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1089 LUDWIG BAKTH VON K AR T H I< NA U. Am 3. August 1890 starb Ludwig Barth von Barthenau im 52. Lebensjahre, der riesenhafte Mann, von dem man einst hatte glauben mogen, dass er eher als jeder andere ein Jahrhundert er- reiche. Unwillkiirlich denkt man daran, dass der Blitz gerne die hijchsten Biiume sucht und dabei war ihm nicht einmal das Gliick eines raschen Scheidens yon allem, was ihm lieb war, gegonnt. Gleich hoch entwickelt an KSrper und Geist finden wir ihn am Gymnasium stets als jiingsten, grijssten und starksten des Knrses, mit 21 Jahren ist er Doktor der Philosophie, 2 Jahre spater Privatdocent und nach weiteren fiinf Jahren Ordinarius. Kaum war er in das Mannesalter eingetreten, so schlnng schon die Sage um die Geschichte seines Jiinglingsalters ihre Ranken und verherrlichte seine Kraft und Aus- dauer, seine Willensstarke und Opferwilligkeit. Hunger, Durst, Kalte, Ermiidung und Schlafbediirfniss durften vor seinem Willen nicht zur Geltung kommen, bevor ein gestecktes Ziel nicht erreicht war. Was er bei solcher Willensstarke geleistet, geht oft ijber die Kraftanstren- gung zweier normaler Menschen hinaus. So ging er in einem Tage von Innsbruck in die Krimml, desgleichen von Ranalt fiber das Mutterbergerjoch in das Oetzthal und heraus nach Silz. Eine ange- botene Wette, dass er zu Fuss in 24 Stunden von Bozen nach Inns- bruck komme, wagte bei seiner bekannten Leistungsfahigkeit niemand zu halten, und als Professor in Innsbruck war es eine seiner ersten Anordnungen, dass er schwere, eiserne Hebelarme, welche er einst als Schiiler in seiner vollsten Jugendkraft verbogen hatte, beim Grob- schmied gerade richten liess. Neben dieser Harte gegen den eigenen Organismus finden wir bei ihm eine Weichheit des Gemiithes, welche oft die Empfindlichkeit eines Kindes iibertrifft. Der Dank eines kriippelhaften Bettlers am Wege konnte ihn auf lange Zeit wortkarg machen, ein angeschossenes Stiick Wild, dem nicht rasch genug der Gnadenschuss gegeben werden konnte, verdiisterte seine Stirn, und vor- [75*1

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LUDWIG BAKTH VON K AR T H I< NA U.

Am 3. August 1890 starb L u d w i g B a r t h v o n B a r t h e n a u im 52. Lebensjahre, der riesenhafte Mann, von dem man einst hatte glauben mogen, dass e r eher als jeder andere ein Jahrhundert er- reiche. Unwillkiirlich denkt man daran, dass der Blitz gerne die hijchsten Biiume sucht und dabei war ihm nicht einmal das Gliick eines raschen Scheidens yon allem, was ihm lieb war, gegonnt. Gleich hoch entwickelt an KSrper und Geist finden wir ihn am Gymnasium stets als jiingsten, grijssten und starksten des Knrses, mit 21 Jahren ist e r Doktor der Philosophie, 2 Jahre spater Privatdocent und nach weiteren fiinf Jahren Ordinarius. Kaum war er in das Mannesalter eingetreten, so schlnng schon die Sage um die Geschichte seines Jiinglingsalters ihre Ranken und verherrlichte seine Kraft und Aus- dauer, seine Willensstarke und Opferwilligkeit. Hunger, Durst, Kalte, Ermiidung und Schlafbediirfniss durften vor seinem Willen nicht zur Geltung kommen, bevor ein gestecktes Ziel nicht erreicht war. W a s er bei solcher Willensstarke geleistet, geht oft ijber die Kraftanstren- gung zweier normaler Menschen hinaus. So ging er in einem Tage von Innsbruck in die Krimml, desgleichen von Ranalt fiber das Mutterbergerjoch in das Oetzthal und heraus nach Silz. Eine ange- botene Wette, dass er zu Fuss in 24 Stunden von Bozen nach Inns- bruck komme, wagte bei seiner bekannten Leistungsfahigkeit niemand zu halten, und als Professor in Innsbruck war es eine seiner ersten Anordnungen, dass er schwere, eiserne Hebelarme, welche e r einst als Schiiler in seiner vollsten Jugendkraft verbogen hatte, beim Grob- schmied gerade richten liess. Neben dieser Harte gegen den eigenen Organismus finden wir bei ihm eine Weichheit des Gemiithes, welche oft die Empfindlichkeit eines Kindes iibertrifft. Der Dank eines kriippelhaften Bettlers am Wege konnte ihn auf lange Zeit wortkarg machen, ein angeschossenes Stiick Wild, dem nicht rasch genug der Gnadenschuss gegeben werden konnte, verdiisterte seine Stirn, und vor-

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sichtig schritt er oft iiber die Ameise, wenn er sie am Wege bemerkte. Bei heftigem Temperament und tief ernstem Streben war sein Gemiith zugleich ein auffallend heiteres ; iiber die lustigen Schnurren von Busch, wie $Max und Moritza und >die fromme Helenecc, konnte er sich freuen, wie ein Knabe, und ihr Wortlaut wich nicht aus seinem Gedachtniss. I m Feldzuge sehen wir ihn, wie e r sich selbst stundenweit aus einer Ortschaft weit unten im T h a l ein Stiick Fleisch holt, urn es oben in seiner Gutmiithigkeit wieder mit weniger gliicklichen Kameraden gegen Polenta auszutauschen, und mit Dankbarkeit erinnern sich manche weniger kraftige Mitglieder der Studentencornpagnie, wie B a r t h auf beschwerlichen Marschen in der Sonnenglut fiir zwei und drei seiner Mannschaft Gewehr und Rucksack trug.

Nach anhaltender geistiger Thatigkeit ist ihm physische Anstren- gung geradezu ein Bediirfnis und je mehr er dasselbe befriedigen kann, umso behaglicher fiihlt er sich. Er selbst bezeichnete immer den Friihling als die Zeit, in der er sich am wohlsten fiihlte und er- kannte als die Ursache dieser Erscheinung seinen Jagdeifer zur Zeit der Spiel- und Auerhahnbalz, der ihn in kurzen sechs Wochen zwei bis drei Dutzend Ma1 schon im ersten Morgengrauen hoch au die Holzgrenze fiihrte. Dabei erlaubte es sein Pflichteifer nur hijchst selten, dass er einmal eine Stunde spater als gewohnlich im Labora- torium erschien. Den Sommer liebte er im allgemeinen weniger als die andern Jahreszeiten, zumal in spateren Jahren, als e r beleibter wurde, widerstand er dem Einfluss der Warme weniger gut, zudem konnte e r , der gewaltig Angelegte, kein Gewitter ohne Unbehagen voriiber ziehen sehen, und der Schreiber dieses glaubt des Oefteren wahrgenommen zu haben, dass B a r t h ' s Ruhe und Arbeitslust langst schon gestBrt waren, bevor die ersten Gewitterwolken sich iiber einen Gebirgsgrat vorschoben. Herbst und Winter waren die Jahreszeiten, welche nach seinem Herzenswunsche geschaffen waren, der Farben- reichthum des Herbstes, die nordische Pracht des Winters standen seinem Herzen vie1 naher, als der Sommer mit seiner Herrlichkeit. Urn sie vollauf und gemeinsam mit andern geniessen zu kGnnen, schuf e r hier eine grosse Jagdgesellschaft, dort einen Eislaufverein; eine glatte Eisflache war ja seine erwiinschteste Bahn und auf der Jagd Fuchs und Gemsbock w i n liebstes Gegeniiber. Als Freund ernsten Strebens und collegialer Geselligkeit nahm er an mehreren Natur- forscherversammlungen theil, deren Besuche e r die persijnliche Be- kanntschaft so vieler Fachgenossen und spiiterer Freunde verdankte. Noch haufiger finden wir ihn bei den deutschen und osterreichischen Bundesschiessen, und obwohl e r in der Heimath nur selten einen Schiesstand besucht, erhalt ihn die Biirschbiichse soweit in Uebung, dass e r von jedem als Andenken einen Becher, von mehreren hervor- ragende Bestgaben nach Hause bringt. Seine scharfe Beobachtunge-

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gabe uad seine Vorliebe fiir das Leben in der freien Natur, besondera im Hochgebirge hatten friihzeitig seineu Sinn fiir die Schonheiten der Natur hoch entwickelt und fast Bewunderung seiner Ohjectivitat zwang er dem Zuhorer ab, wenn er, der durch die Bilder seiner Heimath so verwiihnt war , mit warmer Begeisterung die Schanheit des Wiener- waldes und Kahlenberges schiiderte. Was er aber als Kind und Knabe in sich aufgenommen, davon konnte er nicht lassen; mit jeder Faser hing e r an Tirol; hier wollte er einst seine letzten Tage in Ruhe geniessen, aber das Schicksal hat es anders bestimmt.

L u d w i g v. B a r t h wurde am 17. Janner 1Y39 in Roveredo als der Sohn des Kreisamts-Sekretars F r a n z v. B a r t h geboren. Hier verlebte er die zarteste Jugend, bis sein Vater in rascher Folge nach Schwaz, Imst und Bregenz versetzt wurde, an welch’ letzterem Orte er die Elementarschule beendete. Wegen des geringen Alters und in Anbetracht des hiiufigen Wechsels schlechter Landschulen, glaubte der Vater den Sohn ein J a h r durch Privatunterricht f i r das Gymnasium vorbereiten lassen zu sollen. Aber bald erkliirte der Lehrer, dass e r seinen Schiiler fur befahigt halte, nach Jahresfrist die Priifung iiber die erste Gymnasialklasse abzulegen, und thatsachlich bestand er diese Priifung mit sehr gotem Erfolge, urn als ijffentlicher Schiiler in die Lehranstalt einzutreten. Hand in Hand mit der geistigen Ausbildung schritt i n Bregenz die korperliche Entwicklung B a r t h ’ s fort. Schon als kleiner Bub’ war ihm ein Bad oder eine Douche unter der Dach- traufe ein besonderes Vergniigen gewesen. Hier in Bregenz gab ihm der Bodensee die herrlichste Gelegenheit sich am Wasser voll zu freuen und sich mit demselben vollkommen vertraut zu macheo. In einem Sommer hatte er sich zu einem ausdauernden Schwimmer ausgebildet, der die Bgrosse Probea: bestanden hatte; jetzt erst fiihlte er sich im Wasser ganz in seinem Elemente. Jede freie Stunde ver- brachte e r im See, und fiihlte er ein tiefes Behagen an der glatten Bahn im hellen Sonnenschein, so stieg seine Freude am hochsten, wenn der See in langen Wogen zog und die Wellen iiberstiirzten; konnte e r j a so seine Jugendkraft an der schaumenden Fluth erproben. Zu welcher Ausdauer er es dabei brachte, kann man am besten daraus entnehmen, dass e r eines Tages, anstatt die Schwimmschule auf zwei Stunden zu raumen, fiir welche Zeit sie den Damen vorbehalten war, die ganze Zeit fiber weit draussen im See herumtummelte und lange nach Ablauf der zwei Stunden erst in die Schwimmschule zuriickkehrte.

Das J a h r 1850 brachte B a r t h wieder ganz neue Verhaltnisse. Sein Vater wurde als Statthaltereirath nach Innsbruck versetzt, und er trat hieher an das Gymnasium iiber. Er war der jungste des Kurses, aber es wiihrte nicht lange, so war e r der Griisste und Starkste. Sein Fortschritt war ein guter, und auffallend rasch entwickelte sich hier eine Vorliebe fur die naturwissenschaftlichen Gegenstiinde und

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am meisten trat sie hervor fur jenes Fach, das nur ganz nebensach- lich, als Anhangsel der Physik, behandelt wurde, die Chemie. Neben den obligaten Gegenatanden pflegte e r die franziisische Sprache und das Violinspiel; den schwer vermissten Bodensee mussten ihm die Berge ersetzen. Geschlossene Schwimmschulen betrachtete e r nur mehr als grosse Waschbecken, in denen man zur Noth auch schwimmen, springen und tauchen konnte. Auch die Turnschule, die er besnchte, war ihm zu eng. Er wollte freie Luft athmen und Tage, nicht Stun- den korperlicher Anstrengung. Er griff daher zu Bergstock und zu Biichse und gegen Ende seiner Gymnasialzeit diirfte e r schon, wie wenige, auch in der ferneren Umgebung Innsbrucks iiber alle Hohen Bescheid gewusst hahen. I m Juli 1856 bestand er die Maturitatsprii- fung, und ohne Bedenken wandte e r sich dem Studium der Chemie zu. Seinen uniibertrefflichen Lehrer H l a s i w e t z hatte e r schon friiher personlich kennen gelernt. In den ersten sechs Semestern seines Universitatsstudiums horte er neben naturwissenschaftlichen Fachern Philosophie und Geschicbte. Im Laboratorium war seine Thiitigkeit nach Ueberwindung der ersten mechanischen Schwierigkeiten charakte- risirt durch Geschick, Eifer und eisernen Fleiss und schon im Jahre 1858 treffen wir seinen Namen zum ersten Ma1 in der chemischen Literatur bei einer kleinen Notiz iiber die Campholsaure, in welcher e r nachweist, dass diese % w e aich gegen Aetzkali anders verhalt, als die Glieder der Acrylsaurereihe. I m selben und im folgenden Jahre finden wir ihn angefiihrt als Mitarbeiter seines genialen Lehrers H l i t s i w e t z , in den Abhandlungen BUeber Buchentheerkreosot uud und die Destillationsproducte des Goajakharzesc sowie BUeber eine neue Zersetzung der Trinitrophenylsaurea. Dabei findet er noch immer Zeit zu korperlichen Uebungen jeder Art. Er ist Turner, Schwimmer, Reiter, Tanzer, Fechter, sein Hauptvergniigen aber, dem er treu bleibt, bis sein Auge sich triibt, ist die Jagd.

Im ungliicklichen Jahre 1859 hatte auch er , und zwar als einer der ersten, sich zur freiwilligen academischen Schiitzenkompagnie ge- meldet. Vaterlandsliebe und Thatendrang hatten ihn in die Reihe der Vaterlandsvertheidiger gestellt. Sein Verlangen , mit den Waffen i n den Kampf eingreifen zu kiinnen, wurde nicht erfiillt, und der un- gliickliche Ausgang des Feldzuges liess ihm die Heimkehr erwfinscht erscheinen. Im folgenden Semester 6nden wir ihn in der Isarstadt. L i e b i g und P e t t e n k o f e r hatten ihn angezogen, unter ihrer Leitung wollte er sich weiter ausbilden. Zugleich war e r dort bei dem Corps Franconia eiogesprungen. Das Klima Miinchens sagte ihm aber nicht zu. Nach langem Unwohlsein warf ihn eine heftige Gedarmentziindung vollends auf das Krankenlager; lange schwebte e r zwischen Leben und Sterben, nur langsam folgte die Genesung, nach welcher er wieder nach Innsbruck zuriickkehrte und im Sommersemester 1860,

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erst 21 Jahre alt, das Doctorat der Philosophie sich erwarb. Da er die Absicht hatte, sich fiir Chemie der Gifte zu habilitiren, finden wir ihn seiner angebornen Griindlichkeit entsprechend im nachsten Semester am Secirtisch der medicinisch - chirurgischen Lehranstalt. Ueber seine Thatigkeit im Laboratorium belehren uns mehrere Mineral- analysen und seine Untersuchungen iiber Einwirkung des Chlors auf Amylalkohol und iiber die Umwandlung der dabei auftretenden Kiirper durch basische Oxyde. Gleichzeitig weist er nach, dass durch die Einwirkung von Brom auf Glycerin bei Anwesenheit von Waseer sich Glycerinsaure bildet, dass aber bei Ausschluss von Wasser als Haupt- product ein bromhaltiges Oel entsteht, das destillirt oder rnit kochen- dern Wasser behandelt Glycolsaure liefert. Mit Professor Hlasi w e t z findet er, dass bei Einwirkung von Brom auf Milchzucker oder Gummi arabicum bei Oegenwart von Wasser ein gebromtes Product erhalten wird, das mit Silberoxyd in eine krystallisirte Saure iibergeht, welche mit der Diglycolathylensaure von W u r t z isomer ist.

Nur die Ferien kann er sich einrichten, wie es seinem Bediirfniss nach korperlicher Anstrengung und seinem Streben nach Abhartung entspricht, und das thut er in vollem Maasse. Mit seinem Freunde Professor D a u m und R i e s e r , dem spatern Wildmeister des Herzogs von Coburg, zieht er in’s Vomper Loch. Sie hatten kein wilderes, unwirthlicheres Gebiet finden konnen. Kein Gehoft, keine Jiigerhiitte, keine Alpe war damals noch im fiinf Stunden langen Thal zu finden. Am Zwerchbach unter einer hohen Felswand stand ihre Behausung, eine alte verlassene Holzknechthiitte. Von hier aus durchzogen sie vom friihen Morgen bis zum Abend rnit der Kugelbiichse die wilden Hange und hohen Kare , wobei R i e s e r ihr Lehrer und Fiihrer ist. Hunger ist der beste Koch, der Bach vertritt den Keller und siisse Ruhe auf hartem Lager stellt sich als sicherer Lohn ein. Die spar- liche Jagdbeute musste an den Jagdherrn, den Staat abgeliefert, dafiir aber alle Lebensbediirfnisse bis zur letzten Brodkrume aus dem Inn- that hereingeschleppt werden. Urn nicht ginstige Tage fur die Jagd zu verlieren, wurde diese wirthschaftliche Thatigkeit auf die Regentage verlegt.

Wenige Wochen nach ihrer Riickkehr nach Innsbruck finden wir B a r t h mit der Restatigung als Privatdocent und der venia legendi fiir analytische Chemie, mit besonderer Beriicksichtigung giftiger Ver- bindungen, in voller Thatigkeit als Lehrer wie als Forscher. I n letzterer Beziehung wendet er sich zunachst der nahern Untersuchung des Picrotoxins zu, stellt ein Bromderivat und ein Nitropicrotoxin dar, zeigt, dass es durch Alkalien und verdiinnte Sauren wahrscheinlich unter Wasseraufnahme sich verandert, sowie dass es verschiedene andere Eigenschaften rnit den Zuckerarten gemeinsam hat. Zugleich weist er darauf hin, dass bei der Picrotoxingewinnung ein K6rper ah

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Nebenproduct erhalten wird, der vielleicht rnit der B u l l a y 'schen Menisperminsaure identisch ist.

Mit H l a s i w e t z beginnt er einen Cyklus von Arbeiten Eber das Verhalten der Harze gegen schmelzendes Kali, und als erstes Ergeb- niss derselben weisen sie nach, dass die Guajakharzsaure wie auch gereinigtes Guajakharz in der Kalischmelze Protocatechusaure und eine zweite kaum krystallisirende Verbindung von interessanten Reac- tionen liefert. Unmittelbar darauf entdecken sie das Resorcin als Reactionsproduct schmelzenden Kalis auf den in Alkohol lijslichen Theil des Galbanumharzes. Sie erkennen sogleich seine SteIIung eum Orcin und deuten die Beziehungen desselben zum Phloroglucin an. Ihre Analyse stiitzen sie durch eine Dampfdichte-Bestimmung nnd durch die Darstellung des Tribromresorcins. - Ffir die folgenden Ferien hatte sich B a r t h ein neues Feld der Thatigkeit gewahlt, das ihm gleichzeitig kiirperliche Anstrengung, Abbartung und wissenschaft- liches Schaffen ermoglichte. Es galt die hypsometrische und oro- graphische Bearbeitung der Stubaier Gebirgsgruppe, und die kaiserliche Academie der Wissenschaften hat das Unternehmen unterstiitzt.

Mit seinem Freunde P f a u n d l e r schlug er in Ranalt das Haupt- quartier auf. Von bier aus wurden oft auf lange Zeit die Excursionen unternommen. Fuhrer im heutigen Sinne gab es nicht, ein Gemsjager musste ihnen als solcher dienen. Haufig genug waren sie genothigt, ihre Messinstrumente selbst auf die hbchsten Spitzen zu tragen, statt der Ruhe erwartete sie dort erst die Arbeit. Mangelhafte Unterkuuft, schlechte NahruDg , in einzelnen Fallen Schneeblindheit waren die WViirze ihrer anstreugenden Thatigkeit. Die Ergebnisse ihrer miih- samen Arbeit publicirten sie unter dem Titel >Die Stubaier Gebirgs- gruppea im Jahre 1865. Ein Blick auf das Vorwort, das dem Werke vorausgeschickt ist , kennzeichnet genugend den ernsten Stand punkt , von dem aus sie ihre Aufgabe auffassten. Nach der Bemerkung, dass sie kein Reisebucb fiir Touristen vorlegen, sagen sie: ,Der Schwer- punkt unserer Arbeit liegt in der Berechnung jener Grossen, welche die Grundlage einer exacten Behandlung der Orographie ausmachen und weil auf einer grossen Anzahl von Einzelmessungen basirt, einst als werthvolles Material zur Behandlung jener Fragen dienen kiinnen, welche sich an den Zusammenhang zwischen Massenerhebung und Warmeverthejlung kniipfen-t Die Arbeit ist eine grundlegende fur die spateren Bearbeitungen des Stubaithales geworden.

Im Jahre 1864 wurde B a r t h zum Assistenten bei Professor H l a s i w e t z ernannt. Gemeinsam setzten sie das Studiurn der Harze durch Verschmelzen derselben mit Aetzkali fort und finden , dass Benzogharz dabei ParaoxybenzoiMure, Protocatechusaure,Brenzcatechin und einen Korper mit intensiv rother Eisenreaction liefert, dass Drachen- blut ParaoxybenzoEsiiure, BenzoSeaur e, Protocatechusaure, Phioroglucin

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und ein oder zwei nicht geniigend charakterisirbare Verbindungen, A106 endlich ParaoxybenzoEsaure und Orcin giebt. Als sie Gummigutt und Asa foetida in den Kreie ihres Studiums zogen, erhielten sie aus ersterem Harze, Phloroglucin, Isuvitinsaure und Brenzweinsaure, wahrend letzteres Resorcin und Protocatechusaure gab. Bei nlherer Untersuchung des Asa foetida entdeckten sie die Ferulasaure als Muttersubstanz der Protocatechusaure. Ihre Untersuchung der Ein- wirkung der Kalischmelze auf Akaroidharz, Sagapenum, Opoponax , Myrrhe, Aldehyd- und Acrylharz ergab im Wesentlichen die gleicben Reactionsproducte, wie bei den friiher besprochenen Harzen , nur Opoponax lieferte unter anderen einen Korper , der bisher Iiicht bs- obachtet war, aber wegen Mangels an Material nicht geniigend charak- terisirt werden konnte.

Unter dem Titel BZur Geschichte des Tyrosinsc wies R a r t h die Unrichtigkeit der bisherigen Ansicht, dass das Tyrosin ein Derivat der Salicylsaure sei, nach, indem er dasselbe durch Verschmelzen mit Kali unter Abspaltung von Ammon und Essigsaure mit sehr guter Ausbeute in ParaoxybenzoFsaure iiherfiihrte und in Weiterem zeigte, dass auch die ParaoxybenzoEsaure die Pir ia’sche von S t a d e l e r modi- ficirte Tyrosinreaction und wie die Salicylsaure Neutralsalze giebt. Zum ersten Ma1 finden wir in dieser Ahhandlung auf die Beziehungen des Tyrosins zur Paracumarsaure hingewiesen.

Im Sommer des Jahres 1866 finden wir B a r t h wieder an der siidlichen Grenze Tirols als Landesvertheidiger. Mit Freuden war e r dem Rufe der Mitglieder der freiwilligen academischen Schiitzen- campagnie als Offizier gefolgt, und es wurde ihm als Lieutenant die Fiihrung des vierten Zuges anvertraut. Energie, Umsicht und un- eigennutzigste Vorsorge fur seine Leute charakterisirte sein Thun uod brachte ihm den Namen PZugsvatere. An einem Gefechte theilzu- nehmen, war ihm auch diesmal nicht vergiinnt. Bei der Ruckkehr wurde e r durch das goldene Verdienstkreuz mit der Krone ausge- zeichnet, und heuer nach 25 Jahren haben die noch lebenden Mit- glieder der Compagnie zum Ausdruck ihrer Verehrung und Dankbar- keit sein Grab mit Kranzen geschmiickt.

Bald nach dem Feldzuge brachte B a r t h in einer Arbeit iiber die Protocatechusaure einen Beitrag zur Frage der Basicitat dieser Ver- bindung, constatirte weiters, dass sie sich durch das gut charakteri- sirte Zwischenproduct der Bromprotocatechusaure in einen Korper iiberfiihren lasst, welcher in allen qualitativen Reactionen vollkommcn, bei der quantitativen Analyse annaherungsweise mit der Gallnssaure iibereinstimmt, und tritt ferner mit schwerwiegenden Griinden fiir die Identitat der Protocatechnsaure und Carbohydrochinonsaure ein.

Das Jahr 1867 schuf fur B a r t h vollkommen neue Verhaltnisse. A m Polytechnikum in Wien war eine neue Lehrkanzel fur tech-

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nologische Chemie geschaffen und Hiasi w e t z mit der Professur dieses Faches betraut worden. Das Vertrauen der Facultat und die Anerkennung seiner erprobten Leistungen von Seiten des Ministeriums riefon B a r t h an die friihere Stelle H l a s i w e t z . Er wurde am 4. August 1867 zum Ordinarius fiir allgemeine Chemie an der Uni- versitat in Innsbruck ernannt. Dieser Ernennung folgten wenig friihliche Monate. Gewohnt die Ferien in voller Freiheit zu geniessen, finden wir ihn diesrnal als emsigen Pfleger am Krankenlager seines Lelirers und Vorgingers H l a s i w e t z , der nach einem hiichst gefahr- lichen Sturz in die Tiefe des Salzbergwerkes zu Hall gliicklich mit einern Beinbruch davon gekommen war. Langsam war die Heilung vorgeschritten, und erst nachdem B a r t h dem Reconvalescenten glucklich nach Wien das Geleite gegeben hatte, wendete er sich wieder seiner wissenschaftlichen Thatigkeit zu. Er zeigt zunachst, dass aus AmidobenzoSsaure, rnit besonders guter Ausbeute aber aus Sulfoben- zoesaure in der Kalischmelze Oxybonzo&saure sich bildet, analysirt mehrere neue Salze und Aether der genannten Saure und weist endlich nach, dass diese Oxybenzo6saure sich in eine SulfoxybenzoE- saure iiberfiihren l a s t , welche beim Schmelzen mit Aetzkali, Proto- catechusaure liefert. Er giebt ferner eine Erklarung fiir die Thatsache, dass Benzogsaure und Gallussaure die Endglieder einer durch steigenden Sauerstoffgehalt von der ersteren sich ableitenden Reihe sind, die in ihren Zwischengliedern verschirdene Isomere zeigt.

Die Ferien des folgenden Jshres verbrachte er zum iiberwiegenden Thcile auf einer Reise. Der Drang nach Erweiterung seines Gesichts- kreises, das Streben, neue persiinlicbe Beziehungen rnit Fachgenossen anzukniipfen und das Rediirfniss, sich mit der Praxis der techniscben Cbrmie vertrauter zu machen, fiibrte ihn uber Frankreich nach Eng- land und von dort iiber Nord- und Mitteldeutschland wieder zuriick. Eebst der Befriedigung iiber den erreichten Reisezweck, sollte er die Eindriicke eines der grossartigsten und wildesten Naturschauspiele rnit nach Hause bringen. Schon bei seiner Einscbiffung in Dover stand eine unsichere Fahrt iiber den Kana1 in Aussicht. Er hatte vom Kapitain die Erlaubniss erwirkt, unter gewissen Vorsichtsmaassregeln auf Verdeck bleiben zu diirfen. In kurzester Zeit hob sicb der Wind zum heftigaten Sturm, neun Stunden dauerte die Ueberfahrt nach Calais und uber hundert Fahrzeuge hatten unterdessen die Wellen des Canals fiir sicb gefordert. Der Eindruck war fiir B a r t h ein dauernder. Nach vielen Jahren noch kam er, wenn er etwa mit einigen Wenigen in einer windumtosten Alpenhiitte am Feuer die Nacht verbrachte, gerne in seiner plastirchen Erzahlungsweise darauf zuriick und gab Scenen der Pracht und des Jammers aus jenen Stunden zum Besten.

Gleich nach seiner Riickkehr in die Heimath war in Dresden Innsbruck als Ort fiir die 43. Versammlung deutscher Naturforscher

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und Aerzte bestimmt und er mit Professor R e m b o I d mit der Ge- schaftsfiihrung betraut worden. Neben den Vorbereitungen , welche sie fiir diese Versammlung trafen, fiihrte B a r t h die Toluolsulfosaure durch schmelzendes Kali in ParaoxybenzoGsaure, Salicylsaure und Kresol fiber und schloss aus diesen Zersetzungsproducten , dass die ToIuolsulfosaure ein Gemisch mehrerer isomerer Sauren sei. Gleich- zeitig brachte e r einen wesentlichen Beitrag zur Constitution der Phloretinsaure und erkannte das Tyrosin, entgegen der bisherigen An- schauung, als Oxyphenylarnidoprapiousaure, nachdem er durch Ver- schmelzen der S c h m i t t - und Nasse’schen Base rnit Aetzkali mit fast quantitativer Ausbeute zur ParaoxybenzoGsaure gelangt war und andererseits dargethan hatte, dass amidirta aromatische Sauren im schrnelzenden Kali den Animonrest nicht durch Wasserstoff ersetzen.

Wahrend der Osterferien des Jahres 1869 trat B a r t h mit Fraulein M a r i a K a m m e r l a n d e r a n den Traualtar. Gegenseitiges Verstand- niss, gleiche Gerniithsstimmung und die namliche Begeisterung fiir die Schonheit der Natur hatten die Gatten zusarnmengefiihrt und war die Ehe auch kinderlos geblieben, so waren doch die wenigen Jahre, welche ihnen gerneinssm zu leben vergonnt waren, fur beide gliickliche.

Bei der Naturforscherversammlung konnte B a r t h schon niittheilen, davs e r gleichzeitig rnit E n g e l h a r t und L a t s c h i n o f f das rohe toluolsulfosaure Kali in ein Para- und Meta-Salz getrennt und diese einzeln in die entsprechenden Kresole und Oxysauren iibergefiihrt hate.

Der Verlauf der Versammlung war , dank der umsichtigeii Vor- Lereitung und der glucklichen Wahl des Ortes ein glanzender, die Zahl der Theilnehmer eine ausserordentlich grouse. Neben ernstem Streben forderte die friihlichste Gerniitblichkeit den Hauptzweck der Versammlung die personlichc Annaherung und wohl nur wenigen Festtheilnehrnern diirfte die angenehme Erinnerung an die heiteren Tage in Innsbruck, die Einfahrt im Salzbergwerke zu Hall, die Aussicht von den Lanser - Kopfen und Tor allern die Fahrt uber den Brenner und der Aufenthalt im gastlichen Bozen entschwunden sein. Mit einern dreimafigen Hoch auf die Geschaftsfiihrer schloss die Ver- sammlung.

Bei Wiederaufnahrne seiner Arbeiten im Laboratoriom , wies er in Fortsetzung seiner Studien iiber Toluolsulfosaure nach, dass das Rresol aus Thymol der Orthostellung entspricht, indem es rnit Aetz- kali Oxybenzogsaure liefert. Aus dem Parakresol gewann er eine Parakresolsulfosaure, welche im schrnelzenden Kali in Protocatechu- saure iiberging und daneben geringe Mengen von ParaoxybenzoGsaure, nebst einer nicht geniigend rein zu erhaltenden Substanz giebt, welche moglicherweise Orcin ist. Vorn Orcin zeigt er, dass es sich rnit Aetz- kali nicht in pine Dioxybenzo&saure iiberfiihren lasst. Metakresol-

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sulfosaure, welche er darstellt, giebt ihm mit Aetzkali verschmolzeo eine so geringe Ausbeute an in Aetber lijslicben Verbindungen, dass die Producte nicht geniigend charakterisirt werden kBnnen, Ortbo- kresol liefert ihm wieder Protocatechusaure. - Bei den Versuchen iiber die Bestandigkeit des Phenols im schmelzenden Kali findet er, dass dasselbe dabei in Salicylsaure und ParaoxybenzoEsaure iiber- gefiihrt wird, als Hauptproduct jedoch ein Diphenol liefert, das sich als Kaliverbindung durch Jodmethyl in ein zum Theil krystallisirendes Dianisol iiberfiihren lasst.

Nachdem er noch den Nachweis geliefert, dass die genannten Producte nicht einer Verunreiniguug des Phenols entstammt sein konnten, gab e r eine Erklarung fiber die Entstehung der gebildeten Substanzen.

Die Herbstferien verbringt e r seit seiner Verehelichung auf dem herrlichen Mittelgebirge siidlich von Innsbruck bei dem Dorfchen Lans; in einem unansehnlichen einfachen Bauernhause BKratzbergc ist seine Wohnung. Von den ihm so bekannten Stubaier Gletschern bis zum Kaisergebirge reicht hier der Blick, und der nahe See ladet zum Bade. FrBhliche Geselligkeit und herzliche Gastfreundschaft rufen Freunde und Bekannte aus Nah unci Fern, und unterbrochen wird der beitere Aufenthalt nur durch Ausfluge und Jagden. An erstern nimrut stets aueh seine Gattin theil, und nicht selten traf man die kleine lustige Frail: wetterhart und unerscbrocken an der Seite ihres Gatten, im schroffsten Hocbgebirge. Fur seine Jagden liebte B a r t h , trotz der urwiichsigen Unterkunft, besonders die Alpe Er l und den Martinsberg mit ihrer wechsel- und sagenreichen Umgebung. Auch seine liebe Frau konnte es sich nicht versagen, hier Reh und Gemsen irn Freien zu belauschen und dem Adler ins Nest zu gucken.

Zuriickgekehrt in sein Heini ist B a r t h wieder der unermiidliche Fachmann. Wahrend er den grijssten Theil des Tages im Institute rerbringt, ist er oft bis Mitternacht mit der Abfertigung seiner urn- fangreichen Correspondenz bwchaftigt. Bei den a eiteren Studien iiber die Ersetzbarkeit der Sulfogruppen durch Hydroxyle stellt e r in Genieinschaft mit S e n h o f e r durch gleicbzeitige Einwirkung \-on wasserfreier Phosphorsaure und Vitriol01 auf RenzoEsaure eine neue Verbindung dar , welche e r durch zahlreiche Analgsen, sowohl der freieo Saure als auch mehrerer Salze, als DisulfobenzoBsiiure cbarakterisirt. Das Kalisalz dieser Saure gab beim Verschmelzen mit Kali eine neue Isomere der Protocatechusaure, die spater a-Resorcylsaure genannte Verbindung. Er stellte ihre Formel und die Zusammensetzung mehrerer Salze derselben fest, wies nach, dass sie mit Brom in ein gut krystallisirendes, dreifach gebromtes Product iibergeht, dass sie eine Abspaltung von Kohlensawe unter Bildung eines Bihydroxylbenzoles in gewobnlicher Weise nicht gestattet und

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fiihrt sie endlich durch Destillation und ebenso durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsaure in ein Condensationsproduct uber.

Von der Disulfobenzogsaure zeigt er weiter, dass sie mit slmeisensaurem Natron verschmolzen Isophtalsaure liefert.

In einer Publication iiber die Umwandlung der OxybenzoGsaure in Protocatechusaure und die Constitution der letzteren zeigt er noch- mals i n exaktester Weise gegeniiber gegentheiligen Aeusserungen, dass sowohl OxybenzoEsaure wie ParaoxybenzoEsaure sich in Protocatechu- saure uberfuhren lassen, zieht daraus Schlussfolgerungen iiber die Constitution der Protocatechusaure und der Bihydroxylbenzole und spricht sich rnit einer Warme fiir die Brauchbarkeit der Kali- achmelze fur Ortsbestimmungen aus, welche dem Scharfblick und der Uebung, die er sich in dieser Reaction eigen gemacht, ebenbiirtig an der Seite steht.

Im folgenden Jahr bringt er eine Notiz iiber seine Versuche zur Synthese des Tyrosins und constatirt weiter , dass schmelzendes Kali anf BenzoGsaure gleichzeitig oxydirend und reducirend wirke. Die Producte der Oxydation sind vorherrschend krystallisirt und darunter lasst sich ParaoxybenzoEsaure nachweisen, jene der Reduction amorph und daher nicbt geniigend charakterisirbar.

I n Fortsetzung der Untersuchung der DioxybenzoGsaure weist er (mit Sen ho fe r ) nach, dass diese Saure sowohl bei der Destillation, wie bei Behandlung mit Schwefelsaure, Wasser abspaltet und dabei in ein Tetraoxyanthrachinon ubergeht, das bei der Destillation rnit Zinkstaub Anthracen liefert. Er stellt mehrere salzartige Verbin- dungen des Kiirpers dar und nennt ihn Anthrachryson. Die Dioxy- bcnzo5saure fiihrt er weiter in eine einfach gebromte Saure iiber, giebt neben ihrer Analyse die Eigenschaften und Zusammensetzung verschiedener Salze derselben, weist nach, dass sie durch schmelzen- des Kali in Gallussaure ubergefiihrt werden kann nnd zieht daraus Schlussfolgerungen iiber die Constitution der DioxybenzoEsaure. Zur Ermittlung der gegenseitigen Stellung der Hydroxyle in derselben, stellt er sich eine DiathyldioxybenzoEsaure dar , um vielleicht von dieser durch Destillation mit Kalk zu einem Diathyldioxybenzol und im weiteren zu einem Dioxybenzol zu gelangen. E r erhielt dabei ein Oel, das weder durch schmelzendes Kali noch durch Jodwasserstoff i n ein Bihydroxylderivat iibergefiihrt werden konnte , durch letzteres Reagens aber i n ein Harz iiberging, das in alkalischer Liisung hiichst auffallende dichroistische Erscheinungen zeigte. Durch den Nachweis, dass auch Diathylresorcin ein gleiches Verhalten gegen Jodwasserstoff zeigte, liefert er den Beweis, dass auch diese Reaction bis zu einem bestimmten Grade zur Ermittlung der gegenseitigen Stellung der Hydroxyle zu verwerthen sei. Desgleichen zeigte er von der Oxy- benzo&aure, dass sie durch wasserentziehende Mittel, wie bohe

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Temperatur und Einwirkung von Schwefelsaure oder Chlorzink ein Condensationsproduct, Anthraflavon liefert, das rnit dem Anthrachryson und der Rufigallussaure vie1 Aehnlichkeit hat , vor allem rnit Zink- staub destillirt Antbracen liefert und bei der Analyse sich als isomeres Alizarin erweist. Nach Feststellung der Zusammensetzung und Eigen- scbaften dieses Condensationsproductes und Darstellung mehrerer Salze und eines Biacetylderivates desselben weist e r nnch, dass es in schmelzendem Kali geringe Mengen OxybenzoBsaure, Paraoxybenzoc- saure und eine krystallinische Verbindung rnit rother Eisenreaction liefert und giebt die unterscheidenden Merkmale des Anthraflavons gegeniiber Chrysaminsaure , Alizarin und Isoalizarin. Zur weiteren A ufklarung der Constitution der DioxybenzoBsaure unterwirft er (mit S e n h o f e r ) die Disulfobenzo2saure der Destillation rnit Cyankalium und erhalt dabei unter Eliminirung der Carboxylgruppe ein Dicyan- benzol, das beim Kochen mit Kalilauge Isophtalsaure lieferte. Da das gleiche Dicyanbenzol auch aus Benzoldisulfosaure erhalten wurde, welche rnit Aetzkali Resorcin lieferte, war ein weiterer Anhaltspunkt zur Pracisirung der Stellung der Hydroxyle gegeben. An diese Publication kniipfte sich eine Controverse iiber die Identitat der erwahnten Dicyanbenzole und der aus denselben sich bildenden Dicarbonsauren , welche eine neuerliche Untersuchung der Benzol- disulfosaure nothwendig machte, die ergab, dass je nach Temperatur und Lange der Einwirkung des VitriolBls auf Benzolsulfosaure wechselnde MeDgen von Benzolmeta- und Benzolparadisulfosauren sich bilden, von denen erstere sich in Metadicyanbenzol und im weiteren Verlaufe in Isophtalsaure, letztere in Paradicyanbenzol und Terephtalsaure iiberfiihren lasst.

Da beide Disulfosauren in der Kalischmelze Resorcin lieferten, fuhrte das Studium dieser mit guter Ausbeute verlaufenden Um- lagerung zur Darstellung einer neuen Phenolsulfosaure, welche wegen ihres Verhaltens zu Cyankalium als MetaverbinduDg sich erwies, wahrend der bisher als Phenolmetasulfosaure bezeichnete R6rper der Orthoreihe zugewiesen werden musste.

Von seinen Schulern M a l i n , K o e l l e , S c h a r d i n g e r , S e n - h o f e r waren gleichzeitig Arbeiten publicirt worden, welche meist auf demselbee Arbeitsgebiete sich bewegend, bis zu einem gewissen Sinne Erganzungen der friiher besprochenen darstellten.

Das Studienjahr 1875-76 batte fiir B a r t h gewaltigeveranderungen vorbereitet. Durch pl6tzlichen Tod war H las i w e t z der technischen Hochschule entrissen worden und Professor v o n S c h n e i d e r zog sich von seiner Lehrthatigkeit an der Universitat zuriick, um beim Ministerium des Innern eine wichtige Stelle zu iibernehmen. Dadurch waren in Wien zwei Lehrkanzeln der Chemie frei geworden. D a die Frage an B a r t h herantrat, welche derselben zu iibernehmen er

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bereit ware, fuhr e r wahrend der Pfingstferien Institute niiher kennen zu lernen. Seit Monaten Frau zeitweises Unwohlsein eingetreten , ohne zu ernsten Bedenken Veranlassung gab oder

nach Wien, um die .?chon war bei seiner dass dieser Zustand gar eine plijtzliche

Katastrophe befurchten liess. I n Wien sollte R,arth nun die Nach- richt ereilen, dass fast momentan die Gefahr fur das Leben seiner Frau auf das HGchste gestiegen sei, und bei seiner raschen Zuruck- Punft konnte ihm sein greiser Vater nur mehr von dem Tode der theuern Gattin die traurige Mittheilung machen. In stummer Trauer kampfte e r den Schmerz durch unermudliche fieberhafte Thatigkeit nieder, und so traf ihn noch die Ernennung zum Professor an der Universitat in Wien vom 9. August 1876. Mit hijchst getheilten Empfindungen nahm er sie auf. s o sehr e r den grossen Wirkungs- kreis sich ersehnt hatte, so fie1 es ihm jetzt doch schwer, sich von den greisen Eltern und den vielen Freunden und Kollegen zu trennen und die geliebte Heimath zu verlassen, um allein als Witwer in die Grossstadt zu ziehen. Diese Gemuthsstimmung pragte auch dem Valet, welches ihm am Tage vor seiner Abreise gegeben wurde, den charakteristischen Stempel auf.

Mit Reginn des Wintersemesters 1876- 1877 trat B a r t h die neue Stellung an der Wiener Universitat an. Mit der ihm eipenen Energie nimmt er eine durchgreifende Aenderung in der Eintheilung und Einrichtung des Laboratoriums vor und fuhrt sie in kurzer Zeit zu Ende.

Ein reges wissenschaftliches Leben entfaltete sich nun unter dem anregenden Einflusse des neuen Vorstandes an den1 Institute. Nicht nur die Angestellten der Anstalt ( W e i d e l , G r u b e r , R r e t s c h y , G o l d s c h n i i e d t ) , auch mehrere altere Chemiker, die sich bereits einen Namen in der Wissenschaft erworben hatten, wie S c h r e d e r , Et t i und der B a r t h eng befreundete Graf G r a b o w s k i batten sich um ibn geschaart , um an den geplanten Untersuchungen theilzunehmen; eine grosse Anzahl Studirender wurde nach und nach zur wissen- schaftlichen Arbeit herangezogen, und eine eifrige, fieberhafte Thatig- keit bemachtigte sich Aller. Bis tief in die Nacht wurde im Labora- torium gearbeitet, und die wissenschaftliche Production jener Zeit kann geradezu eine imposante genannt werden. Nicht weniger als 170 Abbandlungen, theilweise hijchst bedeutungsvollen Inhaltes , sind seit B a r t h ' s Amtsantritt im J a h r e 1876 bis zu dessen Tode aus dem seiner Leitung anvertrauten Institute herrorgegangen; manche von den jiingeren Mitarbeitern nehmen heute hervorragende Stellungen an Hochschulen des In- und Auslandes ein, nicht wenige aber sind ihrem Lehrer in das Reich der Schatten vorausgegangen.

In Gemeinschaft mit W e i d e l wendet sich B a r t h zunachst der Untersuchung jeiies dichroi'stischen Harzes zu, dessen Entstehen er

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zuerst bei Einwirkung von Wasserstoffsauren auf Resorcin unter er- hohtem Drucke beobachtet hatte. Es stellt sich heraus, dass es identisch ist mit jenen Substanzen, welche spater von Anderen bei Einwirkung von Natrium, Schwefelsaure etc., auf Resorcin erhalten worden sind. Das Harz besteht im Wesentlichen aus zwei Verhin- dungen, welche nach ihrem Verhalten gegen Acetylchlorid, Kalihydrat und Zinkstaub als Aether des Resorcins aufgefasst werden mussten und zwar der Eine gebildet aus zwei Molekiilen dieses Korpers durch Abspaltung von Einem, der Andere aus vier Molekiilen durch Aus- tritt von drei Molekulen Wasser. Die Bildung des ersten Aethers wird als Reaction zum Nachweise des Resorcins empfohlen', die sich, was ihre Empfindlichkeit betrifft, der B ayer'schen Fluorescei'nreaction an die Seite stellen kann.

In einer bald darauf veroffentlichten Arbeit m u r Geschichte der DioxybenzoEsaure verwerthet B a r t h die Thatsache, dass man aus den Producten der Destillation von DiathyloxybenzoEsaure mit Ralk unter dem Einflusse von Salzsaure dieselben Substanzen erhiilt, wie aus Resorcin und Diathylresorcin zur Bestimmung der Constitution der DioxybenzoEsaure.

Gleichzeitig unternimmt er grosstentheils mit dem auch bereits verschiedenen J o s e f S c h r e d e r im Anschlusse a n schon in Innsbruck ausgefiihrte Arbeiten eine durch viele Jahre hindurch fortgesetzte Untersuchungsreihe iiber die Einwirkung schmelzender Alkalien auf eine grosse Anzahl aromatischer Substanzen, welche viele und be- merkenswerthe Resultate zu Tage forderte.

Vor Jahren schon hatte B a r t h als Nebenproduct bei der Phenol- Kalischmelze einen Kijrper C12 Hi0 0 2 , der Diphenol genannt worden war, erhalten. Er wird nun in grosserem Maassstabe bereitet und daran gezeigt, dass er aus zwei Isomeren besteht von denen eines, a-Diphenol vorwiegend , das Andere, p-Diphenol in untergeordneter Menge vorhanden ist. Die Formel wird durch Analyse, Dampfdichte und Reduction der beiden Substanzen zu Diphenyl sichergestellt. Es werden die beiden Dimethylather, vom a-Diphenol, uberdies eine Disulfosaure dargestellt , deren Sulfogruppen unter dem Einflusse schmelzenden Kalis durch Hydroxyle ersetzt werden. Die Eisen- reaction dieses Tetraoxydiphenyls deutet an, dass ein Dibrenzcatechin vorliegt.

Auch das Thymol hat B a r t h eingehend in seinem Verhalten gegen schmelzendes Kalihydrat untersucht. Bei der Reaction ent- wickelt sich ein penetranter, die Augen stark reizender Dampf, was, da die Wirksamkeit der Abzugsvorrichtungen in seinem Laboratorium Alles zu wiinschen iibrig liess, ihn veranlasste, die Schmelzoperationen im Hofe des Institutes auszufiihren. Es war zur Weihnachtszeit des Jahres 1877, der Schnee lag meterhoch und das Thermometer stand

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tief unter dem Nullpunkte. Dies hatte fiir den auf den Gletschern seiner heimathlichen Alpen abgeharteten Forscher nichts Abschreckendes, es hatte den Anschein, als ob es vielmehr seiner Arbeit einen beson- deren Reiz verleihen wiirde. Mit der Schaufel befreite e r selbst eine Ecke des Hofes von dem Schnee und verarbeitete in wenigen Tagen im einfachen Lodenrocke mehrere Eilogramm Tbymol im Freien.

Neben mehreren nicht naher untersuchten Zersetzungsproducten findet er OxybenzoEsaure, Terephtalsaure und eine bis dahin unbe- kaiinte Saure CloHlo 03, die den Namen Thymooxycuminsaure erhalt; eine Reihe von SaIzen, der Aethylester, ein Dibromproduct und das Anhydrid werden zur naheren Charakterisirung der Substanz kennen gelehrt.

Vor langerer Zeit schon hatte B a r t h die Beobachtung gemacht, dass, wenn man Benzogsaure mit schmelzendem Aetznatron behandelt, der Verlauf des Processes ein anderer sei, als bei Anwendung von Kalihydrat; er ging nun mit S c h r e d e r daran, zu untersuchen, welchen Einfluss die Substitution von Natron fur Kali auf den Gang der Reaction beim Phenol haben werde. E a wurde das interessante Re- sultat gefunden, dass sich unter den erwahnten Bedingungen nur sehr geringe Mengen von Diphenolen bilden, dass hingegen das Phenol in betrachtlichen Quantitaten zu Resorcin, Rrenzcatechin und Phloroglucin oxydirt werde. Hiermit war die erste synthetische Darstellung des Phloroglucins gelungen, gleichzeitig lehren uns aber B a r t h und S c h r e d e r auch eine zweite.

Es ist nach Versuchen S e n h o f e r ’ s nicht mijglich, in der von diesem Forscher entdeckten Benzoltrisulfosaure alle drei Sulfogruppen in der Kalischmelze durch Hydroxyle zu ersetzen; bei Anwendung van Aetznatron gewinnen B a r t h und S c h r e d e r aus derselben Phlo- roglucin, in einer Ausbeute von 25-30 pCt. der theoretischen. I n weiterer Verfolgung des Gegenstandes finden sie ferner, dass Resorcin in der Natronschmelze 60-70 pCt. Phloroglucin liefere, so dass diese Reaction unbedingt als bequemste und billigste Methode der Dar- stellung dieses Korpers bezeichnet werden kann. Nebenbei entsteht auch Brenzcatechin und ein Iyomeres des vor Jahren durch S c h r e d e r entdeckten Sappanins, das als Diresorcin erkannt wurde.

Inzwischen waren mit G o l d s c h m i e d t die Studien iiber die Ellag- saure begonnen worden. R e m b o l d hatte im Innsbrucker Laboratorium aus dieser Saure durch Destillation uber erhitzten Zinkstaub einen Kohlenwasserstoff erhalten , den er fiir ein Isomeres des Anthracens und Phenanthrens bielt und Ellagen nannte. Bei genauer Untersuchung wird jetzt gefunden, dass dieser Kohlenwasserstoff eine andere Zu- sammensetzung hat und identisch ist mit B e r t h e l o t ’ s Fluoren. Die bei Einwirkung schmelzender Alkalien beobachteten und isolirten

Eerichte d. D. chem. Gesellschaft. Jahrg. XXIV. l761

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Spaltungsproducte, Hexaoxydiphenylenketon, a- und p - Hexaoxydi- phenyl bieten im Vereine mit der Untersuchung der Salze und eines Acetylproductes der Ellagsaure geniigende Anhaltspunkte, uni eiuen Schluss auf die Constitution dieser complicirten Substanz zu er- miiglichen und ihre Beziehungen zur Gallussaure, Gerbsaure und Rnfi- gallussaure klar zu machen.

So suchte und fand B a r t h in eifrigster rastloser Thiitigkeit, in seinen wissenschaftlichen Erfolgen Trost und Entschadigung fiir Alles was ihm versagt war; war er doch aus einem in grausamer Weise vom Schicksale zerstiirten gliicklichen Eheleben als einsamer Wittwer nach Wien gekommen, in seiner Heimath die greisen Eltern und zahl- reiche Freunde der Jugend verlasseud. Hier stand er in der ersten Zeit nur Fremden gegeniiber. Gewiihnt, in seiner Heimath die Schiin- heiten der Natur, die er mit gliihender Begeisterang liebte, tiiglich zu geniessen, fiihlte e r sich im Hausermeere der Grossstadt eingeschlossen, beengt. Auf jede erreichbare Weise suchte er sein Bediirdniss nach freier Luft und ausgiebiger Bewegung zu befriedigen. Taglich konnte man ihn im Winter zur bestimmten Stnnde auf der herrlichen Ring- strasse wandelnd sehen - im Sommer war e r ein regelmiissiger Be- sucher des Praters. Wahrend der Jagdzeit brachte er die Sonntage zumeist in den am Bisamberge nachst Wien gelegenen Jagdrevieren zu; sonst war er wohl der hlufigste Gast auf dem Kahlen- und Leo- poldsberg. Oft auch kehrte e r a m Samstag Mittag der Hauptstadt den Riicken, um im Winter Sonntags auf der glatten Eisflache des Neusiedlersees, zuweilen auf dem noch vie1 entfernteren Gmundnersee, seine Kunst a19 Schlittschuhlaufer zu iiben oder um im Friihjahre des Nachts in den steirischen Alpen den balzenden Auerhahn anzuspringen. Stets ist e r aber Montag zur gewohnten Stunde wieder bei der Arbeit zu finden. Doch all dies geniigt seinem kraftstrotzenden Organismus nicht, seine Muskeln sind zu regelmassiger anstrengender Uebung er- zogen und er weiss ihnen auch diese zu verschaffen, indem er durch viele Jahre hjndurch tiiglich beim ersten Morgengrauen sich in den Laboratoriumskeller begiebt, um dort mit Sage und Beil das Brenn- holz fur den Bedarf seines Laboratoriums klein zu machen.

Bald hatte e r sich einen Rreis guter Freunde erworben; der Physiker L o s c h m i d t , der Pllanzenphysiologe W i e s n e r batten sich ihm zunachst enger angeschlossen, sein nachster Fachcollege L i e b e n war ihm stets im schiinsten Verhsltnisse ringetriibter Freundschaft verbunden und auch die jiingeren Fachgenossen, die in dienstlichcr Beziehung zu ihm standen und mit denen er stets in wohlwollend- ster collegialer Weise verkehrte, waren ihm in aufrichtiger, dank- barer Verehrung zugethan. Auf B a r t h's Anregung wurden aoch regelmassige gesellige Zusammenkiinfte der Professoren der philoso- phischen Facultat versnstaltet, bei welchen der liebenswiirdige, leb-

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hafte und in der Unterhaltung anregende Mann bald sich die Herzen auch jener Collegen gewann, die ihm bis dahin ferner gestanden waren. Ohne es anzustreben war e r schnell zu hervorragender Stel- lung und maassgebendem Einfluss in der Facultat gelangt. Mit Recht brachte Alles diesem biederen Manne von auserlesener Bildung und vornehmster Denkungsart Zuneigung und Vertrauen entgegen. Seine wohlwollende Gesinnung, sein conciliantes, zur Versohnung neigendes Wesen machte ihn besonders geeignet, dort zu vermitteln, wo der Gegensatz der Meinungen es erforderte; er ging hierbei immer ob- jectiv und nach ehrlicher Ueberzeugung vor, und sein klarer Ver- stand, liess ihn dabei zumeist Wege finden, die alle Betheiligten be- friedigen konnten.

Die Oster- und Sommerferien verlebte B a r t h stets in Tirol. Mit grasster Unruhe sah e r immer dem fur die Abreise in Aussicht genommenen Tage entgegen. Nach kurzem Besuche der Mutter, be- gab er sich in das mit einigen Freundeu gepachtete Jagdrevier in den Enneberger Dolomiten. Jeder Tag war jhni hier im schonen Rauh- thal zu kurz, obwohb er immer als der Erste vom Lager sich erhob und als der Letzte wieder hinstreckte. Gleich emsig und bewahrt wie als Wildmeister und als Schiitze war er als Koch der Gesell- schaft. Ers t in den spiiteren Jahren, a1s ein Jagdhauschen entstanden war, uberliess e r die wirthschaftliche Thatigkeit andern Handen. Am friihlichsten war er stets abends, nachdem er fur die Jagd des nachsten Tages alle Anordnungen getroffen hatte, wenn im engsten Freundes- kreise die Glaser klangen; frischen Muthes kehrte e r dann im Herbste zu seiner Berufsthatigkeit zuriick.

Die Studien iiber die Versehiedenheit der Wirkung von Kali und Natron in hiiherer Temperatur auf aromatische Verbindungen, werden im Herbste 1875 mit S c h r e d e r wieder aufgenommeu und zunachst eine griissere Zahl von Sauren der Reaction unterworfen. Es ergiebt sich, dass bei Einwirkung schmelzenden N a t r o n h y d r a t e s in allen Fallen zunachst dieselbe Zersetzung eintritt, die in der Abspaltung von Kohlensaure besteht, worauf dann je nach der Natur des blei- benden Kiirpers, weitere Reactionen erfolgen kiinnen. Nur bei aro- matischen Sauren mit langerer carboxylirter Seitenkette scheint dirse fast vollstandig eliniinirt zu werden, wiihrend bekanntlich die meisten aromatischen Siiuren sich gegen schmelzendes K a l i h y d r a t bestandig verhalten und besonders Abspaltung von Kohlensiiure nur sehr selten beobachtet worden ist. In den Bereich der Untersuchung wurden bezogen : BenzoBsiiure, Trimellithsaure, Zimmtsaure und Hydrozirnmt- same, die alle hauptsachlich Benzol, neben etwas Diphenyl lieferten, die dlei isomeren Oxybenzo&~auren ails denen Phenol, Protocatechu- saure aus der Brenzcatechin, die Dioxybenzoesaure und die a-Dioxy- benzozsaure aus denen Resorcin entsteht. Gallussaure giebt neben

C76*1

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Pyrogallol eine zweite Verbindung, hiichst wahrscheinlich ein Hexa- oxydiphenyl; Phloretinsaure Iasst Paraoxybenzo5saure und Phenol entstehen, aus Hydroparacumarsaure und Paracumarsaure wird Para- oxybenzo6saure gebildet, wahrend Oxyterephtalsaure, als Zwischen- product der Reaction, Salicyls5ure und Oxybenzo%saure, ale Endproduct Phenol liefert.

Mit von S c h m i d t wird gleichzeitig nachgewiesen, dass die langst- bekannte a-Phenoldisulfosaure in der Kalischmelze Ieicht eine SuIfo- gruppe gegen Hydroxyl vertauscht und dass hierbei auch Brenzca- techin entstehe, dass es hingegen nicht gelingt, daraus eine Trihydro- xylbenzo6saure zu erhalten. Bei Anwendung von Aetznatron verlauft der Prozess etwas anders; es entsteht neben der auch in der Kalischmelze gebildeten DihydroxylbenzoSmonosulfosaure und, wie durch besondere Versuche festgestellt wird, aus dieser - etwas Protocatechusaure. Es ist hierdurch wobl zum ersten Ma1 der eigenthumliche Fal l beob- achtet worden, dass eine Sulfogruppe direct durch Carboxyl ersetzt wird. Durch dieses Resultat wurde die untersuchte Dihydroxylbenzo- sulfosaure als Brenzcatechinmonosulfosaure gekennzeichnet, in welcher die Sulfogruppe den Hydroxylen gegeniiber dieselbe Stellung ein- nimmt, wie in der Protocatechusaare.

Auch zu einer anderen interessanten Beobachtung bot diese Ar- beit die Gelegenheit, dass namlich wasserigen Liisungen von neutralem protocatechusaurem Barium ein grosser Theil der Protocatechu- saure, offenbar unter gleichzeitiger Bildung eines basischen Salzes, durch Ausschiitteln mit Aether entzogen werden kiinnen.

Im Jahre 1879 zum wirklichen Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften gewahlt, der er seit 1876 als correspondirendes angehiirt hatte, gab B a r t h bald die Anregung zur Herausgabe der BMonatshefte fiir Chemiea , einer Snmmlung sammtlicher, chemische Probleme oder damit verwandte Gegenstande behandelnden Arbeiten, die in den Sitzungsberichten der Akademie Aufnahme finden. Diesem seinem Schoosskinde widmete er vie1 Zeit und arbeitete selbst all- jahrlich mit erstaunlichem Eifer das Sach- und Autorenregister dieser nun im 12. Jahrgange stehanden Zeitschrift aus, das geradezu als Muster a n Ausfuhrlichkeit, Correctheit und Vollstandigkeit gelten kann.

Im Vereine mit M i c h a e l K r e t s c h y , der auch bereits seit mebreren Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilt, wurde das Studium des in den Kokkelskiirnern vorkommenden Bitterstoffes, des Pikrotoxins, welches nahezu zwei Decennien friiher durch B a r t h bereits unter- sucht worden war, wieder aufgenommen. Mit seltenem Fleisse und grosser Ausdauer gelingt es, nach vielen Hunderten von Krystallisa- tionen, das ursprunglich als einheitliche Verbindung, als chemisches Individuuni angesehene Pikrotoxin, in drei verschiedene Substanzen

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Pikrotoxin, Pikrotin und Anamirtin zu zerlegen, von welchem uur Eine, fur welche der alte Name beibehalten wird, toxische Wirkungen besitzt und die in dem untersuchten Gemenge ungefahr in dem pro- centischen Verhaltnisse 32 : 66 : 2 enthalten sind. Ueber hundert Ele- mentaranalysen mussten zur Orientirung fiber die Zusammensetzung der einzelnen Fractionen und zur Erkennung der fortschreitenden Trennung gemacht werden, da der Schmelzpunkt hierfur kein Kri- terium bot.

Diese Arbeit war der Anlass zu einer heftigen Controverse, namentlich mit italienischen Fachgenossen. Die Meinungsverschieden- heit bezog sich nicht nur auf die den in Rede stehenden Substanzen beizulegenden Formeln. Wahrend B a r t h und K r e t s c h y behaupteten durch ihre Behandluog des (alten) Pikrotoxins nur eine T r e n n u n g der iu den Kokkelsk6rnern vorkommenden Verbindungen erreicht zu haben, meinen die Gegner, es sei in diesen nur e i n e Verbindung pra- existirend (das alte Pikrotoxin), die durch die Einwirkung der ange- wandten LBsungsmittel bei der oftmaligen Krystallisation allmahlich in zwei verschiedene Spaltungs-Producte zerlegt worden sei. Die Argumente, die B a r t h und K r e t s c h y in zwei weiteren Abhandlungen fur ihre eigene Auffassung und gegen die ihrer Gegner vorbringen, sind uberzeugend, beziiglich der ersten der strittigen Fragen; sie ver- leihen auch der Ansicht, dass das alte Pikrotoxin ein Gemenge sei, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Als endgultig entschieden kann dies aber heute noch nicht gelten.

In der feierlichen Sitzung der kais. Akademie der Wissenschaften am 29. Mai 1880 halt B a r t h den dem jungsten wirklichen Mitgliede obliegenden Vortrag, der auch im Drucke erschienen ist. Als Vor- wurf fur denselben hatte er sich eine Besprechung der nachsten Auf- gaben der cbemischen Forschung gewahlt. Eine Fulle origineller Ideen zeichnet diese Rede aus, die auch durch die gewahlte formvoll- endete Sprache bemerkenswerth ist.

Noch in demselben Jahre wird eine Arbeit uber Mesitylendisulfo- saure mit H e r z i g zu Ende gefuhrt. Schmelzendes Kalihydrat lasst aus dieser Sbure unter allen Umstanden immer nur die bekannte F i t t i g’ sche Oxymesitylensaure entstehen. Bei der trockenen Destillation der Sulfosaure wird beinabe quantitativ Mesityleu ge- bildet ; mit Brom liefert sie Dibrommesitylen.

Professor M a x G r u b e r , damals B a r t h ’ s Assistent, hatte in einer , auf dessen Veranlassung durchgefiihrten Untersuchung ge- funden, dass bei der Einwirkung von salpetriger Saiire auf Proto- catecbusaure, neben verschiedenen Nitroproducten, Kohlen- und Oxal- saure, eine Saure gebildet werde, der die Zusammensetzung: C4H404

zukommt; die Saure giebt leicht Kohlensaure ab, wobei Tartronsaure entsteht. Die, wie es schien, dreibasische neue Saure wurde Carboxy-

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tartronsaure genannt, denn es konnte ihr nur die Structurformel,

, zugeschrieben werden, in welcher e i n Kohlenstoff- &(C 0 OH13

‘“OH atom mit d r e i anderen direct verbunden erscheint.

B a r th hielt es fur unwahrscheinlich, dass die Carboxylgruppe der Protocatechusaure bei der energischen Reaction nicht abgespalten worden sei, und meinte daher , dass die vier Koblenstoffatome der Carboxytartronsaure slimmtlich aus dem Benzolkerne stammen. Diese Ansicht erwies sich als richtig, denn als er Brenecatechin in gleicher Weiw mit salpetriger Sailre behandeltc, wurde ebenfalls Carboxy- tarti onsaure gebildet. Diese interessante Beobachtung wurde von B a r t h in dem Sinne gedeutet, dass dasjenige Kohlenstoffatom, welches in der Carboxytartronsaure mit drr i anderen Kohlenstoffen verbunden sei, diese Bindungen bereits im Benzolkerne besitze; dann miisse aber dasselbe auch fir die anderen funf Kohlenstoffatome geltrn, das Benzol enthalte a150 nicht drei doppelte nnd drei einfache Bindungen, sondern neun einfache Bindungen, oder mit andern Worten, K e k u l 6 ’s Sechseckformel sei nicht der wahre Ausdruck fiir die Struetur des Benzols, sondern man niusse L a d e n burg’s Prismen- formel oder eine ihr gleichwerthige, als solchen acceptiren. Dieaer Schluss schien durch die bald durauf veriiffentlichten thermochemischen Untersuchungen Tho m s en’s eine Bestltignng mi erfahren. Mehrere J a b i e spater hat jedoch K e k u 16 gezeigt, dass die Carboxytartron- saure nicht d i e Structur habe, die durch ibren Narnen ausgedruckt wird, dass diese Saure sich aus Weinsliure bereiten und in Trauben- saure nmwandeln lasse, dass ihre KohlenstoRatome demnach eine normale Anordnnng haben mussen. I3 a r t h ’ s Beobachtnng hat d e w nach f i r die Theorie des Renzols Beine weitergehende Bedeutung, sie ist aber als einer der bemerkenswerthesten Uebergange aus der aroniatischen in die Fettreihe von ganz hervorragendem Interesse.

B a r t h stellt gleichzeitig fest, dass Phenol und Pyrogallol bei der Behandlung mit Stickstofftrioxyd keine Carboxytartronsaure liefern, welche aber bei derselben Reaction, wie H e r z i g spater fand, aus Guajacol reichlich entsteht.

In einer Notiz beschreibt er das aus Pyrogallol entstehende Mononitro- und das daraus durch Reduction mit Zion und Salzsaure bereitete Monoamidopyrogallol.

I n die Zeit von 1882-84 fallt wieder eine Reihe von Publica- tionen mit S c h r e d e r iiber die Einwirkung von schmelzendem Rali- und Natronhydrat auf arornatische Substanzen. Sie finden, dass Orcin mit Aetznatron neben geringen Mengen eines krystallisirten KBrpei s, C13 Hlz 0 4 (Methyltetraoxydiphenyl oder Tetraoxydiphenylenmethan), etwas Fhloroglncin Brenzcatechiu und Resorcin giebt. Die Unter-

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suchung der Gallussaure wird nochmals aufgenommen und festgestellt, dass ausser den bereits friiher ermittelten Reactionsproducten auch hier Phloroglucin entsteht.

Die BenzoEsaure wird nun auch zur Erganzung friiherer Beobachtungen eingehend in ihrem Verhalten gegen schmelzendes Kalihydrat untersucht. Als Producte dieser Einwirkung konnten die drei OxybenzoGsauren, Ortho-a-Oxyisophtalsaure sowie die Para- und Metadiphenylcarbonsaure isolirt werden , von denen eine Reihe von Salzen und neuen Derivaten dargestellt wurden. An dem Natronsalz dieeer beiden Sauren wird eine ahnliche Wahrnehmung gemacht , wie sie schon friiher B n r t h und S c h m i d t r o n dem protocatechusauren Barium mittheilen konnten. Der wassrigen L6sung dieses Salzes kann namlich durch hanfiges Ausschiitteln rnit Aether ein grosser Theil freier Saure entzogen werden. Neben den Fenannten Sauren, entstehen bei der Reaction noch verschiedene andere complicirt zu- sxmmengesetzte Snbstanzen , deren Natur nicht ergriindet werden konnte.

Zu den interessantesten Entdeckungen , die B a r t b und S c h r e d e r bei ihren eahlreichen gerneinsamen Arbeiten gemacht haben, ist unbedingt diejenige dss Oxyhydrochinons zu zahlen, das beim Schmelzen von Hydrochinon mit Aetznatron entsteht, ohne dass dabei die Bildung ron Pyrogallol und Phloroglucin nachweisbar ware. Diese Synthese machte es miiglich, bei gleichzeitiger Verwerthung friiher ermittelter Thatsachen einer ganzen Reihe von wichtigen aro- matischen Verbindungen, fiir welche die relative Stellung der Seiten- ketten noch nicht in unanfechtbarer Weise sichwgestellt war , ihren Platz im chemischen Systeme anzuweisen, so dem Pyrogallol und Phlorog!ucin, der Gallussaure, der S e n h o fer’schen Pyrogallocarbon- sltire und der von demselben Forscher entdeckten Gallocarbonsiiure. Ausser dem Oxyhydrochinon werden bei dieser Gelegenheit noch zwei neue Substanzen entdeckt, Dihydrochinon und ein viertes ( a - ) Hexaoxydiphenyl. Obwohl die Bereitung des neuen Trioxy- benzols . wegen seiner leichten Zersetzlichkeit, rnit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, gelang es doch eine geniigende Quantitat davon zu gewinnen, um es eingehend zu studiren: es wurde ein Triacetylderivat dargestellt, durch Einwirkung von Brom wurde es in Tribromoxychinon, durch Salpetersaure in Oxychinhydron iiber- gefiihrt. Auch das neue Hexaoxydiphenyl wurde genauer studirt.

Nebenbei hatte B a r t h im Vereine mit W e i d e l die Analyse der Mineralquellen von L e v i c o bei T r i e n t ausgefiihrt und Versuche iiber die Oxydation des Morphins gemacht, woriiber eine vorlaufige Mittheilung vorliegt.

Inzwischen hatten sich bei B a r t h die ersten Symptome eines beginnenden schweren Herzleidens eingestellt; rnit staunenswerther

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Energie und eiserner Consequenz kiimpfte e r gegen die Hrankheit an. Trotz der vielen schlaflosen Nachte, trotz der asthmatischen Anfalle, die ihn immer hiiufiger beliistigen, versucht e r es immer noch, die ihm zum Bediirfnisse gewordene experimentelle Arbeit wieder aufzu- nehmen, doch leider vergeblich. Stets zwang ihn physisches Leiden, dieselbe wieder zu sistiren. Auch dem Jagdvergniigen rnusste e r jetzt entsagen. Das hohe Kiirpergewicht, das e r trotz griisster Massigung in seiner Lebensweise erreicht hatte, die immer atiirker auftretenden Athembescbwerden und Herzheklemmungen machten es ihm unmiiglich, i n seinem Enneberger Reviere die nur rnit grossen Beschwerden erreichbaren Stande zu erklirnmen. Ein oder ias andre Ma1 noch erreicht der 140 Kilogramm schwere Mann, von seinen Frennden, die ihm gerne das Vergniigen verschaffen wollten noch einmal einen fliichtigen Gemsbock za erlegen, geschoben und ge- zogen, einen der leichter zuganglichen Stande, dann scbliesst e r ffir immer a b rnit dern, was ihm niichst der Wissenschaft stets das Liebste gewesen.

Einigen Ersatz fur diese Entbehrung verschaffte ihm die Freude an einem kleinen Grundbesitz, den e r im Etschthale erworben hatte. I n Mazzon unfern von Neumarkt in herrlicher Gegend war sein Hof gelegen; dort richtete e r sich mit griisster Liebe und rnit feinem Geschmack ein bescheidenes Heim ein, in welchem er rnit seiner greisen Mutter die Ferien verlebte und das er dereinst, vom Berufe zuriickgezogen, bewohnen wollte. Ein talentvoller junger Maler, A n r a t h e r, einem benachbarten Dorfe en tstarnmend, den er stets durch sein Wohlwollen ausgezeichnet und an dessen kiinstlerischen Erfolgen er sich erfreute, schmuckte sein Haus rnit allegorischen Figuren.

Viele Freunde und Fachgenossen haben dies gastliche Haus auf ihren Reisen durch Siidtirol fliichtig aufgesucht; manche haben Ianger dort geweilt, allen aber wird die dort verlebte Zeit eine angenehme Erinnerung bleiben , und rnit Wehmuth werden sie des freundlichen Wirthes gedenken.

Als im Jahre 1885 der Reichsrath neu gewablt wurde, machte die deutsch-liberale Partei des Tiroler Grossgrundbesitzes Bar t h zu ihrem Candidaten. Obwohl widerstrebend, folgte e r , als stranimer Parteimann dem Rufe seiner politischen Freunde , unterlag aber bei der Wahl, wie alle seine Genossen, dem clericalen Gegner.

Wenn wir von nun ab B a r t h ’ s Narnen in der chernischen Literatur nur mehr selten begegnen, so war e r doch auf anderem Gebiete, a ls dem der rein wissenschaftlichen Forschung noch eifrig thatig. Seit 1885 Mitglied des obersten Sanitatsrathes des Reiches, musste er sich vielfach und eingehend rnit Fragen der offentlichen Gesundheitspflege beschiiftigen. In einer grossen Anzahl einschlagiger

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Referate behandelt e r solche Fragen mit grosser Sachkenntniss und erschijpfender Griindlichkeit. Viele dieser Berichte erforderten miihe- volle Versuche, die von ihm selbst oder den ihrn zur Seite stehenden Hiilfskraften ausgefiihrt wurden.

Hervorragenden Antheil hatte Bar t h ferner an der Verfassung der neuen Auflage der ijsterreichischen Pharmokopoe, die seit Kurzem in Wirksamkeit getreten ist. Die Halfte sammtlicher in dieselbe atif-

genomrnenen chemischen Praparate ist von seiner Hand bearbeitet. Von der Muhe, die mit einer solchen Leistung verbueden ist, kann man sich nicht leicht eine richtige Vorstellung machen. F u r jedes einzelne Praparat wurden mit grosster Gewissenhaftigkeit im Labora- torium Versuche gemacht, um verlassliche, leicht ausfuhrbare Iden- titatsproben, wie es die Praxis erfordert, festzustellen; dann wurde die Grenze der Reinheit ermittelt, die man billiger Weise ZU fordern berechtigt ist, und hierfur mussten entsprechende Reinheitsproben vor- geschrieben werden. Auch zu dieser Arbeit stand B a r t h eine reiche Erfahrung zu Diensten, da e r durch dreizehn Jabre als Revisor sammtlicher Wiener Apotheken fungirt hatte.

Die Thatigkeit als Mitglied der Pharmakopoecommission war auch der Anlass zu einer wissenschaftlichen Arbeit, der letzten, an der B a r t h betheiligt war. Einem von arztlicher Seite geaosserten Wunsche entsprechend, wurde auch das sogenannte Bruchkraut (Herniaria glabra und Herniaria hirsuta), eine krautartige Pflanze aus der Familie der Cariophilaceae, welche auch der Wiener Flora ange- hiirt und als Volksmittel schon lange im Gebrauch stand, in die neue Auflage aufgenommen. B a r t h hielt es fur wiinschenswerth, zu unter- suchen, ob in dieser Pflanze wirklich ein physiologisch wirksamer Stoff enthalten sei und im bejahenden Falle womoglich seine chemische Natur festzustellen.

Die mit H e r z i g ausgefiihrte Arbeit ergab, neben anderen minder wicbtigen, auch das interessante Resultat, dass in der Herniaria nebst dem bereits als Herniarin bekannten Kijrper, der nun als Methylathen des Umbelifferons erkannt wird , eine andere Substanz enthalten sei, und zwar ein Glucosid mit Bhnlichen Eigenschaften und ahnlicher t o x i d e r Wirkung, wie das Saponin, welche aber bei der Spaltung mit Salzsaure neben Zucker eine um ein Atom Sauerstoff reichere Substanz als Sapogenin liefert und die daher Oxysapogenin genannt wird.

An der Analyse der Mineralquelle von Mitterbad im Ultenthale (Tirol), die erst nach B a r t h ’ s Tode von seinem Mitarbeiter W e g - s c h e i d e r verijffentlicht worden ist, hatte e r noch thatigen Antheil genommen.

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B a r t h’s krankhafter Zustand verschlimmerte sich zusehends; nur mit Miihe und mit aller ihm zu Gebote stehenden Willenskraft war er im Stande, wahrend der letzten zwei Jahre seinen Berufspflichten nachzukommen und noch immer gestattete es ihm seine peinliche Gewissenhaftigkeit nur in den allerseltensten Fallen, sich in der Ab- haltung der Vorlesungen vertreten zu lassen.

Doch noch ein anderer Schicksalsschlag war dern arrnen Dulder vorbehalten; durch *beginnenden Staar wurde sein Auge getriibt und der Kr:tnkheitsprocess nahm einen so raschen Verlauf, dass er bald n u r mehr rnit griisster Mtihe und Anstrengung lesen und schreiben konnte ; es war ein harter Schlag fiir den alleinstehenden Maori, dessen einzige Lebensgefahrtin die Wissenschaft war. Ein ruhrendes Bild war ea, wie der machtige, schaffenslustige Manu hulflos seinen Aufgaben gegentiberstand. Die treue vieljbhrig bewahrte Wirthschafterin Fraulein J o s e f a P l a t i d e r und ein aufopfernder Freund Garde - Rittmeister Graf M e l c h i o r i theilten sich redlich in die selbstauferlegte PAicht, dem kranken Manne die Arbeit zu ermiigliehen, von der e r nicht lassen wollte. Mit einer Geduld und Ausdauer, die nur wahrer Freundschaft zu Gebote steht , lasen sie ihm stundenlang umfang- reiche Acten iiber im Sanitatsrathe zu verhandelnde Gegenstande oder neue Erscheinungen der chemischen Literatur vor, fiir die er noch immer das regste Meresse bewahrt hatte und schrieben, auf seine Worte lauschend, die Referate nieder. Doch mit raschen Schritten schreitet die Erankhei t weiter; am 13. Juni wurde B a r t h wabrend eines Examens von einem Unwohlsein befallen; mit Miihe erreiehte e r von Freunden gestiitzt, seine Wohnuiig, die e r lebend nicht mehr verlassen sollte. Von T a g zu T a g verschlimmerte sich sein Zustand, bis er am 3. August 1890 um 101/2 Uhr Nachts durch den Tod von seinem qaalvollen Leiden erlijst wurde.

Ein unerbittliches Schicksal hat der Wissenschaft einen begeisterten Forscher, der Universitat eine ihrer Zierden, zahlreichen Schiilern den hochverehrten Lehrer, Vielen den besten der Freunde, der achtzig- jahrigen, nun allein in der Welt stehenden Mutter den einzigen geliebten Sohn mit grausamer Hand in der Vollkraft der Jahre ent- rissen, ein Leben abschliessend, das der Forschung und dem Unterricht gewidmet war, das beherrscht war von dem Begriffe der Pflicht.

Ueberblicken wir den Antheil, welchen B a r t h an der Entwick- lung unserer Wissenschaft genommen, so finden wir ihn , abgesehen von einigen Erstlingsarbeiten, welche Mineralanalysen zum Gegenstande haben, und von mehreren auch in spaterer Zeit noch gelegentlich aus-

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gefiihrten Untersuchungen von Mineralwassern, gemass der von seinem Lehrer H 1 a s i w e t z empfangenen Forschungsrichtung , ausschliesslich auf dem Gebiete der organischen Chemie und vorzugsweise in jener grossen Gruppe von Verbindungen thatig, die man die aromatischen zu nennen pflegt.

Man kann gewiss B a r t h den Vorwurf der Einseitigkeit nicht machen; er verstand es, jede gebrauchliche Methode mit Geschick zu verwenden und nach Bedarf zu modificiren, zahlreiche Verfahren sind von ihm zuerst angewandt worden, doch ware das Bild dieses Mannes in Bezug auf seine Experimentirkunst ein unvollstandiges, wiirde nicht specie11 auf eine Reaction hingewiesen, deren er sich wahrend der ganzen Dauer seiner Thatigkeit als Forscher mit ganz besonderer Vorliebe und mit grossem Erfolge bedient hat, namlich die Einwirkung schmelzenden Alkalis auf organische Verbindungen.

Zunachst wurde die Reaction nur zum Zwecke der Spaltung natiirlicher Pflanzenstoffe angewandt , wobei bekanntlich glanzende Resultate erzielt wurden. Wer sie je in dieser Absicht benutzt hat, weiss, wie schwierig es ist, die Operation in entsprechender Weise zu leiten, wie sehr es darauf ankommt, dass eine bestimmte untere Grenze der Temperatur erreicht, eine obere, oft nicht weit daron iiegende nicht iiberschritten werde, und von wie grossem Einflusse die Zeitdauer der Einwirkung auf den Erfolg des Versuches ist.

B a r t h handhabte diese heikle Reaction, welche beinabe in jedem einzelnen Falle einer anderen Bebandlung bedarf, mit ganz erstaun- licher Virtuositat, und wusste mit besonderem Scharfblick das Richtige immer zu treffen. Er war sich dessen auch voll bewusst und freute sich dieser durch reiche Erfahrung erworbenen Fertigkeit, stets gerne bereit, dieselbe seinen Schiilern zur Verfijgung zu stellen.

Spater wurde die Reaction vielfach auch in anderem Sinne ge- braacht; mit ihrer Hiilfe bestjmmte man die Constitution aromatischer Verbindungen, und in dieser Richtung ist sie haufig als untauglich be- zeichnet worden. B a r t h stand auf einem anderen Standpunkte. Wohl sei sie brauchbar, sagte e r , doch man miisse sie auch zu brauchen verstehen, es komme eben nur darauf a n , dass die Operation in fur solche Probleme geeigneter Weise ausgefiihrt werde. Stets vertheidigte er diese seine Ueberzeugung rnit Warme in Wort und Schrift und wies immer wieder darauf hin, dass Umlagerungen, die zu falschen Schliissen fiihren kijnnen, ziemlich uelten sind, und dass in einzelnen solcher Falle der Nachweis erbracht werden konnte, dass dieselben schon vor der eigentlichen Einwirkung des schmelzenden Ral is stattfinden , dass ferner auch bei anderen Reactionen, die zur Ortsbestimmung herangezogen worden sind, Umlagerungen beobachtet wurden.

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Bar th’s Untersuchungen sind ausgezeichnet durch grosse Griind- lichkeit und besonderen Scharfsinn in den Schlussfolgerungen; seine Leistungen werden stets auf das Dankbarste anerkannt werden miissen, sein Name wird erhalten bleiben in der Geschichte der Wissenschaft.

Im December 1891.

C. Senhojks. und G. Goldschmiedt.

Znsammenstellnng der yon v. Bart h ausgefnhrten Untersnchnngen.

1857. 1555. 1561.

1362. 1563. 1564.

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>> 1865.

1866. >>

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1867. 1568. 1869.

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1571.

1372.

1873.

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Analyse des Keromohaliths und Diopsids. Notiz uber die Campholshure. Ueber die Einwirkung des Chlors auf den Amylalkohol. Ueber die Einwirkuug des Broms auf Glyeerin. Ueber eine neue Saure aus dem Midilchzuckcr (mit Hlasiwetz). Ueber das Pikrotoxin. Ueber zwei neue Zersetzungsprodukte aus dem Guajakharz (mit Hlas iwetz j . Ueber einen neuen, dem Orcin homologen K8rper (mit HI a s i w e t z). Ueber eiuige Harze (rnit Hlas iwetz) . Zur Geschichte des Tyrosins. Ueber einige Harze (mit Hlas iwetz) . Analyse der Salzsoole und Mutterlaiige der k. k. Saline cu Hall in Tirol. Ueber die Paraoxybenzoesaure. Ueber die Protokatechusaure. Uutersuchungen iiber die Oxybenzo6saure. Ueber die Produkte der Oxydation cler Toluolsulfosaure durch schmel- zendes Kali. Ueber die Constitution der Pbloretinsaure und des Tyrosins. Ueber isomere Kresole. Ueber einige Umwandlungen des Phenols. Ueber Disulfobenzoesaure und eine neue DioxybenzoBsaure (mit Senhofer ) . Ueber die Umwandlung der Oxybenzoesaure in Protokatechusaure und die Constitution der letzteren. Ueber einige Derivate der Dioxybenzoesiiure (mit Sen ho fer). Ueber die Einwirkung von schmelzendem Kali auf Benzoesiiure. Ueber ein Condensationsproduct aus der Oxybenzoesaure (mit S e n - hofer ) . Analyse der Therme am Brenner (mit S e n h o f e r und Kolle).

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