8
W. Klemm u. H. Sodomann. Magnet. Verhalten d. Kaliumpolyoxyde ww. 273 Magnetochemische Untersuchungen. X1X.l) Das magnetische Verhalten der Kaliumpolyoxyde und -polysulfide Von WILHELM KLEMM und HEINRICH SODOMANN Mit einer Figur im Text I. Kaliumtetroxyd Vor einiger Zeit hat E. W. NEUMANN~) festgestellt, daB K,O, paramagnetisch ist. Diese Untersuchung wurde auf Anregung von L. PAULING durchgefiihrt, der vermutete, daB dem Kaliumperoxyd nicht die Formel K204, sondern KO, zukiime, d. h. dalj nicht O,z--Ionen, sondern O,l--Ionen vorliegen. Da ein 021--Ion eine ungerade Elektronenzahl besitzt, sollte es einen Paramagnetismus von 1,73 Magnetonen zeigen. E. W. NEUMANN fand in der Tat einen Paramagnetismus, der ungefiihr die von der Theorie verlangte GroBe hat, und schlolj daraus, dalj tatsiichlich KO, vorliegt. Wegen der allgemeinenBedeutung diesesErgebnisses schien uns eine Nachprufung wiinschenswert. Denn unseres Erachtens liegt die Frage theoretisch keineswegs so klar, daB man aus einer Messung an nur einem, noch dazu analytisch nicht ganz einwandfreiem Priiparat (NEUMANN fand l,SO/O Kalium mehr als der Theorie entspricht) bei einer einzigen Temperatur einen so entscheidenden SchluB ziehen darf. Der Ver- fasser scheint ubersehen zu haben, daB auch fur ein 0,2--Ion Para- magnetismus durchaus moglich ist und daB man prufen mulj, ob sein Befund nicht auch mit dieser Annahme vertraglich ist. Ein 04-2-Ion kann man sich ja so aufgebaut denken, daB ein 0,-Molekul durch Polarisationskriifte an ein 0,2--Ion angelagert ist. Wenn sich dabei der Elektronenzustand des 0,-Molekuls nicht wesentlich iindert, so sollte man den Paramagnetismus des freien 0,-Molekuls im K,O, wiederfinden. Es ist daher zu uberlegen, ob magnetisch zwischen den beiden Moglichkeiten: I. O,l--Ion und 2. 02.0,2--Ion uberhaupt 1) XVIII: vgl. L. KLEMM u. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 925 a) E. W. NEUMANN, Journ. Chem. Phys. 2 (1934), 31. (1935), 268. Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 225. 18

Magnetochemische Untersuchungen. Das magnetische Verhalten der Kaliumpolyoxyde und -polysulfide

Embed Size (px)

Citation preview

W. Klemm u. H. Sodomann. Magnet. Verhalten d. Kaliumpolyoxyde ww. 273

Magnetochemische Untersuchungen. X1X.l)

Das magnetische Verhalten der Kaliumpolyoxyde und -polysulfide

Von WILHELM KLEMM und HEINRICH SODOMANN Mit einer Figur im Text

I. Kaliumtetroxyd Vor einiger Zeit hat E. W. NEUMANN~) festgestellt, daB K,O,

paramagnetisch ist. Diese Untersuchung wurde auf Anregung von L. PAULING durchgefiihrt, der vermutete, daB dem Kaliumperoxyd nicht die Formel K204, sondern KO, zukiime, d. h. dalj nicht O,z--Ionen, sondern O,l--Ionen vorliegen. Da ein 021--Ion eine ungerade Elektronenzahl besitzt, sollte es einen Paramagnetismus von 1,73 Magnetonen zeigen. E. W. NEUMANN fand in der Tat einen Paramagnetismus, der ungefiihr die von der Theorie verlangte GroBe hat, und schlolj daraus, dalj tatsiichlich KO, vorliegt.

Wegen der allgemeinenBedeutung dieses Ergebnisses schien uns eine Nachprufung wiinschenswert. Denn unseres Erachtens liegt die Frage theoretisch keineswegs so klar, daB man aus einer Messung an nur einem, noch dazu analytisch nicht ganz einwandfreiem Priiparat (NEUMANN fand l,SO/O Kalium mehr als der Theorie entspricht) bei einer einzigen Temperatur einen so entscheidenden SchluB ziehen darf. Der Ver- fasser scheint ubersehen zu haben, daB auch fur ein 0,2--Ion Para- magnetismus durchaus moglich ist und daB man prufen mulj, ob sein Befund nicht auch mit dieser Annahme vertraglich ist. Ein 04-2-Ion kann man sich ja so aufgebaut denken, daB ein 0,-Molekul durch Polarisationskriifte an ein 0,2--Ion angelagert ist. Wenn sich dabei der Elektronenzustand des 0,-Molekuls nicht wesentlich iindert, so sollte man den Paramagnetismus des freien 0,-Molekuls im K,O, wiederfinden. Es ist daher zu uberlegen, ob magnetisch zwischen den beiden Moglichkeiten: I. O,l--Ion und 2. 02.0,2--Ion uberhaupt

1) XVIII: vgl. L. KLEMM u. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 925

a) E. W. NEUMANN, Journ. Chem. Phys. 2 (1934), 31. (1935), 268.

Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 225. 18

274 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 225. 1935

ein Unterschied zu erwarten ist. Fur den ersten Fall sollte man, falls das O,l--Ion sich in einem 2-Zustand befindet, d. h. also kein Bahnmoment besitzt, einen Magnetismus von 1,73 Magnetonen er- warten, d. h. eine Molekularsuszeptibilitat von + 1270-10-6 bei Zimmertemperatur. Andererseits besitzt das O,-Molekul ein Moment von 2,83 Magnetonen entsprechend einer Molekularsuszeptibilitat von + 3390 * bei Zimmertemperatur. Dieser Wert ware zu ver- gleichen mit 2 * 1270 - = 2540 - 10-6, da ja K20, das doppelte Molekulargewicht von KO2 besitzt.

Wie man sieht, ist der Unterschied nicht sehr groB, so daB es von vornherein unwahrscheinlich erscheint, daB man auf magne- tischem Wege eine sichere Entscheidung zwischen den beiden Mog- lichkeiten treffen kann. Voraussetzung dafur ware :

1. Die Messungen mussen an einwandfreien PrBparaten durch- gefiihrt werden und sicher reproduzierbar sein.

2. Das CURIE’SChe Gesetz muB streng erfullt sein, so daB man kleinen Abweichungen der gefundenen Werte gegenuber einer theo- retischen Annahme wirklich Gewicht beimessen darf.

Wir haben daher eine erneute experimentelle Bearbeitung des Problems vorgenommen.

Zuniichst wurde das magnetische Verhalten von Natriumsuperoxyd untersucht, um festzustellen, wie sich das OZ2--Ion verhiilt. Die benutzten Na,O,- Priiparate wurden durch Verbrennen von vakuumdestilliertem Natriummetall im scharf getrookneten Luftstrom dargestellt. Es erwies sich dabei als erforder- lich, das F’riiparat nach Ablauf der ersten sturmischen Reaktion noch etwa 8 Stunden auf 26OOC im Sauerstoffstrome zu erhitzen, da sonst der Gehalt an aktivem Sauerstoff sehr hinter der Theorie zuriickblieb. Das von uns zur Messung benutzte Priiparat war, nach dem Gehalt an aktivem Sauerstoff und Natrium beurteilt, 9S0/,,ig. Die Molekularsuszeptibilitiit ergab sich zu - 24 * lo6, wiihrend nach den Berechnungen von W. R. ANGUS^) - 21 - lo6 zu erwarten ist. Das 0,2--Ion verhiilt sich also magnetisch ganz normal.

Kal iumte t roxyd durch Verbrennen von vakuumdestilliertem Kalium- metal1 im stark getrookneten Luftstrom und Nachbehandlung im Sauerstoff - strom in reiner Form zu erhalten, gelang uns nicht, obwohl wir die Nachbehand- lung im Sauerstoffstrom bei 270° C mehrere Tage durchfiihrten. Wir beurteilten dabei unsere Priiparate analytisch auf Grund folgender Bestimmungen: Zu- niichst wurde der bei der Zersetzung mit H,O bei Zimmertemperatur entwickelte Sauerstof f gemessen und sof ort anschlieBend der Gehalt der entstandenenLosung an OZ2--Ionen durch Titration mit n/lO-KMnO,-Losung bestimmt. In einer Sonderprobe wurde der Alkaligehalt durch Titration der Auflosung der Probe in Wasser mit n/lO-RCl bestimmt. Auf Grund dieser Bestimmungen kam den

l ) W. R. ANGUS, Proc. Royal. Soo. A 136 (1932), 579.

W. Klemm u. H, Sodomann. Magnet. Verhalten d. Kaliumpolyoxyde usw. 275

besten Priiparaten, die wir durch Verbrennung erhielten, etwa folgende Zu- sammensetzung zu : - 90% Tetroxyd; K,O,; 2-4°/0 KOH.

Da sich auf diesem Wege einwandfreie Priiparate nicht gewinnen liden, versuchten wir die Oxydation einer Losung von Kaliummetall in fliissigem Ammoniak. Nach dieser zuerst von A. JOANNIS~) beschriebenen Methode hatten CH. A. KRAUS und E. F. PARMENTER~) 98°/oige Priiparate von Tetroxyd er- halten. Auch bei uns fiihrte diese Methode sofort zum Ziele. Mehrere Priiparate von Tetroxyd, die wir auf diesem Wege damtellten, waren 99-100°/oig.

Das Ergebnis der magnet ischen Messungen an Kalium- tetroxyd ist in Tabelle 1 zusammengestellt.

Tabelle 1

I 33,l 4705 I1 1 32,7 1 4650

I11 27,8 3960

200 3300 3270 1 3200

4760 4705 1 4550

9380 1 9380 9200

- 78'

- 1880

1,98 1 :$: 1 1,97 2,75 1,94

2,74 1,94 1 2,72 1 1,92 2,68 1,89

AUS der Tabelle 1 ergibt sioh, daB die Werte ausgezeichnet reproauzierbar sind. Selbst das nur 88%ige Praparat I11 fiigt sich, wenn man seinem Mindergehalt an Tetroxyd entsprechend Rechnung triigt, den einwandfreien PrHparaten I und I1 sehr gut an5).

1) A. JOANXIS, Compt. rend. 116 (1893), 1370. a) CH. A. KRAUS u. E. F. PARMENTW, Journ. Am. chem. SOC. 66, (1934),

2384. 3, Die Praparate I und I1 sind in fliissigem NH, hergestellt und praktisch

1000/oig. Praparat I11 ist durch Verbrennung von Kaliummetall erhalten und nur SSo/oig.

4) In der Korrektur ist bei Priiparat I und I1 nur der Diamagnetismus ent- halten; bei Priiparat I11 ist auch die Abweichung von der theoretischen Zusammen- setzung beriicksichtigt.

6) Diese gute ubereinstimmung zwischen Priiparat I11 und den ubrigen Priiparaten 18Bt es als wenig aussichtsreich erseheinen, die Fage nach der Existenz von Ka03 auf magnetischem Wege zu priifen. Es ist ja anzunehmen, daD das Priiparat I11 merkliche Mengen von K,O, enthiilt, fa& dieses iiberhaupt

18*

276 Zeitsohrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 225. 1935

Jedoch deigt Tabelle 1 und Fig. 1, daB das CURIE’SChe Gesetz nicht streng erfullt ist. Damit entfiillt eine der Voraussetzungen fur eine sichere Entscheidung zwischen den beiden Formeln KO, und K,04.

In Fig. 1 sind die fur die beiden Moglichkeiten berechneten effektiven Magnetonenzahlen noch einmal zusammengestellt. Man

erkennt deutlich, daB die Mes- sungsergebnisse fur beide An- nahmen etwa gleich gut passen.

Es liiBt sich daruber hinaus so- gar zeigen, daD die Abweichungen der Absolutwerte von den berechneten und ihre Temperaturabhiingigkeit fur beide Annahmen leicht zu erkliiren sind.

Fiir die Annahme KO, kann die Abweichung daher riihren, daB das O,l--Ion nicht nur ein Spin- moment, sondern auch ein Bahn- moment besitzt, etwa so, wie ea bei dem iihnlich gebauten NO-Molekiil der Fall ist. Fiir die Annahme K,O, wurden die gefundenen Werte bedeu- ten, daB durch Polarisation gebundene Sauerstoffmolekiile bei tiefen Tempe-

raturen einen etwas geringeren Paramagnetismus besitzen als freie 0,-Mole- kiile. Dies stimmt damit iiberein, daB nach Messungen von I. AHARONI und F. Smo~1) der Paramagnetismus des bei tiefen Temperatwep an Chabaait ge- bundenen Sauerstoffs ebenfalls etwas kleiner ist als der des gasformigen 0,.

Zusammenfassend ergibt sich also, daB es nicht moglich i s t , auf magnetischem Wege eine Entscheidung zu t reffen, o b dem hochs ten Oxyd des Kal iums die Formel KO, oder K,04 zukommt. Eine endgultige KlSirung dieser Frage wird der rontgeno- graphischen Untersuchung vorbehalten bleiben mussen. So inter- essant die Entdeckung des Paramagnetismus des Kaliumtetroxyds durch E. W. NEUMANN ist, so sehr mu5 auf der anderen Seite davor gewarnt werden, aus dieser Feststellung voreilige Schlusse zu ziehen.

Fig. 1

existiert. Da sich aber die Mischungsregel f i i r Priiparat I11 und auch fiir ver- schiedene andere Priiparate von noch wesentlich geringerem K,O,-Gehalt so gut bewiihrt, wenn man ein Gemisch von K,O, und K,O, annimmt, so ist zu ver- muten, daB ein eventuell vorhandenes K,O, magnetisch keine besonders auf - f alligen Eigenschaften zeigt, durch die man seine Existenz beweisen konnte.

1) I. AECARONI u. F. SIMON, Z. phys. Chem. B 4 (1929), 175.

W. Klemm u. H. Sodomann. Magnet. Verhalten d. Kaliumpolyoxyde usw. 277

11. Polysulfide

Nach S. M. NAUDE und A. CHRISTY~) besitet das S,-Molekul das gleiche magnetische Moment wie das 0,-Molekul. Es schien daher nicht unmoglich, daS man auch bei Alkalipolysulfiden para- magnetische Vertreter finden wurde. Wir stellten uns daher Pra- parate von K,S, K,S,, KgS3, K,S, und K,S, her und bestimmten ihre magnetische Suszeptibilitat bei Zimmertemperatur und - 183O C.

Kaliumsulf id K,S wurde durch Einwirkung von sorgfiiltig gereinigtem Schwefel auf eine Losung von Kaliummetall in flussigem Ammonlak hegestellt*). Das dazu benutzte Kalium war im Vakuum destilliert. Um die Bildung von Polysulfiden zu verhindern, wurden die Mengenverhiiltnisse so gewiihlt, daS ein kleiner KaliumuberschuB vorhanden war. Die Reaktion wurde in einer mit einer Jenaer Glasfritte veraehenen Apparatur durchgefuhrt, bei der es moglich war, das flussige Ammoniak mit dem AlkalimetalliiberschuB abzufilhieren tlnd das Rohprodukt mit flussigem Ammoniak nachzuwaschen. Die Analyse der so erhaltenen Priiparate (SuperoxydaufschluO) ergab Schwefelwerte, die gut mit den theoretischen ubereinstimmten (gef. 28,8; 29,0°/0 S, ber. 29,06O/,).

Zur Darstellung der Polysulfide wurden abgewogene Mengen so ge- wonnener K,S-Priiparate unter sorgfiiltigem AusschluS von Luftfeuchtigkeit in Rohrchen gefiiUt, an die die MeBrohrchen fur die magnetische Measung an- geschmolzen waren, und dann die berechnete Menge Schwefel hinzugegeben. Die RiShrchen wurden evakuiert, zugeschmolzen und in einem elektrischen Ofen eine halbe Stunde auf 60OoC erhitzt. Wiihrend dieser Synthese waren die MeB- rohrchen nach oben gerichtet; die entstehende Schmelze konnte daher nicht in sib hineinfliefien. Nach dem Erkalten d e n die Rohrchen umgedreht, so daB die MeBrohrchen nach unten zu stehen kamen, und das Priiparat erneut ge- schmolzen, wobei sich die MeBrohrchen fiillten. Dabei achtete man darauf, daB die Substanz in den Rohrchen moglichst lunkerfrei erstarrte. Ganz lieB sich dies allerdings nie erreichen. Infolgedessen darf man an die MeBergebnisse keine allzugroBen Genauigkeitsanspriiche stellen. Die so vorbereiteten MeBrohrchen wurden dann abgeschmolzen und die Messung durchgefuhrt.

Die bei Zimmer t em p er a t u r erhaltenen Magnet i smu s w er t e zeigt Tabelle 2.

Tabelle 2

K,S . . . . : 1 -0,541 > 11 - 0,46 f 0,02

- 89

K,S, . . . - 0,50

K,S, . . . . . - 0,43 K,S, . . . . . K,S,. . . . . . - 0,41 I - 9 s

1) S. M. N A U D ~ u. A. CHRISTY, Phys. Rev. 87 (1931), 490. z, uber die Daretellung von Sulfiden in verflussigtem Ammoniak vgl.

CH. HUGOT, Ann. chim. phys. [7] 21 (1900), 5; eine moderne Ausfuhrungsform beschreibt F. WEIBPE, Diplomarbeit Hannover 1928.

278 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 225. 1935

Es ergibt sich daraus, daB ein paramagnetischer Vertreter in dieser Reihe n ich t vorkommt. K,S, verhalt sich also magnetisch anders als das Tetroxyd. Die Formulierung KS, ist hier sicher aus- zuschlieBen. DaB der auch fur ein S,2--Ion zu erwartende Para- magnetismus nicht vorhanden ist, kann verschiedene Grunde haben. Einmal kann der Aufbau der Polysulfide uberhaupt anders sein als der der Polyoxyde. Es kann aber auch darin begrundet sein, daB das S,-Molekul durch die polarisierende Wirkung des S,Z--Ions stiirker verandert wird als das 0,-Molekul in K,O, durch das O:--Ion und daB das S,-Molekul daher in einen anderen Elektronen- zustand ubergegangen ist.

Das Fehlen von paramagnetisohen Erscheinungen bei den Kalium-Polysulfiden wird auch dadurch bestiitigt, daB die bei der Tempera tur der flussigen L u f t gefundenen Werte sich nicht nennenswert von den Zimmertemperaturwerten unterscheiden. Der Diamagnetismus ist bei - 1830 durchweg eine Kleinigkeit groBer. Die Unterschiede liegen aber kaum auBerhalb der in Tabelle 2 an- gegebenen Fehlergrenzen. Nur K,S, verhalt sich bei tiefen Tempe- raturen anders. Hierauf werden wir im Absatz I11 zuruckkommen.

Vergleicht man die Absolutwerte des Diamagnetismus mit theoretisch berechneten Werten, so ergibt sich fiir K,S eine befriedigende obereinstimmung mit den von ANQUS berechneten Ionendiamagnetismuswerten. Hiernach ware xyol = - 59 * zu erwarten, wtihrend wir - 60. gefunden haben. Da- gegen ist der Zuwachs des Diamagnetismus, der durch das Hinzukommen von je einem S-Atom in den Polysulfiden bedingt ist, kleiner als man es bei additivem Verhalten erwarten sollte. Wie Tabelle 2 zeigt, macht dieser Zuwachs pro S-Atom etwa - 10 - aus, wahrend der atomare Diamagnetismus des elementaren Schwefels - 15 - 10-6 betragtl). Es findet also in den Polysulfiden eine ziemlich erhebliche Verminderung des Diamagnetismus statt.

Die Erscheinung, da8 der Diamagnetismus von Polyverbindungen kleiner ist ah der Additivittit entspricht, scheint allgemein zu sein. So ergibt z. B. eine Untersuchung von F. W. GRAY und J. DAKERS,) fur die Halogenatome in ver- schiedenen Tetralkylammoniumpolyhalogeniden f olgende Werte fur den schein- baren atomaren Diamagnetismus:

C1= - 13 * Br = - 23 - J = - 36 - wiihrend die f ur die Elemente selbst gefundenen Diamagnetismuswerte die folgen- den sind:

Br = - 31 - 1W6; Eine Erkltirung fur die Abweichung von der Additivitat bei den Polysulfi-

den usw. I&Dt sich noch nicht geben. Vielleicht liegt ein mit dem Schwefelgehalt

C1= - 20- J = - 46.10-6.

l) ANGUS berechnet fur das neutrale S-Atom einen Diamagnetismus von

,) F. W. GRAY u. J. DAKERS, Phil. Mag. (7) 11 (1931), 81. - 19 - Damit wiirde die Differenz noch groBer.

W. Klemm u. H. Sodomann. Magnet. Verhalten d. Kaliumpolyoxyde usw. 279

wachsender temperaturunabhiingiger Paramagnetismus vor, iihnlich wie bei K,CrO, usw. Dafiir wiirde sprechen, daD alle diese Polyverbindungen gefiLrbt sind. Es darf aber auch damn erinnert werden, daI3 nach W. BILTZ, W. KLEMM, K. ME IS EL^) in derartigen homogenen Komplexen die Raumbeanspruchung des komplex angelagerten Liganden oft kleiner ist als dem Atomvolumen entspricht ; es konnte daher die gefundene Abnahme des Diamagnetismus auch mit einer Kontraktion der Schwefelatome zusammenhiingen.

111. Notir iiber das magnetische Verhalten von K,S, bei tiefen Temperaturen

Wiihrend K,S, K,S,, K,S, und K,S, bei tiefen Temperaturen im magnetischen Verhalten keine Besonderheiten zeigten, verhielten sich mehrere K,S,-PrLparate, die aus denselben Ausgangsmaterialien und in derselben Weise hergestellt waren wie die ubrigen Poly- sulfide, bei tiefen Temperaturen sehr eigenartig. Sobald man sie zwischen den Polen des stromlosen Elektromagneten auf Tempe- raturen unter - 5OoC abkuhlte, wurden sie sofort an einem der beiden Magnetpole gezogen. Dieser Effekt trat auch noch auf, wenn sich der unterste Teil des Praparates 10 em oberhalb des Magneten befand. LieB man die Temperatur wiederum auf etwa - 40° steigen, so verschwand diese Erscheinung und wir fanden wieder Dia- magnetismus.

Es ist naheliegend, diese Erscheinung so zu deuten, daB K,S, unterhalb - 5OoC ferromagnetisch wird, so daB schon der geringe remanente Magnetismus des Magneten genugt, um das Priiparat so stark zu magnetisieren, daI3 es infolge der Inhomogenitiit des Feldes an die Pole herangezogen wird. Sollte sich diese Auffassung be- wahrheiten, so liige im K2S3 ein in magnetischer Beziehung hochst bemerkenswerter Stoff vor ; denn

1. wiire es sehr auffiillig, daB eine nur aus Kalium und Schwefel bestehende Verbindung ferromagnetische Eigenschaften zeigt ;

2. liige der damit unseres Wissens bisher noch nicht beobachtete Fall vor, daB ein ferromagnetischer Korper oberhalb seiner CURIE- Temperatur nicht paramagnetisch, sondern diamagnetisch ist.

Das Verhalten des K,S, erschien uns so auffiillig, daD wir zungchst an der Richtigkeit unserer Beobachtungen gezweifelt haben. Aber der Effekt trat bei neu hergestellten Priiparaten immer wieder auf. Er kann wohl kaum auf eine Verunreinigung zuriickgefiihrt werden, denn

1. sind andere Stoffe, die sich magnetisch so verhalten, nicht bekannt; 2. haben wir die verwendeten Ausgangsmaterialien (Kaliummetall, K,S

und Schwefel) sorgfiiltig magnetisch untersucht, ohne die geringste Sonderheit zu finden.

l) Vgl. W. BILTZ, Raumchemie der festen Stoffe, Leipzig 1934, S. 329.

280 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 225. 1935

Wir haben uns uberzeugt, daB dieses eigenartige magnetiache Verhaltm an eine ganz bestimmte Zusammensetzung geknupft ist. Priparate der Zu- sammensetzung K2S2,, und K2S,,, zeigten bei tiefen Temperaturen den nor- malen Diamagnetismus.

Wir sind zur Zeit damit beschltigt, die magnetischen Eigen- schaften von KzS3 und anderen Polysulfiden, Seleniden und Tellu- riden nikher zu untersuchen, und hoffen uber das Ergebnis in Kiirze berichten zu konnen.

Die vorliegende Untersuchung wurde durch die Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule zu Danzig und die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstiitzt, wofur wir auch an dieser Stelle danken mochten.

Zusammenfamung 1. Es wird gezeigt, daB sich magnetisoh eine Entscheidung

2. Die Kaliumpolysulfide sind siimtlich diamagnetisch. 3. Es wird auf das eigenartige magnetische Verhalten von K2S3

zwischen den Formeln KO, und K,04 nicht treffen 1BBt.

bei tiefen Temperaturen hingewiesen.

Darwig - Langfichr, Technische Hochschule , Anorganisch- chemisches Institut.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. November 1935.