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Rezensionen 43 gen und Skizzen, die diese Kriterien nicht erfiil- len, den Begriff der ,Karte' zu meiden, womit die Frage der Qualitat nicht angeschnitten ist. Die vorliegende Schrift verbindet den Vorzug der wissenschaftlichen Exaktheit rnit Klarheit und Verstandlichkeit. Sie wird erganzt durch eine Ubersichtskarte und eine Reihe von Detailkarten (auf dem Untergrund modernen Kartenmaterials), welche im Rahmen einer kartographischen Di- plomarbeit hergestellt wurden. Dies ist eine iiber- aus gelungene Einfuhrung in die archaische, geo- graphische Vorstellungswelt der Griechen. Uta Lindgren, Bayreuth Ludovico de Varthema: Reisen im Orient. Eingeleitet, iibersetzt und erlautert von Folker Reichert. (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd 2) Sigmaringen: Thorbecke 1996. 304 Seiten, 61 s/w Abbildungen, 13 Farbtafeln. Der Reisebericht des italienischen Abenteurers Ludovico de Varthema (ca. 1470 bis 1517) wurde erstmals 1510 gedruckt und erlebte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts 31 Auflagen in sieben Spra- chen; hinzu kommen Nachdrucke in den grofien Reisesammlungen jener Zeit. Von 1863 bis 1928 erschienen kommentierte Ausgaben in England, Frankreich und Italien. Fur Deutschland hat nun Folker Reichert, Ordinarius fur Geschichte des Mittelalters in Stuttgart, eine sehr gut lesbare Ubersetzung mit Anmerkungen und einer Einlei- tung vorgelegt. Was begriindet das anhaltende In- teresse an Varthema? Varthema sprach fliefiend Arabisch und be- herrschte auch die siidindische Sprache Malaya- lam. Aufgrund eigener Anschauung und der Kommunikation mit Einheimischen hat er au- thentische Schilderungen der bereisten Gebiete Arabiens und Indiens verfafit, die er mit recher- chierten Berichten iiber Persien, Hinterindien und Insulinde sowie mit frei erfundenen Erzahlungen, die vor allem der Unterhaltung dienen sollten, vermengt hat. Seine Beobachtungsgabe liefi je- doch manchmal zu wunschen ubrig. So ist bei- spielsweise der Vergleich der grofien Moschee in Mekka, die einen rechteckigen Grundrifi besitzt, mit dem runden Coliosseum in Rom schlicht un- passend (S. 70). Grofites Interesse fand in Europa seine Beschreibung von Einhornern in Mekka, bei denen es sich um Antilopen gehandelt haben diirfte (S. 77-79). Auch mit der Beschreibung exotischer Friichte wie der Kokosnufi und indi- scher Gewurze wie Pfeffer, Zimt und Nelken so- wie ihrer Stammpflanzen befriedigte er die Neu- gier seiner Leser. Allerdings erscheint Reicherts Urteil, kein Zeitgenosse habe ,,so genau die Pflan- Zen Indiens beschrieben" (S. 24), fragwiirdig. Fraglos irrt der Herausgeber, wenn er den Lack- baum (Toxicodendron vernicif2uum) mit Aleurites (Tungol-Baum) identifiziert und darauf noch die Lackschildlaus ansiedelt (S. 223). Reichert hat diese Edition mit 44 Holzschnitten aus der ersten deutschen Varthema-Ausgabe von 1515 sowie rnit 30 weiteren zeitgenossischen oder jiingeren Abbildungen illustriert. Leider sind die Bildlegenden der letzteren oft so sparlich, dafi der Leser genauere Angaben im Abbildungsnachweis nachschlagen mug. Das Werk hat ferner ein Lite- raturverzeichnis (der auf S. 196 und anderenorts zitierte Titel von Heyd fehlt dort) sowie ein Per- sonen- und ein Ortsregister. Als Augenzeuge der Entstehung des portugiesi- schen Kolonialreichs in Indien bleibt Varthema bedeutsam. Zum Fortschritt der Wissenschaften hat er jedoch kaum beigetragen. Reichert schreibt zutreffend, dafi sein Werk ,,nicht so sehr die Fulle des Stoffes oder die Genauigkeit der Beobach- tung, sondern die Lebendigkeit der Darstellung" auszeichnete (S. 24). Wolfgang Caesar, Stuttgart Andreas Schach: Carl .Ritter (1779-1859). Naturphilosophie und Geographie. Erkenntnistheoretische Uberlegungen, Reform der Geographie und mogliche heu- tige Implikationen. (Abhandlungen zur Geschichte der Geowissenschaften und Religion/Umwelt-Forschung. Neue Folge, Bd 2) Bochum: Universitatsverlag Dr. N. Brockmeyer 1996. ISBN 3-89473-637-2. 197 Seiten. Es ist dem Autor dieser 1995 vorgelegten Disser- modernen Universitatsgeographie in die Ge- ration gelungen, eine Lucke in der bisherigen Rit- schichte eingegangen ist, zuwendet. Bisher hatte ter-Forschung zu schlieflen, indem er sich den Be- man sich hauptsachlich mit folgenden Problemen ziehungen zwischen der Naturphilosophie (vor befafit: Von der Kompendien- zur Problemgeo- allem Schelling) und Ritter, der als Begriinder der graphie (Ernst Plewe), Ritter und die Schulgeo- Ber.Wissenschaftsgesch. 22 (1999) 32-64

Ludovico de Varthema: Reisen im Orient. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Folker Reichert. (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd 2) Sigmaringen: Thorbecke 1996. 304 Seiten,

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Page 1: Ludovico de Varthema: Reisen im Orient. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Folker Reichert. (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd 2) Sigmaringen: Thorbecke 1996. 304 Seiten,

Rezensionen 43

gen und Skizzen, die diese Kriterien nicht erfiil- len, den Begriff der ,Karte' zu meiden, womit die Frage der Qualitat nicht angeschnitten ist.

Die vorliegende Schrift verbindet den Vorzug der wissenschaftlichen Exaktheit rnit Klarheit und Verstandlichkeit. Sie wird erganzt durch eine Ubersichtskarte und eine Reihe von Detailkarten

(auf dem Untergrund modernen Kartenmaterials), welche im Rahmen einer kartographischen Di- plomarbeit hergestellt wurden. Dies ist eine iiber- aus gelungene Einfuhrung in die archaische, geo- graphische Vorstellungswelt der Griechen.

Uta Lindgren, Bayreuth

Ludovico de Varthema: Reisen im Orient. Eingeleitet, iibersetzt und erlautert von Folker Reichert. (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd 2) Sigmaringen: Thorbecke 1996. 304 Seiten, 61 s/w Abbildungen, 13 Farbtafeln.

Der Reisebericht des italienischen Abenteurers Ludovico de Varthema (ca. 1470 bis 1517) wurde erstmals 1510 gedruckt und erlebte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts 31 Auflagen in sieben Spra- chen; hinzu kommen Nachdrucke in den grofien Reisesammlungen jener Zeit. Von 1863 bis 1928 erschienen kommentierte Ausgaben in England, Frankreich und Italien. Fur Deutschland hat nun Folker Reichert, Ordinarius fur Geschichte des Mittelalters in Stuttgart, eine sehr gut lesbare Ubersetzung mit Anmerkungen und einer Einlei- tung vorgelegt. Was begriindet das anhaltende In- teresse an Varthema?

Varthema sprach fliefiend Arabisch und be- herrschte auch die siidindische Sprache Malaya- lam. Aufgrund eigener Anschauung und der Kommunikation mit Einheimischen hat er au- thentische Schilderungen der bereisten Gebiete Arabiens und Indiens verfafit, die er mit recher- chierten Berichten iiber Persien, Hinterindien und Insulinde sowie mit frei erfundenen Erzahlungen, die vor allem der Unterhaltung dienen sollten, vermengt hat. Seine Beobachtungsgabe liefi je- doch manchmal zu wunschen ubrig. So ist bei- spielsweise der Vergleich der grofien Moschee in Mekka, die einen rechteckigen Grundrifi besitzt, mit dem runden Coliosseum in Rom schlicht un- passend (S. 70). Grofites Interesse fand in Europa seine Beschreibung von Einhornern in Mekka, bei denen es sich um Antilopen gehandelt haben

diirfte (S. 77-79). Auch mit der Beschreibung exotischer Friichte wie der Kokosnufi und indi- scher Gewurze wie Pfeffer, Zimt und Nelken so- wie ihrer Stammpflanzen befriedigte er die Neu- gier seiner Leser. Allerdings erscheint Reicherts Urteil, kein Zeitgenosse habe ,,so genau die Pflan- Zen Indiens beschrieben" (S. 24), fragwiirdig. Fraglos irrt der Herausgeber, wenn er den Lack- baum (Toxicodendron vernicif2uum) mit Aleurites (Tungol-Baum) identifiziert und darauf noch die Lackschildlaus ansiedelt (S. 223).

Reichert hat diese Edition mit 44 Holzschnitten aus der ersten deutschen Varthema-Ausgabe von 1515 sowie rnit 30 weiteren zeitgenossischen oder jiingeren Abbildungen illustriert. Leider sind die Bildlegenden der letzteren oft so sparlich, dafi der Leser genauere Angaben im Abbildungsnachweis nachschlagen mug. Das Werk hat ferner ein Lite- raturverzeichnis (der auf S. 196 und anderenorts zitierte Titel von Heyd fehlt dort) sowie ein Per- sonen- und ein Ortsregister.

Als Augenzeuge der Entstehung des portugiesi- schen Kolonialreichs in Indien bleibt Varthema bedeutsam. Zum Fortschritt der Wissenschaften hat er jedoch kaum beigetragen. Reichert schreibt zutreffend, dafi sein Werk ,,nicht so sehr die Fulle des Stoffes oder die Genauigkeit der Beobach- tung, sondern die Lebendigkeit der Darstellung" auszeichnete (S. 24).

Wolfgang Caesar, Stuttgart

Andreas Schach: Carl .Ritter (1779-1859). Naturphilosophie und Geographie. Erkenntnistheoretische Uberlegungen, Reform der Geographie und mogliche heu- tige Implikationen. (Abhandlungen zur Geschichte der Geowissenschaften und Religion/Umwelt-Forschung. Neue Folge, Bd 2) Bochum: Universitatsverlag Dr. N. Brockmeyer 1996. ISBN 3-89473-637-2. 197 Seiten.

Es ist dem Autor dieser 1995 vorgelegten Disser- modernen Universitatsgeographie in die Ge- ration gelungen, eine Lucke in der bisherigen Rit- schichte eingegangen ist, zuwendet. Bisher hatte ter-Forschung zu schlieflen, indem er sich den Be- man sich hauptsachlich mit folgenden Problemen ziehungen zwischen der Naturphilosophie (vor befafit: Von der Kompendien- zur Problemgeo- allem Schelling) und Ritter, der als Begriinder der graphie (Ernst Plewe), Ritter und die Schulgeo-

Ber.Wissenschaftsgesch. 22 (1999) 32-64