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Die in Europa und Nordamerika vorkommende Lyme-Borreliose ist eine komplexe Multisystemerkrankung mit möglicher Beteiligung von Haut, Nervensystem, Gelenken, Herz, Auge und anderen Organen, die besonders Kinder und ältere Menschen betrifft. Sie wird von der Spirochäte Borrelia burg- dorferi ausgelöst, die mit dem Speichel von Zecken des Genus Ixodes übertra- gen werden. Neben akuten Manifesta- tionen wie dem Erythema migrans kann es Monate und Jahre nach dem Zecken- stich durch eine persistierende Infektion zu späten klinischen Erscheinungen wie der Lyme-Arthritis kommen. Diagnostik und Therapie können schwierig sein, sind vom Krankheitsstadium abhängig und z. T. noch umstritten. Bei 10–20% der Patienten mit Lyme-Arthritis be- steht trotz ausreichender antibiotischer Therapie eine chronische Arthritis fort, einzelne Patienten entwickeln nach Verschwinden der Arthritis Symptome eines sogenannten Post-Lyme- Syndroms mit vielfältiger Symptomatik. In pathogenetischer Betrachtung ist die Lyme-Arthritis ein menschliches Modell für die Auslösung einer chronischen Synovialitis durch Infektionserreger. Zu den derzeit diskutierten Pathome- chanismen gehören Erregerpersistenz, immunpathologische Reaktionen und Autoimmunphänomene durch mole- kulares Mimikry. Schlüsselwörter Lyme-Borreliose · Lyme-Arthritis · Borrelia burgdorferi · Persistierende Infektion · Autoimmunität Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität H.-I. Huppertz 1 · A. Krause 2 1 Prof.-Hess-Kinderklinik,Zentralkrankenhaus Bremen 2 Immanuel-Krankenhaus GmbH,Abteilung für Innere Medizin/Rheumatologie, Rheumaklinik Berlin-Wannsee, Berlin Lyme-Borreliose Epidemiologie Die Lyme-Borreliose ist die häufigste vek- torübertragene Erkrankung in Europa und Nordamerika. Sie kommt vom Nor- den der Mittelmeerländer bis Südfinnland und von Portugal bis Russland vor und ist in ganz Deutschland endemisch. In Un- terfranken fand sich eine Inzidenz von 111 pro 100.000 Einwohner und Jahr,was der Inzidenz der am meisten betroffenen Re- gionen Südschwedens und der USA ent- spricht [1, 3, 14]. Die höchsten Raten wie- sen Kinder unter 16 Jahren und ältere Menschen über 60 Jahre auf. Rund 89% der Patienten hatten ein Erythema mi- grans, 3% eine Neuroborreliose und 5% eine Lyme-Arthritis.Vermutlich spiegelt die Studie die Situation in großen Teilen Süddeutschlands wieder,in Norddeutsch- land ist die Inzidenz möglicherweise etwas niedriger. Eine kürzlich durchgeführte bundes- weite Umfrage unter Ärzten kommt bei der Altersverteilung zu gleichen Ergeb- nissen,der Anteil von Patienten mit Neu- roborreliose und Lyme-Arthritis lag je- doch mit jeweils etwa 20% deutlich hö- her [31]. Die übertragende Zecke Ixodes ricinus kommt in ganz Deutschland vor und lebt nicht nur im Unterholz der Wälder, son- dern auch in Gärten und städtischen Parks. Bis zu 30% der Zecken sind in Deutschland mit Borrelien infestiert. Nachdem die Zecke Zugang zur Haut ge- funden hat, krabbelt sie an eine bevorzug- te Stelle wie Kniekehle, Leiste,Axilla oder, besonders bei Kindern, ins Gesicht. Der Stich der Zecke ist durch anästhesierende Stoffe im Speichel schmerzlos. Deshalb und wegen ihrer geringen Größe werden die Tiere häufig nicht bemerkt. So erin- nern nur ca. 60% aller Patienten mit Lyme-Borreliose einen vorangegangenen Zeckenstich [31]. Mikrobiologie der Borrelienspezies Die auslösende Spirochäte Borrelia burg- dorferi sensu lato ist sehr heterogen und kann in mindestens 10 verschiedene Spe- zies unterteilt werden, von denen aber nur 3 sicher humanpathogen sind: B. afzelii, B. garinii und B. burgdorferi sensu stricto [40]. Diese Spezies scheinen im Sinne ei- nes Organotropismus bevorzugt be- stimmte Systeme des Körpers zu befallen, wodurch die unterschiedlichen Manifesta- tionen der Lyme-Borreliose erklärt wer- den. So wird B. afzelii mit der Acro- dermatitis chronica atrophicans assozi- iert, B. garinii mit der Neuroborreliose und B. burgdorferi sensu stricto mit der Lyme-Arthritis, die aber offensichtlich von allen 3 Spezies hervorgerufen werden kann [23]. Alle 3 humanpathogenen Spezies kom- men in Europa vor, während sich in Nord- amerika nur B. burgdorferi sensu stricto findet. Hierdurch erklären sich möglicher- weise die z. T. unterschiedlichen Verläufe der Lyme-Borreliose in Europa und Nord- amerika [35]. B. burgdorferi lebt im Mitteldarm der Zecke. Erst nach Beginn einer Blutmahl- zeit kommt es zur Proliferation des Erre- gers und Invasion in die Hämolymphe der Zecke, über die B. burgdorferi die Spei- cheldrüsen der Zecke erreicht. Mit dem Der Internist 2 · 2003 | 175 Internist 2003 · 44: 175–183 DOI 10.1007/s00108-002-0770-y Online publiziert: 10. Januar 2003 © Springer-Verlag 2003

Lyme-Borreliose

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Page 1: Lyme-Borreliose

Die in Europa und Nordamerika vorkommende Lyme-Borreliose ist einekomplexe Multisystemerkrankung mitmöglicher Beteiligung von Haut,Nervensystem, Gelenken, Herz, Augeund anderen Organen, die besondersKinder und ältere Menschen betrifft. Siewird von der Spirochäte Borrelia burg-dorferi ausgelöst, die mit dem Speichelvon Zecken des Genus Ixodes übertra-gen werden. Neben akuten Manifesta-tionen wie dem Erythema migrans kannes Monate und Jahre nach dem Zecken-stich durch eine persistierende Infektionzu späten klinischen Erscheinungen wieder Lyme-Arthritis kommen. Diagnostikund Therapie können schwierig sein,sind vom Krankheitsstadium abhängigund z. T. noch umstritten. Bei 10–20%der Patienten mit Lyme-Arthritis be-steht trotz ausreichender antibiotischerTherapie eine chronische Arthritis fort,einzelne Patienten entwickeln nachVerschwinden der Arthritis Symptomeeines sogenannten Post-Lyme-Syndroms mit vielfältiger Symptomatik.In pathogenetischer Betrachtung ist dieLyme-Arthritis ein menschliches Modellfür die Auslösung einer chronischenSynovialitis durch Infektionserreger.Zu den derzeit diskutierten Pathome-chanismen gehören Erregerpersistenz,immunpathologische Reaktionen undAutoimmunphänomene durch mole-kulares Mimikry.

SchlüsselwörterLyme-Borreliose · Lyme-Arthritis · Borrelia burgdorferi · Persistierende Infektion · Autoimmunität

Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

H.-I. Huppertz1 · A. Krause2

1 Prof.-Hess-Kinderklinik, Zentralkrankenhaus Bremen2 Immanuel-Krankenhaus GmbH, Abteilung für Innere Medizin/Rheumatologie,Rheumaklinik Berlin-Wannsee, Berlin

Lyme-Borreliose

Epidemiologie

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste vek-torübertragene Erkrankung in Europaund Nordamerika. Sie kommt vom Nor-den der Mittelmeerländer bis Südfinnlandund von Portugal bis Russland vor undist in ganz Deutschland endemisch.In Un-terfranken fand sich eine Inzidenz von 111pro 100.000 Einwohner und Jahr,was derInzidenz der am meisten betroffenen Re-gionen Südschwedens und der USA ent-spricht [1, 3, 14]. Die höchsten Raten wie-sen Kinder unter 16 Jahren und ältereMenschen über 60 Jahre auf. Rund 89%der Patienten hatten ein Erythema mi-grans, 3% eine Neuroborreliose und 5%eine Lyme-Arthritis. Vermutlich spiegeltdie Studie die Situation in großen TeilenSüddeutschlands wieder,in Norddeutsch-land ist die Inzidenz möglicherweise etwasniedriger.

Eine kürzlich durchgeführte bundes-weite Umfrage unter Ärzten kommt beider Altersverteilung zu gleichen Ergeb-nissen,der Anteil von Patienten mit Neu-roborreliose und Lyme-Arthritis lag je-doch mit jeweils etwa 20% deutlich hö-her [31].

Die übertragende Zecke Ixodes ricinuskommt in ganz Deutschland vor und lebtnicht nur im Unterholz der Wälder, son-dern auch in Gärten und städtischenParks. Bis zu 30% der Zecken sind inDeutschland mit Borrelien infestiert.Nachdem die Zecke Zugang zur Haut ge-funden hat,krabbelt sie an eine bevorzug-te Stelle wie Kniekehle,Leiste,Axilla oder,besonders bei Kindern, ins Gesicht. DerStich der Zecke ist durch anästhesierende

Stoffe im Speichel schmerzlos. Deshalbund wegen ihrer geringen Größe werdendie Tiere häufig nicht bemerkt. So erin-nern nur ca. 60% aller Patienten mitLyme-Borreliose einen vorangegangenenZeckenstich [31].

Mikrobiologie der Borrelienspezies

Die auslösende Spirochäte Borrelia burg-dorferi sensu lato ist sehr heterogen undkann in mindestens 10 verschiedene Spe-zies unterteilt werden,von denen aber nur3 sicher humanpathogen sind: B. afzelii,B. garinii und B. burgdorferi sensu stricto[40]. Diese Spezies scheinen im Sinne ei-nes Organotropismus bevorzugt be-stimmte Systeme des Körpers zu befallen,wodurch die unterschiedlichen Manifesta-tionen der Lyme-Borreliose erklärt wer-den. So wird B. afzelii mit der Acro-dermatitis chronica atrophicans assozi-iert, B. garinii mit der Neuroborrelioseund B. burgdorferi sensu stricto mit derLyme-Arthritis,die aber offensichtlich vonallen 3 Spezies hervorgerufen werdenkann [23].

Alle 3 humanpathogenen Spezies kom-men in Europa vor,während sich in Nord-amerika nur B. burgdorferi sensu strictofindet.Hierdurch erklären sich möglicher-weise die z. T. unterschiedlichen Verläufeder Lyme-Borreliose in Europa und Nord-amerika [35].

B. burgdorferi lebt im Mitteldarm derZecke. Erst nach Beginn einer Blutmahl-zeit kommt es zur Proliferation des Erre-gers und Invasion in die Hämolymphe derZecke, über die B. burgdorferi die Spei-cheldrüsen der Zecke erreicht. Mit dem

Der Internist 2 · 2003 | 175

Internist 2003 · 44: 175–183DOI 10.1007/s00108-002-0770-yOnline publiziert: 10. Januar 2003© Springer-Verlag 2003

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Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

Speichel wird das Bakterium dann auf denWirt übertragen. Da dieser Vorgang vomBeginn der Blutmahlzeit der Zecke bis zurAusscheidung von B. burgdorferi über denSpeichel mindestens 24 h dauert, kanndurch rechtzeitige Entfernung der Zeckeeine Erregerübertragung meist vermie-den werden [24, 26].

Klinische Manifestationen

Die Klinik der Lyme-Borreliose wird infrühe und späte Manifestationen einge-teilt (⊡ Tabelle 1; [4, 15, 32, 35]).Frühe Ma-nifestationen treten Tage bis Wochen nachdem Zeckenstich auf und sind selbstbe-grenzt.Späte Manifestationen treten Mo-nate bis zu 2 Jahre nach dem Zeckenstichauf, können nach einem rezidivierendenVerlauf chronisch werden und dann zubleibenden Organschäden führen. FrüheManifestationen können in späte überge-hen.Späte Manifestationen können ohnevorangehende frühe auftreten.

Abgesehen vom Erythema migrans,das späten Manifestationen vorangehen

kann (aber keinesfalls muss), zeigen diemeisten Patienten Befunde nur an einemOrgan.Die frühere Stadieneinteilung derLyme-Borreliose ist verlassen worden,daein hierdurch suggeriertes konsekutivesDurchlaufen verschiedener Organmani-festationen nur ausnahmsweise auftritt.Neben den hier dargestellten Befundensind bei einzelnen Patienten viele andereKrankheitserscheinungen in z. T. fragli-chem Zusammenhang mit einer Borreli-eninfektion beschrieben worden.

Hautmanifestationen

Das Erythema migrans tritt Tage bis Wo-chen nach dem Zeckenstich an der Stelledes Stiches auf, wegen der jahreszeitlichbegrenzten Zeckenaktivität meist vonApril bis Oktober. Dabei findet sich einnicht juckendes,sich zentrifugal ausbrei-tendes Erythem, das bei längerem Beste-hen eine zentrale Abblassung zeigen kann.Atypische Verläufe mit Papeln und Quad-deln sind möglich. Das Erythema mi-grans kann von Allgemeinsymptomen wie

Malaise,Fieber oder Lymphknotenschwel-lung begleitet sein.Auch tritt eine „Som-mergrippe“ (ohne Husten und Schnup-fen) ohne Erythema migrans auf.

Als livide Schwellung an Ohrläppchen,Mamille oder Hoden kann das Borrelien-lymphozytom auftreten.

Als späte Manifestation kann es zurAcrodermatitis chronica atrophicanskommen,mit Hautatrophie nach entzünd-lichen Veränderungen an den Extremitä-ten.Zudem wurden einige Fälle von Mor-phea mit einer Borrelieninfektion in Zu-sammenhang gebracht.

Neuroborreliose

Die frühen Erscheinungen sind bei Kin-dern eine lymphozytäre Meningitis mitoder ohne Hirnnervenlähmung, beson-ders des N. facialis und als Neuritis nervioptici (⊡ Abb. 1). Bei Erwachsenen stehtmeist die sehr schmerzhafte Polyradiku-loneuritis (Bannwarth-Syndrom) im Vor-dergrund,ebenfalls oft mit einer Hirnner-venparese assoziiert, während die me-ningitische Symptomatik weniger ausge-prägt ist.Als späte Erscheinungen kommtes selten zur Enzephalomyelitis oder zere-bralen Vaskulitis [41].

Manifestationen am Bewegungsapparat

Während der frühen Borreliose kommenArthralgien vor.Die häufigste Manifesta-tion der späten Borreliose ist die Lyme-Arthritis.Wegen der langen und sehr va-riablen Inkubationszeit findet sich keinejahreszeitliche Variation. Bei Kindernkommt es in 2/3 der Fälle zur Monarthri-tis des Kniegelenkes, in 95% der Fälle istmindestens ein Knie mitbetroffen [16].Auch bei Erwachsenen manifestiert sichdie Lyme-Arthritis meist als Monarthritiseines großen Gelenks mit bevorzugtemBefall der Kniegelenke (⊡ Abb.2).Eine Po-lyarthritis ist selten. Bei akuter Arthritiskann die Zellzahl der Synovialflüssigkeitbis zu 50.000/µl mit Überwiegen der Neu-trophilen ansteigen.

Die Arthritis ist häufig episodisch,dasheißt nach einer Dauer von Tagen bis2 Wochen verschwindet die Arthritis vonselbst, kehrt aber nach einem symptom-freien Intervall von Wochen bis Monatenwieder.Die Intervalle können kürzer und

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Tabelle 2

Labordiagnostik der Lyme-Borreliose

Methode Bewertung

Kultur (Hautbiopsie, Liquor, nicht aus Dauer mehrere Wochen, häufig ergebnislos

Synovialflüssigkeit)

Gewebefärbung mit Silbersalzen oder Nur bei Hautbiopsie des Erythema migrans

monoklonalen Antikörpern erfolgreich, für Routine ungeeignet

Polymerasekettenreaktion Sehr variable Ergebnisse aus Liquor und Urin;

gute Effizienz aus Hautbiopsie; gute Ergebnisse

aus Synovialflüssigkeit in einzelnen speziellen

Laboratorien

Enzymimmunotest Suchtest mit hoher Sensitivität

Immunoblot Bestätigungstest mit hoher Spezifität

Lymphozytenproliferationstest Eingeschränkte Validität, geringe Verfügbarkeit,

für Routine ungeeignet

Tabelle 1

Klinische Manifestationen der Lyme-Borreliose

Organ Frühe Manifestationen Späte Manifestationen

Haut Erythema migrans, Borrelienlymphozytom Acrodermatitis chronica

atrophicans

Nervensystem Lymphozytäre Meningitis mit/ohne Hirn Chronische Enzephalomyelitis,

nervenlähmung, Polyradikuloneuritis zerebrale Vaskulitis

Bewegungsapparat Arthralgien Arthritis, Myositis

Andere Karditis,„Sommergrippe“ Uveitis, Keratitis

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Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

die Arthritis chronisch werden. Die Ar-thritis kann aber auch primär chronischverlaufen, wobei keine Einigkeit besteht,wann eine Lyme-Arthritis als chronischbezeichnet wird. In der pädiatrischen Li-teratur wird eine Mindestdauer von 3 Mo-naten vorgeschlagen. Die histologischenBefunde der Synovialmembran bei chro-nischer Lyme-Arthritis sind nicht von de-nen der rheumatoiden Arthritis zu unter-scheiden [33].

Diagnostik

Die Diagnose eines Erythema migranswird klinisch gestellt (⊡ Tabelle 2). In derRegel ist eine serologische Diagnostiknicht sinnvoll, da initial noch keine Anti-körper nachweisbar sind und die früheAntibiotikatherapie zur Unterdrückungder Antikörperproduktion führen kann.Inseltenen,diagnostisch schwierigen Fällenkann die Polymerasekettenreaktion zumNachweis borrelialer DNA-Sequenzen inder Hautbiopsie genutzt werden.

Bei allen anderen Manifestationen derLyme-Borreliose sollte die klinische Di-agnose serologisch bestätigt werden.Dieserfolgt mit dem Enzymimmunoassay,sel-tener dem Immunfluoreszenztest, alsSuchtest für Antikörper der Klassen IgMund IgG gegen B. burgdorferi.Positive Be-funde müssen mittels Immunoblot bestä-tigt werden [8].

Bei unspezifischen Beschwerden oderBefindlichkeitsstörungen sollte keine Bor-relienserologie durchgeführt werden, dadies nicht selten zu nicht interpretierbarenserologischen Befunden führt. Bei einerdurchschnittlichen Prävalenz positiver se-rologischer Befunde von 10% in Deutsch-land ist die diagnostische Aussagekraftder Serologie entscheidend von der Prä-testprävalenz abhängig, also von derWahrscheinlichkeit der Diagnose vorDurchführung des Testes.Wenn diese Prä-testprävalenz bei einer nur unspezifischenklinischen Symptomatik sehr niedrig ist,also die Lyme-Borreliose nur eine von vie-len möglichen Diagnosen darstellt, dannist der positive prädiktive Wert einer po-sitiven Borrelienserologie gering. In die-sen Fällen kann also die Diagnose Lyme-Borreliose sogar bei positiver Serologienicht mit ausreichender Sicherheit gestelltwerden. Da andererseits die späten Ma-

nifestationen der Borreliose fast immermit einer hoch positiven Serologie ein-hergehen, schließt eine negative Serolo-gie eine späte Lyme-Borreliose mit hoherSicherheit aus.

Positive Antikörpertiter können überviele Jahre bestehen bleiben, unabhängigvon der antibiotischen Therapie unddem klinischen Verlauf [18, 19]. Serolo-gische Verläufe sind daher nur sehr ein-geschränkt zur Überprüfung des The-rapieerfolges geeignet und sollten, wennüberhaupt, nur in sehr großen Zeitab-ständen durchgeführt werden. Auch ei-ne persistierende IgM Antikörperant-wort beweist nicht eine persistierendeInfektion.

Die Diagnose einer Neuroborrelioseerfordert in der Regel den Nachweis einerlymphozytären Liquorpleozytose.Beson-ders im Kindesalter kann initial der Anti-körpernachweis noch negativ sein, eini-ge Wochen später kann evtl.die Serokon-version nachgewiesen werden. Die intra-thekale Antikörperproduktion findet sicherst nach längerem Verlauf.

Bei der Lyme-Arthritis wie auch beider Acrodermatitis chronica atrophicansfinden sich im Allgemeinen hohe Titervon Antikörpern der Klasse IgG gegen

B. burgdorferi. Auch noch Jahre nach er-folgreicher antibiotischer Therapie derLyme-Arthritis können häufig hohe An-tikörpertiter nachgewiesen werden.

Die Polymerasekettenreaktion aufborreliale DNA-Sequenzen in Liquor undSynovialflüssigkeit ist immer noch eineauf wenige besonders erfahrene Laborebeschränkte Methode. Positive Befundeaus einem guten Labor stützen die kli-nische und serologische Diagnose,nega-tive Befunde sind wegen der einge-schränkten Testsensitivität ohne Aussa-gewert [27, 28, 29, 30].

Sowohl die verschiedenen kommerzi-ell verfügbaren serologischen Methodenals auch die unterschiedlichen Ansätzezum direkten Erregernachweis haben spe-zifische Vor- und Nachteile und eine Stan-dardisierung steht aus.Weitere Fortschrit-te sind in den nächsten Jahren zu erwar-ten [11].

Therapie

Wegen der langen Generationszeit vonB. burgdorferi werden relativ lange Zeitender antibiotischen Behandlung empfohlen(⊡ Tabelle 3, [13, 34, 42]). Herxheimer-Re-aktionen sind selten.

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Abb. 2 ▲ 35-jähriger Patient mit rechtsseitigerLyme-Gonarthritis. In der Anamnese keinZeckenstich, kein Erythema migrans. In der Serologie hochpositiver Nachweis von IgG-Antikörpern gegen B. burgdorferi, in der Synovialflüssigkeit positive Borrelien-PCR

Abb. 1 ▲ 12 Jahre altes Mädchen mit Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen links und Fazialispareselinks. Kein Meningismus. Im Liquor 86 Leukozyten/µl (98% Lymphozyten) und Nachweis vonIgM-Antikörpern gegen B. burgdorferi mittels Elisa und Immunoblot (4 Banden). VollständigeRestitutio unter 2 g Ceftriaxon i.v./Tag über 14 Tage

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Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

Die Behandlung des Erythema mi-grans erfolgt mit Doxycyclin 200 mg/Tag,bei Kindern unter 9 Jahren mit Amoxicil-lin 50 mg/kg/Tag in 3 Dosen.Bei raschemVerschwinden des Erythems sind 2 Wo-chen ausreichend, sonst 3 Wochen. Nachneueren Daten können auch Azithromy-cin und orale Cephalosporine eingesetztwerden.

Alle anderen Manifestationen solltenbei Wahl eines oralen Präparates für4–6 Wochen,bei Wahl eines intravenösenPräparates für 2–4Wochen behandelt wer-den.Die Neuroborreliose sollte immer pa-renteral behandelt werden. Unserer An-sicht nach sollte Penicillin G nicht mehrverwandt werden. Bei der Lyme-Arthri-tis sind auch orale Therapieregimes mög-lich,die Compliance sollte aber streng be-achtet werden.Bei Kindern mit Lyme-Ar-thritis hat sich als Reservemedikation dieKombination aus Roxythromycin (10 mg/kgKG in 2 Dosen) plus Cotrimoxazol(6 mg/kgKG in 2 Dosen) bewährt.

Während der Schwangerschaft solltedie Lyme-Borreliose unter Verzicht aufDoxycyclin behandelt werden.Es gibt kei-nen Hinweis, dass die maternale Infekti-on ein Fehlbildungsrisiko für den Fetendarstellt.

Detaillierte Therapieempfehlungenkönnen auf der Homepage der Europeanconcerted action against Lyme borreliosis(EUCALB) nachgelesen werden (http://www.dis.strath.ac.uk/vie/LymeEU/).

Prävention

Vorschläge zur Meidung von Zeckenre-vieren,der Applikation von Repellents unddem Tragen hoch schließender Kleidung

im Sommer sind in Deutschland wenigpraktikabel. Ein Impfstoff, der Immuni-tät gegen alle 3 in Europa vorkommendenhumanpathogenen Spezies vermittelt,konnte bisher nicht entwickelt werden,und ein auf Nordamerika zugeschnitte-ner Impfstoff ist wegen mangelnder Ak-zeptanz wieder vom Markt genommenworden.

Vorschläge zur prophylaktischen ein-maligen Gabe von Antibiotika nachZeckenstich sind problematisch, da diemeisten Zeckenstiche nicht bemerkt wer-den und etwa 40 Probanden in einer hoch-endemischen Region behandelt werdenmüssten,um eine Erkrankung zu verhin-dern [26]. Ein solches Vorgehen ist evtl.sogar gefährlich, weil der Erkrankungs-beginn möglicherweise nur hinausgezö-gert wird und die Wirkung einer einzelnenAntibiotikagabe auf eine bereits in der In-kubationsphase befindliche vorangegan-gene Infektion unbekannt ist.

Die einzig sinnvolle Prävention ist diefrühzeitige Entfernung aller Zecken,zumBeispiel im Rahmen einer abendlichenInspektion der Haut [39].

Antibiotikarefraktäre Lyme-Arthritis

Die Prognose der antibiotisch behandeltenfrühen Lyme-Borreliose ist sehr gut.Hin-gegen sprechen etwa 10%,bei Kindern biszu 20% der Patienten mit Lyme-Arthritisnicht auf die antibiotische Behandlung an[2].Versuche, bei diesen Patienten leben-de Borrelien oder Borrelien-DNA nach-zuweisen, schlugen meist fehl [6]. Nachneueren Studien und eigenen Erfahrun-gen ist es nicht sinnvoll, mehr als 2 bis 3

der empfohlenen Therapieregime mit ei-nem Abstand von 6 Wochen durchzufüh-ren [22].Zusätzliche,eventuell sogar lang-fristige Antibiotikagaben haben keinenEinfluss auf den Krankheitsverlauf.In Fäl-len mit trotz antibiotischer Therapie per-sistierender Arthritis kann eine antirheu-matische Behandlung mit intraartikulä-ren Steroiden,Methotrexat oder eine Syn-ovektomie durchgeführt werden [4, 36].

Hypothesen zur Entstehung

Die Effektivität der antibiotischen Be-handlung zeigt, dass die Lyme-Arthritiszwischen den bakteriellen Infektions-krankheiten und den immunologisch ver-mittelten rheumatischen Erkrankungensteht: Bei einer nur bakteriell bedingtenErkrankung wäre ein Fehlschlag der an-tibiotischen Therapie in 10–20% unak-zeptabel hoch. Bei einer rheumatischenErkrankung ist ein Ansprechen auf einewie auch immer geartete Therapie von80–90% der Fälle innerhalb weniger Wo-chen oder Monate ein sehr gutes Ergebnis.

Prinzipiell sind zwei sich nicht unbe-dingt ausschließende Ursachen des Ver-sagens der antibiotischen Therapie denk-bar. Einerseits wird eine persistierendeInfektion diskutiert mit Bakterien, die ineinem nicht generativen Zustand verhar-ren oder in nicht von Antibiotika erreich-bare privilegierte Nischen abgewandertsind.Alternativ können infektionsbeding-te immunpathologische Mechanismen mitAutoimmunität die antibiotikaresistenteArthritis unterhalten [10, 20, 30].

Risikofaktoren für einen chronischenVerlauf

Bei deutschen Kindern mit Lyme-Arthri-tis war die Entwicklung einer therapiere-fraktären Arthritis mit folgenden Fakto-ren assoziiert:

▂ intraartikuläre Steroide oder Synov-ektomie vor antibiotischer Therapie,

▂ lange Dauer der Arthritis vor anti-biotischer Therapie (>6 Monate).

▂ weibliches Geschlecht.▂ Höheres Lebensalter (>10 Jahre; [2]).

Bei amerikanischen Patienten war die Ent-wicklung einer therapierefraktären Lyme-

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Tabelle 3

Therapie der späten Borreliose (Neuroborreliosea und der Lyme-Arthritis)

Medikament Dosis/Tag Erwachsene Dosis/Tag Kinder Dauer in Wochen

Ceftriaxon 2 g i.v. 50 mg/kgKG i.v. 2–4

Cefotaxim 3×2 g i.v. 150 mg/kgKG i.v. in 3 Dosen 2–4

Amoxicillinb 3×500 mg 50 mg/kgKG in 3 Dosen 4

Doxycyclin 200 mg Nicht bei Kindern <9 Jahre 4

a Die Neuroborreliose sollte immer parenteral behandelt werden.b Die korrekte Applikation von Amoxicillin erfordert in 4 Wochen die Gabe von 28×3 Dosen, auf Grund der kurzen Halbwertzeit des Medikamentes zu einem festen Zeitpunkt. Nur bei sehr guter Compliance ist eine solche Therapie realisierbar.

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Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

Arthritis mit dem HLA-DR4 sowie mit ei-ner humoralen und zellulären Immun-antwort gegen das Oberflächenlipoprote-in A (OspA) von B. burgdorferi assoziiert[7, 21].

Hier spielen also offensichtlich sowohlWirtsfaktoren als auch iatrogene Faktoreneine wichtige pathogenetische Rolle [3].

Persistierende Infektion

Obwohl B. burgdorferi nur in Ausnahme-fällen aus Gelenkmaterial von Patientenmit Lyme-Arthritis isoliert werden konn-te, spricht der Nachweis von Borrelien-DNA in Synovia oder Synovialmembranfür die Bedeutung einer direkten Gelenk-infektion in der Pathogenese der Lyme-Arthritis [30]. Eine persistierende Infek-tion in Gegenwart des Immunsystemskann bestehen, wenn die für die Abwehrwichtigen Epitope häufig verändert wer-den. So konnte eine sequenzielle Verän-derung des Epitops des borrelialen Ober-flächenlipoproteins OspA beobachtet wer-den [25].Dieses Protein wird von den Bor-relien während ihres Aufenthaltes im Mit-teldarm der Zecke exprimiert.

Zugang zum und Überleben im Wirtsind dabei abhängig von der Ausstattungvon B. burgdorferi mit Liganden für Adhä-sionsmoleküle des Wirtes. Dazu gehörenDecorin, ein mit Kollagen assoziiertesProteoglykan, Fibronektin, Glyko-saminoglykane und β3-Integrine.Die Viel-zahl verschiedener beschriebener Adhä-sionsmechanismen ist vermutlich Ursa-che der weiten Verbreitung der Spirochä-te in verschiedenen menschlichen Gewe-ben und erleichtert es dem Keim, durchAbwandern in immunologisch privile-gierte Regionen eine persistierende In-fektion zu unterhalten [32, 36].

Borrelien sind fakultativ intrazelluläreBakterien und können in vitro in mensch-lichen Synovialzellen über mehrere Wo-chen auch in Gegenwart von Antibiotikapersistieren [9].Entsprechend fanden sichbei Patienten mit Lyme-Arthritis CD8+zytotoxische T-Zellen,die für Borrelienan-tigene spezifisch waren. Da diese Zellenerst nachgewiesen werden konnten,wenndie Arthritis ausheilte,werteten die Auto-ren dies als Hinweis auf immunregulato-rische Faktoren in der Pathogenese derchronischen Lyme-Arthritis [5].

Immunpathologie und Autoimmunität

Untersuchungen zur Immunpathogene-se der antibiotikarefraktären Lyme-Arthritis zeigten bei amerikanischen Pa-tienten eine Assoziation mit den HLA-Klasse-II-Antigenen DRB1*0401 (früherDR4) und 0101,die eine identische hyper-variable Region aufweisen, und über dieeine Antigenpräsentation an CD4+ T-Hel-ferzellen kontrolliert wird.Diese Assozia-tion konnte von anderen Gruppen undbei europäischen Patienten nicht gefun-den werden.

Bei den gleichen Patienten fand sich ei-ne verstärkte Immunantwort gegen OspA.Hieraus ergab sich die Hypothese einerpathogenetisch bedeutsamen HLA-DR4-restringierten Anti-OspA-Immunantwort.Bei europäischen Kindern mit Lyme-Ar-thritis konnten Antikörper gegen OspAnachgewiesen werden, deren Gegenwartaber nicht mit dem Versagen der antibio-tischen Therapie assoziiert war [16].

In weiteren Versuchen amerikanischerArbeitsgruppen konnte das immunodo-minante Epitop bei OspA165–173 kartiertwerden [7].Auf der Suche nach einer kor-respondierenden Sequenz im menschli-chen Organismus fanden die Autoren ei-ne ähnliche Sequenz beim T-ZellantigenLeukozytenfunktionsantigen-1α (LFA-1α),das von aktivierten Zellen exprimiert wird[10]. Zugleich konnte man vorhersagen,dass das Peptid LFA-1α332–340 anDRB1*0401 gut bindet.

T-Zellen der Synovialflüssigkeit vondiesen Patienten reagierten sowohl aufdie Peptide von OspA als von LFA-1α [38].Die genaue Untersuchung der von den sostimulierten T-Zellen sezernierten Zyto-kine ergab,dass menschliches LFA-1α alspartieller Agonist für OspA-spezifische T-Zellen wirkte.

Autoimmunhypothese

Diese Informationen fügten die Autorenzu einer Theorie der Autoimmunität beichronischer Lyme-Arthritis zusammen[36]. Bei bestimmten Individuen, beson-ders solchen mit DRB1*0401, kommt eszu einer Immunantwort gegen OspA undeiner klonalen Expansion von OspA165–173-spezifischen T-Zellen.Die von den stimu-lierten T-Zellen produzierten Zytokine

wie Interferon-γ (IFN-γ) führen zur ver-stärkten Entzündung einschließlich einerHochregulierung von HLA-Klasse-II-An-tigenen und LFA-1α. Nachdem die ur-sprünglich auslösenden Borrelien durchdie antibiotische Therapie eliminiert wur-den,könnte die Entzündung trotzdem auf-recht erhalten werden,da LFA-1α332–340 dieFunktion von OspA165–173 im Sinne einesmolekularen Mimikrys übernehmenkönnte [35].

Diese zunächst plausibel klingendeHypothese scheint die Vorgänge aber zusimplifizieren, wie neuere Untersuchun-gen ergaben. So konnte gezeigt werden,dass ein humaner gegen OspC gerichte-ter T-Zellklon mit einer Reihe mikrobiel-ler wie auch humaner Antigene reagier-te [12]. Ebenso reagierten HLA-DR re-stringierte T-Zellhybridome, die gegenimmunologisch relevante OspA-Peptidegezüchtet wurden, mit zahlreichen hu-manen und murinen Antigenen. Darun-ter waren auch Antigene, die dem Im-munsystem ubiquitär zugänglich waren,bekannte Autoantigene bei Autoimmun-erkrankungen und Antigene ohne Se-quenzhomologie mit dem ursprüngli-chen OspA-Peptid [20]. ImmunologischeKreuzreaktionen zwischen mikrobiellenund humanen Epitopen sind also häufigund weit verbreitet, führen aber nur sel-ten zu einer Autoimmunreaktion oder -erkrankung. Weitere Untersuchungensind erforderlich,um die Zusammenhän-ge aufzuklären.

Weitere immunpathologische Mechanismen

Neben Autoimmunreaktionen könnenauch andere immunpathologische Me-chanismen zu einer chronischen Arthri-tis führen,die schließlich ohne Anwesen-heit des auslösenden lebenden Erregerspersistiert.So sind Hypersensitivitätsreak-tionen auf geringe Mengen schwer abbau-barer Erregerantigene denkbar,eventuellverstärkt durch Imbalancen im Zytokin-netzwerk. Die Lipoproteine von B. burg-dorferi, darunter auch OspA, sind starkeAktivatoren des unspezifischen Immun-systems mit Induktion proinflammatori-scher Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α.Zudem fördert die Aktivierung des un-spezifischen Immunsystems die Differen-

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Schwerpunkt: Infektion und Autoimmunität

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zierung von IL-17-produzierenden T-Zel-len. IL-17 stimuliert IL-6 und andere Zy-tokine,was letztlich zu einer chronischenEntzündung führen kann [17].

Schlussfolgerungen

Daraus lässt sich ableiten, dass die anti-genunspezifische Aktivierung des Im-munsystems in Kombination mit antigen-spezifischen Mechanismen zu einer chro-nischen,antibiotikarefraktären Lyme-Ar-thritis führen können.Daher ist die Lyme-Borreliose neben ihrer klinischen Bedeu-tung ein humanes Modell einer infekti-onsinduzierten Arthritis, die schließlichunabhängig von der ursprünglichen In-fektion auf Grund immunpathologischerMechanismen persistiert und zur chroni-schen Arthritis wird.

Post-Lyme-Borreliose-Syndrom

Bei einigen Patienten kommt es trotz Ver-schwinden aller entzündlichen Manifes-tationen unter der antibiotischen Thera-pie zu Arthralgien, Myalgien, Schlafpro-blemen und Müdigkeit,andere Patientenberichten über Kopfschmerzen und Nach-lassen von Gedächtnis und Konzentration.Einzelne Patienten erfüllen auch die Kri-terien für ein Fibromyalgiesyndrom.Die-se Patienten erleiden einen erheblichenVerlust an Lebensqualität und zeigen eineausgeprägte funktionelle Beeinträchti-gung.

Entgegen den durch Unsicherheit undunseriöse Publikationen geschürten Ängs-ten ist das Risiko,ein solches Syndrom zuentwickeln,gering.Der Vergleich von Pa-tienten, die eine Lyme-Borreliose durch-gemacht hatten, mit einer altersentspre-chenden Kontrollgruppe,zeigte einen imWesentlichen guten Gesundheitszustandin beiden Gruppen mit einer ähnlichenHäufigkeit zahlreicher unspezifischer Be-schwerden. Nur Patienten mit verspätetoder inadäquat behandelter Neuroborre-liose litten vermehrt unter neurologischenResiduen oder Schmerzen. Bei anderenPatienten bestehen nur transiente Be-schwerden in den zuvor entzündlich ver-änderten Gelenken, meist Knieschmer-zen. Bei Kindern wurden kognitive undpsychiatrische Veränderungen wie Angst

und Depression beschrieben [37].Ein Ri-siko für das Auftreten dieser Problemewar ein später Behandlungsbeginn.

Die Pathogenese dieser Beschwerdenist unklar.Hinweise für eine persistieren-de Infektion fehlen. Die Krankheitser-scheinungen zeigten in zwei placebokon-trollierten Studien einen wechselhaftenVerlauf, der nicht von der antibiotischenTherapie beeinflusst wurde [22].Die Stu-die wurde vorzeitig beendet, da sich beieiner Zwischenauswertung kein Effekt ei-ner placebokontrollierten Behandlung mit2 g Ceftriaxon pro Tag über 30 Tage ge-folgt von 200 mg Doxycyclin über 60 Ta-ge zeigen ließ.Obwohl eine rationale The-rapie fehlt, warnen wir vor der unkriti-schen Durchführung langfristiger mit vie-len, potenziell schwerwiegenden Neben-wirkungen behafteten antibiotischen The-rapie.

Fazit für die Praxis

Die Lyme-Borreliose ist eine häufige Erkran-kung. Die Diagnostik kann schwierig sein. Dieantibiotische Behandlung verhindert bei frü-hen Manifestationen das Auftreten späterManifestationen und kürzt den Verlauf derfrühen Manifestation ab. Bei späten Manifes-tationen kann die antibiotische Therapie dasAuftreten von bleibenden Organschädenverhindern. Ein verzögerter Therapiebeginnkann zu verschlechtertem Ansprechen auf dieBehandlung führen. Intraartikuläre Steroidesollten bei neu aufgetretener Arthritis nurappliziert werden, wenn eine Lyme-Arthritisausgeschlossen ist. Die Lyme-Arthritis kannchronisch und antibiotikarefraktär werdenund muss dann eventuell antirheumatischbehandelt werden. Zur Entstehung derantibiotikarefraktären Lyme-Arthritis tragenWirtsfaktoren bei, die bei einigen Patientenzu einer immunologisch vermittelten Arthri-tis führen können. Nach Verschwindenentzündlicher Veränderungen können seltenunspezifische Symptome wie bei Fibromyal-gie- und Chronic-fatigue-Syndrom auftreten,deren Ursache und optimale Behandlungunbekannt sind.

Korrespondierender AutorProf. Dr. H.-I. Huppertz

Prof.-Hess-Kinderklinik, Zentralkrankenhaus,Sankt-Jürgen-Straße, 28205 Bremen,E-Mail: [email protected]

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Erratum

Internist 2003 · 44: 183

DOI 10.1007/s00108-003-0861-4

© Springer-Verlag 2003

R. Bartl,„Osteoporose“ in Der Internist43:1529–1543

Im Gegensatz zur Darstellung in

Der Internist 12/2002 Seite 1536 hat

Etidronat in Deutschland weiterhin die

Zulassung für die Indikation „Zur

Behandlung der manifesten

postmenopausalen Osteoporose“.

Mutter-Kind-KurenNeuerungen in 2003

Noch im alten Jahr hat der Gesetzgeber die Voll-finanzierung von Mutter-Kind-Kuren beschlossen.Die Neuregelungen sind bereits in Kraft getretenund gelten nun für das gesamte Jahr 2003.

Alle gesetzlichen Krankenkassen müssenMutter-Kind-Kuren voll finanzieren. Satzungs-regelungen einzelner Krankenkassen, die ledig-lich Zuschüsse vorsahen, entfallen.

Der gesetzliche Eigenanteil wurde bei 9 EURpro Kalendertag belassen. Diesen Betrag müssennur Erwachsene – in diesem Fall also die Mütter –zahlen. Für Kinder ist kein Eigenanteil zu entrich-ten. Über die so genannte Härtefallregelung kannunter Umständen auch der Eigenanteil für dieMutter entfallen.

Weitere Informationen gibt es unterhttp://www.mutter-kind-kur.de oder unter derkostenlosen Rufnummer 0800/2232373.

Quelle: Kur + Reha GmbH, Freiburghttp://www.kur.org/presse