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Magic Wallpaper - das bisschen Haushalt

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Zum Düsseldofer Bücherbummel schauen wir uns an, welche Stufe der Haushalt und das Geschlechterverständnis inzwischen erreicht haben ...

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Das bisschen Haushalt ... Schuld hat wie immer ein Mann. Ein Bekannter schickte mir vor einigen Monaten einen Auszug aus einem amerikanischen Hausfrauenbuch, das 1955 auf den Markt gekommen war. Eher lustlos überflog ich die Grundsätze der guten Hausfrau, hielt auf halbem Wege inne und las noch mal. Jetzt langsamer und mit immer breiter werdendem Grinsen. Vor-ausschauend die Mahlzeiten planen, Lippenstift auflegen, ihm die Pantoffeln holen, Kinder zur Ruhe ermahnen, nicht über Dinge sprechen, die man auf dem Herzen – Moment. Ich las noch ein-mal, und tatsächlich, da stand: „Hören Sie ihm zu. Sie mögen ein Dutzend wichtiger Dinge auf dem Herzen haben, aber wenn er heim-kommt, ist nicht der geeignete Augenblick, darüber zu sprechen. Lassen Sie ihn zuerst erzählen – und vergessen Sie nicht, dass seine Gesprächsthemen wichtiger sind als Ihre.“ Neben: „Sie haben kein Recht, ihn in Frage zu stellen“, war der letzte Satz das Sahnehäubchen: „Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist.“ Was tun? Meinem Bekannten die Leviten lesen? Vor Lachen auf dem Boden rollen? Nein, viel besser, die Autoren befragen! Und was die sich dabei gedacht haben, lesen Sie hier in aller Ausführ-lichkeit. Übrigens suchen wir noch Geschäfte, in denen wir das Magic Wallpaper auslegen können. Sie haben zufällig eine Theke, auf der Sie ein paar Ausgaben platzieren möchten? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht!

bung

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Ja, jetzt wisst Ihr, warum HEUTE die Ehen nicht mehr so klappen! Dieses Handbuch hat es tatsächlich 1955 gegeben.

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Halbes Jahrhundert Ein halbes Jahrhundert liegt zwischen dem „Handbuch für Hausfrauen von 1955“ und der Gegenwart. Wir sind bereits die über-nächste Generation von Frauen und dieses Handbuch entlockt uns entweder ein mü-des Lächeln oder einen Empörungsschrei. Oft habe ich mich gewundert, wie meine Oma sich verhielt, wenn wir zusammen unterwegs waren. In Geschäften konnte sie ganz gut mit einer Verkäuferin über die Qualität eines Stoffes debattieren - sobald sie es jedoch mit einem Verkäufer zu tun hatte, reagierte sie in aus meinen damals jugendlichen Augen geradezu unterwürfig. Niemals hätte sie es gewagt, die Aussage eines Mannes in Zweifel zu ziehen. Bis heute kann ich diese Unterwürfigkeit der Frauen gerade dieser Generation ge-genüber den Männern nicht verstehen. Es handelt sich um jene Frauen, die nach dem Krieg Steine klopften, Ruinen wegräumten und wieder aufbauten. Sie haben ihre inva-liden Männer gepflegt, die aus dem Krieg heim kamen, wenn sie denn überhaupt heimkamen und haben weite Strecken ihres Lebens ganz ohne Männer zurück gelegt. Eigentlich hätte man hier starke Vertreterinnen ihres Geschlechtes erwar-tet, die um ihre Leistung wissen und die den Kopf entsprechend hoch halten. Wa-rum ist aber genau das Gegenteil der Fall? Verfolgt man die Politik dieser Zeit, so stellt man erstaunt fest, dass es gerade die Frauen waren, die sich zu dieser Zeit da-gegen aussprachen, dass ihre Geschlechts-genossinnen Politik machen. Natürlich gab es auch Ausnahmen - ich meine hier den Großteil der Frauen. Als moderne Ange-hörige dieses Geschlechts kann ich nur immer wieder den Kopf schütteln und Erklärungsansätze suchen. Dieses Hand-buch für Hausfrauen legt den Gattinnen nahe, Ihren Gatten geradezu wie einen Maharadscha zu behandeln. Sind es die lange Entbehrung der Kriegsjahre, die Wirren und das unbeschreibliche Chaos, das diese Frauen durchmachten, die sie dazu animierte, eine alte Ordnung, die in

ihrer verklärten Erinnerung einfach nur schön war, wieder herzustellen? Ist es der Schrei, der so lange vermisste Gatte und Vater möge nie wieder hinaus in den Krieg ziehen, um die vertraute Welt umzukrem-peln und alles, was lieb und teuer er-scheint in Frage stellen? Frei nach dem Motto: Stell ihn bloß nicht in Frage, dann stellt er vielleicht auch nichts in Frage? Mag sein, dass wir heutigen Frauen unver-ständlich auf diese Zeit blicken und uns sagen: Mein Gott, was für eine vertane Chance! Wie hätten diese Frauen damals die Welt verändern können, wenn sie nur das Zepter in die Hand genommen hätten - sie waren in den Nachkriegsjahren doch so sehr in der Überzahl! Haben sie aber nicht - vielleicht weil an dem „Zepter“ damals so viel schmutziges Blut klebte ... wer weiß? Heute sagt sie „du Schuft“ wenn er besof-fen nach Hause kommt damals hätte sie ihm lächelnd einen Kaffee gekocht - Heute sagt sie „du nervst mich“ wenn sie nicht zu Wort kommt damals hätte sie ihm mit kessem Wim-pernaufschlag stundenlang zugehört - Heute sagt sie nur „ich liebe dich“ wenn sie es so meint damals hätte sie es aus Anstand auf jeden Fall gesagt - ???gute alte Zeit???

(Steffi Mayer-Teegen)

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Anleitung zur Handhabung eines Samenspenders für ca. 2 ½ Jahre potentieller Verwendbarkeit bis zur Entsorgung (aus: How to keep yourself attractive and save your present relationship until you get yourself pregnant, May 2009)

Essen Sie alle Einkäufe auf, bevor er nach Hause kommt. Legen Sie ihm drei Salatblätter und ein Stück Harzer Stinkekäse (österr. Quargeln) auf einen Teller und sagen Sie ihm, für mehr hätte es bei dem Stress mit Klempner, Postbote und Versicherungskaufmann nicht gereicht. Drücken Sie ihm einen Zehner in die Hand und schicken Sie ihn zur Entspannung zu Mc Donalds. Sagen Sie ihm, er könne sich ruhig Zeit lassen (Sie wissen ja sowieso, dass heute nicht Ihr Eisprung ist und möchten lieber ‚Desperate Houswives’ schauen). Empfangen Sie ihn in Slip und ausgebeul-tem T-Shirt aus seinem Kleiderschrank. Sagen Sie ihm, Sie bräuchten dringend mal wieder etwas zum Anziehen. Verschmieren Sie vorher absicht-lich Ihre Wimperntusche und sagen Sie ihm, beim anstrengenden Entrußen der Heizanlage im Keller wären Ihnen vor Erschöpfung die Tränen ge-kommen. Nach der täglichen Runde Nacktputzen, die Sie aber schon vormittags erledigt hätten, wäre er jetzt dran mit bügeln. Pampen Sie ihn als Ausdruck ihres abge-wrackten nervlichen Zustandes erst mal gehörig an, warum der Mülleimer von gestern noch nicht entleert wurde und warum er es in seiner 15-minütigen Mittagspause nicht geschafft habe, die bestellten Konzertkarten aus der Innenstadt ab-zuholen. Brüllen Sie ihn an, dass er nicht mal an Ihrer allgemeinen Weiterbildung interessiert sei. Verteilen Sie die Schmutzwäsche der ver-gangenen Woche in Wohnzimmer und Flur. Kip-pen Sie aus ‚Versehen’ die morgens angefangene Flasche Rotwein aufs Laminat, um einen Eindruck von Abgespanntheit und Überlastung zu erwe-

cken. Nehmen Sie am nächsten Tag statt Schmutzwäsche die Gemüseabfälle oder die Es-sensreste aus dem Kühlschrank sowie den Eierli-kör von Weihnachten, so bleiben Sie interessant, unvorhersehbar und eine Quelle der inspirativen Abwechslung. Lassen Sie in Küche und Esszimmer rein zufällig stapelweise verschiedene Blätter der Bea-te-Uhse-Scharfe-Kerle-Kalender herumflattern und vergessen Sie versehentlich Ihren Billy Boy XL-Soft-Silikon-G-Spot-Hummer ungewaschen in der Obstschale. Geben Sie sich einen Hauch edel-schlampiger lasziver Verruchtheit, indem Sie drei Tage lang Ihre Füße (und andere Körperteile) absichtlich nicht waschen und vorgeben, sie hät-ten im Zustand der Versunkenheit lange und aus-giebig Tantra-Übungen und autogenes Training zur Selbstmedikation gemacht. Stellen Sie im Winter gegen Mittag die Heizung ab und sagen Sie, sie sei defekt oder das Öl alle, und deshalb hätten Sie den ganzen Tag in der manuell warmwasserzubereiteten Badewanne oder im Bett liegen müssen, um nicht zu erfrie-ren. Geben Sie ihm das Gefühl, ihr basales Über-leben sei abhängig von seinen spontanhandwerkli-chen Fähigkeiten. Bei Versagen brüllen Sie ihn an, er sei zu nichts nütze. Verprügeln Sie kurz vor seiner Ankunft die Kinder, kippen ihnen flüssiges Uhu in die Haare lassen sie sie noch schnell sämtliche Softeisvorrä-te aufessen. Dann bitten Sie ihn, sich endlich auch einmal an diesen so wichtigen aber ungleich schwierigen Tätigkeiten wie Haarekämmen zu beteiligen, damit er mal sehe, wie schwer sie es

haben. Schmeißen Sie ihm direkt vor dem Nie-derlassen auf die Fernsehcouch den nassen Wischlappen aufs Haupt mit der Androhung, wenn er nicht SOFORT den Dreck, den er eben beim Hereinkommen verursacht habe, selbst wegwische, würden Sie unverzüglich die Schei-dung einreichen, damit Sie an Ihren Zugewinnausgleich kämen. Sagen Sie ihm, er solle endlich das Maul halten; schließlich hätte er ja den ganzen Tag schöne Abwechslung mit seiner Sekretärin beim Diktat gehabt. Erzählen Sie ihm brühwarm von

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der versuchten Brandstiftung Ihres Jüngsten, von der zerbrochenen Fensterscheibe beim Nachbarn durch den Mittleren und von den drei Sechsern auf dem Abschlusszeugnis der Tochter. Vergessen Sie nicht, ihm lautstark Vorhaltungen wegen sei-ner nicht vorhandenen Erziehungsfähigkeit zu machen. Laden Sie möglichst häufig zur abendlichen Tupperparty ein. Lassen Sie ihm von Ihrer besten Freundin die Vorzüge der Jungen Welle, des BrotMax und des Prima Klima erklären. Schicken Sie ihn anschließend in die Küche, um für die Damen Appetizers vorzubereiten. Vergessen Sie nicht, seine Mutter zu den Tupperparties einzula-den. Sie wissen zwar, dass er in einer Pflegefamilie groß wurde und seine Mutter wegen Kindes-misshandlung und Ver-nachlässigung im Knast saß, aber Ihre Freundinnen finden so etwas interessant. Quartieren Sie min destens drei Ihrer alkoholisierten Freun-dinnen zur Nacht in seinem mit reichlich Papierkörben ausges-tatteten Büro ein, damit sie nicht die Gästetoilette vollkot-zen müssen und auch mal in Ruhe die ge-heimen Geschäfts-unterlagen studieren können. Bombardieren Sie ihn mit Befehlen wie “Mach dich vom Acker!“ oder „Krepier doch endlich!“, um ihm zu zeigen, dass Sie ein ehrli-cher, aufrichtiger Mensch sind und noch nichts an Authentizität eingebüßt haben. Lassen Sie überall schmutzige Putzwasser-eimer stehen und breiten Sie auf sämtlichen Sitz-möbeln fein säuberlich Ihre frisch gebatikten Wandbehänge zwecks Trocknung aus. Weisen Sie ihn an, alternativ auf dem Fliesenfußboden zu loungen und für seinen Yogatee gefälligst das ge-sammelte Wasser aus der Regentonne im Garten zu benutzen. Vergessen Sie nicht, laut und deutlich zu brüllen, damit er nicht schon vor der Tagesschau einschläft, und zwingen Sie gleichzeitig Ihre Kin-der zum Sponge-Bob-Gucken. Stellen Sie den Fernseher in einer Lautstärke an, dass auch Ihre Nachbarn und die beiden Reihenhäuser drei Hausnummern weiter noch etwas davon haben.

Falls er auf dem Boden einschläft, reißen Sie sämt-liche Fenster sperrangelweit auf. Dies ist beson-ders bei Sturmböen im Herbst ein belebendes Mittel. Während er schläft, entfernen Sie unauffäl-lig die Überwachungswanze an seinem Hemdkra-gen, verteilen ein paar Achselhaare Ihrer besten Freundin auf seiner schwarzen Hose und kippen dreißig Tropfen Eau de Cologne von Tante Luise auf seinen Anzug. Wenn er wach wird, haben Sie so auch ohne Eisprung die Grundlage und inte-ressanten Gesprächsstoff für einen temperament-voll-italienischen Abend. Vergessen Sie nicht, bevor Sie so richtig loslegen, eine Standleitung zur Hotline 110 zu

legen. Wenn Sie all diese Ratschläge

kontinuierlich und gezielt be-folgen, bleiben Sie bis zum Einsetzen Ihrer Schwangerschaft und den dann parallel stattfin-denden Schei-

dungs-vorbereitungen

ein stets attrak-tives weil un-nahbares Objekt der Begierde für

Ihren ausgehungerten Partner, der Ihnen seine ungestillten Sehnsüchte mit einer hohen Treue-prämie, sprich: Abfindung zur Beschleunigung des Scheidungsvorganges danken wird. © Franziska Röchter ... mehr von Franziska Röchter: www.franzis-Litfass.de und in der Anthologie „Unglaubliche Begegnungen II“, erschienen im Schweitzerhaus Verlag, ISBN 978-3-939475-09-5

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Lehrbuch für die gute Hausfrau 21. Mai 2009. Just zum Vatertag fällt mir ein hochinteressantes Fachbuch in die Hände. Eigentlich ist es ein Lehrbuch. Es ist Das Handbuch für die gute Ehefrau. Dass es im Jahr 1955 und dann noch in der teilweise, ich sag mal diplomatisch: konservati-ven USA herausgegeben wurde, spielt vielleicht nicht die Rolle, die moderne Freidenker hineindeuteln würden. Jenen möchte ich zurufen: Welche Freiheiten gäbe es für den neuen Mann? Doch ich will nicht zu weit ausholen. Vatertag mit seinen Unsitten ist vorbei und solche Zoten sollten der Vergangenheit angehören. Aber tun wir doch ein-fach so, als wäre jetzt für 20 Minuten Vatertag. Wie könnte die Ehe einer solchen guten Hausfrau aussehen? Vielleicht gäben diese 20 Minuten sogar ein als Musterbei-spiel für heute?

1. Szene: Er kommt nach Hause. Sie: Geliebter, ich habe mich so nach dir gesehnt. Er: (brummt) Sie: Deine Lieblingsspeise ist fast fertig. Gib mir nur erst deine schwere Aktentasche. Er: (gibt ihr die Aktentasche) Was ist denn das für ein Fummel? Sie: (dreht sich stolz) Kam heute. Babydoll. Man sieht fast alles, aber doch nichts. Er: (guckt) Mmh.Die Praktikantin kam heute mit heißen Höschen. Sie: (zieht ihm mit Schmollmund das Jacket aus) Er: (grinst) Naja, einige Klapse hat sie schon aushalten müssen… aber lassen wir das. Was

gibt es zu essen? Sie: Ich habe dein Lieblings-vier-Gänge-Menü bereitet. Es beginnt mit einer … Er: Dann schieb deinen Babydollarsch schon in die Küche, ich hatte einen anstrengenden Tag. Sie: Ich weiß, Liebling. Er: (schaut in die Töpfe und macht sich ein Bier auf) Sie: Gleich ist alles fertig (lockert ihm die Krawatte) Er: Wenn du mich wirklich liebst … Sie: Ja? Er: Und mir wirklich was Gutes tun willst … Sie: Ja, geliebter Mann? Er: Dann hau mir schnell noch einen Leberkäse auf `ne Semmel. Aber mit viel Ketchup. Sie: (erschrickt) Er: (sässt sich auf das Sofa fallen und schaltet den Ferseher ein)

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Sie: (sprachlos) Er: (schaltet wahllos durch die Programme) Sie: (sucht im Kühl-schrank) Er: (wütend) Warum geht die Fernbedienung nicht? Sie: Soll ich dir den Na-cken etwas massieren, Liebster? Er: Wohl zu viel Haus-

frauenfernsehen ge-guckt? Dabei ständig zu den Talkshow um-geschaltet. Von ech-ter Arbeit hast doch du keine Ahnung.

Sie: Ja, Liebster. Er: Die Batterien sind schon wieder leer. Sie: Das tut mir leid. Entschuldige bitte. (reicht ihm die Leberkässemmel) Er: (schaut sie herausfordernd an) Muss das ausgerechnet jetzt sein? Sie: (sie schuldbewusst zu Boden) Er: Los, beeil dich wenigstens, wenn du schon weißt, dass du langsam bist. Sie: (beginnt eine zarte Nackenmassage) Er: Quatsch! Hol Batterien. Sie: Jetzt? Er: Wann denn sonst? Etwa heute nacht? Mit dem Fummel nachts beim Einkaufscenter rum-

lungern. Das würde dir gefallen. Aber nicht mit mir! Du bist meine Frau und anständig! Sie: Ich meinte nur … Er: Ist doch sowieso egal. Du gehts jetzt! Sofort. Sie: Und das Essen? Er: Vergiss nicht die Chips. Sie: Soll ich vorher servieren? Dann könntest du mit dem Essen schon mal anfangen. Du

musst ja einen Bärenhunger haben nach der schweren Arbeit. Er: Und ein Sechserpack Bier. Sie: Die Vorspeise ist schon fertig. Er: Aber nicht die olle Plörre. Schon das gute Dunkle. Sie: Ja, Liebster. Er: Am besten doch einen ganzen Kasten, der Abend ist ja noch lang. Und ein paar Tüten

Knabberzeug. Nicht nur so ein Probiertütchen. Sie: Ich geh mich schnell umziehen. Er: Wieso das? Sie: Ich kann doch unmöglich so gehen? (sieht an sich herunter) Er: Bei dir achtet da bestimmt niemand drauf. Habe ich dir schon von der Praktikantin er-

zählt? Die hat so … (er versuchte mit beiden Händen etwas Rundes anzudeuten) … ach, das begreifst du sowieso nicht. Jetzt hau ab.

Sie: Ich ziehe mich um! (dabei stapfte sie trotzig mit einem Fuss auf) Er: Regenmantel drüber reicht. Und los. (Eine Handbewegung zur Haustür zeigt, dass die

Diskussion beendet ist) Sie: Dreh bitte das Essen etwas runter. Er: (brummt)

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2. Szene: Eine halbe Stunde später schleppt sie sich mit einem Kasten Bier und einen großen Einkaufskorb voller Knabbereien zur Tür herein. Sie: Ich habe alles bekommen. Er: (guckt desinteressiert) Mit Schal? Sie: Wegen dem, du weißt schon (und deutet auf ihr Dekolleté). Er: (greift sich eine Tüte Chips) Sie: Ich trag den Kasten Bier gleich in den Keller. Er: Bist du verrückt? Sie: Aber Liebster. Er: In den Kühlschrank damit. Du lernst es nie! Sie: Ich tu alles, was du willst. (verführerisch lässt sie ihren Regenmantel herunterrutschen.

Das Babydoll kommt wieder zu Vorschein.) Er: Räum den Mist weg (dabei deutete er auf Bier, Mantel, Einkaufskorb), dann komm zu mir. Sie: Ja mein lieber Mann. Er: (reißt die Chipstüte auf und legt sie griffbereit neben sich auf die Couch) Sie: O ja, dann machen wir es uns so richtig gemütlich. Er: (greift sich eine Handvoll Chips) Sie: (kommt zurück und will sich neben ihren Mann setzen) Er: Weg da. Da ist kein Platz, Da liegen meine Chips, siehst du das nicht? Sie: (ratlos) Wo darf ich mich hinsetzen? Er: (zeigt vor sich auf den Boden) Sie: (setzt sich vor ihn und legt ihren Kopf auf sein Knie) Das schöne Essen ist verkocht. Er: Quatsch nicht. Sag lieber, was du heute aus dem Handbuch für die moderne Hausfrau auswenig gelernt hast. Wenn du deine Sachen kannst, mache ich es dir dann noch gemütlich. Sie: (sieht ihren Mann freudig an, wie eine Schülerin) Er: Regel 2? Sie: Die aufgeweckte Hausfrau macht sich für den heimkehrenden Ehemann schick. 15 Minu-

ten vorher Make-Up auffrischen, damit man für den erschöpften Ehemann adrett aus-sieht.

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Er: (schaut zu ihr hinunter, zupft am Babydoll) Naja, lass ich mal durchgehen. Sie: Danke! (lächelt) Er: Regel 15? Sie: Die gute Ehefrau ist glücklich, ihren Mann zu sehen. Sie begrüßt ihn mit einem warmen

Lächeln und zeigt ihm, wie aufrichtig sie sich wünscht, ihm Freude zu bereiten. Er: Regel 23? Sie: Beklagt sich nicht, wenn er spät heimkommt oder die ganze Nacht ausbleibt. Nimmt dies

als kleines Übel, verglichen mit dem, was er tagsüber durchgemacht hat. Er: Genau, merk dir das auch. Sie: Regel 25 lautet, schieben Sie ihm sein Kissen zurecht und bieten Sie ihm an, seine Schuhe

auszuziehen. Sprechen Sie mit leiser, sanfter und freundlicher Stimme. Er: Dann mach das auch (zeigt auf seine Schuhe). Die Investition in das Handbuch für die

glückliche Ehefrau soll doch nicht für die Katz gewesen sein. Sie: (schnürt seine Schuhe auf und stellt sie ordentlich beiseite. Dann beginnt sie, seine Ze-

hen zu massieren) Er: Gut so. Und die wichtigste Regel? Sie: Sie haben kein Recht, ihn in Frage zu stellen. Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz

ist. Er: In Ordnung. Jetzt hol mir noch ein Bier und dann räum deine Küche auf. Jetzt ist Bundes-

liga - keine Störungen, verstanden? Sie: (eilt in die Küche)

3. Szene: Stunden später. Er: (schaltet den Fernseher aus) Weibchen, du kannst deinen Fummel ausziehen, jetzt gehts

in die Heia. Du hast dir deine Gemütlichkeit verdient. Sie: Du spinnst wohl, Alter. Er: (guckt mit stierigem Blick hoch) Sie: Weißt du, wie spät es ist? Er: (schüttelt den Kopf) Sie: Mitternacht. Weißt du was das heißt? Er: (nickt) Sie: Saugen und wischen. Damit der Müll hier wieder verschwindet. Das sieht hier ja aus wie

im Schweinestall! (kratzt sich provoziernd im Schritt.) Er: (springt auf und will die Putzutensilien holen) Sie: Es reicht, wenn du eine Schürze trägst. Er: (grinst) Unser 24-Stunden-Spiel ist doch `ne geile Sache? Sie: (sieht ihn scharf an) Kein Spiel für dich. Und jetzt mache keine Krach bei der Arbeit -

Sissi wird wiederholt. Er: Ja, geliebte Ehefrau. Sie: Anschließend diktiere ich dir weiter das Handbuch für den perfekten Ehemann. Es wird

Zeit, dass sowas auch Mal veröffentlich wird! Er: (bewundernder Blick) © Michael Milde, http://blog.fragmente-literatur.de/, mit freundlicher Genehmigung. Fotos aus der Serie „Und wer räumt auf?“ von B. Unghulescu

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Trip to Fairy Country Es gibt Buchtitel, die sofort verraten, in welches Genre sie gehören. So auch „Amora. Feenland in Gefahr“. Das Buch habe ich schon öfter in der Hand gehabt, aber nicht gelesen Eigentlich bin ich aus dem Alter ja raus – Feen! Zauberer! Fliegende Pferde! Ich bitte sie!

Dann kam aber der nächste Sonntag, um genauer zu sein: der Muttertag-Sonntag, und das Wetter war schlecht. Meine Familie hatte ebenso schlech-te Laune, ich hatte keine Lust zu kochen – war ja mein Ehrentag – die Kleinen quengelten. Und da lag diese DVD, die ich mir doch gefälligst zu Ge-müte führen sollte. Nun ja. Wie Kinder so sind, lauschen sie vom ersten Moment an hingerissen. Ich trank noch in Ruhe meinen Kaffee aus und hörte eher beiläufig hin. Susi bekommt Besuch von Feenprinzessin Jasmi-nia und wird sofort nach Amora mitgenommen. Tja, und dann kam das mit der Musik. Passend zur Geschichte eingesampelt, ruhige Klaviermusik. Gefiel mir, mal was Neues, also hörte ich weiter zu, bis ich nicht mehr aufstehen wollte. Denn was anfangs wie die x-te Wiederholung vom Herrn der Ringe aussah, entwickelt vom ersten Moment an eine Dynamik, die mir schier den Atem nahm. Da gehen Elfen und Trolle zusammen los, um einen bösen Fluch zu bannen. Sie wollen nicht mehr in Kristallstatuen und schwarze Felsen ver-wandelt werden, weshalb sie Mangragora, das Nachbarland Amoras, durchqueren müssen. Und da ist noch ein bisschen mehr, das mich aufhor-chen lässt. Nicht, dass Susi plötzlich über zauberi-sche Fähigkeiten verfügt, damit hat man ja fast schon gerechnet. Aber es kommt zu folgender Szene: Die Gruppe muss über steile, verwitterte Stufen absteigen, während über ihnen giftige Regenwol-ken schweben und abzuregnen drohen. Susi und Krawutz, ein Troll, laufen direkt hintereinander, als Krawutz stolpert und von Susi aufgefangen wird. Und in dem Moment blickt sie nicht in die Augen eines Trolles, sondern in die Seele eines Wesens, das so lebendig ist wie sie selbst, das Wünsche und Gefühle hat, das etwas riskiert und ihr im puren lebendigen Sein gleicht. Es gibt in diesem Moment keinen Unterschied mehr zwi-schen Feen, Trollen und Menschen, sondern sie sind EINS. Das Wort „eindrucksvoll“ ist zu schwach, um diese Szene zu beschreiben. Man blickt mit Susi in Krawutzens Augen, Musik setzt ein, Susi spürt in sich den ersten Zauberspruch aufsteigen und be-

siegt damit die tödlichen Wolken. Es ist ein bisschen so, als habe der Zuhörer gerade selbst einen Zauber gewirkt, denn mir rauscht eine Gänsehaut über den Rücken. Spätestens jetzt will ich um keinen Preis mehr aufstehen, sondern noch mehr davon hören. Und tatsächlich kommen noch viele solcher Momen-te. Die Durchquerung verschiedener Landstriche, Wüsten, Seen, Moorlandschaften, und die erste zarte Liebe zwischen Susi und Menhir, dem Waldmen-schen, lassen mich seufzen. Welche Strapazen. Aber auch: Welche Gefühle offenbaren sich da! Ganz ohne kitschig zu werden, sondern echt, bodenständig, ein-fühlsam. So, wie man sich die erste Liebe vorstellt … Ich verrate Ihnen nicht, wie die Geschichte endet, zumal das Ende ziemlich überraschend ist. Eines kann ich Ihnen aber jetzt schon sagen: Es bleibt etwas zu-rück, das man nur aus Kinofilmen kennt. Die DVD endet, man sitzt etwas benommen da, hört noch die letzten Akkorde der Musik, spürt, wie Susi ganz all-mählich verschwindet und die Sehnsucht nach Amora zurücklässt. Ganz so, wie man es von einer guten Fantasy-Geschichte erwartet. Inhaltlich ist die Geschichte für Kinder ab 8 geeignet, aber auch Erwachsene sollten sich Zeit dafür neh-men. Viele schöne Erinnerungen sind beim Hören wach geworden. Allen, die sich ein bisschen in ihre Jugend zurücksehnen möchten, empfehle ich noch das Buch zur Hör-DVD mit vielen Bildern. Einfach mal Zeit nehmen!

B. Unghulescu

Kerstin Surra, Katharina Ende: Amora. Feenland in Gefahr, Band I. 128 Seiten, Hardcover, 12,50 Eur (D), ISBN 978-3-939475-30-9 Kerstin Surra, Katharina Ende: Amora. Die verlorene Stadt, Band II. 128 Seiten, Hardcover, 13,50 Eur, (D), ISBN 978-3-939475-31-6 Beide Bände erschienen im Schweitzerhaus Verlag.

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Unbedenkliche Quantität in Mainz Ich mag keine Zahlen. Deshalb schaue ich gar nicht so genau hin, als der Wecker klin-gelt. Ich weiß auch so, dass es halb vier ist, also halb vier in Dunkelheit, mitten in der Nacht. Da steht kein Schwein auf! Wir sind zu dritt und quälen uns aus den Betten. Der Tag soll heiß werden, momentan hat es noch luftige 12 °C im Schatten. Ha ha, blöder Witz, wo keine Sonne ist, kann auch kein – aber lassen wir das.

Um kurz nach sechs falle ich im ICE von Nürnberg nach Mainz in eine Stunde Tief-schlaf und träume davon, die Stadt mit ihrem 1000-jährigen Dom wiederzusehen. Das letzte Mal war es kalt, Anfang De-zember, Weihnachtsmarkt und ich habe nur die Rheingoldhalle von innen gesehen. Ein paar Tausend Leute waren da. Ob das jetzt auch so wird? - Aber ich schweife ab. Eigentlich geht es um Literatur. Unsere Verlegerin hat uns auf die Piste geschickt. Wir sollen mal was Anderes machen als „Nabelschau“, damit wir schreiben lernen. Wir können schreiben! Aber sie meint das wohl eher inhaltlich. Und weil wir unsere Verlegerin mögen und die Fahrtkosten erstattet bekommen, tun wir, was sie sagt. Also Mainzer Literaturfestival. Minipres-senmesse. In umgekehrter Reihenfolge. Mainz empfängt uns mit Sonnenschein und Kaffeeduft. Wir stürzen uns sofort in die nächste Bäckerei, decken uns mit Latte macchiato, Nugathörnchen und belegten Brötchen ein und ziehen los zum Rhein. Einer meiner Mitfahrer, nennen wir ihn Udo, preist die Vorzüge der Wasserstra-ßen und rattert wichtige Geschichtszahlen herunter. Ich habe sie vergessen, denn auch hier werde ich nicht anfangen, freudig mit Zahlen zu jonglieren. Rafaella hängt an seinen Lippen, während ich meine an ein Laugencroissant schmiege und schon mal in Gedanken die Schlagzeile kreiere:

Autoren beim Rezitieren der Schlacht am Rhein

von Ausflugsdampfer auf der Großen Bleiche überrollt

Die Große Bleiche ist eine fette 6-spurige Straße, die um den Mainzer Stadtkern herumführt. Da lohnt es sich, die eigene Person zu Geschichte werden zu lassen. Aber ich will nicht ungerecht sein. Ist

schon interessant, was Udo erzählt, zumal wir so wesentlich schneller den Weg zum Rhein finden. Allein – es ist erst halb zehn, also sechs Stunden später, und das Zelt zur Mini-pressenmesse ist noch fest verschlossen. Während wir in der Sonne schmausen, stößt Erik zu uns. Der heißt wirklich so und schreibt Science Fiction. Wir teilen unseren Kaffee mit ihm. Wir haben einen Auftrag, und wie wir erfahren, hat Erik sich selbst darauf angesetzt, ein wenig hier zu stöbern. Also gut. Gehen wir. Ich bin noch einiges gewöhnt von der Leipzi-ger Buchmesse. Dort waren wir dazu verdon-nert worden, vor Tausenden von Menschen zu lesen. Na ja, vielleicht nicht ganz so viel … Aber wir bringen ein gerütteltes Maß Messe-erfahrung mit. Zielsicher finden wir auch so-fort den Stand, an dem wir unsere Bücher auslegen sollen. Das hatte unsere findige Ver-legerin mit dem Aussteller arrangiert. Aller-dings ist der nette ältere Herr am Stand nicht derjenige, mit dem sie das Arrangement ge-troffen hat, und schon lernen wir die Gepflo-genheiten der Mainzer Minipressen-Messe kennen: Wer kommt, kriegt seinen Stand, wer nicht kommt, muss sich auch keine Sorgen machen, denn jemand anders wird an seine Stelle gesetzt und darf seine Waren anpreisen. Manchmal wird auch einfach so getauscht,

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sodass der Plan am Zelteingang eher der Auftakt zu einer interessanten Schnitzel-jagd sein könnte, wenn wir ihn denn noch beachten würden. Seufzend falten wir also die lange Liste der Leute, die wir eigentlich kontaktieren sollen, zu einem wunder-schönen Papierschiffchen und lassen es den Rhein hinunter segeln. Sorry, Frau Verlegerin! Aber drei Autoren auf der Walz können kein Trübsal blasen, schon gar nicht, wenn ein vierter dazustößt und in bewährter Kombination alte Traditionen aufleben. Anarchie ist für uns kein Problem, wir kapern den letzten freien Tisch. Dann ste-hen wir da. Voller Tatendrang, jeder Men-ge guter Laune und mit Kaffeeflecken auf den T-Shirts. Ver-kaufen ist schließlich auch was Feines! Halt, etwas fehlt noch: Das neue Sägeblatt. Das soll irgendwo in Mainz im Pengland lagern. Dank Google habe ich einen Plan aus-gedruckt, der aller-dings die wichtigen Straßennamen weggelassen hat. Shit hap-pens. Udo, der nicht nur viel erzählen kann, sondern auch schon mal in Mainz gewohnt hat, wird aktiv. „Wir zwei ge-hen“, bestimmt er. Links den Plan, rechts die Hand zu drama-tischen Ausführungen erhoben, ziehen er und ich also los. Wir lernen viele nette Mainzer kennen, die uns fröhlich in viele verschiedene Richtungen schicken, denn das Pengland ist weitestgehend unbekannt. Nach einer gefühlten Suchzeit von 3 Stun-den, oftmaligem Überqueren der Großen Bleiche und mindestens 40 °C auf der Kopfhaut entdecken wir es in einer Sei-tengasse. Und finden innerhalb von 10 Minuten zurück zum Messezelt. (Wir sind praktischerweise einmal um die Stadt ge-laufen, aber wann hat man sonst die Gele-genheit, etwas zweckgebunden zu erkun-den?) Unsere Verlegerin wird für den

nächsten Zwangstrip einen Faltplan lockerma-chen müssen. Ja, und dann stehen wir da und fragen uns, wie wir unsere Bücher hier verkaufen sollen, wo die so konventionell aussehen und die ande-ren Aussteller so coole Sachen haben wie eine Medea auf Einssiebzig (Buchseitenmaß). Oder Klaviertasten auf alte Liederbücher ge-klebt. Bücher aus Spanien. Schräge Editionen (mit schief abgeschnittenen Buchseiten). Handgedruckte, büttengeschöpfte, bunt ver-zierte, liebevoll geklöppelte (O-Ton Raffaella) Druckerzeugnisse, Folianten, Hardcover, Le-porelloalben, Paperbacks, Taschenbücher, Sammelbände, Schmöker, Wälzer, Schwarten, Schinken, Broschuren. Unter einem Plastik-zeltdach bei 32 °C in Mainz am Rhein. Einfach

so. Und alle gehen hin! Wir schauen uns an, Udo, Rafaella und ich, während Zahlenkolonnen durch unsere Pupillen rattern und sich in Nichts, Nien-te, Null auflösen. Hier also wollen wir gegen diese Übermacht an ech-ter Kreativität ankom-men? Schaffen wir nie. Unsere Verlegerin wird

nie reich (und wir auch nicht), jedenfalls nicht so. Unser kollektives Autorenselbstbewusst-sein stürzt sich verzweifelt ins Gespräch mit dem Tischnachbarn, der sich als Buchdrucker entpuppt und die ganze Sache lässig belächelt. Reich werden will hier doch auch niemand. Das ist eine Non-Glamour-Veranstaltung, da geht es um Literatur bis auf die Knochen. Nicht um Zahlen. Wer verkauft, hat Glück, der Rest stellt einfach aus, weil es Spaß macht. (Erhelltes Gruppenschlucken.) Ach ja. Spaß. Da war doch noch was ... Bei Schokoriegel und eisgekühltem Wasser kommen wir ganz langsam auf den Boden zu-rück, und, na ja, so ganz blöd stehen wir doch nicht da, denn es gehen noch ein paar Bücher über den Tisch, zur allgemeinen Erleichterung. Insgesamt 6, wobei uns auffällt, dass uns diese Zahl verfolgt (Abfahrt in Nürnberg um 6 Uhr, 6-spurige Große Bleiche, 6 verkaufte Bücher). Rafaella legt spontan ein Luftgitarrensolo zu

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„The Number of The Beast“ von Iron Maiden hin, was ihr zusätzliche Schweiß-perlen und wunde Stimmbänder, uns Bauchmuskelkrämpfe beschert. Um das Zahlenmuster zu durchbrechen, räumen wir bereits um 17 Uhr Tisch und Zelt und wandern hinüber zum Pengland. (Karto-grafisch erneut im Zickzack-Stil.) Nur um zu erfahren, dass die eigentliche Sause im DGB-Keller abgeht. Mit hängenden Zun-gen ziehen wir weiter, inzwischen ist unse-re Truppe auf drei geschrumpft, da Erik seinem alten Wohnsitz Lebewohl gesagt und seine Bücher wieder eingesackt hat. Und dann – endlich der DGB-Keller. Kalt wie eine Kellerbar, schummrig und gruftig und überhaupt ganz im Stil der alternati-ven Szene mit alten Sesseln und improvi-sierter Theke. Und es ist sechs bzw. 18.00 Uhr geworden. Unsere Köpfe sind schwer von Buchstaben, Sonne und „Alternati-vem“, aber wir setzen uns tapfer in die Veranstaltung und sind zutiefst erschüt-tert. Denn kaum hat der erste Vortrag begon-nen, klickert es in unseren Gehirnwindun-gen. Da werden Texte vorgetragen, die man weder bei Thalia noch bei einem an-deren gängigen Buchhändler finden wird. Und das Furchtbare ist: Sie werden wohl nie dort landen, wo die breite Masse sie überhaupt finden kann, weil sie zu gut sind. Schlichtweg zu genial für den allgemeinen Gebrauch. Dabei handelt es sich nicht mal um verschlungene lit-wissenschaftliche Abhandlungen, die einen Reich-Ranicki vor seiner biografischen Verfilumg entzückt hätten, sondern – ja, was eigentlich? Man kann es nicht beschreiben. Wir fühlen uns auf einmal ganz klein, denn unsere Texte sind zwar von unserer Verlegerin mit offe-nen Armen aufgenommen worden („Sie haben ein Gespür für Worte! Da kann man noch mehr rausholen!“), aber sie wir-ken so trivial, langweilig neben dem, was wir da hören, dass wir am liebsten unsere Büchertaschen in einer geheimen Ecke vergessen würden. Später wird uns unsere Verlegerin am Telefon trösten: „Eure Tex-te muss es auch geben, glaubt mir! Ihr könnt gerne trivial schreiben, solang eure

Texte gut sind!“ Ha, eine Runde Konfuzius für alle oder was? Rafaella bringt es schließlich im Zug bei der Rückfahrt auf den Punkt. „Wir schreiben auch gut. Aber wir schreiben anders!“ Uns ist auf-gegangen, dass gute Literatur im Grunde dort gemacht wird, wo keiner hinschaut, und das geschieht weitab der Bestsellerlisten. Dass der Markt ein anderes Bild vermittelt, liegt an den Medien, die ihn beherrschen und an den Käufern, die sich mit dem zufrieden geben, was sie serviert bekommen. Kurz bevor ich einschlafe, rattert der IC an Frankfurt vorbei, an den außerirdisch erleuch-teten Businesstowern und dem „Bleistift“ am Messegelände. Ich zähle: Eine Million, zwei Million, drei Million für Ramsch. Hier wird der Umsatz gemacht, aber den Inhalt schaffen die echten Schreibfuzzis. Eigentlich war es mir völlig egal, kommt mir der Buchtitel des letzten Vortrages in den Sinn. Ja. So isses. Eigentlich sind mir Zahlen völlig egal.

Bettina Unghulescu wird auch bald etwas im Wunderwaldver-lag veröffentlichen. Bis dahin experimentiert sie mit Texten und Bildern und gibt sich ihren Stimmungen hin, was die Schriftstellerei betrifft: Mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt und manchmal auch mit weiteren Pseudony-men.

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Die seltsamen Blüten des Expertentums Gerade habe ich nachgesehen, ob heute vielleicht zufällig der 1. April sein könnte. Fehlanzei-ge. Also ist der „Rat des Experten“, den ich eben auf bild.de gefunden habe, wohl doch ernst gemeint. „Frauen sollen Krise zum Kinderkriegen nutzen“, so Prof. Ulrich Blum, Chef des Wirtschafsinstituts IWH. Da viele jetzt sowieso ihren Job verlieren werden, sollen sie diesen Umstand wenigstens „familienpolitisch nutzen“.Ja! Junge Menschen bekommen Kinder selbstverständlich aus „familienpolitischen Gründen“, Herr Professor. Die Statistiken über diverse Wirtschaftseinbrüche, Zu-kunftsprognosen und den demografischen Wandel sind ja auch ein Antörner. Wozu früher Candlelight-Dinner, Reizwäsche und diverse Spielzeuge aus einschlägigen Katalo-gen nötig waren, das schaffen ein paar ani-mierend bunt gestaltete Balkendiagramme heute mit Leichtigkeit. Sie sind das reinste Aphrodisiakum! Auch zu der Frage, wie der Nachwuchs in Zeiten wegbrechender Wirtschaftsgrundla-gen ernährt werden soll, hat sich Herr Pro-fessor Blum natürlich seine Gedanken ge-macht. Und er hat eine geniale Lösung ge-funden. Selbstverständlich. Es ist ein Vor-schlag, der nur aus einem wirklich umfas-send gebildeten Geist geboren werden konnte. Einem Geist, der doch einige Jahre lang an der Universität auf Staatskosten geformt wurde, was nun reiche Früchte zu tragen scheint. Denn diese Idee ist meines Wissens nach noch niemandem zuvor ge-

kommen *trommelwirbel*: Der Staat und die Arbeitgeber! Ja, die sollen es ermöglichen. „Die finanziellen Risiken müssen verringert werden“, so Pro-fessor Blum. *beeindrucktschweig* Warum ist bisher niemand darauf gekommen? Die Frauen werden jubeln! Endlich dürfen sie so, wie sie eigentlich wollen. Welche Freude ist es doch, nach 12 oder 13 drögen Schuljahren, Studium /Ausbildung und etlichen Prakti-kantenjahren das Gelernte endlich verges-sen zu dürfen. Und zwar gerade in jenem Moment, in dem die vorherigen Mühen endlich finanzielle Früchte tragen sollten? Welche Frau würde aufgrund dieser glän-zenden Aussichten noch auf die Idee kom-men, sich irgendwie verarscht zu fühlen? Und auch die jungen Männer werden sich freuen! Dürfen sie doch endlich wieder alleine schultern (wenngleich mit staatlicher Hilfe), was heutzutage schon für zwei Er-werbstätige manchmal ein Problem dar-stellt: Das Haushaltseinkommen. Verant-wortung bis zum Abwinken wartet auf

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euch, Jungs! Überstunden kloppen, dass es nur so raucht. Das macht euch doch glücklich, oder nicht? Betrachten wir einmal den Fortpflan-zungsvorgang im Tiereich. Ich weiß, Tier-Mensch-Vergleiche hinken im-mer irgendwie, in diesem Falle aber könnten wir von unseren vierbeini-gen Freunden schlicht und einfach etwas lernen. Stichwort: Koalabären, (über die habe ich vor einiger Zeit einen Film gesehen). Was tut ein Koalabär, wenn die Nahrungsgrund-lagen knapper werden? Fragt er ei-nen supergebildeten Ober-Koala, der ihm rät, selbstverständlich um-gehend die Fortpflanzungsrate zu erhöhen? Ja? - Falsch geraten! Die Fortpflanzung reduziert sich. Sofort. Und zwar genau um soviel wie nötig ist, um wieder eine harmonische Korrelation zu den nun knapperen Nahrungsquellen herzustellen. So weit, so gut. Hieraus ergibt sich für mich die Fra-ge: Verdanken die Koalas ihre genia-len Regulierungsmechanismen einzig und alleine der Tatsache, dass sie unter keinerlei artgenössischem Ex-pertentum zu leiden haben, oder ist der Koala per sé dem Menschen diesbezüglich überlegen? Ursula Prems aktuelle Publikation ist ebenso wenig Hexerei wie ihre Gedanken zur „Krise“ hanebüchen sind – den Artikel gibt´s wirklich:

http://www.bild.de/BILD/politik/wirtschaft/2009/05/18/kinderkriegen-krise/experte-raet-muettern-zu-babys-kindern.html)

Und hier ihr aktuelles Buch, zu beziehen über den Buchhandel: Einmaleins Walpurgisnacht: Rechnen ist (k)eine Hexerei, © 2009 Ursula Prem, Books on Demand GmbH, Norderstedt. 84 S., 7,80 €, ISBN-13: 978-3-8370-9167-0

Mehr von der Autorin finden Sie hier: http://sparenmachtfrei.blogspot.com http://www.kleines-einmaleins.de http://hexenverfolgung.blogspot.com http://aktuelle-kommentare.blogspot.com http://www.sie-ihn.com

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Im Zeichen des Fußballs Eine Lesung auf der Friedhofstribüne des Sportclub-Platzes ist eine völlig neue Erfahrung, und es ist nicht abzusehen, ob es je eine weitere Möglichkeit hierzu geben wird. Der Sportclub-Platz ist seit 30 Jahren so etwas wie mein zweites Wohnzimmer. Ich habe mir schon viele Matches meines Vereins – dem Wie-ner Sportc(k)lub - angesehen, und durfte zweimal Meistertitel mitfeiern. Als Ort für eine Lesung war die Friedhofstribüne wie maßgeschneidert. Text: Jür-gen Heimlich, Fotos: Agnieszka Sularz. Im Vorfeld hatte ich durch Eigeninitiative

versucht, möglichst viele Menschen für den Besuch der Lesung zu mobilisieren. Schließlich wurde die Lesung ein wenig später angesetzt, um auf mögliche Besucher zu warten. Etwa ein Dutzend Menschen fand sich letztendlich zur Lesung ein. Das hätte für mich furchtbar ent-täuschend sein können, aber so war es nicht. Zum Einen hatte ich – wie viele andere Auto-rinnen und Autoren vor mir – schon einmal erlebt, dass überhaupt niemand zu meiner Lesung kam, zum Anderen ergab sich eine intimere Atmosphäre und ich konnte mit na-hezu allen Gästen sprechen. Nach meiner Lesung gab es dann noch einen Auftritt von Boxer John, einem grandiosen Musiker, der die Begeisterung der Veranstalter weckte. Drei Zuhörer meiner Lesung erwarben meinen Krimi, den ich freilich in mehr-facher Ausfertigung vorsorg-lich mitgenommen hatte. Die Gespräche mit den Gäs-ten drehten sich um mehrere Themenkomplexe. Insbeson-dere die psychologische Kom-ponente meines Krimis erweckte Interesse. Es handelt sich nämlich um einen psychologischen Krimi, also um einen, der schnell den Täter/ die Täterin offenbart und hauptsächlich von den Innenansichten der wichtigsten Figuren, also dem Täter/ der Täterin und dem Ermitt-ler, Chefinspektor Kneiffer, getragen wird. Der Hauptgrund für meine Lesung am Sport-club-Platz ist darin zu sehen, dass eine Szene auf diesem Platz spielt, den ich seit meiner Kindheit regelmäßig besuche. Ich bin mir ziem-lich sicher, dass in der österreichischen Litera-turgeschichte dieser Platz noch nie als Schau-platz diente. Durch die beschriebene Szene geht der Platz nun also endlich in die Litera-turgeschichte ein. Dieser kurze Ausschnitt meines Krimis erzielte Lacherfolge, weil er freilich auch kleine Anspielungen aus der Ver-einsgeschichte beinhaltet. Außerdem wurden ähnliche Zugänge zum Wiener Sportc(k)lub

seitens einiger männlicher Gäste bestätigt. Und ein Mann gleichen Alters wie meinereiner fand es erstaunlich, dass die geschilderte Szene einen Sieg des Vereins in der Verlängerung eines Cup-Spiels schildert, was fast schon als SF zu bezeichnen ist. Also, das gute Dutzend literarisch interessierter Menschen war sehr angetan und das spätere Konzert noch ein weiteres Highlight. Freilich kam es auch zu einem kleinen Ge-spräch bezüglich des fehlenden Besucheran-drangs. Die Auflösung ist in erster Linie darin zu sehen, dass der Organisator kaum bis keine Zeit hatte, die Veranstaltung zu bewerben, weil er andere – weitaus größere – künstleri-sche Projekte technisch zu betreuen hatte und dies ein knochenharter Job sein mag. Ein wei-terer Aspekt mag darin liegen, dass die Veran-

staltung an einem sogenannten Fens-tertag stattfand und dies einige oder mehrere Menschen vom Besuch der Veranstaltung abhielt. Letztlich kann dieser Event – trotz oder wegen des überschaubaren Publikums – als Erfolg bezeichnet werden. Ich führte dann auch noch ein interessantes Gespräch, das mir

als Autor vielleicht neue Möglichkeiten eröff-nen mag, und eine kleine Kooperation der „Freunde der Friedhofstribüne“ mit Boxer John ist angedacht. Der Krimi „Die schüchterne Zeugin“ ist im Verlag Arovell erschienen und kann dort (www.arovell.at) auch direkt erworben wer-den. Nähere Informationen über den Krimi sind bei www.literaturexperte.com abrufbar.

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Message In A Book Constanze Köpp gehört zu den glücklichen Autoren, die als Selbstverleger beginnen starten und dann von einem großen Verlag entdeckt werden. Inzwischen steht schon ihr drittes Buch in den Startlöchern. Ihr zweites, „Die Kunst des Aufräumens“, könnte nicht besser in diese Ausgabe passen, denn wer räumt schon gerne auf? Klaus Krüger sprach mit ihr über die Sucht nach Lesungen, BoD und etwas andere Denk-mäler.

Frau Köpp, wovon handelt Ihr erstes Buch „Frannys Reise“, das bei Droe-mer Knaur erschien? FRANNYS REISE ist eine Liebesgeschichte an das Leben! Ein junges Mädchen nimmt uns mit auf ihre Reise in den Himmel. Und sie erzählt uns während ihres langen Krank-heitsweges vom Leben, von der Liebe, des-sen Schmetterlinge sie nicht erleben wird, von Freundschaft, vom Tod und vom Sinn des Lebens. Franny zitiert zu gern aus „der Kleine Prinz“ und „Hallo Mister Gott“. Franny nimmt uns die Angst und gibt uns etwas, das viele Menschen längst verloren haben: das Wissen um das Wunder Leben!

Und die „Kunst des Aufräumens“, ihr kürzlich erschienenes Buch bei Ro-wohlt? Gemeinsam mit dem Autor Thomas Ritter habe ich den Versuch unternommen, das AUFRÄUMEN neu zu beleuchten, nämlich als KUNST! Weiter ist das Buch ein Streif-zug durch Möglichkeiten, sein Zuhause ganz neu zu betrachten – und am Ende motiviert durchzustarten, anhand vieler Beispiele, die kaum oder zum Teil gar nichts kosten. Und natürlich steht auch eine große Frage im Focus: Warum fällt uns das Loslassen so schwer?

Haben Sie FRANNYS REISE Verlagen angeboten oder es direkt über BOD herausgebracht? Ich bot es zunächst in Kurzversion großen Verlagen an, aber ich bezweifle, dass es je gelesen wurde, denn ich war ja unbekannt! Schnell war klar: BOD ist der schnellste Weg, endlich in den Markt zu stoßen. Durch rigorose Eigen-PR und Spendenaktionen für Kinderhospize machte ich auf FRANNY

aufmerksam. Droemer Knaur entdeckte schließlich mein Werk und erkannte darin eine große Chance, und so wechselte FRANNY nach nur knapp 1 Jahr das Ver-lagsheim. Jeder Autor erhofft sich ein etabliertes, gro-ßes Zuhause für sein Werk. Ich wusste im-mer, dass eines Tages ein großes Haus an-beißen würde und verharrte gespannt, wel-ches es sein würde. Droemer Knaur wusste, dass ich keine stille Autorin bin, die sich auf den Verlag allein verlassen würde. Ich bin nicht weniger aktiv als zu BOD-Zeiten, weil ich mittlerweile süchtig nach Lesungen bin und weiß, dass FRANNY mittlerweile bei vielen Lesern ein Plätzchen neben dem „Kleinen Prinz“ hat. Das berührt mich sehr und es füllt mich mit Stolz, so dass ich aktiv weiter die Werbetrommel rühre. Bücher können Federn oder Schwerter sein, Bücher können heilen oder schmerzen. Ich habe unglaubliche Begegnungen durch mein Werk gehabt. Und wenn FRANNY weiterhin so bewegen wird, kann ich nur sagen: Tränen sind des Autors schönster Lohn! Sie wiegen mehr als eine Geldscheinnote!

Haben Sie immer davon geträumt, eine richtige Schriftstellerin zu wer-den? Ja! Als Kind schon füllte ich jede Woche ein neues Tagebuch, ich formte meine eigene Sprache und entdeckte in literarischen Vor-bildern die Kunst der Wortspielereien. Mein

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Vater lehrte mich die Liebe zu Büchern, die Liebe zum Lesen. Er weckte meine Schreib-lust und stattete meine Gene mit ungeheu-ren Ideen und Fantasien aus. Ich wusste und hoffte schon sehr früh, eines Tages Bücher zu schreiben, die wirklich berühren. Und welche Themen zum Inhalt hatten, die gern zur Tabuliste gehören.

Was haben Sie getan, um Ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen? Ich habe mich immer gefragt, was ein Buch haben muss, dass man es gern von der ers-ten bis zur letzen Seite liest. Was es haben muss, dass man es nicht vergisst. Dass es nicht nur Zielgruppenleser hat, sondern es bekannt wird wie „Der kleine Prinz“. Ich hatte immer hohe Ansprüche, übte mich in viel Geduld (als ungeduldiger Zwilling) und wurde doch erst kämpferischer durch jene Verlagsabsagen, die ja am Ende gar keine waren. Aber bevor ich die Muße hatte, mich an einen ganzen Roman zu wagen, füllte ich Ordner mit Gedichten, schrieb für Menschen große Re-den und später Kolumnen zu gesellschaftlichen Themen, die wachrütteln.

Wie oft haben Sie FRAN-NYS REISE bisher verkauft? Leider kenne ich die genauen Zahlen noch nicht. FRANNY ist seit September 2008 bei Droe-mer Knaur. Ich rechne damit, dass die erste Auflage von 6.000 Stück in Kürze restlos abverkauft ist, so dass die 2. Ausgabe gedruckt wird. Bei BOD lief FRANNY bereits sehr gut und war in der Regel unter den Top 10 gelistet. Ich bin sehr zufrieden, denn noch bin ich eine unbekann-te Autorin - oder darf ich mich schon „Schriftstellerin“ nennen?

Wann erschien Ihr zweites Buch „Die Kunst des Aufräumens“? Eigentlich war der 2. Mai 2009 angedacht, doch bereits Wochen zuvor hatte Amazon es gelistet. Die Vorbestellungszahl empfand ich gigantisch, ca. 6.000 Stück. Aber genaue Zahlen erwarte ich auch hier noch. Das Buch erscheint bei Rowohlt, weil mein Co-Autor Thomas Ritter dort bereits erfolg-

reich sein erstes Buch publizierte. Es wurde Zeit, ein neues auf den Markt zu bringen, und so reichten wir beide das Exposé ein – welches erfolgreich (wie wir hoffen) umge-setzt wurde.

Was sind Ihre Ziele als Autorin? Ich habe Droemer Knaur schon angedroht, mein Leben lang Bücher zu schreiben! Meine Ideen reichen für die nächsten 10 Bücher allemal. Aber neben meiner eigenen Bücher möchte ich gern gute Stoffe anderer Jungau-toren fördern. Ich möchte „Textkosmetik“ an ihren Manuskripten vornehmen, bevor sie ihre Werke dann in die Hände der Ver-lagslektoren geben. Es gibt verdammt gute Ideen und Stoffe, doch oft fehlt es den Tex-ten an Melodie und Würze. Wenn hier ein Wort zu wenig, dort eines zu viel gesetzt wurde, kann ein ganzer Satz zerstört wer-

den. Ich habe Lust, Menschen zum Schreiben zu motivieren, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben. Aber Tenor: Bücher müssen be-rühren! Der Anspruch, Menschen zu bewegen, muss über dem des Geldverdienens stehen. Leser spü-ren den Druck – besonders nach Lesungen. Herzblut-Autoren wol-len Geistesgut versprühen, sie sind wie Exhibitionisten, die von allen gesehen (gelesen) werden wollen. Das Geld ist nicht Focus, aber eine traumhafte, gesunde Nebenwir-kung!

Und Ihre nächsten Projekte? Mein neues und 3. Buch befindet sich gerade in der heißen Phase! Ein sehr emotionales Werk, welches ich mit jungen Menschen schrieb. Ich warte auf die Vertragsverhand-lung, und sobald ich unterschrieben habe, jage ich das Vorwort meines Buches durch alle Presseportale. Es wird vielen Menschen die Augen öffnen – bzw. sie mit Tränen fül-len! – Danach schreibe ich etwas Ähnliches wie „Der Prophet“ von Gibran, aber eben für eine ganz besondere Zielgruppe. Darauf freue ich mich sehr.

Wie / wann / wo schreiben Sie am liebsten? Wer schreibt, kann das überall tun. Auto-renköpfe sind unkontrollierbar, auf einmal

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ist da eine Idee, ein Gedanke, ein Bild, das nach Worten schreit. Ohne Stift und Zettel bekommt mich keiner aus dem Haus! Blo-ckaden kenne ich kaum, eher die Lethargie, die Finger in die Tastatur zu kloppen. Es kann vorkommen, dass ich nachts aufwache und einen irren Geistesblitz habe. Ich denke, ich schreibe selbst in meinen Träumen Bü-cher. Auf meinen Nachttisch: Notizblock und Zettel!

Haben Sie einen Lieblingsautoren / Autorin? Als junges Mädchen verschlang ich die Bü-cher von Wolf Wondratschek, über ihn kam ich zu Albert Ostermair. Ich liebe die Gedichte von Claire Goll und Pablo Neruda. Ich liebe gute Bücher, aber was mich nicht fesselt, hat keinen Anspruch auf ein sicheres Plätzchen in meiner Bibliothek. Bücher sind Freunde, aber manchmal reisen wir in eine andere Richtung oder überholen die einst gewon-nenen Erfahrungen aus den Werken. Ich möchte meinen Kindern Bücher hinterlas-sen, mit denen sie das Leben (ihrer Mutter) besser verstehen können.

Ist BOD ein guter Start für junge Au-toren oder hindert das eher die Auf-nahme in einen konventionellen Ver-lag? Mittlerweile hat BOD den Markt erobert, wodurch viele Nachkommen kaum eine erste Chance bekommen. Große Verlage erkundigen sich mittlerweile auch über die BOD-Autoren. Und doch sieht man in Buchhandlungen noch immer zu wenige BOD-Ausgaben. Wenn ein BOD-Autor auf das Paket Lektorat verzichtet (wie ich!), wird das Argument oft laut, da habe wieder nur eine selbst ernannte Hobby-Autorin eine Profilneurose ausgelebt. Schreiben ist nicht gleich Schreiben, Schreiben ist Verfüh-rung! Selbstverlage bleiben immer kritisch zu betrachten – aber für engagierte Autoren sind es große Chancen, schnell sein eigens Buch in den Händen zu halten – und dann mit Herzblut und Kampfgeist ins Haifischbe-cken der schreibenden Zunft zu springen. Viele überschätzen sich leider, was ihnen das Genick brechen kann.

Ihr Rat an junge Autoren? Eine Joanne Rowling oder Stephenie Meyer sind Vorbilder, die zunächst unerreichbar sind. Aber ob Astrid Lindgren oder Johanna Spyri – auch sie trafen den Nerv der Zeit und zogen alle Altersklassen in ihren Bü-cher-Bann. Erst danach regnete es Sterntaler vom Himmel. Aber es bleibt der Focus auf die Fragen: Was schreibe ich für wen? Was will ich erreichen mit dem, was ich schreibe? Wenn schon Bäume für das Papier ihr Leben lassen, dann setzen wir ihnen wenigstens ein würdiges Denkmal. Warum sollten die Men-schen mich lesen? Schlechte Bücher gibt es zu viele. Gute zum Glück nie genug! Köpp, Constanze / Rit-ter, Thomas: Die Kunst des Aufräumens. (Ro-wohlt Taschenbuch), Paperback, 8,95 Eur (D), ISBN 978-3-499-62513-8

Klaus Krüger war ebenfalls fleißig und hat im Wunder-waldverlag die-sen Titel he-rausgegeben: Küsschen für die kleine Stadt. 106 Seiten, Paperback, 10,- Eur (D), ISBN

978-3-940582-13-3

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Wer baute das siebentorige Theben? Der Pharao? Literatur und Arbeitswelt – ist das ein Widerspruch in sich? In Deutschland gibt es kaum Autoren, die sich mit der literarischen Gestaltung der Arbeitswelt auseinandersetzen. Im Zeit-alter der Pilchers, Fröhlichs und Co. ein fast hoffnungsloses Unterfangen.

Im 19. Jahrhundert bewegte sich dichterisches Schaffen von Heine bis Herwegh auf diesem Weg. Am bekanntesten ist sicherlich das Bild der Weber, die bei Tag und Nacht weben … und weben … Deutschland, wir weben dir dein Leichen-tuch, heißt es darin bei Heinrich Heine. Die ehe-malige DDR hatte ihren Bitterfelder Weg, der Literatur und Arbeit miteinander vereinen sollte. Es entstanden in der Folge viele Zirkel „Schrei-bender Arbeiter“. Erinnert sei dabei stellvertre-tend an die Autorin Brigitte Reimann, deren „Franziska Linkerhand“ Widersprüche im Wollen und der Umsetzung in der Arbeitswelt der DDR aufzeigte. Das Buch wurde gerade als Oper um-gesetzt. In der Bundesrepublik Deutschland ist der bekannteste Autor Günter Wallraff, der die Arbeitswelt aus der Perspektive der Wertschöp-fenden unter kapitalistischen Bedingungen be-schreibt. Heutzutage gibt es in Deutschland und in Österreich „Werkkreise der Literatur der Arbeitswelt“, die in Deutschland aber eher ein Schattendasein fristen. Umso erfreulicher sind die Bemühungen des Österreichischen Literaturblogs „Der duftende Doppelpunkt“ (http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at/), der Literatur der Arbeitswelt einen Wettbewerb zu widmen, derzeit schon den zweiten.

Am 08.05.2009 wurde in Wien der 2. Literatur-wettbewerb „Der Duft des Doppelpunktes“ aus-gelobt. Die Auftaktveranstaltung fand mit interna-tionaler Beteiligung im Buch-Café „Lhotzkys Literaturbuffet“ statt. Dieses Buch-Café in der Nähe der U-Bahnstation Taborstraße lege ich Wienbesuchern wärmstens an Herz. Durch das Programm führten die umtriebige Petra Öllinger und Georg Schober, beide Initiatoren des Wettbewerbes. Preisträger aus Österreich, Deutschland und Tschechien lasen aus ihren Ge-schichten, die in der Anthologie „Rote Lilo trifft

in der Anthologie „Rote Lilo trifft Wolfsmann“ (ISBN 978-3-902157-33-1) veröffentlicht worden sind.

Der 1. Preisträger, der Österreicher Thomas Mokkahoff, machte uns durch den Personalchef mit den Vorzeigeangestellten Knapp bekannt. Kurz und knapp, sprachlich auf dem Punkt schmiert er ihn Honig ums Maul, um ihn dann kurzer Hand zu feuern.

Ebenso eindrucksvoll wie leise die Gedanken einer Altenpflegerin „7 Minuten“. Das Gedicht von Barbara Finke-Heinrich aus Deutschland ging allen unter die Haut.

Die vergnüglichste Geschichte bescherte uns die Tschechin Marcela Všetičková mit ihrer Be-schreibung „Mein Arbeitstag beginnt – aus dem Leben einer Biblothekarin“, in der sie uns an ih-rem Arbeitsweg mittels öffentlicher Verkehrsmit-tel von einem Dorf nach Olomouc teilhaben lässt. Köstlich besonders der Anfang der Ge-schichte: „… lerne, sonst wirst du als Melkerin arbeiten und die müssen wegen der Kühe um 3:30 Uhr aufstehen. Ich habe den Rat meiner Eltern befolgt. Ich habe eine akademische Ausbil-dung. Ich stehe morgens um 4:00 Uhr auf …“

Mein Geschichte „Zwischen heute und gestern“ kam ebenfalls sehr gut an. Die Geschichte spricht das weitverbreitete Mobbing und das Hinaus-drängen älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeits-leben an. Nach dem Ende der Lesung wurde ich auf meine Texte und auf meine Textpläne ange-sprochen. Das hat mich schon mit Stolz erfüllt.

Weiterhin lasen Armin Baumgartner, Susanne Gregor und Petra Öllinger in Vertretung von Hildegard Kaluza. Eine wirklich rundum gelunge-ne Veranstaltung.

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Der Literaturpreis „Der Duft des Doppelpunktes“ wird in zwei Stufen ausgeschrieben und geht vom 1. Mai 2009 bis 2011. Einsendeschluss für die Stufe 1 ist der 30.11.2009. Die 10 besten Autoren dürfen an der Stufe 2 teilnehmen. Ihnen wird ein Vierteljahr lang ein Tutor oder eine Tutorin zur Seite gestellt. Gemeinsam wird eine weitere Geschichte erarbeitet, die dann zum end-gültigen Literaturpreis führt oder auch nicht.

Neu für 2009 ist der Twitter-Preis, der bis 31.07.2009 läuft. Mit 140 Zeichen (inklusive Hashtag) muss das Thema abgehandelt sein – als Gedicht, Ein-Satz-Geschichte … oder ähnliches. Das heißt: bei Twit-ter anmelden, den Hashtag #lda unter SUCHEN ein-geben , zwitschern und den #lda nicht vergessen am Ende anzufügen. Wer sich nicht auskennt - kein Prob-lem. Alles wird gut beschrieben unter: http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at /litpreis/literatur-twitter-2009/ . Als Preis winkt für die besten Zehn ein Button mit ihrem Text und die ersten Drei erhalten zusätzlich ein T-Shirt mit ihrem Tweet drauf.

Nun noch das Wichtigste, das Thema: Arbeits-welt, ist klar. Dieses Jahr geht es speziell um die ver-schleiernden und manipulativen Aspekten der deut-schen Sprache hinsichtlich der Arbeitswelt. Mehr dar-über unter: http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at/litpreis/literaturpreis-2009-2011/ Lust bekommen, sich mal auf einem völlig neuen The-menfeld auszuprobieren? Dann ran!

Text: Petra Wilhelmi

Bilder: Petra Öllinger

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Ab in die Presse! Nach dem meinem Jurastudium arbeitete Torsten Schubert viele Jahre als Journalist, berichtete in Repor-tagen aus zahlreichen Ländern wie Mexiko, Japan und Russland. Auf Umwegen stieg er in die Public Rela-tions (PR) ein und führt für verschiedene Unternehmen mit journalistischen Mitteln den Dialog mit der Öffentlichkeit. Als Dozent an der Hamburger Medienakademie lehrt er unter anderem Kommunikations-politik. Auf seinem Literaturportal Litrum gibt er unbekannten Autoren die Chance, Texte zu veröffentli-chen, sich bekannt zu machen und damit ihre Leser zu finden. Sein erstes Buch ist eine praxisnahe Ausei-nandersetzung mit dem aktuellen Stand der Pressearbeit, die die Mechanismen der klassischen Pressear-beit mit den Möglichkeiten der modernen Kommunikation verbindet und so den Rahmen für den Dialog mit der Öffentlichkeit sinnvoll erweitert. Das Interview führte Franziska Röchter.

Du hast ein Buch über Pressearbeit ge-schrieben, das welches auch für Autoren von großem Interesse ist. Ist es dein ers-tes Buch? Was hat dich zu dem Buch bewogen, in welchem Verlag erscheint es und was unterscheidet dein Buch von anderen Büchern zum Thema Pressear-beit? Pressearbeit wird immer wichtiger – und zwar für viel mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren. Das liegt daran, dass jeder, der einen Internetzugang hat, sich in der Öffentlichkeit bewegt. Deshalb fasse ich den Begriff „Presse-arbeit“ auch sehr weit und beziehe ihn nicht nur auf die Zusammenarbeit mit Journalisten und Medien, sondern auf den Dialog mit der Öffentlichkeit. Leider ist noch zu wenig Men-schen bewusst, dass sie viel von sich preisge-ben, wenn sie im Internet unterwegs sind und ihren Auftritt dort überlegt steuern sollten. Dieser Ansatz unterscheidet mein Buch von bisherigen Veröffentlichungen über Pressear-beit. Wobei ich natürlich auch auf die hand-werklichen Fertigkeiten eingehe, die jeder er-werben sollte, bevor er mit seiner persönli-chen Pressearbeit beginnt. Es ist mein erstes Buch und erscheint im HolzheimerVerlag.

Bislang kenne ich dich hauptsächlich als sehr netten Betreiber einer engagierten kleinen Literaturseite für mehr oder we-niger unbekannte Autoren. Was war deine ursprüngliche Intention und Moti-vation, dich mit dem Schreiben zu be-schäftigen?

Das reicht weit zurück. Ich habe die Fähigkeit zum Schreiben schon immer dazu verwendet, meine Gedanken zu ordnen, auf den Punkt zu

bringen und mich auszudrücken. Schreiben ist für mich die Möglichkeit, mit anderen Men-schen in einen geistigen Dialog zu treten – auch wenn ich sie nicht kenne oder wenn sie schon, wie im Fall vieler älterer Autoren, verstorben sind.

Wie wichtig ist das Web heutzutage für Autoren? Verändert es die Literatur? Das Internet ermöglicht allen Autoren, ihre Texte zu veröffentlichen. Das führt zu einer größeren Vielfalt, als sie der etablierte Kultur-betrieb leistet. Ich lese im Web eine Menge Texte, die sehr gut sind, aber dennoch nie als Buch erscheinen werden, weil sie den Marke-tingkriterien der Verlage nicht entsprechen. Dem Internet verdanken wir, dass solche Tex-te nicht länger in den Schubladen ihrer Auto-ren verstauben. Das schafft einen transparente-ren historischen Blick auf unsere Zeit und Ge-sellschaft. Und natürlich verändert das Web nach und nach die Literatur. Aus Sicht der Au-toren ist es aber wichtig, dass sie sich im Inter-net professionell bewegen und sich immer ih-res Dialogs mit der Öffentlichkeit bewusst sind. Ich freue mich, wenn ich mit den Anregungen aus meinem Buch dazu beitragen kann.

Bist du auch belletristisch tätig oder ist dein Schwerpunkt eher der Sachbuchbe-reich mit der Zielgruppe Autoren? Ich habe vor einigen Jahren den Literaturpreis des Landes Niedersachsen erhalten und konnte auch den einen oder anderen Text in Antholo-gien veröffentlichen. Nebenbei schreibe ich an einem Roman. Die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, Chancen und Risiken zeitgemä-ßer Pressearbeit war mir aber so wichtig, dass ich alles andere vorerst zurückgestellt habe.

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Was denkst du über Twitter, den gläser-nen Autor und die damit verbundenen Gefahren? In der Sozialwissenschaft wurde vor einigen Jahren das Konzept des Mem entwickelt. In Ergänzung des Gens, das das menschliche Erb-gut enthält, sollen Meme unsere kulturellen Errungenschaften transportieren. Wie anders wäre es vorstellbar, dass plötzlich Jugendliche auf der ganzen Welt ihre Baseballkappen ver-kehrt herum aufsetzen? Plattformen wie unter anderem Twitter, Facebook und Youtube be-schleunigen den globalen kulturellen Austausch. Sie sind ein notwendiges Mittel für eine zukünf-tige Welt, in der die Menschen sich als Menschheit verstehen. Die Gefahren für den Einzelnen liegen heutzutage in der Preisgabe zu vieler persönlicher Informationen. Das Internet vergisst nichts. Unüberlegte Äußerungen oder Fotos können sich noch nach Jahren schädlich, zum Beispiel in einer Bewerbungssituation, auswirken. Viele private Nutzer, aber auch Un-ternehmen haben das noch nicht begriffen. Ich hoffe, dass mein Buch dafür sensibilisiert.

Glaubst du, das E-Book wird unser her-kömmliches Buchgeschäft komplett re-volutionieren? Wie vor vierhundert Jahren die Druckpresse, wird das E-Book die Lesegewohnheiten der Menschen verändern. Zum Beispiel werde ich irgendwann meine ganz persönliche Bibliothek mit mir herumtragen und überall nutzen kön-nen. Darin werden auch Texte enthalten sein, die ich im Internet direkt von den Autoren er-worben habe, ohne dass ein Verlag zwischen-geschaltet war. Natürlich wird es auch weiter-hin gedruckte Bücher geben, aber vielleicht nur noch in von Lesern ausgewählten Kleinauflagen. Literatur wird durch Internet und E-Books in-dividueller und vielschichtiger werden. Autoren müssen dabei selbst die Vermarktung ihrer Texte in die Hand nehmen und in den direkten Dialog mit der Öffentlichkeit treten, um sich und ihre Literatur bekannt zu machen.

Was würde es für dich persönlich bedeu-ten, wenn von jetzt auf gleich das Inter-net und das Web wegfielen?

Ich würde eine Menge interessanter und netter Kontakte verlieren. Es würde aufwendiger, an notwendige Informationen zu gelangen.

Hast du einen Tipp für Autoren, mit der mittlerweile durch das Web unüber-schaubar gewordenen Informationsfülle fertig zu werden? Frage dich immer, wer du bist und welche Zie-le du hast, dann reduziert sich die scheinbare Informationsflut auf die für dich wesentlichen Informationen.

Kannst du dir im Hinblick auf das Web ein apokalyptisches Endzeitszenario vor-stellen? Müssen unsere Gehirne nicht ir-gendwann einen Evolutionssprung ma-chen? Nein, denn das Web ist nichts anderes als un-ser Menschheitsgedächtnis. Welche Informati-onen ich daraus benötige, entscheide ich selbst – und meistens sind das gar nicht so viele.

Torsten, vielen Dank für das interessante Interview. Dein Buch hat mich ziemlich neugierig gemacht. Ich denke, es könnte auch für Jugendliche von Nutzen sei, die sich allzu sorglos im Netz bewegen. Ich wüsche dir viel Erfolg damit! www.litrum.de/

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- geträumt –

Der Staubsauber brummt

Ich träume von einer Kreuzfahrt auf der Queen Mary

Die Waschmaschine rumpelt

Ich träume von einer Jeepsafari im Kongo

Die Spülmaschine faucht

Ich träume von Geysiren in Island

Das Bügeleisen dampft

Ich träume von einem Hamam in der Türkei

Der Backofen bollert

Ich träume vom heißen Wüstensand in der Sahara

Die Herdplatten summen

Ich träume von den Stränden Hawaiis

Die Kaffeeamschine sprudelt

Und ich trinke meinen Kaffee, als säße ich in einem südfranzösischen Straßenkaffe und hoffe, dass niemand mich weckt

Steffi Mayer-Teegen

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