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MAG-Schweißen hochfester Feinkornbaustähle 3.4 MAG-Schweißverfahren Geeignete Fügetechnologien Die Umsetzung von Leichtbaustrategien im Stahlbau erfordert den Einsatz hochfester Werkstoffe. Dies ist nur realisierbar, wenn auch geeignete Fügetechnologien bereitgestellt werden und die Bauteilgestaltung den werkstoff- und fügetechnischen Erfordernissen angepasst wird. Wasservergütete hochfeste Feinkornbaustähle mit Streckgrenzen im Bereich von 690 bis 960 MPa werden seit Jahren erfolgreich z.B. im Druckbehälter-, Mobilkran-, Betonpumpen- und Nutzfahrzeugbau sowie für Bergbaugeräte eingesetzt. Der Stahl S 1100 QL erreicht mit einer Mindeststreckgrenze von 1.100 MPa derzeit die maximale Festigkeit für vergütete Feinkornbaustähle. Verwendung findet dieser Stahl heute dort, wo es auf eine Reduzierung des Bauteilgewichts ankommt. So werden u.a. geschweißte schwingend belastete Teleskopausleger für Mobilkrane aus S 1100 QL gefertigt. Die Längsschweißnähte sind dabei in Bereichen geringer Beanspruchung angeordnet. Senkung der Herstell- und Betriebskosten Die Verwendung von hochfesten Feinkornbaustählen ermöglicht eine Verringerung der Blechdicke und damit des einzubringenden Schweißzusatzwerkstoffs. Dies hat eine Reduzierung des Konstruktionseigengewichts zur Folge, was sich besonders günstig auf die Nutzlast von mobilen Konstruktionen wie Nutzfahrzeugen, Mobilkranen und Lkw-Betonpumpen auswirkt und die Herstellungs- und Betriebskosten senkt. Dieser Vorteil kommt allerdings nur dann voll zum Tragen, wenn in geschweißten Konstruktionen die Schweißverbindung die Tragfähigkeit des Grundwerkstoffs erreicht. Schweißverfahren Die Feinkornbaustähle der Reihe S 690 QL, S 960 QL und S 1100 QL lassen sich nach allen bekannten Schweißverfahren sowohl von Hand als auch mit dem Automaten gut schweißen. Die Güte der Schweißverbindung hängt jedoch vom Schweißverfahren, den Schweißbedingungen und der Wahl der richtigen Schweißzusatzwerkstoffe ab. Als Schweißzusatzwerkstoffe sind die dieser Festigkeitsgruppe entsprechenden zugelassenen Schweißdrähte bzw. Elektroden zu verwenden. Allgemeine Grundregeln sind nur dann als wertvoll zu bezeichnen, wenn sie mit ausreichendem Sachverstand und metallurgischem Grundwissen in die Praxis umgesetzt werden. 3.4.1 Vorwärmen Vermeidung von Kaltrissen Die Schweißeignung hochfester Stähle, d.h., wie wirtschaftlich sie geschweißt werden können, wird neben dem Erreichen anforderungsgerechter mechanischer Eigenschaften im Schweißnahtbereich wesentlich durch die Kaltrisssicherheit bestimmt. Unter Kaltrissen versteht man Risse, die in Schweißverbindungen ferritischer Stähle unter Einwirkung von Wasserstoff und Spannungen bei Temperaturen unter 300 °C auftreten. Zur Vermeidung von Kaltrissen hat sich das Vorwärmen des Schweißnahtbereichs bewährt. Abb. 16: Schweißer beim Vorwärmen Bedeutung der Vorwärmtemperatur Durch die Auswertung einer Vielzahl entsprechender Untersuchungen wurde die Bedeutung der Vorwärmtemperatur deutlich. Sie lässt sich mittels nachfolgender Summenformel beschreiben:

MAG-Schweißen hochfester Feinkornbaustähle

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Die Umsetzung von Leichtbaustrategien im Stahlbau erfordert den Einsatz hochfester Werkstoffe. Dies ist nur realisierbar, wenn auch geeignete Fügetechnologienbereitgestellt werden.

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MAG-Schweißen hochfester Feinkornbaustähle

3.4 MAG-Schweißverfahren

Geeignete FügetechnologienDie Umsetzung von Leichtbaustrategien im Stahlbau erfordert den Einsatz hochfester Werkstoffe. Dies ist nur realisierbar, wenn auch geeignete Fügetechnologienbereitgestellt werden und die Bauteilgestaltung den werkstoff- und fügetechnischen Erfordernissen angepasst wird.Wasservergütete hochfeste Feinkornbaustähle mit Streckgrenzen im Bereich von 690 bis 960 MPa werden seit Jahren erfolgreich z.B.

im Druckbehälter-,Mobilkran-,Betonpumpen- undNutzfahrzeugbau sowie fürBergbaugeräte

eingesetzt.Der Stahl S 1100 QL erreicht mit einer Mindeststreckgrenze von 1.100 MPa derzeit die maximale Festigkeit für vergütete Feinkornbaustähle. Verwendung findet dieser Stahlheute dort, wo es auf eine Reduzierung des Bauteilgewichts ankommt. So werden u.a. geschweißte schwingend belastete Teleskopausleger für Mobilkrane aus S 1100 QLgefertigt. Die Längsschweißnähte sind dabei in Bereichen geringer Beanspruchung angeordnet.

Senkung der Herstell- und BetriebskostenDie Verwendung von hochfesten Feinkornbaustählen ermöglicht eine Verringerung der Blechdicke und damit des einzubringenden Schweißzusatzwerkstoffs. Dies hateine Reduzierung des Konstruktionseigengewichts zur Folge, was sich besonders günstig auf die Nutzlast von mobilen Konstruktionen wie Nutzfahrzeugen,Mobilkranen und Lkw-Betonpumpen auswirkt und die Herstellungs- und Betriebskosten senkt. Dieser Vorteil kommt allerdings nur dann voll zum Tragen, wenn ingeschweißten Konstruktionen die Schweißverbindung die Tragfähigkeit des Grundwerkstoffs erreicht.

SchweißverfahrenDie Feinkornbaustähle der Reihe S 690 QL, S 960 QL und S 1100 QL lassen sich nach allen bekannten Schweißverfahren sowohl von Hand als auch mit dem Automatengut schweißen. Die Güte der Schweißverbindung hängt jedoch vom Schweißverfahren, den Schweißbedingungen und der Wahl der richtigen Schweißzusatzwerkstoffeab.Als Schweißzusatzwerkstoffe sind die dieser Festigkeitsgruppe entsprechenden zugelassenen Schweißdrähte bzw. Elektroden zu verwenden.

Allgemeine Grundregeln sind nur dann als wertvoll zu bezeichnen, wenn sie mit ausreichendem Sachverstand und metallurgischem Grundwissen in die Praxisumgesetzt werden.

3.4.1 Vorwärmen

Vermeidung von KaltrissenDie Schweißeignung hochfester Stähle, d.h., wie wirtschaftlich sie geschweißt werden können, wird neben dem Erreichen anforderungsgerechter mechanischerEigenschaften im Schweißnahtbereich wesentlich durch die Kaltrisssicherheit bestimmt. Unter Kaltrissen versteht man Risse, die in Schweißverbindungen ferritischerStähle unter Einwirkung von Wasserstoff und Spannungen bei Temperaturen unter 300 °C auftreten. Zur Vermeidung von Kaltrissen hat sich das Vorwärmen desSchweißnahtbereichs bewährt.

Abb. 16: Schweißer beim Vorwärmen

Bedeutung der VorwärmtemperaturDurch die Auswertung einer Vielzahl entsprechender Untersuchungen wurde die Bedeutung der Vorwärmtemperatur deutlich. Sie lässt sich mittels nachfolgenderSummenformel beschreiben:

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Tp[C] = 700 CET + 160 tanh (d / 35) + 62 HD0,35 + (53 CET – 32) Q – 330

In dieser Gleichung bedeuten

CET das Kohlenstoffäquivalent in %,

d die Blechdicke in mm,

HD den Wasserstoffgehalt in cm3/100 g deponiertes Schweißgut und

Q das Wärmeeinbringen in kJ/mm.Bei Schweißverbindungen mit günstigerem Eigenspannungsniveau sind niedrigere Vorwärmtemperaturen vertretbar. Im Falle von Schweißverbindungen mit extrem hohenVerspannungsgrad (z.B. bei Nähten an Stutzen oder Rohrknoten) können jedoch höhere Vorwärmtemperaturen erforderlich sein.

Wärmeableitung am BauteilBeim Auftreten von Kaltrissen stellt man immer wieder fest, dass zwar die richtige Vorwärmtemperatur gewählt, jedoch die tatsächliche Wärmeableitung am Bauteil nichtrichtig eingeschätzt wurde. Zum einen muss die Vorwärmtemperatur in ausreichendem Abstand von der Schweißnaht gemessen werden, zum anderen muss natürlich anStellen, wo mehrere Schweißnähte zusammentreffen und damit neben der höheren Wärmeableitung noch dreidimensionale Spannungszustände auftreten können, welchedie Kaltrissbildung zusätzlich begünstigen, auch sorgfältiger vorgewärmt werden.

Vorwärmtemperatur in Abhängigkeit vom CETDas Vorwärmen verzögert die Abkühlung und begünstigt so die Wasserstoffeffusion. Über die Wahl der Vorwärmtemperatur gibt das SEW 088 Auskunft. Es wird darinempfohlen, auf jeden Fall vorzuwärmen, wenn die Werkstücktemperatur +5 °C unterschreitet. Bei Temperaturen über +5 °C ist die Empfehlung zur Vorwärmungwanddickenabhängig, wie nachstehend gezeigt wird.

Tab. 1: TV nach SEW 088 (abhängig vom Kohlenstoffäquivalent CET)

CET Grenzdicke

0,18 60

0,22 50

0,26 40

0,31 30

0,34 20

0,38 12

0,40 8

Effusion von WasserstoffDabei ist zu beachten, dass sich die zulässige Blechdicke nur dann nach dem Kohlenstoffäquivalent des Grundwerkstoffs richtet, wenn das Kohlenstoffäquivalent desSchweißguts um mindestens 0,03 % niedriger ist als das des Grundwerkstoffs. Andernfalls wird das um einen Sicherheitszuschlag von 0,03 % erhöhteKohlenstoffäquivalent des Schweißguts zur Feststellung der zulässigen Blechdicke herangezogen.Vorwärmen verzögert die Abkühlung des Schweißnahtbereichs. Somit wird die Effusion von Wasserstoff ermöglicht und darüber hinaus der Eigenspannungslevelreduziert.

Abb. 17: Mindestvorwärm- und Zwischenlagentemperatur beim Schutzgasschweißen

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Bei Werkstofftemperaturen unterhalb von +5 °C sollten die Stähle grundsätzlich mindestens auf Raumtemperatur vorgewärmt werden.

Vermeidung hoher HärtenEs muss berücksichtigt werden, dass hohe Abkühlungsgeschwindigkeiten (unter 5 s) durch geringes Wärmeeinbringen beim Schweißen zu hohen Härten im Bereich derWärmeeinflusszone führen können und somit erhöhte Kaltrissgefahr besteht. Bei der Einstellung zu niedriger Abkühlungsgeschwindigkeiten durch zu hohesWärmeeinbringen werden zum einen die Zähigkeitseigenschaften verschlechtert und zum anderen wird die wärmebeeinflusste Zone verbreitert.Beim Schweißen von Feinkornstählen sind unbedingt an jedem Arbeitsplatz Möglichkeiten für das Vorwärmen zu schaffen. Die Kontrolle der Vorwärm- undZwischenlagentemperatur kann mit Temperaturmessstiften, Magnethaftthermometer, digitalen Temperaturmessgeräten oder einem Pyrometer erfolgen.

3.4.2 Kohlenstoffäquivalent CET

Kaltrissverhalten von SchweißverbindungenDas Kohlenstoffäquivalent CET wurde 1991 von Uwer und Höhne formuliert und stellt das zurzeit umfassendste Kohlenstoffäquivalent zur Vermeidung von Kaltrissendar.Formel:

Abb. 18: Mindestvorwärmtemperatur (Quelle: ThyssenKrupp Stahl AG)

Das Kaltrissverhalten von Schweißverbindungen wird außer von der chemischen Zusammensetzung des Grundwerkstoffs und des Schweißguts CET auch von der

Blechdicke d,dem Wasserstoffgehalt des Schweißguts HD unddem Wärmeeinbringen Q beim Schweißen sowiedem Eigenspannungszustand der Verbindung

maßgebend bestimmt.

Kaltrisse in der Wärmeeinflusszone und im SchweißgutEines der größten Probleme bei der schweißtechnischen Verarbeitung von hochfesten Feinkornstählen stellt der Kaltriss dar. Im Allgemeinen ist die Kaltrissneigung vonmikrolegierten Feinkornbaustählen gering. Sind jedoch höhere Kohlenstoffgehalte vorhanden, kann es zu wasserstoffbegünstigten Kaltrissen in der Wärmeeinflusszoneund im Schweißgut kommen. Da neben dem Kohlenstoff auch noch andere Legierungselemente den Kaltriss begünstigen, werden zur Abschätzung derRissempfindlichkeit häufig Kohlenstoffäquivalente herangezogen. Es existieren zahlreiche Formeln zur Beschreibung des Kohlenstoffäquivalents, bei denen die einzelnenLegierungselemente unterschiedlich gewichtet werden.

Abb. 19: Wasserstoffinduzierte Kaltrisse

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Einflussgrößen für das KaltrissverhaltenDas Kohlenstoffäquivalent kann somit allgemein als ein Maß für die Neigung eines Werkstoffs zur Kaltrissbildung in Abhängigkeit von seiner chemischenZusammensetzung verstanden werden. Es dient darüber hinaus als Grundlage für die Berechnung der Mindestvorwärmtemperatur Tp sowie der Abkühlzeit t8/5, dienotwendig sind, um eine Kaltrissbildung nach Abkühlen der Schweißnaht ausschließen zu können.Das Kaltrissverhalten von Schweißverbindungen ist hauptsächlich von den folgenden Einflussgrößen abhängig:

chemische ZusammensetzungWerkstückdicke im NahtbereichWasserstoffgehalt des SchweißgutsWärmeeinbringung beim SchweißenEigenspannungsniveau der KonstruktionVorwärmtemperatur/Zwischenlagentemperatur

Der Einfluss der chemischen Zusammensetzung auf das Kaltrissverhalten von Stählen lässt sich dabei durch das Kohlenstoffäquivalent CET ausreichend genaubeschreiben.

Schweißbedingungen/EigenspannungszustandEs ergeben sich Grenzwerte, bis zu denen Stahlbleche mit entsprechender chemischer Zusammensetzung ohne Vorwärmen geschweißt werden können, wenn üblicheSchweißbedingungen angewandt werden und ein günstiger Eigenspannungszustand vorliegt (siehe Tab. 1).

CE, PCM, CEM, CENAus Gründen der Vollständigkeit soll an dieser Stelle noch auf andere Kohlenstoffäquivalente hingewiesen werden.CEDas Kohlenstoffäquivalent CE geht auf eine vor mehr als 20 Jahre erschienene Veröffentlichung des International Institute of Welding (IIW) zurück. Es basiert in ersterLinie auf Härtemessungen und wurde unter der Annahme abgeleitet, dass Legierungselemente, die zum Aufhärten beitragen, in gleichem Maß die Kaltrissneigungfördern. Da das Kohlenstoffäquivalent CE – im Vergleich zu neueren Kohlenstoffäquivalenten – den Effekt des Kohlenstoffs stark unterbewertet, eignet es sich wenigerfür die Behandlung von Kaltrissproblemen als neuere Modelle. Es ist insbesondere im Bereich kurzer Abkühlzeiten nicht geeignet.Formel:

CE = C + Mn / 6 + (Cr + Mo + V) / 5 + (Cu + Ni) / 15

PCMDas Kohlenstoffäquivalent PCM beruht auf japanischen Ergebnissen von Ito und Bessyo aus dem Jahr 1969. Es ist für kurze Abkühlzeiten und Wurzelschweißungeneinsetzbar.Formel:

PCM = C + Si / 30 + (Mn + Cu + Cr) / 20 + Mo / 15 + Ni / 60 + V / 10 + 5 × B

CEMDas Kohlenstoffäquivalent CEM ist nur unter den sehr eingeschränkten Bedingungen des kurzen Abkühlzeitbereichs (2 bis 6 s) und des engen Gültigkeitsbereichs derchemischen Zusammensetzung (C: 0,02–0,22, Si: 0,00–0,50, Mn: 0,40–2,10, Cu: 0,00–0,60, Cr: 0,00–0,50, Ni: 0,00–3,50, Mo: 0,00–0,50, V: 0,00–0,10) nutzbar.Formel:

CEM = C + Si / 25 + (Mn + Cu) / 20 + (Cr + V) / 10 + Mo / 15 + Ni / 40

CENDas in Japan entwickelte Kohlenstoffäquivalent CEN stellt eine rein mathematische Kombination der Kohlenstoffäquivalente CE und PCM dar. Zur Beschreibung desKaltrissverhaltens ist es jedoch nicht besser geeignet als die zugrunde liegenden Kohlenstoffäquivalente CE bzw. PCM.Formel:

CEN = C + (0,75 + 0,25 × tanh (20 × (C – 0,12))) × (Si / 24 + Mn / 6 + Cu / 15 + Ni / 20 + (Cr + Mo + V +

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Nb) / 5 + 5 × B)

3.4.3 t8/5-Zeit-Konzept

Durchgang des LichtbogensDer während eines Lichtbogendurchgangs an einer definierten Stelle auftretende Temperatur-Zeit-Verlauf setzt sich aus einer kurzen Aufheizphase und einer imAllgemeinen wesentlich längeren Abkühlphase zusammen. Bei Annäherung des Lichtbogens steigt die Temperatur schnell auf einen Höchstwert an und fällt nachDurchgang des Lichtbogens wieder ab, wobei sich die Abkühlgeschwindigkeit stetig verringert. Während im Schweißgut überall gleiche Spitzentemperaturen auftreten,werden die verschiedenen Bereiche der Wärmeeinflusszone auf unterschiedliche Spitzenwerte erwärmt, wobei ihre Höhe mit wachsendem Abstand von der Schmelzzoneabnimmt.

SchweißtemperaturzyklenDie mechanischen Eigenschaften des Schweißguts werden primär bestimmt durch dessen chemische Zusammensetzung und die Geschwindigkeit, mit der die Abkühlungaus der flüssigen Phase erfolgt. Maßgebend für die Auswirkungen von Schweißtemperaturzyklen auf die mechanischen Eigenschaften in der Wärmeeinflusszone sind diebeim Schweißen erreichte Spitzentemperatur, die Verweildauer im oberen Austenitgebiet und die Geschwindigkeit, mit der die Abkühlung aus dem Austenitgebietstattfindet.Erfahrungsgemäß führen hohe Spitzentemperaturen zu den ungünstigsten Gefügezuständen und mechanischen Eigenschaften. Es reicht deshalb aus, dieTemperaturzyklen mit der höchsten Spitzentemperatur zu betrachten, welche unmittelbar neben der Schmelzlinie im Grobkornbereich der Wärmeeinflusszone auftreten.Ihre Spitzentemperatur liegt in Höhe der Schmelztemperatur des jeweiligen Werkstoffs. Man kann somit davon ausgehen, dass die mechanischen Eigenschaften in derWärmeeinflusszone vom Abkühlverlauf nach dem Lichtbogendurchgang bestimmt werden.

Temperatur-Zeit-VerlaufVon entscheidender Bedeutung für die mechanischen Eigenschaften hochfester Schweißverbindungen ist der Temperatur-Zeit-Verlauf beim Schweißen. Dieser wirdbesonders von folgenden Faktoren beeinflusst:

BlechdickeNahtformStreckenenergieVorwärmtemperaturLagenaufbau

Zur Kennzeichnung des Temperatur-Zeit-Verlaufs beim Schweißen wählt man im Allgemeinen die Abkühlzeit t8/5, d.h. die Zeit, in der bei Abkühlung einer Schweißraupeder Temperaturbereich von 800 bis 500 °C durchlaufen wird. Mit zunehmender Abkühlzeit t8/5 nimmt die Härte in der Wärmeeinflusszone ab.

Fenster für die AbkühlzeitWenn für einen bestimmten Stahl eine vorgegebene Höchsthärte nicht überschritten bzw. ein vorgegebener Mindestwert der Kerbschlagarbeit nicht unterschrittenwerden darf, müssen die Schweißbedingungen so gewählt werden, dass ein bestimmter Bereich der Abkühlzeit t8/5 weder über- noch unterschritten wird.Das heißt, eine genau vorgeschriebene Schweißtechnologie ist im Sinne der Gewährleistung der Gesamtheit der Anforderungen an die Schweißverbindungeinzuhalten.

AbkühlzeitkonzeptDank der unter dem Begriff „Abkühlzeitkonzept“ bekannt gewordenen Methode ist es heute möglich, den Aufwand bei schweißtechnischen Untersuchungen undSchweißverfahrensprüfungen (Qualifizierung von Schweißverfahren) erheblich zu reduzieren. Diese Vorgehensweise gestattet es außerdem, den komplexenZusammenhang zwischen den Schweißbedingungen und den Eigenschaften von Schweißnähten überschaubar darzustellen. Das Abkühlzeitkonzept hat inzwischenEingang in nationale und internationale Empfehlungen zum Schweißen hochfester Feinkornbaustähle gefunden.Es hat entscheidend dazu beigetragen, dass man heute in der Lage ist, selbst anspruchsvolle hochfeste Feinkornbaustähle problemlos zu schweißen. Um die Berechnungfür den Anwender zu erleichtern, wurden von den Stahlherstellern einfach anzuwendende Computerprogramme entwickelt.

Abkühlzeit als KenngrößeFestigkeitseigenschaften, Härte und Zähigkeit in der WEZ von Schweißverbindungen sind im Wesentlichen von der chemischen Zusammensetzung des Stahls und demTemperatur-Zeit-Verlauf beim Schweißen abhängig, genauer der Abkühlgeschwindigkeit nach dem Lichtbogendurchgang. Diese wird maßgeblich von denSchweißbedingungen beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen den Schweißbedingungen und der Abkühlgeschwindigkeit lässt sich durch mathematische Beziehungenbeschreiben, die aus der Theorie der Wärmeleitung in festen Körpern abgeleitet wurden. Zur Kennzeichnung der Abkühlgeschwindigkeit wählt man ihren reziprokenWert, nämlich die Zeit, die zum Durchlaufen eines bestimmten Temperaturintervalls benötigt wird. Hier hat sich die Abkühlzeit als Kenngröße bewährt.Das ist die Zeit, die während der Abkühlung einer Schweißraupe zum Durchlaufen des Temperaturbereichs von 800 bis 500 °C benötigt wird.

Zwei- und dreidimensionale WärmeableitungDabei berücksichtigt die Gleichung die den Abkühlprozess entscheidenden Einflussgrößen, wie die folgenden:

Vorwärmtemperatur Tpthermischer Wirkungsgrad η des jeweiligen SchweißverfahrensLichtbogenspannung USchweißstrom ISchweißgeschwindigkeit vNahtgeometrie in Form des Nahtfaktors F

Bei der Berechnung von Abkühlzeiten ist zwischen zwei- und dreidimensionaler Wärmeableitung zu unterscheiden. Bei größeren Blechdicken, niedrigerVorwärmtemperatur und/oder geringem Wärmeeinbringen tritt häufig dreidimensionale Wärmeableitung ein. Entsprechend kommt es bei dünnen Blechen, hoherVorwärmtemperatur und/oder großem Wärmeeinbringen im Allgemeinen zu zweidimensionaler Wärmeableitung. In letzterem Fall ist die Blechdicke d bei der Berechnungzu berücksichtigen. Bestehen Zweifel, welche Art der Wärmeableitung in einem bestimmten Fall vorliegt, so berechnet man die Abkühlzeit t 8/5 zunächst nach beidenGleichungen. Für die Praxis ist nur der größere der beiden errechneten Abkühlzeitwerte von Bedeutung.

Dreidimensionale WärmeableitungBeim Schweißen verhältnismäßig dicker Werkstücke erfolgt die Wärmeableitung dreidimensional. Die über den Lichtbogen eingebrachte Wärme kann in derWerkstückebene und zusätzlich in Richtung der Werkstückdicke abfließen. Diese wirkt sich daher nicht auf die Abkühlzeit aus.Die Abkühlzeit ist also bei dreidimensionaler Wärmeableitung zur eingebrachten Wärme proportional und nimmt mit der Vorwärmtemperatur zu.

Zweidimensionale WärmeableitungBei zweidimensionaler Wärmeableitung erfolgt der Wärmefluss dagegen ausschließlich in der Werkstückebene. Die Werkstückdicke ist in diesem Fall maßgebend für die

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zur Wärmeableitung zur Verfügung stehende Querschnittsfläche und hat damit einen ausgeprägten Einfluss auf die Abkühlzeit.Die Abkühlzeit bei zweidimensionaler Wärmeableitung nimmt also mit dem Quadrat der Streckenenergie und mit der Vorwärmtemperatur zu und ist zum Quadrat derWerkstückdicke umgekehrt proportional.

ÜbergangsblechdickeDie Blechdicke beim Übergang von drei- zu zweidimensionaler Wärmeableitung bezeichnet man als Übergangsblechdicke dü. Sie wird durch Gleichsetzen der Formeln zurBerechnung der Abkühlzeit t 8/5 für drei- und zweidimensionale Wärmeableitung berechnet.Bei der Berechnung von Abkühlzeiten ist zu beachten, dass die den Gleichungen zugrunde liegenden Annahmen häufig nicht genau erfüllt sind. Berechnete Werte derAbkühlzeit können deshalb von den wirklich auftretenden bis zu 20 % abweichen. Mit einem größeren Fehler kann die Berechnung im Übergangsbereich von zwei- zudreidimensionaler Wärmeableitung behaftet sein. In kritischen Fällen empfiehlt es sich, die Abkühlzeit durch Messung zu kontrollieren.

Verfügbare ComputerprogrammeDie Zahl der denkbaren Nahtarten ist so groß, dass eine quantitative Klärung des Einflusses aller auf die Abkühlzeit mit extrem hohem Aufwand verbunden wäre. Deshalbstehen in den Computerprogrammen Tabellen zur Verfügung, die alle Nahtfaktoren für die gebräuchlichsten Nahtarten bei dreidimensionaler Wärmeableitung (F3) undzweidimensionaler Wärmeableitung (F2) zusammenfassen. Es zeigt sich, dass vor allem bei zweidimensionaler Wärmeableitung die Abkühlzeiten von Kehlnähten sehr vielniedriger sind als die von Auftragraupen. Der Wert des Nahtfaktors ist dabei abhängig vom Verhältnis der Streckenenergie zur Blechdicke.

ProWeldDas Programm „ProWeld“ basiert auf dem bei ThyssenKrupp Stahl entwickelten Konzept der Abkühlzeit t 8/5 und auf dem CET-Konzept zur Berechnung desKohlenstoffäquivalents. Die Abkühlzeit t8/5 ist die Zeit, die eine Schweißnaht und die Wärmeeinflusszone, also der Bereich im Material, der beim Schweißen mit erwärmtwird, benötigen, um von 800 auf 500 °C abzukühlen. Hiermit lässt sich der Einfluss der Temperaturführung beim Schweißen auf die Eigenschaften des Schweißguts undauf die Materialeigenschaften in der Wärmeeinflusszone beschreiben. Auf der Grundlage des CET-Konzepts kann man ermitteln, wie das Material vorgewärmt werdenmuss, um Kaltrisse beim Schweißen zu vermeiden.ProWeld-Benutzer müssen die komplizierten Formeln nicht selbst beherrschen, sondern können den Kollegen Computer für sich arbeiten lassen. Über entsprechendeEingabemasken lässt sich einstellen, welche Stahlsorten und Blechdicken mit welchem Schweißzusatz gefügt werden sollen. Schweißverfahren und Nahtformen könnenaus einer Liste ausgewählt werden, wobei ProWeld die Werte für den thermischen Wirkungsgrad und die Nahtfaktoren gleich mitliefert. Aus diesen Daten errechnetProWeld selbsttätig Empfehlungen für die Vorwärm- und Zwischenlagertemperatur und die Wärmeeinbringung beim Schweißen. Die Ergebnisse, einschließlich dervertretbaren Toleranzen, werden grafisch in Gestalt eines zulässigen Arbeitsfelds für das Schweißen dargestellt. In einer weiteren Grafik präsentiert ProWeld den Einflussder Abkühlzeit t 8/5 auf die Höchsthärte in der Wärmeeinflusszone, sodass man hier z.B. die minimale Abkühlzeit ablesen kann, wenn man die Aufhärtung des Werkstoffsbegrenzen möchte.

Abb. 20: Computerprogramm „ProWeld“ (Quelle: ThyssenKrupp Stahl AG)

Zu den neuen Funktionen, die ProWeld neben der verbesserten grafischen Darstellung bietet, gehören z.B. die automatische Berechnung des Nahtfaktors für Kehlnähteabhängig von Streckenenergie und Blechdicke und die Abschätzungen zur Abkühlzeit von Kehlnähten aus unterschiedlich dicken Blechen. Auch die Berechnung derAbkühlzeit beim Lichtbogenhandschweißen auf der Grundlage des Ausziehverhältnisses ist neu im Programm. ProWeld kann auf einer CD-ROM kostenfrei beim „ProfitCenter Grobblech“ der ThyssenKrupp Stahl AG angefordert werden.

WeldCalcEin weiteres Computerprogramm ist von der Firma SSAB Oxelösund aus Schweden entwickelt worden. Das Programm „WeldCalc“ mit ähnlichem Inhalt kann ebenfalls beiSSAB kostenlos angefordert werden.

3.4.4 Vorgehensweise in der Praxis

Qualifikation der SchweißerDie Schweißer müssen eine Qualifikation nach DIN EN 287-1 für die Werkstoffgruppe nachweisen. Interne Schulungen und Unterweisungen der Schweißer überVorwärmen und ggf. Nachwärmen sowie die Einhaltung der geforderten Streckenenergie (Mehrlagentechnik) in Abhängigkeit von den verwendeten Werkstoffenmüssen laufend durchgeführt und dokumentiert werden.

SchutzgaseGrundsätzlich sind alle Schutzgase nach DIN EN 439 für die MAG-Schweißung geeignet, wobei die Gase der Gruppe M 1 nur in Ausnahmefällen zur Anwendunggelangen. Empfohlen wird ein argonreiches Mischgas mit 18 % CO2 und 82 % Ar. Der Einfluss der Schutzgase auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften ist zuberücksichtigen. Dies gilt umso mehr, je höher die Festigkeit und je tiefer die Einsatztemperatur ist.

EinflussfaktorenUm der Gefahr von wasserstoffinduzierten Rissen beim Schutzgasschweißen mit Massivdrahtelektroden Rechnung zu tragen, müssen die oben beschriebenenEinflussfaktoren eingehalten werden. Hier besteht zusätzlich die Gefahr von Einbrandkerben sowie Bindefehlern in den Nahtflanken. Der Nahtaufbau sollte an denNahtflanken begonnen werden, durch die nachfolgende Raupe kann dann die Wärmeeinflusszone günstig beeinflusst werden.

ZwangspositionenBeim Schweißen in Zwangspositionen sind geringere Zusatzwerkstoffdurchmesser zu empfehlen. Liegt die Bauteiltemperatur bei der Raumtemperatur, braucht zum Heften

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nicht vorgewärmt zu werden, wenn die Heftnaht später Bestandteil der Schweißnaht wird. Der Temperatur-Zeit-Verlauf ist für die mechanischen Eigenschaften derWärmeeinflusszone von großer Bedeutung. Die Empfehlungen der Grundwerkstoffhersteller auch hinsichtlich der Streckenenergie sind unbedingt zuberücksichtigen.Die hochfesten Feinkornbaustähle lassen sich infolge der eingestellten chemischen Zusammensetzung nach allen gebräuchlichen Verfahren sowohl automatisch als auchvon Hand schweißen.

Wichtige HinweiseZu beachten:

Die Strichraupen im gesamten Decklagenbereich müssen weich, also kerbfrei, ineinander und zum Grundwerkstoff hin flach auslaufen.Die Kehlnähte müssen eine konvexe Nahtform haben und absolut kerbfrei sein.Die Oberflächen von Schweißnähten dürfen beim Verputzen nicht angeschliffen werden. Die Schuppung muss sichtbar bleiben.Beim Verputzen dürfen keine Kerben in den Grundwerkstoff geschliffen werden.Das Abtrennen von An- und Auslaufblechen darf nicht durch Abschlagen erfolgen, sondern durch Abschleifen mit einer Trennscheibe.Die Stirnseiten der Schweißnähte sind bündig zu überschleifen, wobei die Schleifriefen in Spannungsrichtung verlaufen müssen (auf keinen Fall quer dazu).Beim Anschweißen von Rippen, Versteifungen etc. ist darauf zu achten, dass Endkrater nicht im Bereich der Ecken bzw. der stirnseitigen Umschweißung liegen,sondern ca. 20 mm innerhalb der Schweißnaht. Der Endkrater muss gefüllt und rissfrei sein.Heftstellen zum Anbringen von behelfsmäßigen Hilfsblechen oder Verstrebungen (Montagehilfen) sind nicht zugelassen. Hier sind ausschließlich schraubbareVorrichtungen zu verwenden.Fallnähte dürfen grundsätzlich nicht durchgeführt werden.

Abb. 21: Strichraupentechnik

ProdukthaftungVor der Aufnahme der Schweißarbeiten ist sicherzustellen, dass

eine gültige Herstellerqualifikation nach DIN18800-7, der geeigneten Klasse,eine gültige Schweißverfahrensprüfung (Qualifikation von Schweißverfahren) bzw. Arbeitsprobe (WPS) undmindestens zwei gültige Schweißerprüfungen

vorliegen.

SchweißnahtvorbereitungBeim Schweißen hochfester Feinkornbaustähle ist zu beachten, dass mit steigender Streckgrenze und zunehmender Wanddicke eine erhöhte Sorgfalt bei der Verarbeitungnotwendig wird. Die Schweißnahtvorbereitung muss so gestaltet werden, dass die Nahtfugen trocken sowie frei von Brennschneidschlacke, Rost, Zunder undVerunreinigungen sind.

HeißrissbildungDie Gefahr der Heißrissbildung ist wegen geringer Schwefelgehalte bei diesen Stählen gering. Dagegen sollte der Bildung von Terrassenbrüchen durch konstruktiveund/oder schweißtechnische Maßnahmen entgegengewirkt werden, z.B. durch die Verringerung der Spannungen.

Geringe WärmeeinbringungFür die hochfesten Feinkornbaustähle S 690 QL, S 960 QL und S 1100 QL sind die Verfahren Lichtbogenhandschweißen und Schutzgasschweißen aufgrund des geringenWärmeeintrags vorzuziehen.

LaserstrahlschweißenBei dünneren Blechen ist neben den konventionellen Verfahren das Laserstrahlschweißen wegen der sehr hohen Schweißgeschwindigkeit und der geringen WEZbesonders empfehlenswert.

KaltrisseDennoch muss beim Schweißen darauf geachtet werden, dass hochfeste Feinkornbaustähle kaltrissanfällig sind. Kaltrisse entstehen, wenn infolge schneller Abkühlungder Wasserstoff nicht aus dem Nahtbereich entweichen kann und durch eine Volumenzunahme des molekularen Wasserstoffs das Gefüge aufreißt.

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Kohlenstoffäquivalent CETNeben dem Wasserstoffgehalt des Schweißguts, dem Eigenspannungslevel und dem Wärmeeinbringen ist die chemische Zusammensetzung des Grundwerkstoffs,insbesondere das Kohlenstoffäquivalent CET, eine entscheidende Größe zur Beurteilung der Kaltrisssicherheit.

Freies SchrumpfenAufgrund des Wasserstoffgehalts im Schweißgut und des Eigenspannungszustands der Schweißkonstruktion kann es im Bereich der Schweißnaht zuwasserstoffinduzierten Kaltrissen kommen. Diese Gefahr nimmt mit der Blechdicke zu. Bauteile, die nicht frei schrumpfen können, müssen daher mit besonderer Sorgfaltbehandelt werden.

Art der WärmeführungDabei ist zu beachten, dass lediglich die Art der Wärmeführung wasserstoffinduzierte Kaltrisse verhindern kann. Dies bedeutet, dass die betroffenen Schweißnähte injedem Falle in einer gleichbleibenden Temperatur geschweißt werden müssen.

Unterbrechung des SchweißvorgangsSobald der Schweißvorgang für längere Zeit unterbrochen werden muss (Mittagspause) und die teilweise ausgeführte Schweißnaht unter 80 °C fällt, können diese Risseentstehen. Eine Fortsetzung der Schweißarbeit auch nach dem nachträglichen Wiederaufwärmen bedeutet ein unzulässiges Überschweißen eventuell schon vorhandenerRisse.Diese breiten sich dann durch das Schweißgut bis zur Oberfläche aus und können, in Abhängigkeit von der Blechdicke, zwischen 24 und 72 Stunden, beiSchweißkonstruktionen aus dicken Blechen (> 80 mm) auch später, auftreten.

Daher gilt:

Jede Schweißnaht muss komplett ausgeführt sein, bevor der Schweißvorgang unter- oder abgebrochen wird!

Unterbrechung der SchweißarbeitenIst dies aus fertigungstechnischen Gründen nicht möglich, muss die angefangene Schweißnaht während der Unterbrechung auf 120 bis 150 °C gehalten werden.

NachwärmenSchweißnähte an Blechdicken ≥ 20 mm müssen grundsätzlich sofort nach der Fertigstellung aus der Schweißwärme heraus nochmals auf 180 bis 200 °C aufgewärmt undmindestens vier Stunden auf dieser Temperatur gehalten werden.

Abb. 22: Nachwärmen mit Gasstrahler

Abb. 23: Nachwärmen mit Widerstandsglühanlage

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Abb. 24: Nachwärmen im Durchlaufofen

Daher gilt:

Alle Schweißnähte müssen in einer Wärme, d.h. gleichbleibender Temperatur, geschweißt werden!

Quer im SchweißgutWasserstoffinduzierte Risse verlaufen quer im Schweißgut und können unter ungünstigen Umständen über die WEZ hinaus in den Grundwerkstoff übergehen. Dasbedeutet, dass nach dem Ausschleifen dieser Risse die Nahtflanken unbedingt oberflächenrissgeprüft werden müssen! Eventuell im Grundwerkstoff noch vorhandeneRisse müssen ebenfalls ausgeschliffen werden. Dies führt zu sehr kostenintensiven Reparaturschweißungen!

FischaugenDer im Werkstoff gelöste atomare Wasserstoff kann sich im Bereich von gröberen Einschlüssen anreichern und zu molekularem Wasserstoff rekombinieren, was zumAufbau hoher lokaler Drücke führt. Es entstehen irreversible Schäden, die als Blasen, Flocken und Fischaugen bekannt sind.

OberflächenrissprüfungDie Oberflächenrissprüfung darf in Abhängigkeit der Blechdicke frühestens nach 48 Stunden nach dem Schweißen durchgeführt werden. BeiSchweißkonstruktionen aus Blechen ≥ 20 mm bzw. bei mehrachsigen Spannungszuständen muss die Liegezeit über 48 Stunden hinaus verlängert werden. DieUltraschallprüfung kann nach dem Erkalten sofort durchgeführt werden.Beachte:Über die durchgeführte Werkstoffprüfung an den Schweißkonstruktionen ist ein Prüfprotokoll zu erstellen und aufzubewahren. Die Zuordnung zum tatsächlichenBauteil muss sichergestellt sein!

Regeln zur Vermeidung

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Kaltrisse können wirksam verhindert werden, indem folgende Regeln berücksichtigt werden:

In Abhängigkeit von Nahtgeometrie, Werkstoffdicke und Stahlsorte ist vorzuwärmen.Die Nahtfugen sollten trocken und sauber sein.Nur trockene Stabelektroden, Pulver oder spezielle Elektroden mit sehr niedrigem Wasserstoffgehalt einsetzen.Schweißfolgepläne zur Vermeidung eines hohen Spannungslevels berücksichtigen.

Härte im Bereich der WärmeeinflusszoneEs muss weiterhin berücksichtigt werden, dass hohe Abkühlungsgeschwindigkeiten durch geringes Wärmeeinbringen beim Schweißen zu hohen Härten im Bereich derWärmeeinflusszone WEZ führen können und somit erhöhte Kaltrissgefahr besteht.

HärtewerteNachfolgend sind typische Härtewerte von hochfesten Feinkornbaustählen angegeben. Die Härtewerte wurden aus den mittleren Zugfestigkeitswerten von Kollektivender laufenden Produktion von ThyssenKrupp Stahl gemäß DIN 50150 umgerechnet.

Stahltyp Rm in MPa Härte HV Härte HB

S 690 MC (< 8 mm) 810 253 240

S 690 MC (> 8–15 mm) 840 262 249

S 690 QL (< 15 mm) 850 265 252

S 960 QL (< 15 mm) 1.050 327 311

ZähigkeitseigenschaftenBei der Einstellung zu niedriger Abkühlungsgeschwindigkeiten durch zu hohes Wärmeeinbringen werden zum einen die Zähigkeitseigenschaften verschlechtert und zumanderen wird die wärmebeeinflusste Zone verbreitert.

Die t8/5-ZeitDie t8/5-Zeit sollte je nach Schweißzusatzwerkstoff im Bereich von 5 bis 20 s., die Zwischenlagentemperatur in Abhängigkeit der Blechdicke im Bereich von 100 bis 200 °Cliegen.Empfehlungen für die t8/5-Zeiten und die Zwischenlagentemperaturen:

Stahlsorte/SZW t8/5-Zeit (s) Zwischenlagentemperaturen (°C)

S 690 QL/

G Mn4Ni1,5CrMo EN 125345–20 100–200

S 960 QL/S 1100 QL/

G Mn4Ni2CrMo EN 125345–10 100–150

Streckenenergie/ZwischenlagentemperaturBeim Schweißen von wasservergüteten und thermomechanisch umgeformten Feinkornbaustählen muss neben der Verwendung des richtigen Schweißzusatzwerkstoffsvor allem auf die Wärmeeinbringung (Streckenenergie, Zwischenlagentemperatur) und den Nahtaufbau (Mehrlagentechnik) geachtet werden. Die mechanisch-technologischen Eigenschaften des Schweißguts und der Wärmeeinflusszone WEZ werden maßgebend vom Temperatur-Zeit-Verlauf beeinflusst.

ComputerprogrammeDiese kann mit diversen Computerprogrammen und messtechnisch ermittelt werden. Dazu dient ein mikroprozessorgesteuertes Abkühlzeitmeter. Zum Messen derAbkühlzeit t 8/5 wird eine Sonde (Thermoelement) in das flüssige Schweißgut unmittelbar hinter dem Lichtbogen getaucht. Das Messgerät zeigt nun die tatsächlichenAbkühlbedingungen der Schweißraupe an. Bei Erreichen von 800 °C schaltet sich eine Uhr zu, die nun die Zeit bis zum Erreichen der Temperatur von 500 °C misst. Dienun angezeigte Zeit in Sekunden ist die Abkühlzeit t 8/5.

Abb. 25: Abkühlzeitmeter

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Abb. 26: Messen der Abkühlzeit

Abb. 27: Thermoelement nach der Messung

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