain, Prilocain, Bupivacain und Ropivacain. Lediglich Procain, ein Vertreter des Aminoestertyps findet in der Infiltrationsanästhesie Anwendung (Larsen, 2010; Striebel, 2013; Roewer & Thiel, 2014).

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Abb. 2, Tonner, P. H. & Hein, L. (2011)

2.3 Wirkungsmechanismus

Lokalanästhetika sind reversible Natriumkanalblocker. Sie wirken an der Nervenzellmembran und hemmen den Natriumeinstrom in die Zelle sowie die Natriumleitfähigkeit im Kanal. Durch diesen Prozess wird die Bildung und Weiterleitung der Nervenimpulse unterbrochen. Lediglich das Lokalanästhetikum Lidocain hat noch einen weiteren Anwendungsbereich, nämlich als Antiarrhythmikum. Aufgrund der Blockierung der Natriumkanäle in den Herzzellen wird die Erregbarkeit reduziert sowie die Depolarisationsgeschwindigkeit und Erregungsleitung in den Purkinje-Fasern herabgesetzt. Des Weiteren sind alle Lokalanästhetika des Amidtyps bei einer systemischen Anwendung in der Lage, einen Natriumkanal-unabhängigen Effekt in verschiedener Stärke zu erzeugen. Dazu findet heutzutage fast ausschliesslich Lidocain im klinischen Alltag Verwendung. Das begründet sich in der langen, evidenten Erfahrung als intravenöses Antiarrhythmikum, den bekannten Nebenwirkungen und den guten pharmakologischen Eigenschaften. Dieser Natriumkanal-unabhängige Effekt zeigt sich bereits bei einer niedrig dosierten intravenösen Applikation und ist hinsichtlich seiner Entstehung bis heute nicht vollständig geklärt. Lidocain zeigt eine opioidsparende, antithrombotische und entzündungshemmende Wirkung (Herminghaus et al., 2011; Thiel & Roewer, 2014; Striebel, 2013; Picardi, Lirk, Boeckh & Hollmann, 2015; Larsen, 2010).

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3 Lidocain

3.1 Pharmakologische Daten

Die Proteinbindung von Lidocain im Plasma beträgt ca. 58–75 %. Es hat somit im Vergleich zu anderen Lokalanästhetika die stärkste Gewebsausbreitung. Lidocain hat die relative Potenz 4, die von der Fettlöslichkeit des Lokalanästhetikums abhängig ist. Aufgrund der starken vasodilatorischen Wirkung wird Lidocain schnell resorbiert, was sich negativ auf die medikamentöse Potenz auswirkt (Striebel, 2013).

Abb. 3, Tonner, P. H., & Hein, L. (2011)

3.2 Anwendung

Lidocain findet je nach Art der Applikation als Oberflächen-, Infiltrations- oder Leitungsanästhetikum sowie in der intravenösen Regionalanästhesie Anwendung. Ebenfalls ist Lidocain ein Antiarrhythmikum der Klasse 2b zur Behandlung der akuten ventrikulären Arrhythmie (siehe Anhang). Als Notfallmedikament war es lange Zeit im Reanimationsalgorithmus enthalten, bis es vom Amiodaron abgelöst wurde. Aktuell dient es nur noch als sekundäres Notfallantiarrhythmikum für den Fall, dass Amiodaron kontraindiziert oder nicht verfügbar ist (Larsen, 2010; Roewer, Thiel & Wunder, 2012; Striebel 2013).

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3.3 Metabolisierung

Der Abbau von Lidocain erfolgt über die Leber, weniger als 3 % werden unverändert renal ausgeschieden. Bei Lebererkrankungen oder Leberperfusionsstörungen kann es aufgrund einer Herzinsuffizienz zu einer erhöhten Kumulation kommen, welche die Wirkung verlängern kann. Dies gilt es bei der Dosierung zu beachten (Larsen, 2010; Striebel, 2013).

3.4 Dosierung

In der gesamten lokalanästhetischen Anwendung wird eine maximale Bolus-Dosierung von 4,5 mg/kg/KG, aber nicht mehr als 300 mg als Bolus bei Erwachsenen empfohlen. Eine Repetitionsdosis sollte bei Bedarf frühestens nach 90 Minuten erfolgen und nicht mehr als die Hälfte der Erstdosis umfassen. Diese Angabe bezieht sich auf eine Dosierung ohne Zusatz von Adrenalin. Zur Behandlung von ventrikulären Rhythmusstörungen in der Notfallmedizin wird ein Initialbolus von 100 mg i. v. (ca. 1-1,5 mg/kg/KG) verabreicht. Weitere Boli von 50 mg sind möglich, jedoch sollte beachtet werden, dass das Lidocain die Defibrillationsschwelle des Herzen erhöht. Es muss mit mehr Energie gearbeitet werden, um ventrikuläre Rhythmusstörungen zu therapieren. Aus diesem Grund sollten innerhalb der ersten Stunde nicht mehr als 3 mg/kg/KG Lidocain verabreicht werden (Larsen, 2010; Arzneimittelkompendium, 2011).

3.5 Interaktionen mit Pharmaka

Der Lidocainplasmaspiegel im Blut kann durch gewisse Medikamente beeinflusst werden. Das sollte bei der Dosierung berücksichtig werden. Betablocker mit dem Wirkstoff Metoprolol und Nadolol sowie das Antidepressivum Fluvoxamin können diesen erhöhen. Bei einer vorbestehenden Therapie mit Cimetidin und Aminodaron sollte aus diesem Grund auf den Einsatz von Lidocain gänzlich verzichtet werden. Im Gegenzug reduzieren folgende Medikamente den Lidocainplasmaspiegel: Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Primidon (Arzneimittelkompendium, 2011).

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3.6 Kontraindikationen

Direkte Kontraindikationen für den Gebrauch als Lokalanästhetikum sind bekannte allergische Reaktionen auf Lokalanästhetika des Amidtyps sowie eine vorbestehende Therapie mit Aminodaron. Auf die i. v. Anwendung sollte bei folgenden Erkrankungen verzichtet werden: - Hypovolämie oder Schock - Unverträglichkeit von Soja und Eiweiss (Kontraindikation für Intralipid) - Myasthenia gravis - Schwere kardiale Reizleitungsstörungen (AV-Block 2 und 3 Grades) - Atemdepression - Schwere Leber- oder Niereninsuffizienz - Porphyrie - Epilepsie - Anämie - Schwangerschaft (Picardi et al., 2015; Roewer et al., 2012; Thiel & Roewer, 2014).

3.7 Nebenwirkungen

Das grösste bestehende Risiko ist eine Lokalanästhetika-Intoxikation im Rahmen einer Überdosierung, die sich in Form von kardialen oder zentralvenösen Symptomen äussern kann. Diese wird in Abschnitt 5 weiterführend beschrieben.

3.8 Zulassungsbestimmungen

Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic ist für die Zulassung von Medikamenten in der Schweiz zuständig. Laut diesem sollen intravasale Applikationen von Lidocain vermieden werden, denn bislang ist das Medikament nur für die Verwendung bei intravenösen Regionalanästhesien und als Antiarrhythmikum zugelassen. Bei der intravenösen Anwendung von Lidocain, bei der ein analgetischer Effekt erzielt werden soll, handelt der zuständige Arzt „Off-Label“ und somit eigenverantwortlich. Von daher muss der Patient im Vorfeld der Behandlung ausführlich aufgeklärt werden und explizit einwilligen. (Onlineportal: Swissmedic)

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4 Intravenöses Applikation in der perioperativen Analgesie

4.1 Praktische Anwendung

Zahlreiche Studien belegen, dass die intravenöse perioperative Applikation von Lidocain einen positiven Effekt erzielt. Die postoperativen Schmerzen sowie der intraoperative Opiatverbrauch lissen sich deutlich nachweisbar stark reduzieren. Die verschiedenen Studien unterschieden sich aber jeweils hinsichtlich ihrer Durchführung und der Dosierungsempfehlungen. Deswegen möchte ich folgende ausschlaggebende Studien kurz beschreiben. In einer Doppelblindstudie von Koppert et al. (2004) wurden 40 Patienten bei grossen abdominellen Eingriffen untersucht. Diese erhielten 30 Minuten vor dem Hautschnitt einen Lidocainbolus von 1,5 mg/kg/KG i. v. sowie eine kontinuierliche Infusion von 1,5 mg/kg/h bis eine Stunde postoperativ. Nachweislich konnte die Schmerzsituation verbessert und der Opiatverbrauch reduziert werden. Kaba et al. (2009) führten ebenfalls eine Doppelblindstudie an 40 Patienten mit Kolektomien durch. Hier wurde ein Lidocainbolus von 1,5 mg/kg/KG i. v. präoperativ verabreicht. Intraoperativ eine Lidocaininfusion mit 2 mg/kg/h i. v. sowie postoperativ 1,33 mg/kg/h i. v. Die Schmerzsituation konnte ebenfalls verbessert werden. Ausserdem kam es zu einer Verbesserung der postoperativen Darmfunktion und zu einem vergleichsweise kürzeren Spitalsaufenthalt. Die Doppelblindstudie von McKay et al. (2009) bestätigte bei ambulanten Operationen, die an 57 Patienten durchgeführt wurden, einen postoperativ reduzierten Bedarf an Opiaten und eine verbesserte Schmerzsituation. Lidocain wurde wie folgt dosiert: präoperativ 1,5 mg/kg/KG Bolus i. v. sowie eine kontinuierliche Erhaltungsdosis von 2 mg/kg/h bis eine Stunde postoperativ (Herminghaus et al., 2011). In allen Studien wurde mit einem Initialbolus begonnen. Dieser hat das Ziel, eine wirkungsvolle Lidocainkonzentration im Blutplasma aufzubauen. Der Zeitpunkt für diese Injektion wäre präoperativ, genauer nach der Beendigung der Einleitungsphase. Eine stabile hämodynamische Ausgangsposition des Patienten ist Voraussetzung für den Initalbolus. Die Aufrechterhaltung der Blutplasmakonzentration erfolgt mit einer Dauerinfusion mittels Perfusor als Schutz vor Fehldosierungen. Für die ganze intraoperative Phase wird die Lidocainzufuhr unverändert fortgesetzt und erst mit der Verlegung in den Aufwachraum reduziert. Diese Reduktion dient der Patientensicherheit als Schutz vor einer Überdosierung. Diese analgetische Therapie wird dort weitergeführt, muss aber 30 Minuten vor der Verlegung auf eine Normalstation beendet werden, da dort keine kontinuierliche Überwachung gewährleistet ist. Während der ganzen Therapie ist es unumgänglich, die verabreichte Lidocaingesamtmenge stets zu kontrollieren, um die Maximaldosierung nicht zu überschreiten.

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4.2 Dosierung

Heringhaus et al. (2011) veröffentlichten in dem Fachartikel „Intravenös verabreichtes Lidocain zur perioperativen Schmerztherapie“ den Hausstandard des Klinikums Lünen, wo Lidocain standardmässig in der Analgesie verwendet wird. Zur Vereinheitlichung der in der Literatur unterschiedlichen Dosierungsangaben und aufgrund der praktischen Erprobung derselben möchte ich diese Dosierungsangaben übernehmen. Die gewichtsorientierte Dosierung richtet sich nach dem Idealgewicht des Patienten.

Abb.4, Herminghaus, A., Wachowiak, M., Wilhelm, W., Gottschalk, A., Eggert, K., & Gottschalk, A. (2010) Die Lidocainplasmakonzentration bei einem Bolus von 1,5 mg/kg/KG i. v. und einer kontinuierlichen Infusion mit 1,5 mg/kg/h beträgt zwischen 1,2 und 2,6 mcg/ml. Die toxische Schwellenkonzentration, bei der erste Intoxikationszeichen auftreten, liegt bei über 5 mcg/ml im Blutplasma. Jedoch ist die toxische Schwellenkonzentration auch davon abhängig, wie schnell die Plasmakonzentration des Lidocains ansteigt. Sicherheitstechnisch ist es ratsam den ersten Lidocainbolus über einen Zeitraum von drei bis fünf Minuten zu infundieren. Da es bei leber- und niereninsuffizienten Patienten zu einem reduzierten Abbau und damit zu einer erhöhten Kumulation kommen kann, ist es ratsam, die Dosis zu reduzieren (Herminghaus et al., 2011; Picardi et al., 2015; Roewer et al., 2012).

4.3 Patientensicherheit

In der Deklaration von Helsinki „Patientensicherheit in der Anästhesiologie“ wird gefordert, für sicherheitsrelevante Aspekte Handlungsempfehlungen festzulegen. Diese „Standard Operating Procedure“ (SOP) sollte in schriftlicher Form vorliegen und allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden.

Gewicht 2% Lidocainbolus 1,5 mg/kg/KG

Infusionsrate im OP 1,5 mg/kg/KG/h

Infusionsrate im AWR 1,33 mg/kg/KG/h

Maximaldosis 12 mg/kg/KG

50 kg 75 mg = 3,8 ml 75 mg/h = 3,8 ml/h 66,5 mg/h = 3,3 ml/h 600 mg = 30 ml 55 kg 82,5 mg = 4,1 ml 82,5 mg/h = 4,1 ml/h 73,2 mg/h = 3,7 ml/h 660 mg = 33 ml 60 kg 90 mg = 4,5 ml 90 mg/h = 4,5 ml/h 79,8 mg/h = 5 ml/h 720 mg = 36 ml 65 kg 97,5 mg = 4,9 ml 97,5 mg/h = 4,9 ml/h 86,5 mg/h = 4,3 ml/h 780 mg = 39 ml 70 kg 105 mg = 5,3 ml 105 mg/h = 5,3 ml/h 93,1 mg/h = 4,7 ml/h 840 mg = 42 ml 75 kg 112,5 mg = 5,6 ml 112,5 mg/h = 5,6 ml/h 99,8 mg/h = 5 ml/h 900 mg = 45 ml 80 kg 120 mg = 6 ml 120 mg/h = 6 ml/h 106,4 mg/h = 5,3 ml/h 960 mg = 48 ml 85 kg 127,5 mg = 6,4 ml 127,5 mg/h = 6,4 ml/h 113,1 mg/h = 5,7 ml/h 1020 mg = 51 ml

90 kg 135 mg = 6,8 ml 135 mg/h = 6,8 ml/h 119,7 mg/h = 6 ml/h 1080 mg = 54 ml 95 kg 142,5 mg = 7,1ml 142,5 mg/h = 7,1 ml/h 126,5 mg/h = 6,3 ml/h 1140 mg = 57 ml 100 kg 150 mg = 7,5 ml 150 mg/h = 7,5 ml/h 133 mg/h = 6,7 ml/h 1200 mg = 60 ml 110 kg 165 mg = 8,3 ml 165 mg/h = 8,3 ml/h 146,3 mg/h = 7,3 ml/h 1320 mg = 66 ml 120 kg 180 mg = 9 ml 180 mg/h = 9 ml/h 159 mg/h = 8 ml/h 1440 mg = 72 ml

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Es wäre wünschenswert, wenn jedes Spital, das Regionalanästhesien durchführt oder Lokalanästhetika intravenös verabreicht, einen SOP zur Lokalanästhetika-Intoxikation vorweisen könnte. Speziell in Notfallsituationen wird die Patientensicherheit gesteigert, wenn SOPs vorhanden sind und ohne Zeitverlust mit einer adäquaten Therapie begonnen werden kann (Wiesmann, Bornträger, Steinfeld & Wulf, 2013). Um eine sichere Anwendung zu gewährleisten, müssen Sicherheitsstandards eingehalten werden. Diese sollen die Patientensicherheit erhöhen, den Patienten vor Fehldosierungen schützen sowie eine schnelle und adäquate Therapie garantieren. Sicherheitsstandards: - Sorgfältige Abklärung und Ausschluss von Kontraindikationen - Injektion nur durch geschultes Anästhesiepersonal - Keine Injektion ohne Herzkreislaufüberwachung - Eine langsame Injektion der Initialdosis erhöht die therapeutische Sicherheit - Die Dosierung erfolgt nach Idealgewicht unter Beachtung der Höchstdosis - Intralipid 20 % sollte vorrätig und dessen Lagerort bekannt sein (Roewer et al., 2012; Striebel, 2013; Thiel & Roewer, 2014; Larsen, 2010)

4.4 Überwachungsmassnahmen

Bei der intravenösen Applikation von Lidocain ist es notwendig den Patienten kontinuierlich zu überwachen. Zu den Überwachungsmassnahmen gehören ein kontinuierliches Monitoring mit einem Elektrokardiogram (EKG), nicht invasive Blutdruckmessungen und eine Pulsoxymetrie. Zentralvenöse Intoxikationssymptome sind bei einem sedierten und beatmeten Patienten nicht erkennbar. Lediglich ein Krampfanfall wäre bemerkbar, wobei dieser sich bei einem muskelrelaxierten Patienten schwach bis gar nicht darstellen würde. Vitalzeichenveränderungen müssen stets kritisch im Hinblick auf eine Intoxikation interpretiert werden und im gegebenen Fall muss die Lokalanästhetikazufuhr unverzüglich gestoppt werden. In der postoperativen Phase besteht eine hohe Verwechslungsgefahr zwischen gängigen Patientenbeschwerden und Anzeichen einer Lokalanästhetika-Intoxikation. Darunter fallen unter anderem Somnolenz, Unruhe, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Muskelzittern, verwaschene Sprache, Herzfrequenzanstieg und Blutdruckabfall. Das Pflegepersonal sollte speziell geschult werden und muss sich dieses Verwechslungsrisikos bewusst sein. Vor Beendigung der Überwachungsmassnahmen und vor einer Verlegung auf die normale Bettenstation muss die Lidocainzufuhr mindestens 30 Minuten im Vorfeld beendet worden sein (Picardi et al., 2015; Thiel & Roewer, 2014).

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4.5 Geeignete Patientengruppen

Die perioperative Anwendung von Lidocain ist ein kostengünstiges, einfach umzusetzendes und effektives Verfahren, um das postoperative Befinden von Patienten zu verbessern. Jedoch zeigt sich nicht bei allen Operationsmethoden der gleiche analgetisch gewünschte Effekt. Für Patienten in der Abdominalchirurgie, bei denen eine peridurale Regionalanästhesie kontraindiziert war, erwies sich die Applikation von Lidocain als sehr effektiv. Es ist von Vorteil, den opiatsparenden Effekt hinsichtlich der postoperativen gastrointestinalen Funktion zu nutzen, die zu Übelkeit und Erbrechen führt. Diese adjuvante Analgesie hat nachweislich zu einem positiveren Patientenempfinden und zu kürzeren Spitalsaufenthalten beigetragen. In der Thoraxchirurgie konnte ein intraoperativ reduzierter Bedarf an Propofol festgestellt werden. In der postoperativen Phase war der Opiatbedarf für die ersten sechs Stunden deutlich reduziert. Jedoch war der Gesamtbedarf innerhalb von 48 Stunden mit Patienten ohne intravenöser Lidocaingabe vergleichbar. Bei herzchirurgischen Eingriffen konnte kein nachweislicher Effekt festgestellt werden. In der orthopädischen Chirurgie liessen sich Stumpfschmerzen lindern, jedoch hatte die Lidocaintherapie keinen Einfluss auf Phantomschmerzen. Weiter zeigte es keine positive analgetische Wirkung bei der Implantation von Hüftprothesen (Herminghaus et al., 2011; Werth, 2008).

5 Lokalanästhetika-Intoxikation Von der Lokalanästhetika-Intoxikation geht bei der intravasalen Therapieform mit Lidocain die grösste Gefahr aus. Für den Anwender ist es deswegen wichtig, über Symptome und Behandlungsmassnahmen in Kenntnis zu sein, um eine sichere Therapie zu gewährleisten. Lokalanästhetika hemmen die Stimulierung von erregbaren Strukturen im Körper. Darunter fallen beispielsweise periphere Nerven, das Herz und das Gehirn. Eine zu hohe Blutkonzentration sollte vermieden werden, um eine Intoxikation zu vermeiden (Striebel, 2013).

5.1 Symptome der Lokalanästhetika-Intoxikation

Der Schweregrad der toxischen Reaktion ist in der Regel nicht nur von der Höhe der Blutplasmakonzentration abhängig, sondern auch von der Geschwindigkeit des Konzentrationsanstieges. Im klinischen Alltag ist es sehr wichtig, zu bedenken, dass bei sedierten oder narkotisierten Patienten zentralvenöse Anzeichen oft nicht erkannt oder wahrgenommen werden können. Die Schweregradeinteilung erstreckt sich von Grad 1, der mit leichter kortikaler Hemmung und Somnolenz einhergeht, bis zum Grad 4, welcher eine akute vitale Gefährdung darstellt.

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Grad Zentralvenöse Symptome Kardiovaskuläre Symptome

1. Kortikale Hemmung, flüchtige Somnolenz keine

2. Subkortikale Hemmung Zentrale Sympathikusstimulation 2.a Präkonvulsive Warnzeichen Herzfrequenzanstieg, Blutdruckabfall

2.b Generalisierter Krampfanfall Beginnende direkte kardiotoxische Wirkung

3. Hirnstammlähmung à Koma, Atemstillstand

Zentrale Sympathikolyse + direkte Wirkung an Herz und Gefässen à

Bradykardie, AV-Block, ventrikuläre Arrhythmie, Blutdruckabfall, Herzstillstand

Abb. 5, Roewer, N., Thiel, H. & Wunder, C. (2012) Präkonvulsive Warnzeichen: - Unruhe - Schwindel - Euphorie - Übelkeit und Erbrechen - Muskelzittern - verwaschene Sprache - Nystagmus - Ohrensausen - Sensibilitätsstörungen der - metallischer Geschmack Zunge und perioraler Regionen (Roewer et al., 2012) Während einer Lokalanästhetika-Intoxikation kommt es zu einer Beeinträchtigung der kardialen Natriumkanäle und damit zu einer Hemmung der Depolarisation. Im EKG kann sich dies mit folgenden Veränderungen äussern: - Verbreiterung der QRS-Komplexe - Verlängerung der PQ-Zeit - Höhenzunahme der T-Welle - Veränderung der ST-Strecke - Auftreten von Extrasystolen - Tachykardie und ventrikuläre Tachykardie (Ott, 2010; Tonner & Hein, 2011; Striebel 2013).

5.2 Therapie

Die Therapie der Lokalanästhetika-Intoxikation verfolgt das klare Ziel, die Patientensituation zu verbessern, den Kreislauf zu stabilisieren und den Patienten vor Langzeitschäden oder dem Tod zu schützen. Folgende Therapieanweisungen und Dosierungsangaben beruhen auf dem Notfall-Algorithmus zur „Lokalanästhetika-Intoxikation“ der Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation von 2014. Nach dem Auftreten erster Symptome oder auch nur bei einem Verdacht einer Intoxikation ist es wichtig, die Zufuhr der Lokalanästhetika sofort zu beenden.

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Eine weitere wichtige Massnahme wäre die Organisation von weiterem Anästhesiepersonal zur Unterstützung und für das Bereitstellen von Intralipid 20% zur medikamentösen Therapie. Die adäquate Oxygenierung und Sicherung des Atemweges hat einen hohen Stellenwert, um eine zerebrale Hypoxie zu vermeiden. Bei maschinell beatmeten Patienten empfehlen sich folgende Beatmungseinstellungen: 100 % Sauerstoff, ein hoher Frischgas-Flow und eine Hyperventilation zur Abnahme der zerebralen Durchblutung. Zentralvenöse Symptome werden mit Benzodiazepinen behandelt um Krampfanfällen frühzeitig entgegen zu wirken. Im Falle des Auftretens von Krampfanfällen wird Midazolam 0,05–0,1 mg/kg/KG oder das Barbiturat Thiopental 1 mg/kg/KG i.v. appliziert. Bei Herzkreislaufversagen sollte unverzüglich mit der Reanimation nach den gängigen Richtlinien begonnen werden. Die Reanimationsmassnahmen sind für mindestens eine Stunde durchzuführen. Zu beachten ist, dass ein hoher Blutplasmaspiegel von Lokalanästhetika die Defibrillationsschwelle erhöht. Aufgrund der hohen Gefahr einer Arrhythmie sollte im Bedarfsfall nur 10–100 mcg Adrenalin i. v. verabreicht werden. Sobald möglich, muss unmittelbar mit der medikamentösen Behandlung von Intralipid 20% gestartet werden. Begonnen wird mit einem Initialbolus von 1,5 ml/kg/KG i. v. über den Zeitraum von einer Minute. Dieser Bolus kann bis zu dreimal in einem Abstand von fünf Minuten wiederholt werden. Die Intralipidbehandlung wird mit einer kontinuierlichen Infusion fortgesetzt Die Laufgeschwindigkeit beträgt 15 ml/kg/h. Erwachsene Patienten erhalten mindestens weitere 1000 ml Intralipid 20 % innerhalb einer Stunde. Nach Kreislaufstabilisierung wird die Infusion für mindestens zehn Minuten weiter- oder zu Ende geführt. Intralipid ist bei bekannter Unverträglichkeit auf Soja und Eiweiss kontraindiziert. Ein Liter Intralipid enthält unter anderem 200 g Sojaöl. Im Falle einer Lokalanästhetika-Intoxikation würde keine adäquate medikamentöse Therapie zur Verfügung stehen. Deshalb sollten die Risiken vor dem Einsatz gut evaluieren oder besser auf den Einsatz von Lokalanästhetika gänzlich verzichtet werden (Ott, 2010).

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6 Merkblätter Um die Anwendung sicherer zu gestalten und zu erleichtern, fasse ich wichtige Informationen in Merkblättern zusammen.

6.1 Intravenöse perioperative Applikation von Lidocain

Intravenöse perioperative Applikation von Lidocain Die intravenöse Applikation von Lidocain ist eine sehr effektive Therapieform, um einen analgetischen Effekt zu erzielen. Jedoch sollte die Indikation hierfür individuell nach Ausschluss von Kontraindikationen und unter Einhaltung der Sicherheitsstandards erfolgen. Kontraindikationen: - Allergie auf Lokalanästhetika - Hypovolämie oder Schock - Unverträglichkeit von Soja und Eiweiss - Myasthenia gravis (Kontraindikation für Intralipid) - Schwangerschaft - kardiale Reizleitungsstörungen - Atemdepression - Schwere Leber- oder Niereninsuffizienz - Porphyrie - Epilepsie - Anämie Sicherheitsstandards: - Sorgfältige Abklärung und Ausschluss von Kontraindikationen - Injektion nur durch geschultes Anästhesiepersonal - Keine Injektion ohne Herzkreislaufüberwachung - Eine langsame Injektion der Initialdosis erhöht die therapeutische Sicherheit - Die Dosierung erfolgt nach Idealgewicht unter Beachtung der Höchstdosis - Intralipid 20 % sollte vorrätig und dessen Lagerort bekannt sein Durchführung: - Start Applikation des Initialbolus (1,5mg/kg/KG i.v.) nach Beendigung der Einleitung - Zur Aufrechterhaltung eines wirkungsvollen Lidocainblutplasmaspiegels erfolgt eine Dauerinfusion für die gesamte intraoperative Phase (1,5 mg/kg/KG/h) - Zum Schutz vor einer Intoxikation wird die Laufgeschwindigkeit mit Verlegung in den Aufwachbereich reduziert (1,33 mg/kg/KG/h) - 30 Minuten vor Verlegung auf die Normalstation sowie vor Beendigung der Überwachungsmassnahmen Lidocainzufuhr stoppen! - keine Überschreitung der Maximaldosis während der gesamten Anwendung von 12 mg/kg/KG Dosierungstabelle:

Gewicht Bolus

Lidocain (1,5 mg/kg/KG)

Periop. Infusion

(1,5 mg/kg/KG/h) Postop. Infusion

(1,33 mg/kg/KG/h) Maximal-

dosis (12 mg/kg/KG)

60 kg 90 mg 90 mg/h 79,8 mg/h 720 mg

70 kg 105 mg 105 mg/h 93,1 mg/h 840 mg

80 kg 120 mg 120 mg/h 106,4 mg/h 960 mg

90 kg 135 mg 135 mg/h 119,7 mg/h 1080 mg

100 kg 150 mg 150 mg/h 133 mg/h 1200 mg

(Dosierungstabelle :

Herminghaus, A., Wachowiak, M., Wilhelm, W., Gottschalk, A.,

Eggert, K. & Gottschalk, A. (2010) Intravenös verabreichtes

Lidocain zur perioperativen Schmerztherapie.

Der Anesthesist, 60, 159)

Risiken: Für die gesamte Anwendung besteht kontinuierlich die Gefahr einer Lokalanästhetika-Intoxikation! Der Anwender muss mit den Gefahren, Symptomen und Therapiemassnahmen vertraut sein.

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6.2 Lokalanästhetika-Intoxikation

Lokalanästhetika-Intoxikation Lokalanästhetika hemmen die Stimulierung von erregbaren Strukturen im Körper. Darunter fallen beispielsweise periphere Nerven, das Herz und das Gehirn. Deswegen sollte eine zu hohe Blutkonzentration vermieden werden, um eine Intoxikation zu vermeiden. Schweregradeinteilung:

(Schweregradeinteilung: Roewer, N., Thiel, H. & Wunder, C. (2012). Anästhesie compact Leitfaden für die klinische Praxis (Auflage 4), Stuttgart : Thieme, Systemisch toxische Nebenwirkungen von Lokalanästhetika, 203)

Grad Zentralvenöse Symptome Kardiovaskuläre Symptome

1. Kortikale Hemmung, flüchtige Somnolenz keine

2. Subkortikale Hemmung Zentrale Sympathikusstimulation 2.a Präkonvulsive Warnzeichen Herzfrequenzanstieg, Blutdruckabfall 2.b Generalisierter Krampfanfall Beginnende direkte kardiotoxische Wirkung

3. HirnstammlähmungàKoma, Atemstillstand

Zentrale Sympathikolyse + direkte Wirkung an Herz und Gefässen à Bradykardie, AV-Block, ventrikuläre Arrhythmie,

Blutdruckabfall, Herzstillstand

Präkonvulsive Warnzeichen: - Unruhe, - Schwindel - Euphorie - Übelkeit und Erbrechen - Muskelzittern - verwaschene Sprache - Nystagmus - Ohrensausen - Taubheit und Kribbeln der - metallischer Geschmack Zunge und perioraler Regionen Potenzielle EKG – Veränderungen: - Verbreiterung der QRS-Komplexe - Verlängerung der PQ-Zeit - Höhenzunahme der T-Welle - Veränderung der ST-Strecke - Auftreten von Extrasystolen - Tachykardie und ventrikuläre Tachykardie Therapie: - Lokalanästhetikazufuhr sofort stoppen - Personal zur Hilfe holen - Oxygenierung, Sauerstoff verabreichen und Patienten hyperventilieren lassen - maschinell beatmete Patienten: Sauerstoff 100%, hoher Frischgas-Flow, Hyperventilation - Zentralvenöse Symptome, Benzodiazepine verabreichen, um Krampfschwelle zu erhöhen - Krampfanfälle: Midazolam 0,05–0,1 mg/kg/KG i.v. oder Thiopental 1 mg/kg/KG i.v. - Herzkreislaufversagen: Reanimation für mindestens 1 Stunde Adrenalin 10–100 mcg i.v. (Arrhythmiegefahr) - Intralipid 20%: Initialbolus 1,5 ml/kg/KG i.v. über 3 Minuten Wiederholung max. 3 Mal im Abstand von 5 Minuten Anschliessende Infusion mit einer Laufgeschwindigkeit von 15ml/kg/KG (Erwachsende mindestens 1000 ml innerhalb einer Stunde) Nach Kreislaufstabilisierung Infusion für mindestens 10 Minuten weiterführen oder beenden.

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7 Fazit Als Praxisfazit kann ich durchaus sagen, dass die Schmerztherapie mit Lidocain eine gute und beachtenswerte Alternative ist. Sie ist kostengünstig und könnte ohne grösseren Aufwand in den klinischen Alltag vieler Anästhesieabteilungen integriert werden. Diese Therapieform ist zwar kein Ersatz für die Periduralanästhesie, kann aber eine wirkungsvolle Alternative speziell in der Abdominalchirurgie sein. Aufgrund der Kosteneffizienz aller Spitäler ist es gut möglich, dass die Lidocaintherapie zukünftig mehr an Bedeutung gewinnen wird, weil dadurch die Spitalsverweildauer bei gewissen Patienten reduziert werden kann. Nach genauer Abwägung der Risiken, dem Ausschluss von Kontraindikationen und bei einer vorausgesetzten korrekten Durchführung erachte ich diese adjuvante Therapieform als sehr sicher. Das Patientenwohl wird eher gefördert als gefährdet. Die Einhaltung der Sicherheitsstandards würde zukünftig das Komplikationsrisiko weiter minimieren. Mehrere Male hatte ich die Gelegenheit bei der analgetischen Therapie mit Lidocain anwesend zu sein. Es ergabt sich für mich die Möglichkeit, die Anwendung in Bezug auf Durchführung zu beobachten. Wiederholt stellte ich fest, dass die Therapie je nach Spital und Anästhesist variierte. Eine Vereinheitlichung der Durchführung und eine klar geregelte, standardisierte Lidocaindosierung wäre für die Zukunft wünschenswert. Hinsichtlich meiner Fragestellung gibt es in dieser Arbeit viele Erkenntnisse und Informationen, die man sich vor dem intravenösen Gebrauch von Lidocain unbedingt bewusst machen muss. Unwissenheit über das Medikament, die Unterschätzung des Gefahrenpotenzials und daraus resultierende Anwenderfehler, erhöhen das Risiko für Patientenkomplikationen enorm. In Fachdiskussionen ist mir aufgefallen, dass beim Pflegepersonal teilweise ein grosses Wissensdefizit über die Lokalanästhetika-Intoxikation herrscht. Das pflegerische Wissen über die Erkennung der Leitsymptome, das weiterführende anästhesiologische Management und das hohe Gefahrenpotenzial dieser Intoxikationsform, stellten mich nicht gänzlich zufrieden. Die allgemeine Anwendung von Lokalanästhetika ist in schweizer Spitälern gängige Praxis. Jedoch sind die Sicherheitsvorkehrungen sehr mangelhaft. Jedoch sind die Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung und die Behandlung einer Lokalanästhetika-Intoxikation in meinen Augen noch zu optimieren. Erschreckenderweise ist mir im Rahmen meiner verschiedenen Praktika mehrmals aufgefallen, dass auf Nachfrage vielen Kollegen der Lagerort des Notfallmedikamentes Intralipid 20 % nicht bekannt war. Unter dieser Voraussetzung ist keine sichere Verwendung von Lokalanästhetika möglich. Wie in der Deklaration von Helsinki gefordert, vertrete auch ich die Meinung, dass es in jedem Spital einheitliche Handlungsempfehlungen geben muss. Alle wichtigen Aspekte müssen klar ersichtlich zusammengefasst sein und beispielsweise auf einem schriftlichen

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Handlungsdokument gut sichtbar in Einleitungsbereichen und Aufwachräumen platziert werden. Des Weiteren muss der Lagerort von Intralipid 20 % jeder Fachkraft bekannt, eindeutig markiert und ebenfalls in Aufwachräumen und Einleitungsbereichen vorhanden sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der mir beim Erstellen dieser Diplomarbeit bewusst wurde, ist die potenzielle Verwechslung erster Symptome einer Lokalanästhetika-Intoxikation mit gängigen postoperativ auftretenden Patientenbeschwerden. Hierzu zähle ich unter anderem Somnolenz, Unruhe, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Muskelzittern, verwaschene Sprache, Herzfrequenzanstieg und Blutdruckabfall. Diese mögliche Verwechslungsgefahr und die damit potenziell einhergehend falsche Symptomtherapie birgt ein hohes Risiko für die Patentensicherheit. Es ist mir sehr wichtig, das Bewusstsein des Anästhesiepersonals diesbezüglich zu verändern. Mit meinen Merkblättern möchte ich zur Verbesserung der Patientensicherheit während der analgetischen intravenösen Lidocaintherapie beitragen. Des Weiteren ist es mir wichtig, medizinisches Fachpersonal im Umgang mit Lokalanästhetika hinsichtlich des Gefahrenpotenziales zu sensibilisieren. Ich hoffe, dass mir das mit meiner Diplomarbeit gelungen ist.

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8 Anhang Antiarrhythmika der Klasse 1-4 nach Vaughan Williams

Abb. 6, Striebel, H.W. (2013)

Antiarrhythmika-Klasse Wirkstoffklasse Wirkstoff Hauptindikation

1. A 1. B 1. C

Natriumkanalblocker z. B. Ajmalin,

Lidocain, Propafenon

Akuten ventrikuläre Arrhythmien

2. Beta-Rezeptorenblocker

z. B. Metoprolol, Esmolol, Sotalol

Supraventrikuläre Tachykardien

3. Kaliumkanalblocker z. B. Aminodaron

Ventrikuläre Tachykardien, evtl.

auch bei supraventrikulären Tachyarrhythmien

4. Calciumkanalblocker z. B. Verapamil, Diliazem

Supraventrikuläre Tachyarrhythmien

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8.1 Literaturverzeichnis

Herminghaus, A., Wachowiak, M., Wilhelm, W., Gottschalk, A., Eggert, K. & Gottschalk, A. (2010) Intravenös verabreichtes Lidocain zur perioperativen Schmerztherapie. Der Anesthesist, 60, 152 – 160 Larsen R. (2010). Anästhesie (9. Auflage). München : Urban&Fischer Mutscher, E. (1996). Arzneimittelwirkung (7. Auflage). Stuttgart : Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbh Ott, K. (2010). Lipidlösungen zur Therapie der Lokalanästhetikaintokikation, Der Anaesthesist, 59, 575 – 586 Picardi, S., Lirk, P., Boeckh, R. & Hollmann, M.W. (2015). Adjuvanzien in der modernen Anästhesie : Lidocain, Anästhesiologie Intensivmed. Notfallmed. Schmerztherapie, 50, 322 - 327 Plata, C., Böttiger, B.W. & Dagtekin, O. (2013). Lokalanästhetikaintoxikation und « lipid resuscitation », Notfall + Rettungsmedizin, 3, 188 - 195 Roewer, N. & Thiel, H. (2014). Anästhesiologische Pharmakotherapie : Von den Grundlagen der Pharmakologie zur Medikamentenpraxis (3. Auflage). Stuttgart : Thieme Roewer, N., Thiel, H. & Wunder, C. (2012). Anästhesie compact : Leitfaden für die klinische Praxis (4. Auflage). Stuttgart : Thieme Stehr-Zirngibl, S. & Kampe, S. (2011). Postoperative Schmerztherapie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, 4, 291 - 304 Striebel, H. W. (2013). Die Anästhesie : Grundlagen und Praxis (3. Auflage, Band 1. & 2.). Stuttgart : Schattauer Tonner, P. H. & Hein, L. (2011), Pharmakotherapie in der Anästhesie und Intensivmedizin. Stuttgart : Springer Werth, M. (2008). Intravenöse Applikation von Lidocain : Verbesserte Erholung nach laparoskopischer Kolektomie, Der Anaesthesist, 57, 81 – 82 Wiesmann, T., Bornträger, A., Steinfeld, T. & Wulf, H. (2013). Deklaration von Helsinki zur Patientensicherheit in der Anästhesiologie : SOP zur Lokalanästhetika-Intoxikation, Anäshesiologie Intensivmed. Notfallmed. Schmerztherapie, 48, 32 - 35 (2011). Arzneimittelkompendium der Schweiz (32. Auflage) Notfall-Algorhytmus Lokalanästhetika – Intoxikation (2014). Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation

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8.2 Onlineverzeichnis

Onlineportal: schweizerisches Heilmittelinstitut, Swissmedic Verfügbar unter: http://www.swissmedicinfo.ch

8.3 Abbildungsverzeichnis

Abb.1. Stehr, S., Kampe, S. (2011). Postoperative Schmerztherapie. Allgemein- und Viszeralchirurgie, 4, 293 Abb.2. Tonner, P. H. & Hein, L. (2011). Pharmakotherapie in der Anästhesie und Intensivmedizin : Grundlagen und klinische Konzepte. Stuttgart : Springer, 161 Abb.3. Tonner, P. H. & Hein, L. (2011), Pharmakotherapie in der Anästhesie und Intensivmedizin. Stuttgart : Springer, 162 Abb. 4. Herminghaus, A., Wachowiak, M., Wilhelm, W., Gottschalk, A., Eggert, K. & Gottschalk, A. (2010) Intravenös verabreichtes Lidocain zur perioperativen Schmerztherapie. Der Anesthesist, 60, 159 Abb. 5. Roewer, N., Thiel, H. & Wunder, C. (2012). Anästhesie compact Leitfaden für die klinische Praxis (Auflage 4), Stuttgart : Thieme, Systemisch toxische Nebenwirkungen von Lokalanästhetika, 203 Abb. 6. Striebel, H.W. (2013), Die Anästhesie (3. Auflage, Band 1). Stuttgart : Schattauer, Antiarryhtmika der Klassen 1- 4 nach Vaughan Williams

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8.4 Abkürzungsverzeichnis

Abb Abbildung AWR Aufwachraum et al. und andere evtl. eventuell i. v. intravenös kg Kilogramm mcg Mikrogramm mcg/ml Mikrogramm pro Milliliter mg Milligramm mg/kg/KG Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht mg/kg/KG/min Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht je Minute mg/kg/KG/h Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht je Stunde ml/kg/KG Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht ml/kg/KG/min Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht je Minute z.B. zum Beispiel

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8.5 Selbständigkeitserklärung

Hiermit erkläre ich, dass diese Diplom-/ Projektarbeit von mir selbständig erstellt wurde. Das bedeutet, dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel beigezogen und keine fremden Texte als eigene ausgegeben habe. Alle Textpassagen in der Diplom-/ Projektarbeit, die wörtlich oder sinngemäss aus Quellen entnommen wurden, sind als solche gekennzeichnet. Datum: Unterschrift:

8.6 Veröffentlichungs- und Verfügungsrecht

Die Z-INA verpflichtet sich, die Diplom-/ Projektarbeit gemäss den untenstehenden Verfügungen jederzeit vertraulich zu behandeln. Bitte wählen Sie die Art der vertraulichen Behandlung:

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