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Längsschnittstudie zur Wahrnehmung von Alt- und Totholz sowie zur symbolischen Konnotation von Wald Zwischenbericht Phase 1 Erstellt im Auftrag des NABU Saarland Januar 2014 Lehrgebiet Ländliche Entwicklung / Regionalmanagement Weihenstephaner Berg 5 85354 Freising Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne Projektdurchführung: Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne, Corinna Jenal, Anna Currin MA

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Längsschnittstudie zur Wahrnehmung von Alt- und Totholz sowie zur symbolischen Konnotation von Wald

Zwischenbericht Phase 1

Erstellt im Auftrag des NABU Saarland

Januar 2014

Lehrgebiet Ländliche Entwicklung / Regionalmanagement

Weihenstephaner Berg 5

85354 Freising

Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne

Projektdurchführung: Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne, Corinna Jenal, Anna Currin MA

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Inhalt

1 Zusammenfassung .................................................................................................................... 6

2 Einleitung .................................................................................................................................. 8

3 Methodik und Aufbau der Studie ............................................................................................. 9

4 Aspekte der sozialen Konstruktion von Wald – historische Bezüge und aktuelle

Ausprägungen................................................................................................................................. 11

5 Soziodemographische Angaben der Befragten ...................................................................... 14

6 Die Konstruktion von ‚Wald‘: Deutungen und Wertungen durch die Befragten ................... 18

6.1 Aspekte sozialer Bedeutung von Wald ........................................................................... 18

6.2 Aneignung von Wissen über Wald .................................................................................. 26

6.3 Die differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Waldbilder ................................... 29

7 Alt- und Totholz ...................................................................................................................... 46

8 Allgemeine Fragen zu Wald und Naturschutz ........................................................................ 54

9 Das Projekt ‚Wertvoller Wald‘ in der Wahrnehmung der Befragten ..................................... 56

10 Fazit und Empfehlungen ..................................................................................................... 58

11 Verwendete Literatur.......................................................................................................... 60

Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des

Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

Dieser Bericht gibt die Auffassung und Meinung des Zuwendungsempfängers des

Bundesprogramms wieder und muss nicht mit der Auffassung des Zuwendungsgebers

übereinstimmen.

3

Abbildungen

Abbildung 1: Die Altersverteilung der Befragten. .......................................................................... 15

Abbildung 2: Die Altersverteilung der Befragten. Vergleich der Gesamtheit der Befragten zu den

im Saarland lebenden Befragten. ................................................................................................... 15

Abbildung 3: Die berufliche Qualifikation der Befragten. Vergleich der Gesamtheit der Befragten

mit den im Saarland lebenden Befragten. ..................................................................................... 16

Abbildung 4: Materialistische und postmaterialistische Werthaltungen von im Saarland lebenden

Befragten und außerhalb des Saarlandes lebenden Befragten. .................................................... 17

Abbildung 5: Antworthöufigkeiten auf die offen gestellte Frage, was die Befragten mit Wald in

Verbindung brächten. Die Summe > 100 % ist dadurch bedingt, dass zahlreiche Äußerungen

mehreren Kategorien zuzurechnen waren. ................................................................................... 18

Abbildung 6: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Wie nehmen Sie Wald in der Regel wahr?". Es

waren mehrere Antworten möglich. .............................................................................................. 21

Abbildung 7: Die Wahrnehmung von Wald durch Personen unterschiedlichen Alters am Beispiel

Zug und Auto. ................................................................................................................................. 23

Abbildung 8: Die Wahrnehmung von Wald durch Personen unterschiedlichen Alters am Beispiel

von verschiedenen virtuellen Medien. ........................................................................................... 24

Abbildung 9: Wahrnehmung von Wald nach Geschlechtern. ........................................................ 26

Abbildung 10: Die Altersdifferenzierte Aneignung von Wissen über Wald, hier durch

Beobachtung, das Internet und Infoflyer. ...................................................................................... 28

Abbildung 11: Die altersdifferenzierte Aneignung von Wissen über Wald, hier durch Kurse und

Führungen. ..................................................................................................................................... 29

Abbildung 12: Die drei abgefragten Waldbilder: Park, Fichtenwald und naturnaher Wald. ......... 29

Abbildung 13: Antworthäufigkeiten zu der Frage "Wie würden Sie den abgebildeten Wald

charakterisieren?". Mehrere Antwortmöglichkeiten waren möglich. ........................................... 30

Abbildung 14: Die Konnotation von Traditionalität und Modernität des abgebildeten Parks in

Abhängigkeit vom Alter der Befragten. .......................................................................................... 33

Abbildung 15: Die Konnotation von Hässlichkeit und Schönheit des abgebildeten Parks in

Abhängigkeit vom Alter der Befragten. .......................................................................................... 34

Abbildung 16: Die Konnotation ‚romantisch‘ des abgebildeten Parks in Abhängigkeit vom Alter

der Befragten. ................................................................................................................................. 35

Abbildung 17: Geschlechterspezifische Zuschreibungen zu dem abgebildeten Park. ................... 36

Abbildung 18: Geschlechterspezifische Zuschreibungen zu dem abgebildeten Fichtenwald. ...... 36

Abbildung 19: Die Konnotation von Traditionalität und Modernität des abgebildeten

Fichtenwaldes in Abhängigkeit vom Alter der Befragten. ............................................................. 37

Abbildung 20: Die Zuschreibung von Hässlichkeit, Interessantheit und Wildheit zu dem

abgebildeten Fichtenwald. ............................................................................................................. 38

Abbildung 21: Die Konnotation von Modernität und Schönheit mit dem naturnahen Wald........ 39

4

Abbildung 22: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Welches Gefühl haben Sie am ehesten, wenn

Sie das Bild betrachten“. Mehrfachnennungen waren möglich. ................................................... 40

Abbildung 23: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Parks nach Alter: Abscheu

und Freude. .................................................................................................................................... 42

Abbildung 24: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Fichtenwaldes nach

Geschlecht. ..................................................................................................................................... 43

Abbildung 25: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Fichtenwaldes nach Alter:

Angst und Stolz. .............................................................................................................................. 43

Abbildung 26: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Naturnahen Waldes nach

Geschlecht. ..................................................................................................................................... 44

Abbildung 27: Antworthöufigkeiten auf die offen gestellte Frage, was die Befragten mit Totholz

in Verbindung brächten. Die Summe > 100 % ist dadurch bedingt, dass zahlreiche Äußerungen

mehreren Kategorien zuzurechnen waren. ................................................................................... 46

Abbildung 28:Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Buche als ‚alt‘ bezeichnet wird (n =

1495). .............................................................................................................................................. 47

Abbildung 29: Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Fichte als ‚alt‘ bezeichnet wird (n =

1495). .............................................................................................................................................. 47

Abbildung 30: Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Eiche als ‚alt‘ bezeichnet wird (n =

1495). .............................................................................................................................................. 48

Abbildung 31: Die Zahl der von Alt- und Totholz abhängigen Tier- und Pflanzenarten nach Ansicht

der Befragten. ................................................................................................................................. 49

Abbildung 32: Antworthäufigkeiten zu der Frage „Was würden Sie tun, wenn Sie bei einem

Spaziergang einen größeren Ast finden, der auf dem Weg liegt?“. Eine Antwortmöglichkeit war

möglich. .......................................................................................................................................... 50

Abbildung 33: Reaktionen auf einen auf den Weg gefallenen Ast nach Alterskohorten. ............. 51

Abbildung 34: Zahlungsbereitschaft für den Erhalt einer 'herrlichen Buche', differenziert nach im

Saarland und außerhalb des Saarlandes lebenden Personen. ....................................................... 52

Abbildung 35: Bild zu der Frage „Welche Aussagen verbinden Sie mit diesem Bild?“. Die

Antworthäufigkeiten sind in Tabelle 10 aufgeführt. ...................................................................... 53

Abbildung 36: Bilder zu der Frage „Welches Waldtier sollte Ihrer Meinung nach einen

besonderen Schutz erfahren?“. Die Antworthäufigkeiten sind in Abbildung 34 aufgeführt......... 54

Abbildung 37: Antworthäufigkeiten, zu den in Abbildung 33 gezeigten Bilden. Eine Antwort war

möglich. .......................................................................................................................................... 54

Abbildung 38: Antworthäufigkeiten, differenziert nach im Saarland Wohnenden und außerhalb

des Saarlandes Wohnenden, zur Frage „Ein Waldnationalpark hat verschiedene Funktionen.

Welche Funktion ist Ihrer Meinung nach die bedeutendste?“. Eine Antwort war möglich. ......... 55

Abbildung 39: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Haben Sie bereits von dem NABU-Projekt zur

Entwicklung und Förderung von Alt- und Totholzlebensgemeinschaften durch eine nachhaltige

Bewirtschaftungsstrategie gehört?“ Es war nur eine Antwort möglich. ....................................... 56

5

Abbildung 40: Antworthäufigkeiten zu der Frage, die dann gestellt wurde, wenn das Projekt

bekannt war, „Wenn ja, wie haben Sie von diesem Projekt erfahren?“. Mehrere Antworten

waren möglich. ............................................................................................................................... 57

Abbildung 41: Antworthäufigkeiten zur Frage „Würden Sie ein attraktives Informationszentrum

zum Thema "Lebensgemeinschaft Alt- und Totholz" im Saarland besuchen?“. Eine

Antwortmöglichkeit war möglich. .................................................................................................. 57

6

1 Zusammenfassung

Wald wird in der sozialen Kommunikation mit Assoziationen und Konnotationen aufgeladen, die

Ergebnis einer langen Geschichte sind. Wald wird dabei vielfach mit Natur und Wildnis in

Verbindung gebracht, in Deutschland fungiert er, in Opposition zur Vielstaatlichkeit

Deutschlands vor der Reichsgründung 1871, als Symbol nationaler Einheit. Wald wird dabei im

deutschen Sprachraum mit einem ebenfalls stark emotional und ästhetisch aufgeladenen Begriff,

nämlich dem der Landschaft, verbunden. Für die soziale Konstruktion von Landschaft wird Wald

in Mitteleuropa eine nahezu konstitutive Bedeutung beigemessen. Somit erscheint es nicht

verwunderlich, dass seiner Erhaltung und Entwicklung bis heute eine große Priorität

beigemessen, und wirtschaftlichen Holznutzungen mit besonderem Argwohn

gegenübergestanden wird.

Die ‚Längsschnittstudie zur Wahrnehmung von Alt- und Totholz sowie zur symbolischen

Konnotation von Wald‘ gliedert sich in drei empirische Teile – zwei quantitative Studienteile, in

Form einer Längsschnittstudie (eine Befragung 2013 und eine 2018), und einen qualitativen

Studienteil (2017-2018). Der vorliegende Zwischenbericht bezieht sich auf die erste quantitative

Online-Erhebung mit n = 1.606 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die in einem

Erhebungszeitraum zwischen 13. September und 31. Oktober durchgeführt wurde.

Ähnlich anderen Studien zur sozialen Bedeutung von Wald, werden auch von den Befragten

dieser Studie mit Wald primär Ruhe und Erholung, aber auch Lebensraum für Tiere und Pflanzen,

wie auch die Produktion frischer Luft in Verbindung gebracht. Bei der Nutzung von Wald

dominieren Kulissenfunktionen (beim Sport oder beim Spazieren gehen), doch auch eine

bewusste Zuwendung durch Betrachtung oder Fotografieren hat eine große Bedeutung, die

aktive (wirtschaftliche) Nutzung findet eher durch Holzwerbung als durch Jagd statt. Landschaft

wird dabei insbesondere auf Wanderungen, in Dokumentarfilmen sowie vom Fahrrad und vom

Auto aus wahrgenommen. Dabei ist eine altersbezogene Differenzierung festzustellen: Jüngere

Befragte nutzen signifikant häufiger virtuelle Medien zur Wahrnehmung von und

Informationsgenerierung über Wald als Ältere, die sich wiederum stärker auf die eigene

Beobachtung und Bücher beziehen. Für die Wissensaneignung über Landschaft nutzen Jüngere

eher Kursangebote, während Ältere an Führungen teilnehmen. Auch nehmen Jüngere Wald

stärker von Verkehrsmitteln aus wahr als Ältere.

Anhand der Vorstellung von drei Bildern und Fragen dazu wurden die Zuschreibungen zu

Fichtenwald, Naturnahem Wald und Park ermittelt. Naturnahen Wald wird dabei die größte

Präferenzierung zuteil, gefolgt von Fichtenwald und dem Park. Dabei ergeben sich signifikante

alterskohortenspezifische Unterschiede: Jüngere favorisieren stärker Naturnahen Wald, Ältere

stärker Fichtenwald und Park. Dies lässt sich weitgehend mit der

Landschaftssozialisationstheorie (Kühne) erklären: Während in der formativen Phase der Älteren

7

(also in deren Kinder- und Jugendzeit) Wald stärker dem normativen Prinzip der ‚Ordnung‘

unterlag, ist Wald heute stärker durch die Naturnahe Waldnutzung geprägt und das Prinzip der

‚Ordnung‘ hat seine gesellschaftliche Verbindlichkeit verloren (Inglehart). Dies zeigt sich auch in

der Deutung der Befragten von Alt- und Totholz: Jüngere sehen dies deutlich positiver als Ältere.

Insgesamt bewerten die Befragten Totholz primär hinsichtlich seiner ökologischen Funktionen

als Lebensraum für bedrohte Tiere, für die Humusbildung und als Brutstätte für Nützlinge;

soziale Funktionen (wie als Kletter- und Spielmöglichkeiten für Kinder) werden nur in geringerem

Umfang gesehen. Insgesamt sehen rund die Hälfte der Befragten, dass Alt- und Totholz bis zu

1.600 Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dient, etwas über 36 % sogar bis zu 16.000. Bei

der Frage, ab wann ein Baum als ‚alt‘ gilt differenzieren die Befragten deutlich, so gelten rund

neun Zehnteln der Befragten Fichten bereits mit unter oder gleich 100 Jahren als jung, Buchen

hingegen bei knapp sieben Zehnteln und Eichen weniger bei als der Hälfte der Befragten.

Im Vergleich zwischen Personen mit Wohnsitz im Saarland und außerhalb des Saarlandes lassen

sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der Deutung und Bewertung von Wald und Totholz

feststellen: Saarländerinnen und Saarländer haben ein stärker auf den materiellen und

immateriellen Nutzen – sie vertreten auch in stärkerem Maß materialistische Werte als Personen

mit Wohnsitz außerhalb des Saarlandes – ausgerichtetes Verhältnis von Wald und Totholz. Dies

dokumentiert sich auch in der Zahlungsbereitschaft für die Erhaltung eines Baumes, die hoch

signifikant bei Befragten aus dem Saarland geringer ausgeprägt ist. Ökologischen Bezügen wird

dagegen eine geringere Bedeutung beigemessen als von den Nicht-Saarländern.

Neben den Fragen zu Wald und Totholz wurde auch nach der Bekanntheit saarländischer

Schutzgebiete gefragt. Diese sind den im Saarland Ansässigen deutlich bekannter als den übrigen

Befragten. Am bekanntesten sind der Naturpark Saar-Hunsrück, das Biosphärenreservat

Bliesgau, der Urwald vor den Toren der Stadt sowie die ‚Naturlandschaft Saarschleife‘, die als

fiktive Schutzkategorie eingefügt wurde, um festzustellen, ob die Bekanntheit einer Landschaft

die Kenntnis über Schutzkategorien dominiert.

Das Projekt ‚Wertvoller Wald‘ weist bereits heute einen, insbesondere angesichts der kurzen

Laufzeit, hohen Bekanntheitsgrad auf, insbesondere bei Personen mit Wohnsitz im Saarland.

Diese haben zumeist durch die Kommunikation durch den NABU von dem Projekt erfahren,

während Personen von außerhalb des Saarlandes primär über die allgemeine

Medienberichterstattung davon erfahren haben.

8

2 Einleitung

Menschen handeln „‚Dingen‘ gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen […], die diese Dinge

für sie besitzen“ (Blumer 1973: 81). Diese Dinge können vieles sein, Häuser, Kaffeemaschinen,

die Nationalfahne oder auch Wald. Für das Handeln des Menschen stellt Wald nicht bloß eine

Ansammlung von Bäumen und Sträuchern dar, sondern mit Wald werden über Jahrhunderte

entwickelte Deutungsmuster verbunden. Diese symbolische Besetzung von ‚Wald‘ ist dabei

durchaus kulturell differenziert (Lehmann 2001, vgl. auch später vorgestellte Ergebnisse).

Die Sicherung und Entwicklung von Alt- und Totholzbiozönosen zum Schutz der Biodiversität

geht zunächst einmal mit einer Landschaftsveränderung einher, die einer sozialen Bewertung

unterliegt und möglicherweise als ‚hässlich‘ oder ‚unordentlich‘ etikettiert wird. Objektiv kann

Landschaft, als deren Teil Wald gilt, jedoch niemals allgemeingültig ‚schön‘ oder ‚hässlich‘ sein,

diese Wertungen gründen stets auf sozial und kulturell begründeten Deutungs- und

Bewertungsmustern (siehe z.B. Bruns/Kühne 2013). Sowohl aufgrund theoretischer

Überlegungen (unter vielen allgemein: Berger/Luckmann 1966, Gergen 1999; zum Thema

Landschaft: Burckhardt 2006[1991], Leibenath/Gailing 2012, Leibenath/Otto 2012, Kühne 2013)

als auch anhand empirischer Untersuchungen kann Landschaft (und damit auch Wald) als ein

individuelles Konstrukt auf Grundlage in der Sozialisierung erlernter Bewertungen verstanden

werden (Kühne 2008a). Die Bezugnahme zu dem, was im deutschen Sprachraum mit dem Wort

‚Wald‘ belegt wird, erfolgt dabei kognitiv, emotional wie ästhetisch (vgl. Ipsen 2006). Die

kognitive Dimension zeigt sich beispielsweise in der Diskussion um ökologische Auswirkungen

von Landschaftsveränderungen, die ästhetische Dimension thematisiert Auswirkungen auf das

Landschaftsbild und die emotionale Dimension wird deutlich, wenn beispielsweise ein

Heimatverlust durch Landschaftsveränderungen befürchtet wird (Kühne 2012). Die Existenz

beständiger allgemeingültiger Regeln des Ästhetischen kann verneint werden, sie sind vielmehr

kontext- und lebensstilabhängig (Goodman 1992, Illing 2008). Interessant ist daher die

Untersuchung, von wem und weshalb welche Landschaft wie bewertet wird und welche

Landschaftsveränderungen warum akzeptiert werden und welche nicht und in welcher Weise

sich das Wissen über biologische Artenvielfalt auf die Wahrnehmung auswirkt.

Gerade in Deutschland ist ein spezifisches Verhältnis von Menschen und Wald festzustellen.

Auch bei der Wahrnehmung von Alt- und Totholz greifen Menschen – zumeist unbewusst – auf

historisch angelegte Deutungs- und Bewertungsmuster zurück (siehe Kühne 2013). Ziel des

Projektes ist es, die Konstruktion der Wahrnehmung der Alt- und Totholzvorkommen in den

saarländischen Wäldern zu analysieren. „Wald wird in den mittel-, nord- und osteuropäischen

Nationalkulturen schlechthin als ‚die‘ Metapher für Natur empfunden“ (Lehmann 1996: 145). Es

wird daher auch die symbolische Konnotation von Wald unter dem Aspekt der Biodiversität

analysiert und untersucht, was unter Waldschutz verstanden wird (vgl. NABU Saar 2013).

9

Insofern erscheint es für ein umfassendes Verständnis der sozialen Bewertung von Alt- und

Totholz nötig, in einem Überblick über die Literatur zum Thema, den symbolischen Kontext des

Waldes in seiner gegenwärtigen Ausprägung und historischen Genese zu untersuchen. Dies ist

der Gegenstand des von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf durchgeführten Teilprojektes.

Neben den sozialen Deutungen und Wertungen von Wald und Totholz werden in der Studie auch

Erfolge der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Kommunikations- und Informationsstrategien des

Projektes evaluiert. Um Veränderungen im Zeitablauf nachzuvollziehen, ist das Erhebungsdesign

in Form einer Längsschnittstudie angelegt. Aus der Analyse der sozialen Wertung- und

Bewertung von Wald und Totholz werden Handlungsempfehlungen für eine bessere

Informations- und Kommunikationsstrategie abgeleitet.

3 Methodik und Aufbau der Studie

Die Studie gliedert sich in drei empirische Teile: zwei quantitative Studienteile – in Form einer

Längsschnittstudie (eine Befragung 2013 und eine 2018) – und einen qualitativen Studienteil. Mit

diesem Forschungsdesign der zwei quantitativen Erhebungen soll untersucht werden, ob und

inwiefern sich die soziale Bewertung von Alt- und Totholz sowie Wald im Laufe der Zeit wandelt

(oder gewandelt hat?). Durch Kombination von quantitativen und qualitativen

Forschungsmethoden soll eine Synthese der methodologischen Grundpositionen von Erklären

versus Verstehen (Lamnek 1995) erreicht werden. Während die quantitativen Studienteile – in

naturwissenschaftlicher Denktradition – primär darauf abzielen, bestimmte quantifizierbare

Einstellungen, ästhetische Präferenzen, Aneignungsmuster, Bewertungen u. a. von Wald wie

auch Totholz zu ermitteln, ist der qualitative Teil – in geisteswissenschaftlicher Denktradition –

darauf angelegt, Begründungszusammenhänge hierzu und Perspektiven für die Entwicklung von

Landschaften zu erhalten. Dabei wird in der quantitativen Analyse eine Untersuchung von

Häufigkeiten, Kausalitäten, Abhängigkeiten und Wahrscheinlichkeiten erfolgen, die durch die

qualitative mit der Untersuchung der sozialwissenschaftlich wesentlichen Sinnkomponente

ergänzt wird.

Der häufig als nahezu konstitutiv konstruierten Dichotomie zwischen quantitativer

Sozialforschung als hypothesenprüfend und qualitativer Sozialforschung als

hypothesengenerierend wird in dieser Studie nicht gefolgt. Schließlich soll auch mit der

qualitativen Untersuchung „die Reichweite der zunächst gegenstandsnah formulierten

Hypothesen durch systematische komparative Analysen ausgelotet werden“ (Lamnek 1995:

223). Somit handelt es sich bei der Erzielung von wissenschaftlichen Ergebnissen dieser Studie

um einen Prozess ständiger reflexiver Rückkopplung zwischen der Ebene der sozialen Welt und

der Ebene der wissenschaftlichen Hypothesenbildung, Theorieentdeckung, Theorieentwicklung

und Theorieüberprüfung (vgl. Lütteken 2002, Kühne 2006). Von besonderer Bedeutung ist bei

diesem rückgekoppelten Prozess der Theoriebildung eine andauernde relationale

Selbstbestimmung der Forschenden im sozialen Kontext des Forschungsprozesses im Sinne einer

reflexiven Soziologie Gouldners (1970), die sich dem Eingebundensein der Forschenden in

10

soziale Kontexte bewusst ist: Gerade die qualitative Sozialforschung – im Sinne einer

verstehenden Soziologie – stellt den Anspruch an Wissenschaftler, ihre Position in der sozialen

Umwelt (insbesondere in Interview-Situationen) zu reflektieren und hermeneutische

Zirkelbezüge zu vergegenwärtigen (vgl. hierzu Flick 2002). Im qualitativen Studienteil werden 15

bis 20 Saarländerinnen und Saarländer zu ihrer Wahrnehmung von Alt- und Totholz und zur

symbolischen Konnotation mit Wald und Totholz anhand eines Interviewleitfadens befragt. Bei

dieser Befragung werden auch Ergebnisse der im Hebst 2013 durchgeführten quantitativen

Untersuchung Befragten zur Interpretation vorgelegt.

Die Generierung von Daten in den quantitativen Studienteilen erfolgte auf Wunsch des

Auftraggebers in Form einer Online-Befragung. Für die Beteiligung an der Befragung wurde

durch den Auftraggeber über Pressemitteilungen, Mailinglisten, Verlinkungen und soziale

Netzwerke geworben. Die erste Datenerhebungsphase wurde mit der Online-Befragung

13.09.2013 bis 31.10.2013 bereits abgeschlossen. Die Zahl der auswertbaren Online-Fragebögen

lag mit n = 1.606 im Vergleich zu anderen sozialwissenschaftlichen Studien hoch. Der

Fragebogen diente im Wesentlichen der Erforschung und Erklärung von drei Themenkomplexen:

Erstens dem Waldbegriff der Befragten, zweitens den Konnotationen und Bewertungen von Alt-

und Totholz und drittens der Bekanntheit des Projektes ‚Wertvolle Wälder‘. Darüber hinaus

wurden Fragen zu Geschlecht, Alter, Wohnort und Bildungsgrad gestellt, um so Zusammenhänge

zwischen den genannten Variablen mit der Beurteilung, Bewertung und Konstruktion von Wald

sowie Alt- und Totholz zu untersuchen. Zudem wurde – in Anlehnung an Inglehart (1998) – ein

Fragenkomplex formuliert, der Auskunft über das Dominieren materialistischer bzw.

postmaterialistischer Werte bei den einzelnen Probanden liefern soll.

Das Layout des Fragebogens wurde nach Möglichkeit einfach, übersichtlich und selbst erklärend

gehalten. Die einzelnen Fragen mit ihren Antwortmöglichkeiten wurden zumeist auf

unterschiedliche Seiten verteilt oder optisch deutlich voneinander getrennt. Frage- und

Antwortmöglichkeiten wurden optisch soweit möglich vereinheitlicht, um den Probanden ein

rasches Erfassen der Frageinhalte zu erleichtern. Neben geschlossenen Fragen wurden auch

einige offene Fragen gestellt. Die Verwendung offener Fragen hatte (trotz erschwerter

Auswertbarkeit) das Ziel, einerseits die Aufmerksamkeit der Probanden zu steigern, andererseits

wesentliche Informationen zu generieren, die über geschlossene Fragen nicht hätten generiert

werden können, da hier bereits die Antwortkategorien, und damit Deutungsmöglichkeiten,

vorgegeben sind. Ferner wurden zahlreiche geschlossene Fragen geöffnet (z.B. durch die

Möglichkeit das Feld „anderes“ auszufüllen), um so alternative Antworten zuzulassen, wovon

auch Gebrauch gemacht wurde.

Der vorliegende Zwischenbericht stellt die Ergebnisse dieses ersten Untersuchungsteils dar.

11

4 Aspekte der sozialen Konstruktion von Wald – historische Bezüge und aktuelle

Ausprägungen

Wald wird – insbesondere in Mitteleuropa – vielfach für den Inbegriff einer vom Menschen

unbeeinflusste Natur gehalten, „er scheint unwandelbar zu sein, die wilde Gegenwelt zur

Zivilisation, die äußere Begrenzung des Geltungsbereichs von Kultur“ (Küster 1998: 7; vgl. auch

Braun 2000). Die Deutschen beschreiben sich als ‚Waldvolk‘ und werden von außen auch als

solches beschrieben, Wald hat für sie eine identitätsstiftende Bedeutung (Lehmann 2001). Eine

besondere Bedeutung in der Erzählung von den Deutschen als ‚Waldvolk‘ nimmt die

Varusschlacht ein, die in der Zeit der Romantik zum nationalen Mythos wurde, der der

Sehnsucht nach Einheit im politisch zersplitterten Deutschland geschuldet war: „Seitdem durfte

der Hinweis auf die ehemaligen ‚schaurigen‘ und daher sicherlich besonders großen Wälder

Germaniens nicht fehlen, wenn über ihre Geschichte berichtet wurde“ (Küster 1998: 99). Die

symbolische Besetzung des Waldes beschränkte sich jedoch nicht allein auf seine nationale

Glorifizierung: Wald war – wie auch Grimms Märchen verdeutlichen – auch der Raum der

Ungewissheit, der von Furcht einflößenden Wesen bewohnt war, nicht nur von wilden Tieren,

sondern auch von Hexen, Zauberern, Zwergen etc. Die Angst, die mit dem Wald in Verbindung

gebracht wurde, war die Angst vor dem Devianten, vor unzivilisierten Menschen, „die sich der

Kolonisation widersetzten, sich also in einen zivilisierten Staat nicht integrieren ließen“ (Küster

1998: 112), also ihre vormodernen Lebensweisen beibehielten. Eine Tradition der Mystifizierung

von Wald, die bis heute ungebrochen ist. Tolkiens ‚Herr der Ringe‘, Endes Erzählung ‚Die

unendliche Geschichte‘, der Avalontrilogie von Bradley und nicht zuletzt Rowlings ‚Harry Potter‘-

Romanen „ist gemein, dass der Wald ein zentraler thematischer und szenischer Handlungsort ist

und nicht nur Kulisse“ (Heck 2010: 44).

Die nationale Aufladung erstreckte sich nicht allein auf die ‚germanischen‘ Wälder insgesamt,

sondern bezog sich auf eine Baumart. Eine besondere Mystifizierung wurde der Eiche zuteil:

„ein[em] Sinnbild für Ewigkeit des so genannten germanischen Ursprungsvolkes“ (Urmersbach

2009: 76). Die umfassende Nutzung der Wälder für wirtschaftliche Zwecke, verbunden mit deren

Zurückdrängung, wurde in der Romantik, als der „Kehrseite der Aufklärung“ (Illing 2006: 48),

zum Gegenstand einer anti-aufklärerischen, anti-industriellen und nationalen Kritik: Romantiker

forderten eine Alternative zur zunehmenden Distanz gegenüber der äußeren (aber auch inneren)

Natur (vgl. Braun 2000). Im 18. Jahrhundert dominierte als Zugriff auf Wald eine Innerlichkeit des

Waldgefühls, die ‚Waldeinsamkeit‘. Diese wich im 19. Jahrhundert einer „politisierten, aktiven,

nach Außen gekehrten Forderung, der Wald möge den Menschen und seine Welt verbessern“

(Urmersbach 2009: 85): Die Wandervogel- und die Heimatschutzbewegung suchte – unter

Nutzung romantischer Motive – im Wald Alternativen zu Industrialisierung, Individualisierung

und Rationalisierung. Wald wird bis heute in Mitteleuropa weitgehend mit einem ‚natürlichen

Zustand‘ in Beziehung gesetzt. Dabei bezeichnet Natur „das Ursprüngliche und Gute[…], das im

Gegensatz zu Gesellschaft als dem Künstlichen und gar Zerstörenden steht“, aber auch

gleichwohl das „Wilde und Bedrohliche, das zum Schutz der Gesellschaft gezähmt wird“ (Groß

12

2006: 5). Im 19. Jahrhundert wurde in England und Deutschland eine ‚bürgerliche‘ Figur aus dem

Wald populär: der Weihnachtsmann. Während Santa Claus und Father Christmas jedoch auf dem

Rentierschlitten aus dem Norden kommen, wird der deutsche, sich zu Fuß bewegende

Weihnachtsmann in den heimischen Wäldern verortet. Verbunden mit den mit Geschenken

beladenen alten Männern erhält bei Kindern Wald eine positive Konnotation. Mit Weihnachten

verbunden wurden – nicht zuletzt aufgrund der Herkunft von Holzspielzeug – die Alpen und das

Erzgebirge: „Viel Schnee, einsame Wälder, Weihnachtsbäume, geschnitzte Krippenfiguren,

erzgebirgische Weihnachtspyramiden und Reifentiere: All das wurde zu den typischen,

weltbekannten Attributen der deutschen Weihnacht“ (Küster 1998: 201). Damit werden positive

Konnotationen zu Wald, Gebirge und Ländlichkeit kulturell verankert.

In der Nazizeit wurde in dem Mythos des ‚Waldvolkes‘ ein Überlegenheitswahn gegenüber den

Völkern Ostmittel- und Osteuropas sowie dem jüdischen Volk begründet, verbunden mit dem

Ziel, die Landschaften Ostmittel- und Osteuropas zu ‚germanisieren‘. Dieser Missbrauch des

Mythos des ‚deutschen Waldes‘ bedeutete das diesem ein ‚zweifelhafter Ruf‘ angedieh. Der

Heimatfilm der 1950er Jahre lässt sich als Rehabilitation des Waldes von der Nazi-Prägung

deuten: Wald wurde wieder als edles, wildes Stück Natur inszeniert – „das Einfache, so

romantisch, so schön, so völlig unpolitisch“ (Urmersbach 2009: 105). Angesichts dieser

historischen Entwicklung der deutschen Zuwendung zum Wald, werden Schädigungen desselben

in besonderer Weise beobachtet und problematisiert: Das ‚Waldsterben‘ hat – angesichts der

engen kulturellen Bindung an den Wald – „eine Krise der Kultur bewirkt und das gegenwärtige

politische Bewusstsein vieler Zeitgenossen sehr weitgehend beeinflusst“ (Lehmann 1996: 145).

Im Kontrast zur intensiven Zuwendung der Deutschen zum Wald – so sehen Saarländerinnen und

Saarländer Wald als wichtigsten Bestandteil von Landschaft an (Tabelle 1) – stehen gegenwärtig

eine verhältnismäßig geringe Waldnutzung, aber auch vergleichsweise geringe Kenntnisse über

den Wald. Er wird vielmehr als ästhetische Landschaftskulisse, als Symbol für ein harmonisches

Zusammenleben von Bäumen unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Alters

wahrgenommen (Lehmann 2001). Dabei wird Wald häufig mit Wildnis in Beziehung gesetzt. In

einer Anfang der 2000er Jahre durchgeführten Studie zum Wildnisempfinden differenzierten

jedoch die 1536 Befragten sehr deutlich hinsichtlich des Nutzungsgrades (Bauer/Hunzicker

2004): So definierten 80% der Antwortenden wirtschaftlich genutzte Wälder nicht als Wildnis,

während nicht mehr genutzte Wälder mit morschen Stämmen, aber mit einem mit einem

Wegenetz (57%) als Wildnis angesehen werden. Bei 80 bis 90 % lag die Zustimmung zur

Einschätzung, ein seit langem ungenutzter, zugewachsener Wald ohne Wegenetz sei als Wildnis

zu bezeichnen, und ein Wald, der noch nie genutzt wurde, könne als Wildnis verstanden werden.

13

Tabelle 1: Antworthäufigkeiten (mehrere Antworten waren möglich) zu der Frage „Was gehört Ihrer Meinung nach zu einer Landschaft“. (n = 455; aus: Kühne 2006: 151).

Anteil in Prozent

Wälder 96,26

Wiesen 95,16

Bäche 91,21

Dörfer 83,08

Bauernhöfe

73,63

Düfte 61,54

Atmosphäre (im Sinne von Stimmung) 60,66

Gebirge 59,12

Wolken 51,65

Landstraßen 44,84

Regenschauer 41,10

einzelne Blumen 35,38

kleinere Städte 32,09

einzelne Menschen 21,32

Geräusche 20,88

Gruppen von Menschen 19,56

Industriebetriebe 14,07

Windräder 10,99

Großstädte 8,79

Autobahnen 8,79

Autos 6,37

Anderes 5,05

weiß nicht 0,22

Was Menschen an Wald zusagt untersuchte im Jahr 2010 eine mit 3000 Schweizern

durchgeführte Studie (Hunziker/von Linden/Bauer/Frick 2012): die typischen Waldgerüche und

Naturgeräusche. Dabei zeigt sich eine Bevorzugung von Mischwäldern gegenüber reinen Laub-

oder Nadelbaumbeständen. In Wäldern werden Quellen, Bäche, Teiche und Tümpel geschätzt,

gestört wird sich an Totholz. Als die wichtigsten Funktionen des Waldes werden ‚Lebensraum für

Tiere‘, gefolgt von ‚Schutz vor Naturgefahren‘ und ‚Luft- und Wasserqualität‘ sowie ‚gliedert und

verschönert Landschaft‘ angegeben (ähnliche Ergebnisse finden sich für Deutschland bei

Kleinhückelkotten/Neitzke/Wippermann 2009).

Angesichts der kulturell angelegten und im Prozess der Sozialisation durch Eltern, Freunde,

Verwandte, Lehrer, Dokumentarfilme etc. perpetuierten großen Wertschätzung des Waldes in

14

Deutschland erscheint es auch nachvollziehbar, dass hier große gesellschaftliche Vorbehalte

gegenüber einem vermehrten Holzeinschlag infolge des Ausbaus des Hochspannungsnetzes bzw.

zur Gewinnung regenerativer Energieträger zu finden sind. Dabei wird Holzeinschlag häufig mit

Artensterben in Verbindung gebracht (BMU/BfN 2011).

5 Soziodemographische Angaben der Befragten

Wie bei Stichproben üblich, repräsentiert auch dieser Untersuchung nicht sämtliche

Merkmalsverteilungen der Gesamtpopulation (vgl. Diekmann 2003, Kromrey 2002). Da bei einer

endlichen Stichprobe unmöglich alle Merkmalsverteilungen repräsentiert werden können, ist

„die Redeweise von der ‚repräsentativen Stichprobe’ [...] nicht mehr als eine Metapher, eine

bildhafte Vergleichung“ (Diekmann 2003: 368). Insbesondere bei einer Längsschnittstudie durch

schriftliche Online-Befragung sind neben Faktoren des persönlichen Interesses an dem

Befragungsthema auch die Teilhabe an der elektronischen Kommunikation bzw. selektiver

elektronischer Kommunikationsinhalte dafür verantwortlich, dass eine von der

Merkmalsverteilung der Gesamtpopulation abweichende Merkmalsverteilung induziert wird (vgl.

Diekmann 2003, Kromrey 2002). Aufgrund der Lokalisiation des Projektes im Saarland erfolgt

eine gesonderte Auswertung für Personen, die im Saarland wohnhaft sind.

Hinsichtlich der Geschlechtsvariablen findet sich eine leichte Dominanz von männlichen zu

weiblichen Befragungsteilnehmern. Von n = 1535 Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmern,

die die Seite mit den Fragen zur Soziodemographie beantworteten, gaben 47,6 % an weiblich

und 51,7 % an männlich zu sein. Die Übrigen machten hierzu keine Angabe. Für die n = 251

Personen mit Wohnsitz im Saarland, die die Seite mit den Fragen zur Soziodemographie

beantworteten, betrug die Relation 48,0 % weiblich zu 51,0 % männlich (die fehlenden 1,0 %

machten keine Angabe). Dies bedeutete eine in den empirischen Sozialwissenschaften häufige

Überrepräsentation von Männern in Umfragen (vgl. Diekmann 2003) im Vergleich zur

Gesamtbevölkerung. Diese fällt allerdings im Vergleich zu anderen Studien sehr moderat aus

(vgl. Diekmann 2003).

15

Abbildung 1: Die Altersverteilung der Befragten.

Die Altersverteilung der Befragten (Abbildung 1) zeigt eine Dominanz der Alterskohorten

mittleren Alters, die ansonsten vielfach festzustellende Dominanz älter Alterskohorten

(Diekmann 2003) lässt sich, mutmaßlich der Erhebungsmethode der Online-Befragung

geschuldet, nicht feststellen, so dass hier ein stärkere Annäherung an die Repräsentativität

festzustellen ist. Bei den im Saarland wohnhaften Befragten findet sich eine stärkere

Repräsentanz der Alterskohorten von 46 Jahren und älter (Abbildung 2).

bis 15 16-25 26-45 46-65 über 65

Saarländer 0,4% 8,3% 26,9% 53,0% 11,5%

Andere 0,8% 11,5% 39,2% 40,3% 8,2%

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

Alterskohorten: Saarländer/Andere (n=1487)

Abbildung 2: Die Altersverteilung der Befragten. Vergleich der Gesamtheit der Befragten zu den im Saarland lebenden Befragten.

16

Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation der Befragten (Abbildung 3) dominiert der Universitäts-

/Fachhochschulabschluss (Gesamtstichprobe: 50,5 %), bei den im Saarland Lebenden etwas

weniger deutlich als bei der Gesamtheit der Befragten, deutlich vor der Lehrausbildung

(Gesamtstichprobe: 21,1 %), der Qualifikation des Meisters/Technikers/Fachschulabschlusses

(Gesamtstichprobe: 13,3 %; noch in Ausbildung: 9,5 %, Berufliches Praktikum/Anlernausbildung:

0,5 %, anderes: 3,5 %). Dabei zeigt sich eine Überrepräsentation höherer beruflicher

Qualifikation, die als charakteristisch für quantitative Befragungen gelten kann (Diekmann 2003).

0,8%1,6%

24,2%

12,7%

47,6%

5,2%7,9%

2,1%0,3%

20,8%12,9%

51,4%

2,8%

9,7%

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

Berufliche Qualifikation: Saarländer/andere (n=1488)

Saarländer

Andere

Abbildung 3: Die berufliche Qualifikation der Befragten. Vergleich der Gesamtheit der Befragten mit den im Saarland lebenden Befragten.

17

Abbildung 4: Materialistische und postmaterialistische Werthaltungen von im Saarland lebenden Befragten und außerhalb des Saarlandes lebenden Befragten.

Über die soziodemographischen Fragen hinaus wurde – in Anlehnung an Inglehart (1998) – ein

Fragenkomplex formuliert, der Auskunft über das Dominieren materialistischer bzw.

postmaterialistischer Werte bei den einzelnen Probanden liefern sollte (Abbildung 4). Demnach

sind postmaterialistische Items: Mehr Mitsprache der Bevölkerung in der Gemeinde,

Verschönerung von Dörfern und Städten, mehr Mitsprache der Menschen bei

Regierungsangelegenheiten, Erhaltung der Redefreiheit, Fortschritte hin zu einer menschlicheren

und weniger unpersönlichen Gesellschaft und Fortschritte hin zu einer Gesellschaft, in der Ideen

mehr als Geld zählen. Materialistische Items sind hingegen folgende: Erhaltung oder Erzielung

eines hohen Niveaus an Wirtschaftswachstum, eine starke Armee, Aufrechterhaltung der

Ordnung im Land, Inflationsbekämpfung, eine stabile Wirtschaft, Verbrechensbekämpfung.

Insgesamt dominieren bei den Befragten (mit Ausnahme von ‚eine stabile Wirtschaft‘)

postmaterialistische Werte. Im Vergleich zwischen den im Saarland Lebenden und den außerhalb

des Saarlandes Lebenden ist jedoch eine stärkere Ausprägung materialistischer Werte bei den im

Saarland lebenden Personen festzustellen.

18

6 Die Konstruktion von ‚Wald‘: Deutungen und Wertungen durch die Befragten

Dieses Kapitel befasst sich mit den Deutungen und differenzierten Bewertungen von Wald,

dessen Nutzen für die Befragten und die Aneignung von Wissen über Wald. Der Aspekt der

Konstruktion von Wald wird zudem nach den soziodemographischen Daten (Alter und

Geschlecht) sowie der Unterscheidung der Deutung und Wertung durch die Gesamtheit der

Befragten und im Saarland lebenden Befragten analysiert und besonders signifikante Ergebnisse

werden dargestellt.

6.1 Aspekte sozialer Bedeutung von Wald

Mit dem Ziel spontan Assoziationen mit Wald zu ermitteln, wurde die offene Frage gestellt, was

die Befragten mit ‚Wald‘ in Verbindung brächten (Abbildung 5).

56,8%

23,3%

16,2%

16,1%

11,9%

9,4%

7,1%

4,7%

3,6%

0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%

Ruhe, Erholung, Entspannung

Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere,…

Frische/Gute Luft

Natur (pur)

Rohstofflieferant/Holzerzeugung

(Wild)Tiere, (Wild)Tieren begegnen

Sauerstofferzeuger, Klimaverbesserer

Grün/Grüne Oase

Bäume (große Fläche)

Assoziationen mit Wald (n=1606)

Abbildung 5: Antworthöufigkeiten auf die offen gestellte Frage, was die Befragten mit Wald in Verbindung brächten. Die Summe > 100 % ist dadurch bedingt, dass zahlreiche Äußerungen mehreren Kategorien zuzurechnen waren.

Diese Frage wurde zu Beginn des Fragebogens gestellt, um keine Interferenzen mit bereits

gestellten Fragen hervorzurufen (lediglich die Frage nach Assoziationen mit Totholz ging dieser

Frage noch voraus). In über der Hälfte der Antworten wurde Wald in Verbindung mit Ruhe,

Erholung und Entspannung gebracht, knapp ein Viertel der Antworten beziehen sich auf den

Lebensraums von Tieren und Pflanzen. Insgesamt lässt sich eine deutliche Dominanz des Nutzens

des Waldes für den Menschen gegenüber der Wertschätzung ökologischer Funktionen

feststellen. In der freien Assoziation wird Wald also primär als dem Menschen dienlich

angesehen, eine Sichtweise, die sich in der geschlossenen Frage (also einer Frage mit definierten

Antwortmöglichkeiten) deutlich anders gestaltet.

19

Tabelle 2: Antworthäufigkeiten auf die Frage "Welche Aussage verbinden Sie mit dem Begriff 'Wald'?". Es waren drei Antworten möglich

Saarland

(n=254)

Andere

(n=1241)

Wald ist Lieferant für nachwachsende Rohstoffe (für

Brennholz, Papier, Bauholz usw.)

30,3% 24,2%

Wald ist Lebensraum für Tiere und Pflanzen 84,6% 89,0%

Wald ist Produzent von Sauerstoff 48,8% 46,7%

Wald bindet Kohlendioxid 12,6% 13,1%

Wald ist Ort der Erholung 48,8% 43,0%

Wald ist Teil meiner Heimat 33,1% 29,3%

Wald ist schön 13,0% 17,0%

Wald ist ein Regenwasserspeicher 10,2% 13,1%

Wald ist romantisch 3,5% 3,2%

Im Wald kann ich viel über Natur lernen 10,2% 16,9%

Wald hat für mich keinen großen Wert 1,6% 0,9%

Anderes 3,1% 2,4%

Hinsichtlich der geschlossenen Frage welche Aussage mit dem Begriff ‚Wald‘ in Verbindung

gebracht wird (Tabelle 2), dominiert eine überaus starke Wahrnehmung von Wald als

Lebensraum. Die ökologische Funktion ‚Wald ist Sauerstoffproduzent‘ wird deutlich weniger

häufig angegeben. Die anderen ökologische Funktionen des Waldes werden noch seltener

ausgewählt: ‚Wald bindet Kohlendioxid‘ und ‚Wald ist ein Regenwasserspeicher‘. Wald in

seiner Funktion als Ort der Erholung und Entspannung wird von rund 45 % Befragten

ausgewählt. Die Funktion des Waldes als Lieferant für nachwachsende Rohstoffe wird als

weniger zentral betrachtet. Besonders wesentlich erscheint für die im Saarland lebenden

Befragten die Bedeutung des Waldes als Lieferant für nachwachsende Rohstoffe und als Ort

der Erholung, während das Lernen von der Natur von Saarländerinnen und Saarländern eine

deutlich geringere Bedeutung zugeschrieben wird als von dem Durchschnitt der Befragten

insgesamt. Die deutlich abweichenden Antworten von der offen gestellten Frage deuten auf

eine stärker kognitive, auch hinsichtlich der sozialen Erwünschtheit, gefilterte Antwort als

bei der geschlossenen Frage hin.

Deutliche Unterschiede zwischen im Saarland lebenden Befragten und der Gesamtheit der

Befragten zeigen sich auch hinsichtlich der Antworten auf die Frage nach der Nutzung des

Waldes (Tabelle 3).

20

Tabelle 3: Antworthäufigkeiten zu der Frage "Wie nutzen Sie Wald?". Mehrfachnennungen waren möglich.

Saarland

(n=254)

Andere

(n=1241)

Gesamt (n =

1495)

zum Wandern/Spazierengehen/Hund

ausführen 94,1% 92,3% 92,6%

durch Betrachtung 53,9% 59,3% 58,4%

zum Fotografieren 37,0% 48,2% 46,3%

zur sportlichen Betätigung (Fahrrad

fahren/Joggen) 46,5% 38,1% 39,5%

zum Pilze sammeln 27,2% 28,6% 28,4%

zur Gewinnung von Holz 33,5% 22,8% 24,6%

anderes 11,0% 17,2% 16,1%

zur Jagd 5,9% 10,9% 10,1%

zum Geocaching 3,1% 7,7% 6,9%

Bei den Befragten dominiert mit über 90 % die Nutzung zu Erholungszwecken (zum Wandern

/ Spazierengehen / Hund ausführen), in ähnlicher Ausprägung bei der Gesamtheit der

Befragten und jenen Befragten, die im Saarland leben. Ebenfalls wird Wald von mehr als 40

% zur sportlichen Aktivität genutzt, im Saarland (mutmaßlich auch infolge seines

Waldreichtums und seiner dezentralen Siedlungsstruktur) deutlich stärker als bei der

Gesamtheit der Befragten. Die Freizeitaktivität ‚Geocaching‘ wird lediglich von 7 % der

Befragten im Wald ausgeübt (im Saarland noch seltener). Dennoch zeigen diese Werte einen

besonders hohen Anteil an Freizeitaktivitäten im Wald. Wald ist auch Gegenstand einer eher

kontemplativen Nutzung: Rund 60 % der Befragten nutzen den Wald durch Betrachtung oder

zum Fotografieren (48,2 %), beides ist im Saarland deutlich weniger ausgeprägt. Der

unmittelbare persönliche, ökonomische Nutzungsaspekt von Wald ist weniger ausgeprägt:

Die Nutzung von Wald zur Holzgewinnung, zum Pilze sammeln und zur Jagd fällt gegenüber

anderen Aktivitäten deutlich zurück. Wobei sich bei der Holzwerbung eine größere

Bedeutung für Personen aus dem Saarland findet.

Mit dem Ziel ein differenziertes Bild zu erhalten, in welchem Kontext sich die Konstruktion

von Wald vollzieht, wurde die Frage gestellt, wie die Befragten ‚Wald‘ in der Regel

wahrnehmen (Abbildung 1 und Tabelle 4). Diese geschlossene Frage war mit einer großen

Zahl an Antwortmöglichkeiten versehen.

21

Abbildung 6: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Wie nehmen Sie Wald in der Regel wahr?". Es waren mehrere Antworten möglich.

22

Tabelle 4: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Wie nehmen Sie Wald in der Regel wahr?". Es waren mehrere Antworten möglich, differenziert nach Saarländern und Nicht-Saarländern.

Saarland (n=254) Andere (n=1241)

vom Flugzeug aus 5,9% 3,4%

in Film- und Fernsehwerbung 5,1% 5,2%

auf Postkarten 4,3% 5,6%

in Kinofilmen 4,3% 5,9%

in Romanen 4,7% 7,8%

im Internet 6,3% 10,2%

in Prospekten (z.B. von

Reiseveranstaltern)

6,7% 4,8%

in Spielfilmen 9,8% 7,7%

in Gemälden 11,4% 9,6%

in der Phantasie 12,2% 18,0%

vom Zug aus 16,1% 18,4%

auf Landkarten 18,1% 20,1%

in Bildbänden 22,0% 21,1%

im Fernsehen 22,4% 21,1%

auf Reisen 32,7% 38,8%

vom Auto aus 39,4% 39,2%

vom Fahrrad aus 33,9% 47,1%

in Dokumentarfilmen 44,1% 53,1%

auf Wanderungen 94,9% 93,0%

weiß nicht 0,0% 0,0%

gar nicht (Wald ist mir nicht wichtig) 0,0% 0,0%

anderes 16,9% 16,1%

Mit erheblicher Dominanz wählen die Befragten das Item ‚auf Wanderungen‘ aus. Mehr als

97 % der Befragten nehmen Wald also auf Wanderungen wahr. Diese Antwort zeigt, dass

Wald besonders intensiv wahrgenommen wird, wenn einer aktiven Betätigung

nachgegangen wird. Dieser Befund wird von den 47 % (gesamt) gestützt, die Wald vom

Fahrrad aus wahrnehmen. Auch die Auswertung der assoziierten Begriffe zum Stichwort

„Wald“ ergeben, dass mit Wald ‚gute Luft‘, ‚Atmung‘ und ‚Duft‘ verbunden wird. Viele

Befragte geben an, Wald in ‚Dokumentarfilmen‘ wahrzunehmen. Mehr als 50 % der

Stichprobe wählen dieses Item aus. Die saarländischen Befragten nehmen Wald zudem in

Kinofilmen, im Fernsehen und in Spielfilmen wahr. Im Vergleich zur gesamten Stichprobe

nehmen die saarländischen Befragten Wald eher aus dem Auto als vom Fahrrad aus wahr.

Die geringere Bedeutung der Wahrnehmung von Wald vom Fahrrad aus lässt sich auch auf

23

die vergleichsweise geringen Bedeutung des Fahrrades als Verkehrsmittel im Saarland

zurückführen (Fläschner/Hunzicker 2007).

Die Wahrnehmung von Wald differiert deutlich zwischen den unterschiedlichen Alterskohorten

(Abbildung 7): Die Wahrnehmung von Wald von Verkehrsmitteln aus ist in der Alterskohorte der

16- bis 25-Jährigen am höchsten und nimmt dann mit zunehmendem Alter ab1. Eine

Deutungsmöglichkeit für diese Verteilung liegt einerseits in den starken

Mobilitätsanforderungen an die jüngeren Generationen, andererseits auch infolge von

gestiegenen zeitlichen Anforderungen an Ausbildung/Berufseinstieg bei gleichzeitig

umfangreichen Freizeitaktivitäten jenseits waldbezogener Erholung.

bis 1516 bis

2526 bis

4546 bis

65über 65

vom Auto aus 21,4% 43,6% 42,2% 38,6% 28,1%

vom Zug aus 14,3% 26,2% 20,1% 14,9% 15,1%

0,0%5,0%

10,0%15,0%20,0%25,0%30,0%35,0%40,0%45,0%50,0%

Wahrnehmung von Wald (n=1546)

Abbildung 7: Die Wahrnehmung von Wald durch Personen unterschiedlichen Alters am Beispiel Zug und Auto2.

Auch die Wahrnehmung von Wald im Internet, in Film- und Fernsehwerbung sowie in

Dokumentarfilmen zeigt bei den verschiedenen Alterskohorten ebenfalls signifikante Werte. Die

jüngeren Alterskohorte der 16-25-Jährigen nehmen Wald signifikant häufiger in und durch

Dokumentarfilme wahr (71,4 % und 60,5 %) als die Befragten der älteren Alterskohorten. So

geben im Vergleich dazu 50,8 % der 26-45-Jährigen, 49,4 % der 46-65-Jährigen und 54,7 % der

über 65-Jährigen an, Wald in Dokumentarfilmen wahrzunehmen.

1 Die Signifikanz wurde mit dem Chi-Quadrat- Test geprüft. Der Chi-Quadrat-Test prüft, ob und mit welcher

Signifikanz ein Zusammenhang zwischen zwei Datensätzen besteht. Je kleiner der Wert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenhang besteht. Ist der Wert beispielsweise kleiner als 0,05 kann mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 95 % davon ausgegangen werden (oder mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 5 %), dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beiden Annahmen besteht (signifikant). Bei einem Wert > 0,01 ist die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs sogar größer als 99 %, also ist das Ergebnis hoch signifikant. 2 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

24

Auch die Werte zur Wahrnehmung von Wald im Internet sind ebenfalls alterskohortenspezifisch

und spiegeln eine verstärkte Wahrnehmung von Wald im Internet bei den jüngeren Teilnehmern

wider (Abbildung 8). Es zeigt sich auch, dass mit steigendem Alter die Wahrnehmung von Wald

im Internet abnimmt. Innerhalb der Alterskohorte der 16-25-Jährigen geben die Befragte hoch

signifikant häufiger an, Wald im Internet wahrzunehmen (20,9 %) als in den Vergleichsgruppen

der 26-45-Jährigen (11,4 %), der 46-65-Jährigen (6,3 %), der über 65-Jährigen (5,0 %) oder gar

der unter 15-Jährigen (0,0 %).

Die Befragung zeigt auch signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung von Wald in Film- und

Fernsehwerbung. Ähnlich wie auch bereits bei dem Medium ‚Internet‘ aufgezeigt, geben vor

allem die bis unter 25-Jährigen an, ‚Wald‘ in Werbung wahrzunehmen. Von allen Befragten gibt

die Alterskohorte der 16-25-Jährigen signifikant häufiger an, Wald in Film- und Fernsehwerbung

wahrzunehmen (8,7 %) als die übrigen Alterskohorten, wie die der der 26-45-Jährigen (6,0 %),

der 46-65-Jährigen (4,3 %) und gar der über 65--Jährigen (1,4 %). Dies bedeutet, dass die mediale

Konstruktion von Wald insbesondere für jüngere Menschen von Bedeutung ist. Dies lässt sich als

ein Fall der sozialen Konstruktion von Welt beschreiben, der eingebettet ist in den Kontext

generell zunehmender Bedeutung des indirekten Zugangs zu Welt mit Hilfe virtueller Medien

(vgl. Müncker 2009, Schmidt 2011).

bis 15 16 bis 25 26 bis 45 46 bis 65 über 65

In Dokumentarfilmen 71,4% 60,5% 50,8% 49,4% 54,7%

In der Werbung 7,1% 8,7% 6,0% 4,3% 1,4%

Im Internet 0,0% 20,9% 11,4% 6,3% 5,0%

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

70,0%

80,0%

Wahrnehmung von Wald: Alter (n=1546)

Abbildung 8: Die Wahrnehmung von Wald durch Personen unterschiedlichen Alters am Beispiel von verschiedenen virtuellen Medien

3.

3 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

25

Beim Vergleich von Medien wie zum Beispiel ‚Bildbände‘ und ‚Romane‘ zeigt sich eine stärkere

Wahrnehmung von Wald in den älteren Alterskohorten. Vor allem die Kohorte der über 65-

Jährigen gibt hoch signifikant häufiger an, Wald in und durch Bildbände wahrzunehmen (32,4 %)

als die Befragten der übrigen Alterskohorten. In der Alterskohorte der 16-25-Jährigen wird mit

12,2 % der Befragten signifikant häufiger die Antwortmöglichkeit gewählt, Wald in und durch

Romane wahrzunehmen, als in übrigen Alterskohorten. Während die Befragten der

Alterskohorte der 26-45-Jährigen noch mit 8,8 % angeben, Wald in und durch Romane

wahrzunehmen, sind dies in der Alterskohorte der 46-65-Jährigen und über 65-Jährigen nur noch

5,8 % bzw. 5,0 %. Hoch signifikant dagegen ist wiederum die Korrelation zwischen dem Alter und

der Angabe Wald in der Phantasie wahrzunehmen. Während jeweils gut ein Viertel der

Befragten der Alterskohorte der 16-25-Jährigen angibt, Wald in der Phantasie wahrzunehmen

(28,6 % und 26,2 %), geht der Anteil derjenigen Befragten, die diese Antwortmöglichkeit wählen,

mit Zunahme des Lebensalters zurück. So nehmen in der Alterskohorte der 26-45-Jährigen

19,2 %, in der Alterskohorte der 46-65-Jährigen 14,6 % und in der Alterskohorte der über 65-

Jährigen gar nur noch 7,9 % der Befragte Wald in der Phantasie wahr. Hoch signifikant ist auch

die Korrelation zwischen dem Alter und dem Antwortverhalten in der Kategorie, Wald in

Gemälden wahrzunehmen’. Mit 18,0 % der Personen innerhalb der Altersgruppe der 16-25-

Jährigen geben im Vergleich zu anderen Altersklassen signifikant mehr Befragte an, Wald in

Gemälden wahrzunehmen. Gefolgt wird diese Altersklasse von den über 65-Jährigen mit 12,9 %,

den 26-45-Jährigen mit 9,5 %, den 46-65-Jährigen mit 8,0 %. Abstrahiert betrachtet ist eine

stärkere Neigung jüngerer Personen festzustellen, Informationen über die Welt über virtuelle

Medien zu generieren, während gedruckte Medien bei Älteren eine größere Bedeutung haben4.

Die Neigung von Personen eines Alters von 66 Jahren oder älter, stärker auf das Internet bei der

Beschaffung von Informationen (hier im Kontext Wald) zurückzugreifen, lassen sich auch in

anderen Bereichen der Informationsbeschaffung bis hin zur Beschaffung von Gütern und

Dienstleistungen feststellen (Kühne 2008b).

Betrachtet man die Angaben, wie Wald von den Befragten wahrgenommen wird,

geschlechterspezifisch, so lässt sich feststellen, dass Frauen signifikant bis hoch signifikant den

Wald eher wahrnehmen oder ihm in ihrer Wahrnehmung einen größeren Platz einräumen als

Männer, auch dann, wenn sie physisch nicht unmittelbar mit ihm konfrontiert werden. Zwar

geben mehr Männer (49,7 %) an, Wald vom Fahrrad aus wahrzunehmen als Frauen (40,5 %), bei

allen anderen Antwortkategorien liegen die Frauen bzgl. der Häufigkeit der gewählten

Antworten signifikant bis hoch signifikant vor den Männern (siehe Abbildung 9). Diese Verteilung

deutet auf eine größere lebensweltliche Bedeutung von Wald für Frauen denn für Männer hin.

4 In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Fertigkeiten und Handlungsmuster sich mit zunehmender

Alterung von Personen nicht wesentlichen ändern. D.h. es kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung virtueller Medien in Zukunft auch bei älteren Personen zunehmen wird, da diese Personen heute, in jüngerem Alter diese Medien häufig nutzen.

26

Abbildung 9: Wahrnehmung von Wald nach Geschlechtern.

6.2 Aneignung von Wissen über Wald

Die Möglichkeiten der Aneignung von Wissen über die Welt haben im letzten Jahrhundert

deutlich zugenommen, nicht mehr allein Beobachtung, Gespräche und die Nutzung von

Printerzeugnissen dienen als Grundlage für Wissen, sondern auch Filme und seit den 1990er

Jahren auch zunehmend das Internet. Die veränderten medialen Nutzungen zur

Wissensaneignung zeigen sich auch am Beispiel Wald.

Tabelle 5: Antworthäufigkeiten auf die Frage "Wie eignen Sie sich Wissen über Wald an?". Mehrere Antworten waren möglich.

Saarland

(n=254)

Andere

(n=1241)

Gesamt (n =

1465)

durch direkte Beobachtung 92,9% 92,5% 92,6%

durch das Lesen von Büchern 55,5% 68,5% 66,3%

durch Gespräche 49,6% 46,7% 47,2%

durch das Internet 36,6% 49,9% 47,6%

durch Führungen 29,1% 28,3% 28,4%

durch das Fernsehen/Kino 24,8% 28,6% 28,0%

Infoflyer/Broschüren 13,8% 22,8% 21,3%

durch Kurse an

Volkshochschulen/Schulen/Hochschulen 6,7% 10,2% 9,6%

anderes 9,4% 11,6% 11,2%

gar nicht (Wald ist mir nicht wichtig) 0,0% 0,0% 0,0%

27

Diese Frage nach der Aneignung von Wissen über Wald zielt auf Nutzung der Möglichkeiten zur

Beschaffung von Wissen zum Thema ab (Tabelle 5). Die Antworten der gesamten Stichprobe

zeigen eine Hierarchie auf, bei der das Wissen durch eigene Erfahrungen oder direkte

Beobachtung von zentraler Bedeutung sind. Primärerfahrungen und Primärwissen sind für die

Befragten von großer Bedeutung. Über 90 % der Befragten geben an, sich Wissen über Wald

durch direkte Beobachtung anzueignen. Die zweitwichtigste Möglichkeit, um sich Wissen

anzueignen ist „das Lesen von Büchern“ als gesicherte Informationsquelle, auf welche „das

Internet“ folgt. Ebenfalls wird das Item „durch Gespräche“ von 49 % der gesamten Stichprobe

ausgewählt. Insgesamt ist die Neigung bei den im Saarland lebenden Personen geringer, sich

Wissen über Wald anzueignen, unabhängig von den genutzten Medien (eine Ausnahme bilden

hier Gespräche).

Auch bei der Aneignung von Wissen über Wald gibt die soziodemographische Auswertung ein

differenziertes Bild wider (Abbildung 10). Jeweils deutlich mehr als drei Viertel der Befragten

aller Altersklassen geben an, sich Wissen über Wald durch Beobachtung anzueignen. Dennoch

lassen sich hier hoch signifikante Korrelationen zwischen dem Antwortverhalten der Befragten

und dem Lebensalter nachweisen. Denn mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Zahl

derer, die diese Antwortmöglichkeit wählen. So geben 97,8 % der Befragten innerhalb der

Altersgruppe der über 65-Jährigen an, sich durch Beobachtung Wissen über Wald anzueignen,

gefolgt von den Altersklassen der 46-65-Jährigen (94,2 %), der 26-45-Jährigen (90,4 %) und der

16-25-Jährigen (88,4 %), hier besteht ein signifikanter Zusammenhang.

Während mehr als die Hälfte der Befragten der Alterskohorte der 26-45-Jährigen und damit hoch

signifikant mehr Personen angeben, sich ihr Wissen über den Wald durch das Internet

anzueignen (54,8%), sind dies in den Vergleichsgruppen der übrigen Altersklassen z. T. deutlich

weniger Personen. Wählen dies 43,8 % der 46-65-Jährigen, so sind es innerhalb der Gruppe der

über 65-Jährigen nur noch etwa ein Viertel der Befragten, die diese Kategorie angeben (hoch

signifikanter Zusammenhang). Die Aneignung von Wissen über Wald durch Infoflyer oder

Broschüren verliert mit zunehmendem Alter deutlich an Bedeutung. So geben 23,1 % der 26-45-

Jährigen, 19,2 % der 46-65-Jährigen und nur 15,1 % der über 65-Jährigen an, sich durch Infoflyer

/ Broschüren Wissen über Wald anzueignen. Gerade bei Jüngeren findet sich, bereits bei der

Frage nach der Wahrnehmung von Wald, ein Trend der Generierung von Wissen weniger aus

eigener unmittelbarer Erfahrung, denn durch die Nutzung von Sekundärinformationen.

28

bis 15 16 bis 25 26 bis 45 46 bis 65 über 65

durch Beobachtung 85,7% 88,4% 90,4% 94,2% 97,8%

durch das Internet 35,7% 58,7% 54,8% 43,8% 25,9%

durch Infoflyer 50,0% 23,8% 23,1% 19,1% 15,1%

0,0%

20,0%

40,0%

60,0%

80,0%

100,0%

120,0%

Wissensananeigung über Wald (n=1546)

Abbildung 10: Die Altersdifferenzierte Aneignung von Wissen über Wald, hier durch Beobachtung, das Internet und Infoflyer

5.

Hoch signifikant ist des Weiteren die Korrelation zwischen Lebensalter und der

Wissensaneignung über Wald durch Kurse an Volkshochschulen, Schulen und Hochschulen.

Gerade Jüngere nutzen diese Kurse, während ältere Befragte häufiger an Führungen teilnehmen.

Personen aus der Altersklasse der über 65-Jährigen eignen sich hoch signifikant häufiger durch

Führungen ihr Wissen über Wald an (42,5 %) als Personen der übrigen Alterskohorten

(Abbildung 11). Gefolgt wird die Altersklasse der über 65-Jährigen von den 46-65-Jährigen (28,8

%) und den 26-45-Jährigen (27,1 %). Die wenigsten Nennungen erfolgen bei dieser Frage

dagegen in der Altersklasse der 16-25-Jährigen (16,3 %).

5 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

29

bis 15 16 bis 25 26 bis 45 46 bis 65 über 65

durch Kurse 14,3% 29,7% 11,0% 4,5% 4,3%

durch Führungen 21,4% 16,3% 27,1% 28,8% 42,4%

0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

30,0%

35,0%

40,0%

45,0%

Wissensaneignung: Kurse und Führungen (n=1546)

Abbildung 11: Die altersdifferenzierte Aneignung von Wissen über Wald, hier durch Kurse und Führungen6.

6.3 Die differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Waldbilder

Im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Projektbegleitung wurden in dem Fragebogen Aspekte

zur Wahrnehmung von Wald in Verbindung mit visuellen Eindrücken analysiert. Durch drei durch

den Auftraggeber ausgewählte Waldbilder gestützt sollten die Befragten in einem Teil des

Fragebogens den jeweiligen Wäldern charakterisierende Begriffe und Gefühle zuordnen. Es

konnten bis zu drei Charakteristiken ausgewählt werden oder durch ein zusätzliches

charakterisierendes Merkmal ergänzt werden. Die drei Bilder zeigen jeweils „Ansammlungen von

Bäumen“ mit unterschiedlich starken anthropogenen Einflüssen. Den stärksten menschlichen

Eingriffen unterliegt der Park und den geringsten Eingriffen unterliegt der naturnahe Wald

(Abbildung 12).

Abbildung 12: Die drei abgefragten Waldbilder: Park, Fichtenwald und naturnaher Wald.

6 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

30

Abbildung 13: Antworthäufigkeiten zu der Frage "Wie würden Sie den abgebildeten Wald charakterisieren?". Mehrere Antwortmöglichkeiten waren möglich.

31

Tabelle 6: Antworthäufigkeiten zu der Frage "Wie würden Sie den abgebildeten Wald charakterisieren?", differenziert nach Saarländern und Nicht-Saarländern. Mehrere Antwortmöglichkeiten waren möglich.

Park Fichtenwald Naturnaher Wald

Saarland Andere Saarland Andere Saarland Andere

modern 30,7% 32,2% 3,9% 9,3% 9,4% 7,3%

traditionell 6,3% 9,0% 35,0% 29,6% 11,0% 10,7%

hässlich 6,3% 6,0% 12,6% 13,3% 2,0% 0,9%

interessant 15,7% 13,8% 11,8% 10,5% 29,9% 37,5%

natürlich 4,7% 2,4% 26,8% 14,6% 72,8% 76,4%

schön 27,6% 22,8% 16,9% 16,7% 61,4% 64,5%

wild 1,2% 0,6% 11,8% 9,0% 35,8% 38,0%

romantisch 16,5% 17,6% 8,7% 5,7% 20,9% 18,9%

wirtschaftlich 3,9% 5,0% 52,0% 66,5% 7,1% 6,5%

ordentlich 67,3% 65,4% 30,7% 30,5% 0,8% 0,9%

chaotisch 0,8% 0,0% 1,6% 0,9% 7,1% 4,5%

nichtssagend 16,5% 18,1% 11,0% 10,7% 1,6% 0,5%

weiß nicht 0,0% 0,6% 0,0% 0,8% 0,0% 0,2%

anderes 21,3% 25,1% 12,2% 14,7% 3,9% 5,3%

Saarland (n=254), Andere (n=1241)

Der Einfluss des Menschen auf die Landschaft wird im Park besonders deutlich wahrgenommen

(Abbildung 13). Sein akkurat angelegtes Erscheinungsbild zeigt künstlich oder künstlerisch die

vom Menschen gestaltete Natur. In den offenen Nennungen wird von vielen Befragten

angegeben, dass es sich bei dem abgebildeten Wald um einen Park handelt. Das am deutlichsten

ausgeprägte Merkmal dieses Waldes ist ‚ordentlich‘, denn 65 % Befragte halten dies

charakteristisch für den abgebildeten Wald. Die Charakteristiken ‚modern‘ und ‚schön‘ werden

ebenfalls häufig ausgewählt.

Weniger offensichtlich anthropogene Einflüsse sind auf dem Fichtenwaldbild zu erkennen.

Dennoch ist dieser Wald intensiv durch den Menschen geprägt, da diese Fichten als Nutz- bzw.

Wirtschaftswald angepflanzt und kultiviert wurden. Dieser Logik folgend dominiert die

Wirtschaftsfunktion mit 64,0 % auch die Wahrnehmung der Befragten, vor ‚traditionell‘ und

‚ordentlich‘. In den offenen Nennungen wurde auch bei diesem Wald darauf hingewiesen, dass

es sich nicht um einen Wald, sondern einen Forst handele. Neben dieser Anmerkung wurden

dem Bild zudem zusätzlich Charakteristiken wie düster, bedrückend, kühl, kahl, nicht schön,

Monokultur, einseitig, langweilig, leer, leblos, naturfern zugewiesen. Ein einzelner Befragter

charakterisiert diesen Fichtenwald als Ort, „wo im Märchen die böse Hexe wohnt“.

Das dritte Bild zeigt einen Naturnahen Wald, der nur zu geringem Maße durch den Menschen

beeinflusst ist. Auch dieser Wald kann wirtschaftlich genutzt werden. In den offenen Nennungen

32

geben viele Befragte an, in diesem Wald einen ökologischen Wert zu erkennen und diesen Wald

als positiv und lebendig zu empfinden („Freude und Lebensglück“). Konträr dazu wird dieses

Foto auch als Schaubild „einer Katastrophe!“ charakterisiert. Von Befragten wird auch

angegeben, dass es sich um „totes Kapital“ handele.

Insgesamt überwiegen in der quantitativen Auswertung die Merkmale ‚natürlich‘ und ‚schön‘.

Die Attribute ‚wild‘ und ‚interessant‘ werden weniger häufig zugeordnet. Diese Antworten

weisen insgesamt auf eine positive Bewertung eines naturnahen Waldes hin.

Dieser Ausschnitt aus der Befragung verdeutlicht, eine positive Wahrnehmung von naturnah

bewirtschafteten Laubwäldern. Wenn sich die Befragten für einen dieser Wälder engagieren

würden, würden sich 80,5 % der Befragten für naturnahe Laubwälder einsetzen.

Hinsichtlich der Variable Alter zeigen sich deutliche Unterschiede in Bezug auf die Konnotation

zu den einzelnen Waldbildern. Die Konnotation mit Modernität nimmt bei dem abgebildeten

Park mit zunehmendem Alter hoch signifikant ab, während mit zunehmendem Alter auch die

Beschreibung als ‚traditionell‘ hoch signifikant zunimmt (Abbildung 14). Dieser Kontext lässt sich

anhand der an anderer Stelle ausführlich untersuchten Abhängigkeit der Konstruktion

landschaftlicher ‚Normalität‘ im Kinder- und Jugendalter deuten, wobei eine detailliertere

Untersuchung anhand des Waldes noch aussteht (Kook 2008, Kühne 2008c): Wurden ältere

Personen in Bezug auf ‚Wald‘ in Wäldern mit einem stärker aufgeräumt-parkartigen Charakter

sozialisiert, sind die Wälder der Gegenwart infolge der stärkeren Durchsetzung von Elementen

der naturnahen Waldwirtschaft weniger stark durch Ordnung geprägt. Somit erscheint ein

gepflegter Park Älteren als traditionell (weil er dem retrospektiv wahrgenommenen

Normalzustand von Wäldern der Jugendzeit eher entspricht), während Jüngere Wald in der

Regel als wenig ordentlich erleben, sodass die Abweichung von diesem Bild als nicht traditionell,

sondern vielmehr modern gilt.

33

Abbildung 14: Die Konnotation von Traditionalität und Modernität des abgebildeten Parks in Abhängigkeit vom Alter der Befragten

7.

Diese Interpretation wird auch von der Zuschreibung von Schönheit und Hässlichkeit gestützt

(Abbildung 15): Junge Menschen schreiben dem Park signifikant höher das Prädikat ‚hässlich‘ zu

als ältere. Für sie wird zunehmend der naturnahe Wald zum Normalzustand von Wald, der

präferiert wird (und ein Ausdruck dieser Präferenzierung ist das ästhetische Urteil ‚schön‘), der

Park hingegen wird entsprechend weniger als schön, sondern als hässlich beschrieben. Dem

gegenüber wächst die Präferenz des Parks mit zunehmendem Alter: Befragte der Alterskohorte

der über 65-Jährigen versehen den Park hoch signifikant häufiger mit dem Attribut ‚schön‘ (38,8

%).

7 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

34

Abbildung 15: Die Konnotation von Hässlichkeit und Schönheit des abgebildeten Parks in Abhängigkeit vom Alter der Befragten

8.

29,5 % der Personen der Alterskohorte der über 65-Jährigen schreiben dem abgebildeten Park

die Eigenschaft ‚interessant‘ zu und damit hoch signifikant mehr Personen, als in jeder anderen

Alterskohorte. Bei den 46-65-Jährigen sind dies lediglich 14,3 % und bei den 26-45-Jährigen

lediglich 9,3 %. Dieser Trend wird von den 16-25-Jährigen gebrochen, die den Park mit 16,9 % als

‚interessant‘ beschreiben. Diese Zuschreibung lässt sich damit deuten, dass weniger bekannte

landschaftliche Konstellationen häufig als interessant gelten (vgl. Kaplan/Kaplan 1982 und 1989).

Bemerkenswert in diesem Kontext ist auch die Zuschreibung von Natürlichkeit zu dem Park: Sie

steigt von 2,3 % (16-25-Jährigen) über 2,9 % (46-65-Jährige) bis hin zu im Vergleich zu den

übrigen Alterskohorten hoch signifikanten 11,5 % bei den über 65-Jährigen an. Eine Ausnahme in

diesem Trend bilden lediglich die 26-45-Jährigen, die den Park lediglich zu 0,9 % für natürlich

halten. Auch hier zeigen sich die von Kühne (2008c) beschriebenen unterschiedlichen

landschaftlichen Sozialisationsbedingungen: In einer Zeit, in der Wälder einen eher parkartigen

Ordnungsgrad aufwiesen, bildete dieser Wald das ‚natürliche‘ in der Polarität von Natürlichkeit

und Künstlichkeit (wie beispielsweise Industrieanlagen). Gegenwärtig wird die alltagsweltlich

erlebbare Natürlichkeit von naturnahen Wäldern repräsentiert und weniger von Parks und

parkähnlichen Wäldern, sodass diesen nicht mehr das Attribut der Natürlichkeit zugeschrieben

wird. Des Weiteren erachten mit 29,5 % der Befragten innerhalb der Altersstufe der über 65-

Jährigen den abgebildeten Park als romantisch, damit wählt diese Altersklasse hoch signifikant

häufiger diese Antwortkategorie als andere Altersklassen.

8 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

35

Abbildung 16: Die Konnotation ‚romantisch‘ des abgebildeten Parks in Abhängigkeit vom Alter der Befragten9.

Bei der Charakterisierung des Parks (Abbildung 17) gibt es weit weniger geschlechterspezifisch

signifikante Zusammenhänge als bei der Charakterisierung des Fichtenwaldes (Abbildung 18).

Auffällig ist hier lediglich, dass im Vergleich zu den Frauen mehr Männer den Park als romantisch

charakterisieren (19,8 %; Frauen: 14,9 %), Frauen dagegen den Park signifikant häufiger als

wirtschaftlich (7,3 %; Männer 2,3 %) und ordentlich (71,5 %; Männer: 60,1 %) beschreiben.

9 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

36

Abbildung 17: Geschlechterspezifische Zuschreibungen zu dem abgebildeten Park.

Werden die Angaben der Befragten einer geschlechterspezifischen Auswertung in Bezug auf den

Fichtenwald unterzogen, so kann ein signifikanter bis hoch signifikanter Zusammenhang

zwischen Antwortverhalten und Geschlecht bestehen. Während Frauen im Vergleich zu Männern

eher dazu tendieren, den abgebildeten Fichtenwald mit positiv besetzten Attributen wie etwa

natürlich (Frauen: 20,1 %; Männer: 12,8 %) oder schön (Frauen: 18,9 %; Männer 14,0 %) zu

charakterisieren, geben Männer häufiger an, den abgebildeten Fichtenwald als hässlich (Männer:

17,6 %; Frauen 8,0 %), aber als sehr wirtschaftlich zu betrachten (Männer: 71,0 %; Frauen 56,5

%).

Abbildung 18: Geschlechterspezifische Zuschreibungen zu dem abgebildeten Fichtenwald.

37

Die altersspezifische Auswertung der Charakterisierung des Fichtenwaldes weist eine Reihe

signifikanter bis hoch signifikanter Zusammenhänge zwischen der Variable Alter und dem

jeweiligen Antwortverhalten auf, sodass sich ein gesonderter Blick auf die einzelnen

vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zur Charakterisierung des abgebildeten Fichtenwaldes

lohnt.

Die Zuschreibung von Modernität nimmt mit zunehmendem Alter ab, während die Zuschreibung von

Traditionalität mit zunehmendem Alter zunimmt (Abbildung 19): So kennzeichnen die Befragten

der Altersklasse der über 65-Jährigen den abgebildeten Fichtenwald dementsprechend hoch

signifikant häufiger als traditionell (46,8 %) als Personen der Vergleichsgruppen, deren

Zustimmung dieser Attributzuschreibung mit abnehmendem Alter deutlich schwindet. Auch

dieser Zusammenhang lässt sich vor dem Hintergrund der oben formulierten

Landschaftssozialisationsthese deuten. Dominierten in der Phase der frühen

Landschaftssozialisation der Älteren Fichtenwälder, sodass diese als ‚normal‘, d.h. in diesem

Sinne ‚traditionell‘ und damit nicht ‚modern‘, gelten, während sie mit ihrer Geordnetheit von

Jüngeren viel stärker als ‚modern‘ gelten.

Abbildung 19: Die Konnotation von Traditionalität und Modernität des abgebildeten Fichtenwaldes in Abhängigkeit vom Alter der Befragten

10.

Hinsichtlich der Attribuierungen ‚hässlich‘, interessant‘ und ‚wild‘ findet sich mit zunehmendem

Alter eine abnehmende Neigung, den Fichtenbestand als interessant oder wild zu

charakterisieren, was mit der dargestellten Landschaftssozialisationshypothese erklärbar ist. Die

insgesamt mit dem Alter zunehmende Zuschreibung von Hässlichkeit wird dadurch jedoch

10 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

38

zunächst nicht abgedeckt, Erkenntnisse darüber können von den geplanten qualitativen

Interviews erwartet werden.

Abbildung 20: Die Zuschreibung von Hässlichkeit, Interessantheit und Wildheit zu dem abgebildeten Fichtenwald11

.

Bei der Deutung des naturnahen Waldes dominiert die Attribuierung ‚schön‘ (Abbildung 21),

doch auch hier zeigen sich altersspezifische Unterschiede: Mit zunehmendem Alter nimmt die

Bereitschaft ab, ihn als ‚schön‘ zu charakterisieren. Diese Präferenzierung lässt mit der

Landschaftssozialisationshypothese erklären. Modernität wird dem Naturnahen Wald deutlich

weniger zugeschrieben, wenn überhaupt, dann von Personen eines Alters von 16 bis 25 Jahren.

11 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

39

Abbildung 21: Die Konnotation von Modernität und Schönheit mit dem naturnahen Wald12

.

Bei der Charakterisierung des abgebildeten Naturnahen Waldes gibt es außer einer stärkeren

Betonung der Schönheit des Waldes bei Frauen im Vergleich zu den Männern (Frauen: 70,4 %;

Männer 58,6 %) keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Antwortverhalten und dem

Geschlecht der Befragten.

12 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

40

Abbildung 22: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Welches Gefühl haben Sie am ehesten, wenn Sie das Bild betrachten“. Mehrfachnennungen waren möglich.

Wie bereits dargestellt sind mit Landschaft – und damit auch Wald als nahezu konstitutiver Teil

von Landschaft für Saarländerinnen und Saarländer (Kühne 2006) – neben kognitiven und

ästhetischen auch emotionale Aspekte verbunden. Im Folgenden sollen nun diese emotionalen

Aspekte in Bezug auf die drei präsentierten Waldbilder dargestellt werden (Abbildung 22).

41

Tabelle 7: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Welches Gefühl haben Sie am ehesten, wenn Sie das Bild betrachten“. Mehrfachnennungen waren möglich, differenziert nach im Saarland lebenden Personen und nicht im Saarland lebenden Personen.

Park Fichtenwald Naturnaher Wald

Saarland Andere Saarland Andere Saarland Andere

Angst 0,8% 0,6% 7,1% 4,5% 0,4% 0,6%

Freude 17,8% 14,7% 13,5% 12,7% 43,3% 46,8%

Stolz 3,6% 2,0% 1,2% 2,1% 1,6% 1,4%

Behaglichkeit 16,2% 16,7% 13,9% 9,1% 22,0% 20,7%

Abscheu 4,0% 3,4% 2,4% 4,1% 1,6% 0,6%

Zugehörigkeit 2,0% 2,6% 9,5% 11,7% 13,4% 15,8%

Gleichgültigkeit 21,7% 21,9% 15,9% 13,2% 0,8% 0,9%

Liebe 2,0% 2,1% 2,0% 1,6% 5,5% 5,7%

weiß nicht 20,2% 19,0% 14,7% 13,2% 3,9% 2,2%

Trauer 1,2% 3,2% 9,9% 11,3% 2,4% 0,6%

Anderes 10,7% 13,7% 9,9% 16,5% 5,1% 4,8%

Saarland (n=254), Andere (n=1238)

Das Bild des Parks rief bei über einem Fünftel der Befragten das Gefühl ‚Gleichgültigkeit‘ hervor,

aber auch Behaglichkeit und Freude (Abbildung 22). Auch wurde die Antwortmöglichkeit ‚weiß

nicht‘ von knapp einem Fünftel gewählt, was auf eine deutliche Indifferenz der Gefühle in Bezug

auf den Park hindeutet. Dem Bild des Fichtenwaldes wurde am häufigsten die Kategorie ‚andere‘

zugeordnet und teilweise durch eigene Nennungen und Bemerkungen ergänzt. Die Spannbreite

der Nennungen ist weitgefächert (Abneigung, Abenteuer, Beunruhigung, Beklemmungen,

geheimnisvoll, Heimatgefühle). Mit rund drei Zwanzigstel werden von den Befragten jeweils die

Kategorien ‚Gleichgültigkeit‘ oder ‚weiß nicht‘ gewählt, ansonsten finden sich noch

umfangreichere Häufungen in den Kategorien Freude und Zugehörigkeit. Insgesamt löst

Fichtenwald jedoch vergleichsweise nur schwach Emotionen aus. Eine kleinere Abweichung von

den angegebenen Zahlen weisen die Antworten von den saarländischen Befragten auf (Tabelle

7): 15,9 % verbindet mit dem Bild des Fichtenwaldes ‚Gleichgültigkeit‘ aber 13,5 % ‚Freude‘. Der

naturnahe Laubwald ruft bei 46,0 % der Befragten das Gefühl ‚Freude‘ und bei 20,7 % das Gefühl

‚Behaglichkeit’ hervor. Hinsichtlich der Auswertung der Aussagen von Personen mit Wohnsitz im

Saarland im Vergleich zu Personen mit Wohnsitz außerhalb des Saarlandes fällt auf (Tabelle 7),

dass Saarländer häufiger die ‚geordneten‘ Waldbilder des Parks und des Fichtenwaldes mit

‚Freude‘ betrachten als die nicht im Saarland wohnhaften Befragten. Umgekehrt verhält es sich

bei dem Naturnahen Wald. Hier ist die Freude der Saarländerinnen und Saarländer geringer. Der

Naturnahe Wald löst im Vergleich zu Park und Fichtenwald die stärksten Gefühle aus: Nahezu die

Hälfte aller Befragten verbindet mit ihm Freude, rund ein Fünftel Behaglichkeit und drei

Zwanzigstel Zugehörigkeit.

42

Bei der Frage nach den hervorgerufenen Gefühlen bei der Betrachtung des abgebildeten Parks

lassen sich in erster Linie bei zwei Antwortkategorien hoch signifikante Zusammenhänge

zwischen der Variablen Alter und dem Antwortverhalten der Befragten ablesen: Abscheu und

Freude (Abbildung 23). Während 27,3 % innerhalb der Altersklasse der über 65-Jährigen

angeben, bei der Betrachtung des Parks Freude zu empfinden, geben 9,9 % innerhalb der

Altersklasse der 16-25-Jährigen an, Abscheu bei der Betrachtung des Bildes zu empfinden, wobei

es sich in dieser Alterskohorte aufgrund der geringen Teilnehmerzahl um Einzelmeinungen

handeln kann. Auch diese Verteilung lässt sich mit der Landschaftssozialisationstheorie deuten.

Gilt bei Älteren eine aufgeräumte Landschaft als normal und ‚Ordnung‘ als positiver Wert,

schwindet diese Deutung bei Jüngeren. Postmoderne Werte (wie Vielfalt, Toleranz gegenüber

Andersartigem) lassen Ordnung als weniger erstrebenswert bzw. sogar ablehnungswürdig

erscheinen (siehe Inglehart 1977 und 1998), sodass auch die physisch-räumlichen

Repräsentanzen des Strebens nach Ordnung (hier Park) einem kritischen Urteil unterliegen (vgl.

Kühne 2006).

Abbildung 23: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Parks nach Alter: Abscheu und Freude13

.

Die geschlechterspezifische Auswertung der Angaben bezüglich der hervorgerufenen Gefühle bei

der Betrachtung des abgebildeten Parks zeigt ein weit weniger heterogenes Bild. Trotz der

tendenziell größeren Zustimmung zu eher positiv besetzten Gefühlen wie Freude und

Behaglichkeit, stellen auch hier wieder bei den Männern die Antwortmöglichkeit der

Gleichgültigkeit und bei den Frauen die der ‚weiß nicht‘-Angabe die größten Ausprägungen

bereit.

13 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung Transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

43

Abbildung 24: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Fichtenwaldes nach Geschlecht.

Bei dem Zusammenhang von Alter ergeben sich in Bezug auf den Fichtenwald keine signifikanten

Werte. Jenseits der Signifikanz ist jedoch die große Zahl von Befragten von 16-25 Jahren

bemerkenswert, bei denen der Fichtenwald ‚Angst‘ auslöst.

Abbildung 25: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Fichtenwaldes nach Alter: Angst und Stolz14

.

Die geschlechterspezifische Auswertung zeigt, dass die hervorgerufenen Gefühle bei der

Betrachtung des abgebildeten Fichtenwaldes sehr verschiedenartig und sich zum Teil

14 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung Transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

44

widersprechender Natur sind. Dennoch stellt bei den Männern der am stärksten ausgeprägte

Wert der vorgegebenen Antwortkategorien das Gefühl der Gleichgültigkeit (16,2 %), bei den

Frauen ‚weiß nicht‘ (13,9 %) dar.

Hinsichtlich der Auswertung auf Korrelation zwischen dem Antwortverhalten und der Variable

Alter konnten in Bezug auf den Naturnahen Wald keine signifikanten Zusammenhänge

nachgewiesen werden. Die Angaben zu den hervorgerufenen Gefühlen bei der Betrachtung des

abgebildeten Naturnahen Waldes weisen geschlechterspezifisch keine signifikanten

Korrelationen auf und zeigen ein eher homogenes Bild bei den Befragten in Bezug auf die Angabe

der bei der Betrachtung hervorgerufenen Gefühle (Abbildung 26). Sowohl bei Frauen wie bei

Männern dominieren positive Gefühle wie Freude, Behaglichkeit und Zugehörigkeit.

Abbildung 26: Ausgelöste Gefühle bei der Betrachtung des Bildes des Naturnahen Waldes nach Geschlecht.

Auch wenn Wald kulturell (normativ) Stabilität zugeschrieben wird (siehe Kapitel 4), erweisen

sich Wälder als stark veränderlich (insbesondere unter Einfluss des Menschen). Hierzu wurde

den Befragten die Frage gestellt, ob sie es bedauerten, wenn die drei darstellten Wälder jeweils

‚wilder‘ oder ‚ordentlicher‘ würden. Wie Tabelle 8 verdeutlicht, möchte nur ein sehr geringer

Anteil der Befragten ordentlichere Wälder. 67,7 % der Befragten würden es bedauern, wenn

der Park ordentlicher würde, wohin gegen nur 75,8 % der Befragten es begrüßen – nicht

bedauern – würde, wenn der Park ‚wilder‘ würde. Ein ähnliches Ergebnis zeigen auch die

Antworten für den Fichtenwald und den naturnahen Wald. 76,3 % der Befragten würden

mehr Ordnung im Fichtenwald bedauern und 88,3 % der Befragten mehr ‚Wildnis‘ im

Fichtenwald begrüßen. Von den Befragten geben 83,9 % an, es nicht zu bedauern, wenn der

naturnahe Wald ‚wilder‘ würde. Umgekehrt würden 87,9 % der Befragten es bedauern,

45

wenn der naturnahe Wald ‚ordentlicher‘ würde. Im Vergleich zu den Befragten jenseits des

Saarlandes weisen Saarländerinnen und Saarländer einen positivere Einschätzung zu

‚ordentlichem‘ Wald auf. Dieses abweichende Antwortverhalten weist auf ein sehr

traditionelles Verständnis von Wald hin, welches primär Wirtschaftswälder als Ideal

anerkennt.

Tabelle 8: Die Bewertung potenzieller Veränderungen, differenziert nach im Saarland und außerhalb des Saarlandes lebenden Befragten.

Neben der Frage der Bewertung der Veränderung des Waldzustandes, erscheint hinsichtlich

der Erhaltung und Entwicklung von Wäldern auch die Frage nach der Handlungsbereitschaft

für Wälder von Bedeutung. Hierzu wurde, differenziert nach den drei Waldbildern, die Frage

gestellt, ob und für welchen der dargestellten Wälder die Befragten bereit wären, sich zu

engagieren (Tabelle 9). Insgesamt findet sich das größte Potenzial für Engagement in Bezug

auf den Naturnahen Wald (rund vier Fünftel) auf Rang 1, auf Rang 2 in Bezug auf

Erhaltungsengagement ist der Fichtenwald und auf Rang drei der Park zu finden. Im

Vergleich zu den nicht-saarländischen Befragten, zeigen saarländische Befragte die Tendenz,

den Naturnahen Wald weniger zu priorisieren, während gerade der Fichtenwald bei ihnen

eine höhere Wertschätzung genießt. Auch dieses Ergebnis deutet auf eine stärkere

Ausrichtung der hiesigen Befragten auf Aspekte des materiellen Nutzens hin.

Tabelle 9: Prozentuale Antworthäufigkeiten zu der Frage „Für welchen dieser Wälder würden Sie sich engagieren?“. Es war eine Rangfolge von 1 bis 3 zu bilden.

Naturnaher Wald Park Fichte

Saarland Andere Saarland Andere Saarland Andere

Rang 1 78,1 81,3 5,8 4,0 17,0 15,8

Rang 2 14,2 15,0 28,9 29,5 57,3 54,5

Rang 3 7,7 3,8 65,3 66,5 25,7 29,7

in %; Saarland (n=424), Andere (n=1180)

Park Fichtenwald Naturnaher Wald

Saarland Andere Saarland Andere Saarland Andere

Würden Sie es bedauern,

wenn dieser Wald

"ordentlicher" werden würde?

61,0% 69,6% 69,5% 78,1% 79,8% 87,6%

Würden Sie es bedauern,

wenn dieser Wald "wilder"

werden würde?

24,0% 14,8% 13,0% 7,5% 17,7% 10,2%

Zustimmung in %; Saarland (n=254), Andere (n=1230)

46

7 Alt- und Totholz

Neben allgemeinen Fragen nach der Waldpräferenzierung wurden auch Fragen nach der sozialen

Akzeptanz von Alt- und Totholz gestellt. Um ein möglichst von anderen Fragen und

Antwortmöglichkeiten unbeeinflusstes Bild von den Assoziationen der Befragten mit der

Thematik Totholz zu erreichen, wurde zu Beginn der Befragung (erste Frage) die Frage gestellt,

was die Befragten mit Totholz in Verbindung brächten. Hinsichtlich der Assoziationen

dominieren Aussagen zu ‚Lebensraum für Tiere und Pflanzen‘ sowie ‚Artenraum‘ vor der

Kategorie ‚Abgestorbene Bäume und Äste‘. Wesentlich erscheint in diesem Kontext, dass

eindeutig negative Assoziationen Einzelaussagen blieben.

Abbildung 27: Antworthöufigkeiten auf die offen gestellte Frage, was die Befragten mit Totholz in Verbindung brächten. Die Summe > 100 % ist dadurch bedingt, dass zahlreiche Äußerungen mehreren Kategorien zuzurechnen waren.

47

Abbildung 28:Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Buche als ‚alt‘ bezeichnet wird (n = 1495).

Abbildung 29: Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Fichte als ‚alt‘ bezeichnet wird (n = 1495).

48

Abbildung 30: Antworthäufigkeiten ab welchem Alter eine Eiche als ‚alt‘ bezeichnet wird (n = 1495).

Um ein Verständnis dafür zu erlangen, ab welchem Alter eine Buche, Fichte oder Eiche als ‚alt‘

gilt wurde eine entsprechende offene Frage gestellt. Die Antworthäufigkeiten (Abbildung 28,

Abbildung 29 und Abbildung 30) lassen auf eine differenzierte Einschätzung der Befragten

schließen: Das Verhältnis von kleiner oder gleich 100 Jahre zu größer als 100 Jahre zeigt dabei

folgendes Bild: Buche 68,5 % zu 22,5 % der Befragten, Fichte 90,6 % zu 11,4 % und Eiche 48,6 %

zu 53,4 %. Im Vergleich zu Buche und insbesondere zu Fichte gilt also eine Eiche mehrheitlich als

‚alt‘, wenn sie ein Alter über 100 Jahre aufweist. Bei dieser Zuschreibung werden neben

naturwissenschaftlichen Kenntnissen auch kulturelle Deutungsmuster aktualisiert, die, wie in

Abschnitt 4 dargestellt, als Symbol der Beständigkeit und der nationalen Einheit fungiert.

49

Abbildung 31: Die Zahl der von Alt- und Totholz abhängigen Tier- und Pflanzenarten nach Ansicht der Befragten.

Die vorwiegende Funktion von Alt- und Totholz wird von den Befragten also in der Bereitstellung

von Lebensraum für Tiere und Pflanzen gesehen (Abbildung 27). Dabei schätzen die Befragten

überwiegend, dass bis zu 1.600 Tier- und Pflanzenarten in Alt- und Totholz ihren Lebensraum

finden (Abbildung 31).

Gerade in Naturnahen Wäldern ist häufiger die Situation anzutreffen, dass herabgefallene Äste

auf Wegen das Passieren erschweren. Hinsichtlich der bei einem herabgefallenden Ast

vorhandenen Handlungsmöglichkeiten dominieren das aktive Zur-Seite-Räumen vor dem Liegen-

Lassen, andere Handlungsmöglichkeiten, wie beispielsweise das Rufen des Försters, werden nur

von wenigen Befragten gewählt (Abbildung 32).

50

Abbildung 32: Antworthäufigkeiten zu der Frage „Was würden Sie tun, wenn Sie bei einem Spaziergang einen größeren Ast finden, der auf dem Weg liegt?“. Eine Antwortmöglichkeit war möglich.

Signifikante Unterschiede hinsichtlich der Vorgehensweise ergeben sich in Bezug auf das Alter

der Befragten: Während jüngere Menschen dazu tendieren, den Ast liegen zu lassen, lässt sich in

den weiteren Altersklassen eine Tendenz erkennen, den Ast selbst zur Seite zu räumen, die mit

zunehmendem Lebensalter zunimmt (Abbildung 33). Auch hier zeigt sich die stärkere Präferenz

älterer Bevölkerungsteile für ‚Ordnung‘ und die größere Toleranz Jüngerer gegenüber

Zuständen, die einen geringen Ordnungsgrad aufweisen.

51

Abbildung 33: Reaktionen auf einen auf den Weg gefallenen Ast nach Alterskohorten15

.

In Bezug auf die Handlung bei einem auf dem Weg liegenden Ast lassen sich hoch signifikante

Korrelationen zwischen dem Antwortverhalten einerseits und dem Geschlecht andererseits

nachweisen. Interessant dabei ist, dass nur 32,5 % der Männer angeben, den Ast liegen zu

lassen, während bereits 42,6 % der Frauen dazu bereit wären. Dementsprechend entscheiden

sich 62,8 % der Männer und nur 51,6 % der Frauen dazu, den Ast selbst zur Seite zu räumen.

15 Die Alterskohorte der Personen mit einem Alter von 15 Jahren oder jünger ist in den Abbildungen nur der

Vollständigkeit halber aufgeführt und zur Verdeutlichung transparent gesetzt, die Daten haben aufgrund des geringen Stichprobenumfangs von n = 15 keine Aussagekraft.

52

Abbildung 34: Zahlungsbereitschaft für den Erhalt einer 'herrlichen Buche', differenziert nach im Saarland und außerhalb des Saarlandes lebenden Personen.

Die Wertschätzung für ‚Natur‘ kann sich auch darin äußern, einen Geldbetrag für ihren Erhalt,

oder konkreter Teile davon, zu leisten. Darauf zielte die geschlossene Frage, ob die Befragten

bereit sind in für den Erhalt einer ‚herrlichen Buche‘ einen Geldbetrag an deren Eigentümer zu

zahlen, der sie ansonsten zu Brennholz verarbeiten würde (Abbildung 34). Rund vier Fünftel der

Befragten sind dazu bereit, mindestens 10 Euro, die Mehrheit 50 Euro zu zahlen, hoch ist auch

die Bereitschaft, 100 Euro zu zahlen. Weit verbreitet ist jedoch auch die Verweigerung einer

Bereitschaft, Geld für die Erhaltung des Baumes zu zahlen. Bei der Ermittlung der

Zahlungsbereitschaft handelt es sich jedoch um eine fiktive Situation, in der ohne verbundene

Kosten der sozialen Erwünschtheit entsprochen werden kann. In realen Situationen ist von einer

geringeren Zahlungsbereitschaft auszugehen. Dies ist insbesondere dann zu berücksichtigen,

wenn Patenschaftsprogramme für Bäume entwickelt werden sollen. Auch in diesem Kontext

zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen im Saarland lebenden und außerhalb des

Saarlandes lebenden Personen: Saarländer neigen häufiger dazu nichts zu zahlen und sind hoch

signifikant weniger dazu bereit, höhere Beträge (über 200 Euro) zu bezahlen.

53

Abbildung 35: Bild zu der Frage „Welche Aussagen verbinden Sie mit diesem Bild?“. Die Antworthäufigkeiten sind in Tabelle 10 aufgeführt.

Bei der Betrachtung des in Abbildung 35 dargestellten Bildes assoziierten die Befragten in einer

geschlossenen Frage (mit der Öffnung ‚anderes‘) in erster Linie ‚Brutstätte für bedrohte Tiere’,

‚Humusbildung‘ und ‚Brutstätte für Nützlinge‘. Bei den übrigen Antwortmöglichkeiten wurde

lediglich ‚Kletter- und Spielmöglichkeiten für Kinder‘ in größerem Umfange (knapp ein Viertel)

angegeben (Tabelle 10). Im Vergleich zu den übrigen Befragten zeigten die im Saarland lebenden

Befragten ein deutlich verschiedenes Antwortverhalten: Sowohl die biotische (Lebensraum,

Nützlinge, Humus) als auch die soziale Funktion (Kinderspielort) werden deutlich weniger häufig

gewählt, während die Antwortmöglichkeiten ‚Brutstätte für Schädlinge‘ und ‚Verschwendung

von Brennholz‘ deutlich häufiger gewählt wurden. Dies lässt sich als weiteres Indiz für den

stärker zweckrational-instrumentell orientierten Zugang der im Saarland lebenden Bevölkerung

zu Wald interpretieren.

Tabelle 10: Die Bewertung des in Abbildung 35 dargestellten Bildes seitens der Gesamtheit der Befragten und den Befragten Saarländerinnen und Saarländern.

gesamt (in %;

n=1495)

Saarland (in %; n=254)

Brutstätte für Schädlinge 9,3 13,8

Lebensraum für bedrohte Tiere 90,4 79,1

Verschwendung von Brennholz 4,5 8,3

Humusbildung 84,7 76,4

Kletter- und Spielmöglichkeiten für

Kinder

23,1 19,3

Brutstätte für Nützlinge 84,4 79,5

andere 5,2 3,1

54

8 Allgemeine Fragen zu Wald und Naturschutz

Neben Fragen zum Wald selbst und zu Totholz wurden auch einige allgemeinere Fragen im

Kontext von Wald und Naturschutz gestellt. Zunächst wurde die Aufmerksamkeit der Befragten

auf die Tierwelt des Waldes gelenkt (Abbildung 36 und Abbildung 37). Eine Mehrheit von rund

drei Fünfteln hält dabei die Fledermaus für die bei Schutzbemühungen zu priorisierende Art.

Abbildung 36: Bilder zu der Frage „Welches Waldtier sollte Ihrer Meinung nach einen besonderen Schutz erfahren?“. Die Antworthäufigkeiten sind in Abbildung 37 aufgeführt.

Abbildung 37: Antworthäufigkeiten, zu den in Abbildung 36 gezeigten Bilden. Eine Antwort war möglich.

Mit dem Ziel, Informationen über Projekte mit Naturschutzbezug im Saarland zu erhalten,

wurden die Bekanntheit solcher Projekte erfragt. Erwartungsgemäß war deren Bekanntheit

innerhalb des Saarlandes erheblich größer als außerhalb des Saarlandes. Innerhalb des

Saarlandes weisen die in den vergangenen Jahren öffentlich diskutierten Großprojekte

Naturpark Saar-Hunsrück, Biosphärenreservat Bliesgau und der Projekt Urwald vor den Toren

der Stadt die größte Bekanntheit auf. Außerhalb des Saarlandes fallen Biosphärenreservat

Bliesgau und Urwald auf die Ränge drei und vier zurück, die fiktive ‚Naturlandschaft Saarschleife‘

weist hier eine größere Bekanntheit auf. Die ‚Naturlandschaft Saarschleife‘ als fiktive

Schutzkategorie eingefügt wurde, um festzustellen, ob die Bekanntheit einer Landschaft die

Kenntnis über Schutzkategorien dominiert. Die allgemein große Bekanntheit der Saarschleife

dominiert hier über die kognitiven Kenntnisse über Schutzgebietstypen.

55

Tabelle 11: Antworthäufigkeiten zu der Frage „Von welchen Schutzgebieten haben Sie bereits gehört?“ Mehrfahrnennungen waren möglich.

Saarland (n=254) Andere (n=1241)

Naturpark Saar-Hunsrück 93,3% 33,6%

Biosphärenreservat Bliesgau 90,2% 16,8%

Urwald vor den Toren der Stadt

Saarbrücken

84,6% 8,3%

Naturlandschaft Saarschleife 50,8% 24,5%

Naturschutzgebiet Noswendeler Bruch 33,1% 2,5%

Regionalpark Saar 26,0% 6,4%

Natura-2000-Gebiet Ostertal 25,6% 7,5%

Landschaft der Industriekultur Nord 17,3% 2,1%

Naturwaldzelle Hoxfels 7,9% 0,7%

Bekanntheit in %

Seit mehreren Jahren wird die Einrichtung eines Waldnationalparks (im Hunsrück) diskutiert. Zu

diesem Kontext wurde den Befragten die Frage gestellt, welche Funktion ein solcher

Nationalpark haben solle.

Abbildung 38: Antworthäufigkeiten, differenziert nach im Saarland Wohnenden und außerhalb des Saarlandes Wohnenden, zur Frage „Ein Waldnationalpark hat verschiedene Funktionen. Welche Funktion ist Ihrer Meinung nach die bedeutendste?“. Eine Antwort war möglich.

56

9 Das Projekt ‚Wertvoller Wald‘ in der Wahrnehmung der Befragten

Das hier vorgestellte Teilprojekt dient neben der Erfassung der Deutung und Bewertung von

Wald und Alt- und Totholz auch der sozialwissenschaftlichen Evaluation des Projektes

‚Wertvoller Wald‘. Daher wurden Fragen zum Projekt selbst und seiner Bekanntheit gestellt.

Das Projekt erreicht im Saarland eine Bekanntheit von knapp zwei Fünfteln (Abbildung 39) und

außerhalb eine Bekanntheit von rund einem Drittel. Angesichts der Kürze der Projektlaufzeit ist

dieser Wert – trotz der mutmaßlich naturschutzaffinen Befragungsteilnehmer – bereits

beachtlich.

Abbildung 39: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Haben Sie bereits von dem NABU-Projekt zur Entwicklung und Förderung von Alt- und Totholzlebensgemeinschaften durch eine nachhaltige Bewirtschaftungsstrategie gehört?“ Es war nur eine Antwort möglich.

Auf welchen Wege die Befragten Kenntnis über das Projekt erhielten, differiert sehr stark

zwischen im Saarland und außerhalb des Saarlandes Wohnenden (Abbildung 40): Die im

Saarland wohnenden Befragten erhielten zu etwas über einem Drittel Kenntnis über das Projekt

durch den NABU, die außerhalb des Saarlandes wohnenden Befragten rund zu drei Fünfteln

durch Medienberichte.

57

Abbildung 40: Antworthäufigkeiten zu der Frage, die dann gestellt wurde, wenn das Projekt bekannt war, „Wenn ja, wie haben Sie von diesem Projekt erfahren?“. Mehrere Antworten waren möglich.

Ein Informationszentrum zum Thema ‚Alt- und Totholz‘ im Saarland würde die überwiegende

Mehrzahl der Befragten besuchen (Abbildung 41), wohl aufgrund der leichteren Erreichbarkeit

für Saarländerinnen und Saarländer von diesen deutlich häufiger als von Befragten von

außerhalb des Saarlandes.

Abbildung 41: Antworthäufigkeiten zur Frage „Würden Sie ein attraktives Informationszentrum zum Thema "Lebensgemeinschaft Alt- und Totholz" im Saarland besuchen?“. Eine Antwortmöglichkeit war möglich.

58

10 Fazit und Empfehlungen

Bereits heute finden sich sehr positive Konnotationen zu naturnahen Waldbildern, insbesondere

im Vergleich zu Fichtenreinbeständen, aber auch zu Parkanlagen. Diese positive Besetzung zu

intensivieren und die Handlungsbereitschaft (weiter) zu steigern, ist eine gesellschaftliche

Herausforderung. Das Projekt ‚Wertvoller Wald‘ leistet hierzu einen Beitrag.

Befragte aus dem Saarland haben im Vergleich zu der Gesamtheit der Befragten einen eher

anthropozentristisch-instrumentellen Zugriff auf Wald– sie vertreten auch in stärkerem Maß

materialistische Werte als Personen mit Wohnsitz außerhalb des Saarlandes: Er dient als

Rohstoffproduzent und als Ort der Erholung, seine ökologischen Funktionen werden signifikant

weniger thematisiert. Hier zeigt sich die soziale besondere Bedeutung des Projektes ‚Wertvoller

Wald‘, indem durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, die nicht unmittelbar auf den Menschen

bezogenen Bedeutungen des Waldes verdeutlicht und in der gesellschaftlichen Kommunikation

verankert werden können. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Befragten zeigen im Saarland

lebende Personen die Tendenz, sich weniger kognitiv mit dem Thema Wald zu befassen,

während die Anbindung von Wald an das (stark emotionale) Thema Heimat eine besondere

Bedeutung ausweist. Dieser Zusammenhang sollte in der Entwicklung der weitern

Kommunikationsstrategie eine besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Die große Bedeutung der medialen Konstruktion von Landschaft bei den Befragten (Fernsehen,

Dokumentarfilme, Kino, Spielfilme und auch Internet) verdeutlicht die große Bedeutung der

indirekten Waldwahrnehmung. Diese mediale Repräsentation von Wald wird auch als Maßstab

für die Bewertung von Wald herangezogen, wenn dieser Gegenstand der direkten

Wahrnehmung ist (vgl. z.B. Kühne 2006 und 2008a). Insofern erscheint eine verstärkte

Sensibilisierung der Erzeuger medialer Inhalte für Fragen der Waldentwicklung zielführend.

Infolge der Entwicklung des Webs 2.0 sowie des Preisverfalls für Geräte zur Erzeugung von

elektronischen Filmen und Videos ist der Zugang einer größeren Öffentlichkeit für

selbstproduzierte Inhalte und deren globale Verbreitung, auch zum Thema Wald und Alt- und

Totholz, erleichtert. Die Herausforderung solchermaßen produzierter Inhalte ist weniger deren

Erzeugung, sondern deren Wahrnehmung durch größere Teile der Öffentlichkeit. Gerade jüngere

Bevölkerungsteile neigen dazu, Wald (wie auch andere Teile der Welt) durch Vermittlung

virtueller Medien wahrzunehmen, während ältere Bevölkerungsteile einen stärkeren Bezug zu

Printprodukten aufweisen. Hier könnten stärker altersspezifizierte Kommunikationsstrategien

die Streuverluste verringern.

Hinsichtlich der Frage der genutzten Medien zur Wissensgenerierung dominiert nach der

unmittelbaren Beobachtung das Internet deutlich gegenüber Broschüren (und zwar in allen

Alterskohorten). Hinsichtlich der weiteren Kommunikation des Projektes liegt es also nahe,

verstärkt die Möglichkeiten zu nutzen und auch weiterhin gedruckte Broschüren und Flyer online

zur Verfügung zu stellen.

59

Auch hinsichtlich der Bewertung von Wald sowie Alt- und Totholz lassen sich deutliche

Präferenzunterschiede zwischen Älteren und Jüngeren feststellen: ‚Ordentliche‘ Waldbilder

werden von Älteren deutlich höher geschätzt als von Jüngeren, die eine größere Präferenz

gegenüber eher unordentlichen physischen Strukturen aufweisen. Dies trifft sowohl bei der

Bewertung von Naturnahem Wald (stärker präferiert von Jüngeren) als auch Fichtenwald und

Park (präferiert von Älteren) als auch bei der Bewertung von Alt- und Totholz zu, das von

Jüngeren stärker präferiert wird. Neben der Landschaftssozialisationstheorie (Kühne 2008a und

2008c), gemäß derer jene landschaftlichen Bilder als ‚normal‘ gelten, die während der Kinder-

und Jugendzeit im Wohnumfeld zu finden waren, bzw. Wertungen, die in dieser Zeit

verinnerlicht wurden, kann dieser Zusammenhang auch durch die Postmaterialismusthese

Ingleharts (1977 und 1998) gedeutet werden. Inglehart geht von einem epochalen Wandel der

Präferenz von Ordnungs- und Pflichtwerten hin zu Selbstverwirklichungswerten aus. Dies

bedeutet, dass auch in Bezug auf Wald ältere Befragte eher Ordnung suchen, jüngere Befragte

unordentlich erscheinenden Wäldern mit hohem Erlebniswert den Vorzug geben (vgl. auch

Braun 2000).

Der Naturpark Saar-Hunsrück, das Biosphärenreservat Bliesgau und der Urwald vor den Toren

der Stadt weisen hohe Bekanntheitswerte bei den (wohl naturschutzaffinen) im Saarland

lebenden Befragten auf. Außerhalb des Saarlandes geht die Bekanntheit der jeweiligen Projekte

deutlich zurück, beim Urwald vor den Toren der Stadt sogar auf rund acht Prozent. Gerade zu

diesem Projekt ergeben sich intensive inhaltliche und räumliche Verbindungen zum Projekt

‚Wertvoller Wald‘, sodass eine Kommunikation des Urwald-Projektes auch außerhalb des

Saarlandes wesentlich erscheint. Das Projekt ‚Wertvoller Wald‘ weist bei den Befragten einen –

angesichts der Kürze der Projektlaufzeit – hohen Bekanntheitsgrad auf: Die im Saarland

wohnhaften Befragten gaben zu knapp zwei Fünfteln, die außerhalb des Saarlandes wohnhaften

Befragten zu knapp einem Drittel an, von dem Projekt gehört zu haben. Die Bekanntheit des

Projektes rührte bei den saarländischen Befragten primär aus Informationen des NABU, jene der

außer-saarländischen Befragten aus Medienberichten. Diese erfolgreiche Kommunikation des

Projektes sollte fortgesetzt werden.

60

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