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barbara-jehle
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er die Arbeit an «Open Source»-Netzwerken wie Linux oder Firefoxkennenlernte. «Mir gefiel der Gedan-ke, ohne kommerziellen Hintergrundgemeinsam mit anderen an Lösungenzu arbeiten. Der Einzelne arbeitet aneinem Problem, findet vielleicht einekleine Teillösung, gibt diese und dieRechte daran frei und ermöglicht esso anderen, ebenfalls einen Beitrag zuleisten», so Schlegel. Er glaubt, hierfür seine spätere soziale Tätigkeit in-spiriert worden zu sein.
Vom väterlichen Lebensweg na-belte sich Schlegel in dieser Zeit im-mer mehr ab: «Mein Vater war er-folgreicher Geschäftsmann, das hatmir imponiert. Während er aberGeld mit Software verdiente, warich eher derjenige, der es mit «OpenSource»-Projekten wieder verteilte.«Er war eher der typische Wirt-schaftsmanager – für mich stehenÖkologie und Soziales im Vorder-grund.» Dennoch ist Sacha Schlegelseinem Vater dankbar dafür, dass erdank dessen finanziellen Möglich-keiten viel mit den Eltern reisendurfte und entsprechend auch vielvon der Welt sah – nicht nur Gutes:«Auf unseren Reisen sahen wir auchSlums. Wir fanden die Zustände dortschlimm, gingen aber an den armenMenschen vorbei. Heute sehe ich esals unsere Aufgabe, etwas gegen der-artiges Elend zu unternehmen.»
Das Studium in Biel beendete Sa-cha Schlegel erfolgreich und kehrtezurück nach Liechtenstein, wo er sei-ne Ursula heiratete. Häuslich nieder-lassen wollten sich die beiden abernoch nicht: der frischgebackene Ehe-mann wollte seinen Master machen,seine Angetraute Englisch lernen.Umsetzen wollten sie dieses Ziel aufder anderen Seite der Welt – in Aust-ralien. Im dritten Jahr in Perth wur-den Sacha und Ursula Schlegel El-tern eines Mädchens namens Tawha.«Die Geburt meiner Tochter warwohl einer der schönsten Momentemeines Lebens», schwärmt der stolzeVater. Gleichzeitig bedauert er einwenig, dass er es nicht geschafft habe,seinen Vater zu umarmen. Dieser wargemeinsam mit der Mutter zum freu-digen Anlass angereist. «Es ist schade,dass wir bei unserer Zurückhaltungund Nüchternheit manchmal nichtfähig sind, unserer LebensfreudeAusdruck zu verleihen», so Schlegelnachdenklich.
Nach drei Jahren in Australien ent-schied sich die Kleinfamilie, zurückin die Heimat zu kommen, nur umknapp ein halbes Jahr später nachBonn zu ziehen, wo Schlegel für einamerikanisches Unternehmen tätigwurde. Ursula Schlegel war in dieserZeit mit dem zweiten Kind schwan-
ger – Sohn Johannes wurde an Weih-nachten vor 10 Jahren geboren. DasReisen hatte die Familie damals abernoch nicht satt: Nach Bonn folgte eineinjähriger Aufenthalt in den USA,genauer gesagt in Scottsdale im Bun-desstaat Arizona.
Neues soziales Netz aufbauenDie ständigen Auslandaufenthalte for-derten ihren Tribut in Sacha SchlegelsFreundeskreis. Er litt in dieser Zeit da-runter, viele seiner sozialen Kontakteverloren zu haben, fasste sich ein Herzund suchte Anschluss: Neue Freundefand der heute 44-Jährige in der Li-nux-User-Gruppe Vorarlberg. MitGleichgesinnten organisierte er einBar-Camp in Dornbirn. «Ein Bar-Camp ist eine Konferenz ohne Pro-gramm», erklärt Schlegel. Da kommeman für ein Wochenende zusammenund jeweils am Morgen werde darü-ber abgestimmt, welche Themen dis-kutiert werden sollen. «Es geht beisolchen Anlässen hauptsächlich da-rum, Wissen zu teilen.» Am Bar-Campin Dornbirn lernte Schlegel auch denAktivisten Christof Brockhoff (Ideen-kanal, «Das enkeltaugliche Morgen-land) kennen, der dort zum Thema«Social Business» sprach. «Das wardann mein Link zurück nach Liech-tenstein.» Kurze Zeit später organi-sierten sie ein Bar-Camp an der Uni-versität Liechtenstein, das von 70 Teil-nehmern besucht wurde. In dieserZeit des ideologischen Austausches seisein Interesse am Informatik-Berufimmer mehr in den Hintergrund ge-rückt, so Schlegel. Lieber engagierteer sich ehrenamtlich – zum Beispielbeim Verein Benefactum, einer Grup-pe mit Nachhaltigkeits-Interesse, oderVereinen wie Tellerrand, Mumas oderder Symbiose-Gemeinschaft. Auchseine Ernährung stellte er um. Schle-gel wurde wie bereits früher einmalVegetarier. Er habe einen zweiten An-lauf gebraucht, erklärt er: «Die Brat-
Gemeinderat Balzers. Er ist sich da-bei bewusst, dass nicht alle Bürgerseine Einstellung teilen. «Ich stellemich gerne in den Dienst der Ge-meinde Balzers und habe Anregun-gen für unsere gemeinsame Zu-kunft.» Nach jahrzehntelanger Wer-bung der Wirtschaft nach immermehr Individualisierung sowie «hö-her, schneller, weiter, billiger» ist esfür ihn an der Zeit, kreative neue undbewährte alte Wege zu gehen, umeben andere Werte anzustreben.«Das sind natürlich nur Worthülsen,aber ich denke da an ‹Weniger istmehr›, mehr Bescheidenheit undAchtsamkeit, mehr Miteinander alsGegeneinander, weniger Fremdar-beitsstress, dafür mehr Lebensquali-tät, mehr Zeit für jeden für das We-sentliche. Da wir soziale Wesen sind,glaube ich fest, dass der Wunsch nacheiner intakten Natur und (globaler)Gerechtigkeit doch tief in unseremInneren steckt. Wir brauchen uns nurmehr Zeit dafür zu nehmen.»
Sacha Schlegel findet es aber müs-sig, zu streiten. Es sei besser, diejeni-gen zu finden, die etwas ändern wol-len und Probleme dann gemeinsamin Angriff zu nehmen. «Man darf da-bei durchaus auch eine gute Zeit ha-ben», ist der Gemeinderatskandidatder Freien Liste überzeugt. «Auf die-se Weise können wir viel erreichen»,so seine Überzeugung. Er habe dasGefühl, dass über alle Parteigrenzenhinweg im Endeffekt alle doch dasGleiche wollen: den Enkelkinderndas Leben in einer intakten Umweltermöglichen. Sacha Schlegel ver-sucht die Welt zu verbessern, ohne
anderen seinen Stempel aufzudrü-cken. Das gilt nicht nur für diePolitik, sondern auch für’s Fa-milienleben. Dort gehen dieMeinungen, wie weit der «grü-
ne Gedanke» getrieben wer-den soll, auseinander:
«Meine Frau wolltenicht ganz auf das Auto verzichten», sagtSchlegel, und ergänzt,dass dies auch für ihnVorteile bringe: «Ichmiete ihr Auto, wennich es auch einmalbrauche.» Seine Fami-
lie unterstützt SachaSchlegel grundsätzlich,
einmal habe sein Sohn al-lerdings Mühe gehabt: als
in der Zeitung stand, dasssein Vater ins Gefängnis gesteckt worden sei. Sacha
Schlegel war damals in Rot-terdam im Rahmen einerGreenpeace-Aktion gegenÖl aus der Arktis kurzzeitigfestgenommen worden.
Der Gipfel des Glücks: Gemeinsam mit der Familie ist es am schönsten. Das Foto zeigtSacha Schlegel mit Ehefrau Ursula, Sohn Johannes und Tochter Tawha. FOTO: ZVG
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wurst auf dem Fussballplatz war ein-fach zu lecker», gibt er zu. Mittlerwei-le ernährt sich Schlegel vegan, ver-zichtet also komplett auf tierische Er-zeugnisse. Die Tätigkeit bei Bene-factum habe ihm den Umstieg leichtgemacht. Zusammen mit anderen Ak-tivisten kocht Schlegel seit dieser Zeitnicht nur vegan, sondern auch fair,biologisch, regional und saisonal und,wenn gewünscht, auch mit gerettetenLebensmitteln. «Wir bieten unsereDienste auch sehr gerne bei Festivalsoder Demos an», sagt Schlegel, «wirkochen oft politisch.» So zum Beispielvor gut zwei Wochen in Berlin an der«Wir haben es satt»-Demo (gegenTTIP Freihandelsabkommen mit denUSA, gentechnisch veränderte Le-bensmittel und Massentierhaltung)mit über 50000 Teilnehmern, woSchlegel mit seinen Mitstreitern der«Fläming Kitchen» rund 4600 po-litisch korrekte Mahlzeitenausgegeben hat.
Besonders am Herzenliegt Schlegel das Projekt ei-ner Gartenkooperative inSchaan, für welches erintensiv nach Mitglie-dern sucht, damit esumgesetzt werdenkann. Gemeinsamsoll auf einem 6000Quadratmeter um-fassenden Garten-gelände eine grosseVielfalt an regiona-lem und saisonge-rechtem Bio-Gemüsefür vorerst 60 bis 70Haushalte angebautwerden (www.gar-tenkooperative.li).
Schweren Wegleicht nehmenIdealist SachaSchlegel kandidiertderzeit auch für den