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Astrid Heinze
Lösungsverhalten mathematisch begabter Grundschulkinder - aufgezeigt an ausgewählten Problemstellungen
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors in den Erziehungswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Gutachter: Prof Dr. Marianne Grassmann Prof Dr. Peter Sorger
Datum der mündlichen Prüfung: 21. Dezember 2004
Das zentrale Anliegen der vorliegenden Studie ist eine gründliche Untersuchung der Vorgehensweisen mathematisch begabter Grundschulkinder beim Lösen ausgewählter Problemstellungen - mit dem Ergebnis, spezifisches Lösungsverhalten dieser Kinder aufzuzeigen und so die in der fachdidaktischen Forschung vorhandenen Merkmale einer mathematischen Begabung zu überprüfen, zu konkretisieren und zu erweitern. In der Arbeit werden dabei zwei Schwerpunkte gesetzt: Einerseits wird mithilfe qualitativer Forschungsmethoden die Bearbeitungsweise der mathematisch begabten Grundschulkinder bei ausgewählten Problemstellungen analysiert. Andererseits werden unter Berücksichtigung vorhandener Analysen (Vergleichsstudien) Unterschiede im Lösungsverhalten zu "normal" begabten Kindern aufgezeigt und unter Anwendung quantitativer Methoden vergleichend ausgewertet. Im ersten Teil der Arbeit (Teil I) werden die theoretischen Grundlagen gelegt, um insbesondere eine Annährung an die Beantwortung der Frage zu erhalten, was unter einem mathematisch begabten Grundschulkind zu verstehen ist bzw. durch welche Fähigkeiten sich diese Kinder auszeichnen. Dies erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen inhaltlichen Begriffsbestimmungen von Begabung und mathematischer Begabung. Es werden sowohl Ergebnisse mathematikdidaktischer als auch pädagogischer und psychologischer Begabungsforschung in den Blick genommen und Verbindungen zwischen diesen Aussagen zu (mathematischer) Begabung hergestellt. Mein Verständnis von mathematischer Begabung findet Ausdruck in einem auf der Grundlage des allgemeinen Begabungsmodells von Gagne von mir weiterentwickelten differenzierten mathematischen Begabungs- und Talentmodell, in dem ein Merkmalsystem zur Beschreibung der Spezifik mathematischer Fähigkeiten im Grundschulalter zusammengestellt und erörtert wird. Darüber hinaus werden in diesem Teil der Arbeit Möglichkeiten der Diagnose kritisch diskutiert sowie wesentliche begriffliche Grundlagen des Themengebiets "Problemlösen" aufgearbeitet. Insbesondere werden Bezüge zwischen mathematischer Begabung einerseits sowie dem Gebiet "Problemlösen und Begründen" andererseits hergestellt. Im Mittelpunkt des zweiten Teils (Teil 11) steht die Vorstellung des Designs der Studie. Insbesondere werden die qualitativen Methoden der Datenerhebung, die Dokumentation der Daten sowie die der Ergebnisanalyse zugrunde liegenden Interpretations- und Aus-
(JMD 27 (2006) H. 1, S. 79-80)
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wertungsmethoden vorgestellt. Des Weiteren werden angemessene, den untersuchungsspezifischen Faktoren entsprechende, quantitative Auswertungsmethoden vorgestellt. Der Auswahlprozess der an der Studie teilnehmenden mathematisch begabten Grundschulkinder wird dargelegt und die Kriterien für die Auswahl geeigneter den Zielsetzungen der Untersuchung angemessener Problemstellungen werden erläutert. Der dritte zentrale Teil der Arbeit (Teil III) beinhaltet die detaillierte Darstellung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Auf der Grundlage ausführlicher Transkriptanalysen wird das Lösungsverhalten der mathematisch begabten Grundschulkinder bei den jeweiligen Problemstellungen beschrieben und sowohl kategoriengeleitet als auch kategorienentwickelnd ausgewertet. Die herausgearbeiteten Lösungs- und Begründungskategorien werden durch instruktive Beispiele untermauert. Eine Reihe von mathematikspezifischen Begabungsmerkmalen konnte bestätigt und mithilfe der behandelten Problemstellungen konkretisiert werden. Darüber hinaus konnte ich in der Untersuchung in Abhängigkeit von den gewählten Problemstellungen zusätzliche Merkmale der mathematisch begabten Kinder aufdecken, so dass die begründete Annahme besteht, das bestehende Merkmalsystem zu erweitern um: • metakognitive Fähigkeiten, die sich in einer bewussten Planung, Steuerung und
Kontrolle des Lösungsprozesses zeigen, insbesondere in einer effektiveren Strategiewahl und einer bewussten Suche nach Strukturen und Gesetzmäßigkeiten
• ein Bedürfuis nach plausiblen, mathematischen Erklärungen und ein Streben nach Erkenntnissen (Beweisbedürfuis)
• die Fähigkeit, exakte und vollständige Begründungen mathematischer Sachverhalte formulieren zu können (hohe Begründungsqualität).
Trotz qualitativer Unterschiede innerhalb der Gruppe der mathematisch begabten Kinder stellen die ausgewählten Problemstellungen gut die Unterschiede zu den "normal" begabten Kindern der Vergleichsstudien heraus. Die detaillierten Analysen der Lösungen und des Lösungsverhaltens der mathematisch begabten Kinder eröffnen wichtige Einblicke in die Denkweisen der Kinder und liefern Ansatzpunkte, die auf eine mathematische Begabung schließen lassen. Demzufolge sind die Problemstellungen geeignet als Differenzierungsmaterial eingesetzt zu werden und z.B. Lehrernominationen auf Basis der beobachteten Merkmale und als eine Stufe der Identifikation mathematisch begabter Grundschulkinder zu unterstützen und sicherer zu machen. Im vierten Teil der Arbeit (Teil IV) werden unter Berücksichtigung der Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung die für die einzelnen Problemstellungen erarbeiteten Ergebnisse unter verschiedenen Blickwinkeln zusammenfassend dargestellt und unter Rückgriff auf die theoretischen Grundlagen des ersten Teils der Arbeit kritisch diskutiert.
Literatur: Heinze, Astrid [2005]: Lösungsverhalten mathematisch begabter Grundschulkinder - aufgezeigt
an ausgewählten Problemstellungen. Münster: Lit Verlag.
Dr. Astrid Heinze Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Didaktik der Mathematik und der Informatik Fliednerstraße 21 48149 Münster