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104 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band203. 1931 Magnetochemische Untersuchungen. 5.9 Magnetische Messungen an Cupriverbindungen, ein Beitrag zur Theorie des Magnetismus der Ubergangselemente Von WILHELM KLEMM und WILIIELM SCHUTH Mit 4 Figuren im Text A. Theoretisches I. Ein grof3er Teil der festen Korper und Fliissigkeiten befolgt reoht genau das CURIE’SChe Gesetz x-T = C; bei vielen Stoffen finden sich aber auch Abweichungen. Zu ihrer Erklarung kann man grundsatzlich zwei Wege einschlagen: a) Man kann mit WEISS annehmen, daB infolge eines ,,mole- kularen Feldes“ alle bei hohen Temperaturen paramagnetischen Stoffe unterhalb einer bestimmten Temperatur 0 ferromagnetisch shd und da13 erst oberhalb dieser Temperatur das CuRIE’sche Gesetz gilt, jetzt aber mit der reduzierten Temperatur T - 0. Der so erhaltene WEIss’sohe Ansatz x.(T - 0) = C gestattet in der Tat, eine sehr grof3e Zahl von Fallen exakt darzustellen; die Haupt- schwierigkeit der Theorie betraf das Wesen des molekularen Feldes, das sicher nicht auf magnetische Krafte zuruckgeht. Die Losung dieser Schwierigkeit diirfte aber grundsatzlich mit dem Hinweis von HE IS EN BERG^) gegeben sein, daf3 hochstwahrscheinlich (elektro- statische) Austauschkrafte vorliegen. Aber auch nach Beseitigung dieser grundsatzlichen Schwierigkeit ergeben sich noch zahlreiche Falle, bei denen die Erklarung durch das lllolekularfeld bedenklich ist : 1. Man betrachtet die Giiltigkeit des Wmss’sehen Ansatzes als bewiesen, Venn 1/x eine lineare Funktion von T ist. Nun setzen sich die experimentell erhaltenen 1/x - T-Kurven aber oft aus zwei Geraden zusammen, die nur durch ein gane kurzes, gekriimmtes Stuck verbunden sind. Man mu13 diesen beiden Kurvenstucken ver- schiedene Magnetonenzahlen und verschiedene 0-Werte zuerteilen, was schwer zu erklaren ist. 4. Mitteilung, Z. anorg. u. allg. Chem. 201 (1931), 32. a) W. HEISENBERG, Z. Physik 49 (1928), 619.

Magnetochemische Untersuchungen. Magnetische Messungen an Cupriverbindungen, ein Beitrag zur Theorie des Magnetismus der Übergangselemente

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104 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band203. 1931

Magnetochemische Untersuchungen. 5.9

Magnetische Messungen an Cupriverbindungen, ein Beitrag zur Theorie des Magnetismus der Ubergangselemente

Von WILHELM KLEMM und WILIIELM SCHUTH Mit 4 Figuren im Text

A. Theoretisches

I. Ein grof3er Teil der festen Korper und Fliissigkeiten befolgt reoht genau das CURIE’SChe Gesetz x - T = C; bei vielen Stoffen finden sich aber auch Abweichungen. Zu ihrer Erklarung kann man grundsatzlich zwei Wege einschlagen:

a) Man kann mit WEISS annehmen, daB infolge eines ,,mole- kularen Feldes“ alle bei hohen Temperaturen paramagnetischen Stoffe unterhalb einer bestimmten Temperatur 0 ferromagnetisch shd und da13 erst oberhalb dieser Temperatur das CuRIE’sche Gesetz gilt, jetzt aber mit der reduzierten Temperatur T - 0. Der so erhaltene WEIss’sohe Ansatz x.(T - 0) = C gestattet in der Tat, eine sehr grof3e Zahl von Fallen exakt darzustellen; die Haupt- schwierigkeit der Theorie betraf das Wesen des molekularen Feldes, das sicher n i c h t auf magnetische Krafte zuruckgeht. Die Losung dieser Schwierigkeit diirfte aber grundsatzlich mit dem Hinweis von HE IS EN BERG^) gegeben sein, daf3 hochstwahrscheinlich (elektro- statische) Austauschkrafte vorliegen.

Aber auch nach Beseitigung dieser grundsatzlichen Schwierigkeit ergeben sich noch zahlreiche Falle, bei denen die Erklarung durch das lllolekularfeld bedenklich ist :

1. Man betrachtet die Giiltigkeit des Wmss’sehen Ansatzes als bewiesen, Venn 1/x eine lineare Funktion von T ist. Nun setzen sich die experimentell erhaltenen 1/x - T-Kurven aber oft aus zwei Geraden zusammen, die nur durch ein gane kurzes, gekriimmtes Stuck verbunden sind. Man mu13 diesen beiden Kurvenstucken ver- schiedene Magnetonenzahlen und verschiedene 0-Werte zuerteilen, was schwer zu erklaren ist.

4. Mitteilung, Z. anorg. u. allg. Chem. 201 (1931), 32. a) W. HEISENBERG, Z . Physik 49 (1928), 619.

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2. Ein gewisses Unbehagen bereitet es ferner immer, wenn die O-Werte negativ sind. Dies 18Bt naturlich eine Deutung in dem oben erwahnten Sinne nicht zu, 1a8t sich aber vielleicht so erklaren, daB die Molekularfelder eine einmal begonnene Orientierung ebenso hindern wie begiinstigen k0nnen.l)

3. Ganz bedenklich wird es nun aber, wenn diese negativen O-Werte die GroBenordnung von 1000° und mehr annehmen (2. B. -96900 beim Pt) ; d a m bedeutet die Darstellbarkeit nach dem WEISS'- schen Ansatz nur noch einen Formalismus.

4. Ganz unmoglioh wird die WEIss'sche Theorie dann, wenn x mit der Temperatur steigt; denn der uberhaupt mogliche Grenzfall (bei 0 =- a) ist Konstanz von x bei verschiedenen Temperaturen. Da aber x, wie wir sehen werden, in einzelnen Fallen bei Temperatur- erhohung wachst, ist die W ~ ~ s s ' s c h e Theorie allein nicht in der Lage, a l l e Falle darzustellen.

b) Als das Charakteristische der bisher genannten Auffassung ist es anzusehen, daB man die Zahl der paramagnetischen Ionen als konstant ansieht und daB man diesen Ionen bei allen Tempe- raturen das gleiche Moment zuschreibt. Man konnte sich nun aber auch auf den entgegengesetzten Standpunkt stellen und annehmen, die Abweichungen vom CURIE'schen Gesetz seien garnicht durch das Molekularfeld bedingt, sondern dadurch, daB sich das magne- tische Moment der Ionen bzw. die Z a h l der Ionen mit der Tempe- ratur andere; an sich gelte aber das CURIE'SChe Gesetz fur die bei jeder Temperatur vorhandenen Ionen streng.

Die hier genannte ,4uffassung, daB es sich um hderungen von Gleichgewichten zwischen Komponenten mit verschiedenem Magne- tismus mit der Temperatur handele, konnte man der zuerst genannten, mehr ,,physikalischen" Auffassung als eine mehr ,,chemische" Deutung entgegensetzen. Nachdem man in fruheren Zeiten meist der physikalischen Erkliirung den Vorzug gegeben hatte, scheint es nutz- lich, auch einmal die chemische Auffassung etwas starker zu betonen.

11. Einen Hinweis darauf, daB ein mit der Temperatur ver- anderliches Gemisch von Ionen mit verschiedenem Magnetismus vorliegt, kann man in manchen Fiillen darin sehen, daB die Tempe- raturabhangigkeit des Magnetismus einer Verbindung von der Tempe- raturabhangigkeit der im periodischen System benachbarten Ver- bindungen sehr stark abweicht. So hatte W. KLEMM~) darauf hin-

l) Vgl. G. FoEx, Ann. de Phys. (9) 16 (1921), 270, Anm. 2, W. I(L~iww, z. anorg. u. allg. Chem. 176 (1928), 188, h m . 8.

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1% Zeitschift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1931

gewiesen, daB der Temperaturkoeffizient der magnetischen Suszepti- bilitat der Sm-(3)-Verbindungen dafiir spreche, daB es sich hier um ein von der Temperatur abhangiges Gleichgewicht zwischen zwei Isomeren hanclele, d. h. also, daB das erste Beispiel der von R. SWINNE') bei den Ionen der seltenen Erden vermuteten,,Elektronen- isomerie" vorliege. In einer spateren eingehenden Untersuchung uber die Anderung der Suszeptibilitat von Sm,( SO,), - 8 H,O mit der Temperatur hat S. FREED,) diese Ansicht erneut ausgesprochen.

Uber ganz ahnliche Verhaltnisse beim S t i c koxyd berichtet R. ST~SSEL.~) Dieses ist beim absoluten Fiullpunkt unmagnetisch, bei sehr hohen Temperaturen besitzt es ein magnetisches Moment von 2 Bom'schen Magnetonen; bei gewohnlicher Temperatur ist NO ein Gemisch dieser beiden Isomeren. Die Gleichgewichtskonzentrationen andern sich mit der Temperatur, und zwar, wie R. STOSSEL zeigen konnte, genau nach der quantenmechanisch berechenbaren Formel.

111. Vie1 bessere Beispiele als bei den seltenen Erden findet man bei den Verbindungen der Elemente der Ubergangsgruppen (Mn, Fe, Xi, Cu, Pt-Metalle usw.). Diese Elemente unterscheiden sich ja von den seltenen Erden dadurch, dai3 dis den Paramagnetisinus bedingende unvollstandig aufgefdllte Elektronengruppe aus den auBeren Elektronen besteht, wahrend die bei den seltenen Erden in Frage kommenden Elektronen einer i n n e r e n Gruppe angehoren. Dies aul3ert sich u. a. darin, da13 bei den Verbindungen der seltenen Erden der Magnetismus, soweit man bisher weiW, vom Anion praktisch unabhangig ist : Oxyde, Sulfide, Chloride, Nitrate usw. zeigen nur geringe Abweichungen in besug auf die magnetische Suszeptibilitat ; ferromagnetische Verbindungen sind nicht bekannt. Die gefundenen Suszeptibilitaten entsprechen den Werten, die man nach HUNU bzw. VAN VLECK fur gasformige Ionen berechnet.

Bei den Verbindungen der Ubergangsgruppen hingegen sind der- artige Unterschiede zwischen verschiedenen Verbindungen desselben Kations in hohem MaBe vorhanden; der Magnetismus der Oxyde, Sulfide usw. hat mit dem der Salze im engeren Sinne oft sehr wenig zu tun. Ferner ist das magnetische Moment des gelosten Ions oft weitgehend abhangig von der Konzentration, von Losungsgenossenusw. Bei Kornplexsalzen ist der Magnetismus von dem der einfachen Salze oft grundsatzlich verschieden.

I) R. SWINNE, Z. Elektrochem. 31 (1925), 417. z , S. FREED, Journ. Am. Chem. SOC. 62 (1930), 2708.

R. STOSSEL, Ann. Phys. [5] 10 (1931), 393.

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IV. Die Bereohnung des Magnetismus der Ionen der Dbergangs- gruppe hat lange Zeit Schwierigkeiten gsmacht. Die zuerst von HUND durchgefuhrte Berechnung ergab nach der Formell)

n, = 4,97-g.Ij(j + 1)

die in Kurve I der Fig. 1 angegebenen Werte. Obwohl die experi- mentellen Werte untereinander etwas verschieden sind, so 1iil3t sich doch mit volliger Sicherheit sagen, daB diese Kurve mit der Erfahrung unvereinbar isL2) Diese nw Kurve wiirde aber fur ,--_

g a s f o r mig e Ionen beim .a'bsoluten N u l l p u n k t gelten.

Urn die Ergebnisse der quantenmechanischen Be- handlung des Problems erortern zu konnen, miissen wir das Zustande- kommen des Magnetismus n3+ eines Atoms bzw. Ions Fig. 1. Berechnete und gefundene Magnetonen- kurz klarlegen. Jedes ein- zah,len. Die Lange der senkrechten Striche ent-

spricht den Schyankungen der empirisch ge- zelne Elektron im Atom fundenenwerte. OberdieBedeutung derKurven1,

I1 und 111 vgl. den Text liefert einen Beitrag zum Magnetismus durch das Bahnmoment (ZJ und das Spinmoment (sJ. Nun ist bei normaler Termordnung die gegsnseitige Einwirkung (Koppelung) zwischen den Bahnmomenten der verschiedenen Elektronen des Ions unter sich einerseits, den verschiedenen Spinmomenten unter sich andererseits sehr vie1 groJ3er als die zwischen dem Bahn- und Spinmoment eines einzelnen Elektrons. Die Koppelung der Bahnmomente ergibt das Gesamtbahnmoment (Z,), die der Spinmornente das Gesamtspinmoment (.sg). Diese beiden Gesamt'momente sind nun wieder, menn auch schwacher, miteinander gekoppelt und ergeben so das oben ermiihnte Gesamtmoment j.

Die gegenseitige Stellung der 1,- und s,-Werte zueinander kann aber verschieden sein; dementsprechend gibt es im allgemeinen mehrere j-Werte; jedem dieser j-Werte entspricht eine bestimmte

nW.= Zahl der WEIss'schen Magnetonen, g = LANDh'scher Aufspaltungs- faktor, j &e innere Quantenzahl, d. h. die Resultierende aus dem Gesamtbahn- und Spinmoment des Ions.

a) Auf die Erweiterung der Theorie durch 0. LAPORTE u. A. SOMMERFELD, Z. Physik 40 (1926), 33, sowie 0. LAPORTE, 2. Physik 47 (1928), 761, wollen wir hier nicht eingehen, da sie sich nicht bewahrt hat.

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Energie des Atoms. Das Vorhandensein mehrerer j-Werte drixkt sich darin aus, daB der betreffende Spektralterm ein Multiplett- term ist. Sind die Energieunterschiede, die den verschiedenen j-Werten entsprechen, groB, so sind auch die Multiplettabstande groB und umgekehrt .

Die Berechnungl) liefert nun verschiedene Werte fur das magne- tische Moment, je nachdem, ob diese Multiplettabstande sehr groB oder sehr klein sind. Sind sie sehr groB gegeniiber der Tempe- raturenergie kT, so ist bei den praktisch in Frage kommenden Temperaturen im wesentlichen nur der tiefste Energiezustand vor- handen, und es folgt die HuxD’sche Formel. Sind sie aber klein gegeniiber k T , so sind je nach der Temperatur mehrere Zustande mit verschiedenem j gleichzeitig angeregt. Die Mittelwertsbildung uber alle merklich angeregten Zustiinde wirkt sich - unabhangig von der auBeren Feldstarke - so aus, als ob die Koppelung zwischen 1, und s, aufgehoben ware und beide Momente sich unabhangig voneinander im Felde einstellten, wie es die nachstehende Formel ausdriickt :

n, = 4,97.1/4, (8, + 1) + Z, (z, + 1) . ______

(Zg = Gesamtbahnmoment, s, = Gesamtspinmoment des Ions). Wie man sieht, kommt diese Kurve (11) den experimentellen

Werten schon naher, gibt sie aber auch noch nicht ganz richtig wieder. Sie wurde streng fur gasf i i rmige Ionen bei h o h e r e n Tempe- raturen (etm-a bei Zimmertemperatur) gelten.

SchlieBlich hat D. M. BOSE~) vorgeschlagen, nur die Spinmomente zu beriicksichtigen; man erhalt so

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n, = 4,97-1/4s,+, + 1) (Kurve 111) ; dies bedeutet die Annahme, daB die Bahnmomente iiberhaupt keinen Beilrag Bur Suszeptibilitat liefern. Die experimen- tellen Werte liegen, wie Fig. 1 zeigt, zwischen I1 und 111.

Theoretisch blieb jetzt noch zweierlei zu klaren: 1. Wie es moglich ist, daB in vielen Fallen das Bahnmoment I,

iiberhaupt keinen Beitrag mehr zurn Magnetismus liefert, und 2. warum das scheinbare magnetische Moment etwa des Cu++-

Ions von Verbindung zu Verbindung wechselt. Die Erklarung hierfiir gab E. C. STONER.^) Der wesentliche Inhalt

seiner Theorie ist etwa der folgende: Wenn ein Atom oder Ion sehr

l) J. H. VAN VLECH, Phys. Rev. 31 (1928), 587. 2) D. M. BOSE, 2. Physik 43 (1927), 864. 2, E. C . STONER, Phil. Mag. [Tj 8 (1929), 250.

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eng von Nachbarnl) umgeben ist, so wird nicht nur, wie S. 107 er- w-ahnt, Koppelung zwischen den Bahnmomenten der Elektronen des- s e l b en Atoms eintreten, sondern auch zwisohen den Bahnmomenten b e n a c h b a r t e r Atome. Die Spinmomente verschiedener Atome werden dabei zunachst nicht gekoppelt. Damit werden die Bahn- momente der einzelnen Ionen ihre freie Einstellbarkeit gegenuber einem auBeren Magnetfeld mehr oder weniger verlieren und nicht mehr in Erscheinung treten.

Schwache Koppelung der 1-Momente benachbarter Atome gibt KurveII

V. In Fortfiihrung des STONER’sChen Gedankens kann man noch weiter gehen und fragen, was geschieht, wenn die Einwirkung zwischen den benachbarten Atomen noch groDer wird? Dies kann, wie das Experiment zeigt und die Theorie erwarten laat, je nach den Um- standen zu verschiedenen Ergebnissen fuhren :

1. 1st die Gruppe, auf die sich diese starke gegenseitige Ein- wirkung erstreckt, klein (mehrere Atome), so erhalten wir D u r c h - d r i n g u n g s k o m p 1 e x e. z,

2. Erstreckt sich die Einwirlrung uber den ganzen Kristall, so kann zweierlei eintreten:

a) Die Elektronen konnen die Zugehorigkeit zu einem bestimmten Atom vollkommen verlieren und als Elektronengas vielen Atomen angehoren; wir erhalten den me ta l l i s chen Zus tand . Da im Elek- tronengas die allermeisten Elektronen ihren Spin gegenseitig kompen- sieren und nur wenige mit parallelem Spin in angeregten Zustlnden sind, ist der Magnetismus des Xlektronengases klein und praktisch unabhangig von der Temperatur.

b) Die Bindung der Elektronen benachbarter Atome kann aber unter besonderen Umstanden nach HEISENBERG auch so erfolgen, daB die an der Bindung beteiligten Elektronen parallelen Spin haben; wir kommen damit zum F e r r o m agne t i s m u s.

I n allen diesen Fallen ist auch das S p i n n m o m e n t s, verandert und es ergeben sich von der Fig. 1 vollig verschiedene Werte fur den Magnetismus.

STONER kommt aIso zu folgendem Schema:

Starke 1, 9 , 11 Y7 1, 1 , 9 , 111

l) Im Kristall von den Gitternachbarn, in der Losung von den benachbarten

2, Vgl. dam u. a. W. KLEMIM, H. JACOBI u. W. TILK, Z. anog. u. allg. Nolekiilen des Losungsmittels.

Chem. 201 (1931), 1.

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Sowohl fur 2a und 2 b haben wir in letzter Zeit eine Reihe neuer Beispiele gefunden ; die in dieser Abhandlung zu besprechenden Falle betreffen den Ubcrgang zum metallischen Zustand.

VI. Es wird nutzlich sein, die verschiedenen Moglichkeiten noch einmal zusammenzufassen :

a) 1st die Koppelung zwischen dem Gesamtbahnmoment (1,) und Gesamtspinmoment (sg) i n n e r h a l b des I o n s sehr fest, so la& sich der Magnetismus mit einem einzigen Gesamtmoment j darstellen; die anderen j- Werte sind bei normalen MeBtemperaturen nicht angeregt. Dieser Fall ist bestimmend fur das magnetischeverhalten der Ionen der seltenen Erden, ihm entsprache bei den Ubergangselementen die Kurve I, die fur gasformige I o n e n be i T = Oo gelten wiirde, fur gebundene Ionen dieser Elemente aber niemals zutrifft.

b) 1st die Koppelung zwischen 1, und s, i n n e r h a l b des I o n s schwach, so wirkt sich dies so aus, als ob sich das Gesamtbahnmoment und das Gesamtspinmoment unabhangig voneinander im Felde ein- stellten. Die so erhaltene KurveI I wurde fur gasformige I o n e n b e i hohe ren T e m p e r a t u r e n gelten.

c) Werden die Bahnmomente b e n a c h b a r t e r Atome gekoppelt, wahrend die Spinmomente dagegen frei bleiben, so ergibt sich Kurve 111. Das Verhalten der Ionen der Elemente der Ubergangs- gruppe in sa l za r t igen Verb indungen entspricht im allgemeinen Zwischenzustanden zwiwchen b) und e), die meist nahe bei c) liegen.

d) 1st diese Koppelung mit den Gitternaehbarn extrem stark, so erfolgt der Ubergang zum meta l l i s chen Z u s t a n d bzw. F e r r o - magne t i sm u s.

Es wird im folgenden fur die Cu-(a)-Verbindungen au zcigen sein, inwieweit sich diese Zustande b), c) und d) bei den einzelnen Ver- bindungen tatsachlich vorfinden und da13 die Einordnung der ein- zelnen Verbindungen in dieses Schema in einer chemisch sehr be- friedigenden Weise moglich ist.

B. Der Magnetismus der Cupriverbindungen

I. E x'p er imen t e l le s In der Literatur sind derartig zahlreiche Angaben uber z. T. mit

sehr groBer Sorgfalt durchgefuhrte magnetische Messungen an Cu-(2)- Verbindungen zu finden, da13 es ein leichtes sein sollte, aus dem vor- handenen Material feinere GesetzmaBigkeiten der gesuchten Art herans- zufinden. Tatsachlich zeigt es sich aber, da13 die erhaltenen Ergeb- nisse nicht immer hinreichend gut iibereinstimmen, wofur Tabelle 1

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einen kleinen Beleg geben moge. Es war daher nicht zu vermeiden, die zu betrachtenden Verbindungen samtlich noch einmal xu messen.

Tabelle 1 Vergleich mit Literaturwertenl)

X M O I ' Io6 CuC1,.2H20 CuBr, bei T = 293O

Hier gefunden . . HONDA-ISKIWARA~) BIRCH3) . . . . .

Woran es cigentlich liegt, daB die Messungen an einem so leicht zu reinigendem Material nicht genau miteinander ubereinstimmen, ist nicht ohne weiteres zu sagen. Einen Fingerzeig gibt vielleicht eine Erfahrung, die wir selbst am CuS0,.5H20 gemacht haben. Einc Messung an einem Priiparat, das aus durch mehrfache Elektrolyse gereinigtem Metall hergestellt war, ergab unabhhgig von der Feld- stiirke xZgao = 5,7,; eine Kontrollmessung an einem Kahlbaum'schen Priiparat ,,zur Analyse" ergab bei 2000 Gauss x2980 = 6,1,, bei 3700 Gauss xZgao = 5,8,, also hohere Werte und eine deutliche Abhgngigkeit von der Feldstiirke, was auf eine sehr geringe ferromagnetischc Verunreinigung hinweist. Ferner ist an die Moglichkeit zu denken, da13 einzelne Hydrate verwittert oder feucht gewesen sein konnen; leider liegen bei den meisten Literaturwerten Analysen nicht vor. Vgl. ferner den letzten Absatz dieser Seite.

Unsere Messungen sind samtlich an sofort nach der Messung analysierten Praparaten durchgefuhrt ; auBerdem waren samtliche Praparate aus dem gleichen Material hergestellt, so daB sie sicher untereinander gut vergleichbar sind. Unsere rnagnetischen Messungen sind nicht besonders genau, die Fehlergrenze ist zu -&lo/o anzusetzen.

Tabelle 2 enthalt nahere Angaben uber die Darstellung und Rein- heit unserer Praparate und die Messungsergebnisse.

Ehe wir diese im einzelnen besprechen, ist noch die Frage kurz zu erortern, wieweit die Ergebnisse reproduzierbar sind. BIRCH^) hat an wasserfreiem CuCI, Abweichungen von mehreren Prozenten gefunden, und auch wir haben beim COO und NiO von l'riiparat zu Priiparat verschiedene Werte erhalten, wobei Unter- schiede von mehreren hundert Prozent auftreten. Wir haben daher beim CuO die Darstellung stark variiert, da iins bei den Cu(2)-Verbindungen die Wahrschein- lichkeit, daB Unterschiede auftreten, hier am groBten erschien. Tatshchlich sind die Werte aber, wic Tabclle 2 zeigt, recht gut rcproduzierbar; nur bej den be- sonderen fcinteiligen Priiparaten, die durch thcrmischen Abbau des basischen Carbonats gewonnen waren, scheinen die Suszeptibilithten etwas groner zu sein. Die Unterschiede betragen aber auch hier noch nicht

l) Zur Korrektur fur den Diamagnetismus wurden stets die von PASCAL ermittelten Werte benutzt; vgl. dazu E. C. STONER, Magnetism and Atomic Structure; London 1926, 122. - Fur dcn Diamagnetismus des CJ1(2)-Iom wurde 18.10", fur 0-- 11, f i x S- 20, fur Se-- 31 in ltechnung gesetzt.

2, T. ISHIWARA, SG. Rep. TBhoku Univ. 3 (1914), 303; K. HONDA u. T. ISHIWARA, Sc. Rep. T8hoku Univ. 4 (1915), 218.

3, F. BIRCH, Journ. de Phys. et le Kad. [6] 9 (1928), 137.

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W. Klemm u. W. Schuth. Magnet. Messungen an Cupriverbindunpen usw. 113

Tabelle 2 (Portsetzung) B.

Analyse j %.I06 Darstellung I Priiparat gefunden 1 berechnet 1 bei 20O C

CuC1,.2H,O /Uber CuClgerein.; urnkrist.i 41,70/, C1 ' 41,6"/, 8,15

Cu(NH,),SO, Aus wafiriger Losung mit ' 26,9 o, Cn 25,9 -1H,O 1 Alkohol gefdlt 1 i ,

~ ~ - ~ ~_ -~ --

CuBr2.6NH, I Dargestellt nach W. BILTZ H. BROHAN u. W. WEIN, 1 CUB~,.~~/,NH,I Z . anorg. u. allg. Chcm. 148 (1925), 207. Ausge- CuBr,.2NH3 1 gangen wurde bei den CuBr,-Ammoniakaten von 1 _ _ _ _ _ ~ ~ CuBr, (Analyse vgl. Tabelle 2A), bei den Jodid- 1-

CuJ2.5NH, Ammoniakaten von CuJ2.31/,NH, (J gef. 6S,04°/,,, ~

C U J ~ . ~ ~ / , R H , I ber. 67,84O/,). CuJ,.2NH, I Die NH,-Gehalte wurden duroh Witgung ermittelt. 1

' l'r&parat yon I?. W. WRIOGE, Hannover; Messung 1 I 1

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yon W. TILK, Dissertation Hannover.

3,21 3,18 2,281) .- ~

0,14 ~ ~ - ~ ~-

Cu,O 1 Nach LOWE, vg1. VANINO, 3. Aufl. (1925), 488. - 0,lS

Unterschiede der Suszeptibilitaten bei Variation der Feldstiirken zwischen 2000 und 3700 Gauss, die grofier waren 51s 2",/,, traten in keinem Falle auf.

Dic abereinstimmung mit den Lite- wtuiwerten ist im allgemeincn als be-

betont, die Unterschiede oft so pol3 sind, friedigend zu bezeichnen, wenn auch, wie

daf3 sie das feinere Bild stark verwischen (vgl. z. R. Anm. 1, S. 118); der Vergleich mit den Wcrten von HONDA und Mit- arbeitern ist etwas erschwert, da wir aug den Abhandlungen nicht ersehen konnen, ob und wie fiir den Diamagnetismus korri-

cu 0 xi? _- giert ist. X.@

11. h u s w e r t u n g cler Versuche -

,---

Um die erhaltenen Ergebnisse -mi L d i i ~ zboaioo -zoo-m h o o M D ~ X I O W

auswerten zu konnen, wollen wir uns, wie 8. 105 erwahnt, auf den der Temperatur

Fig, 2. Gang der x-werte

extremen Standpunkt stellen, dal3 das CURIE'SChe Gesetz in a l l en FIllen gelte und dal3 die Abwei-

- Hiesige Messungen _ _ _ _ HONDA u. ISHIWARA

Beim cuO sind die obere und untere Grenze unserer Werte fiir die ver-

chungen von diesem von schiedenen Priiparate angegeben

Es wurde, urn Ilebenreaktionen auszuschalten, nur bis zur Zusammen- setzung CuJ,.2,2NH, abgebaut.

2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 203. 8

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114 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1931

temperaturabhangigen Gleichgewichtsverschiebungen awischen Kom- ponenten mit verschiedenem Magnetismus herriihren. Eine solche Auffassimng wird um so mehr nahegelegt, als beim CuBr, und CuO eine Darstellung durch das Wmss’sche Gesetz prinzipiell unmoglich ist, da die X-Werte mit der Temperatur s te igen .

Wahrend also die Darstellung nach dem Wmss’schen Ansatz nur die Anderung von l/x mit der Temperatur beriicksichtigt und zur Rerechnung des magnetischen Moments des Ions der absoluten GroBe von x uberhaupt keine wesentliche Bedeutung zuerkennt, halten wir bei unserer Darstellung die absolute GroBe des Produktes x- T fur das allein maBgebliche. Die Sachlage liegt hier ahnlich wie bei der Aus- wertung von Dampfdruckkurven nach VAN’T HOFF und nach NERNST ; die Auswertung nach VAN% HOFF wird auch durch Dissoziations- gleichgewichte etwa in der Gasphase viel starker beeinflufit und kann bei ungeniigender Berucksichtigung dieser Dissoziation ebenfalls leicht eu fehlerhaften Schliissen fiihren.

a) F e s t e wasse r f r e i e Salze. Wir betrachten eunachst wasser- freie Salze im festen Zustande. In Fig. 3 sind die aus unseren Mes-

sungen folgenden xmol- T-Werte zu- sammen mit den ein viel groBeres Temperaturgebiet umfassenden Wer- ten von HONDA und ISHIWARA zu- sammengestellt. Forner ist in der Figur der Wert eingetragen, den das

~ c u b ~ Produkt xBxol* T haben miiBte, wenn das magnetische Moment nur vom Spin abhangig ware, der Anteil des

/ / Bahnmoments also gleich Null ware. Die Figur aeigt folgendes : ’// 1. CuSO, und CuCl, kommen

2. CuS ist bei allen Tempera-

3. CuO und CuBr, liegen zwi-

Tempera turen ahnelt ihr Magne tis- mus mehr dem von CuS, bei hohen Temperaturen dem von CuSO, bzw.

schen diesen Extremen; bei tiefen

_ -

diesem Wert nahe.

turen praktisch unmagnetisch.

Fig. 3. xMol- T-Wertel) - Tliesige Messungen _ _ - HONDA und ISHIWARA -.--- Berechnet fur 1 Bom’sches

Ma-eton. Bzgl. CuOvgl.Fig.2 cuC1,. 1) Die eingezeichneten Wertc sind nicht fur den Diamagnetismus korrigiert.

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W. Klemm u. W. Schiith. Magnet. Messungen an Cupriverbindungen usw. 115

Die D e u t u n g dieser Ergebnisse im Sinne des fruher dargelegten w8re die folgende:

1. Beim CuSQ, und CuCl, liegen Sa lze vor, bei denen aber die lonen nicht mehr ganz frei sind, sondern in bezug auf ihre Bahn- momento durch die Nachbaratome bereits so stark gekoppelt sind, daIS nur noch der Spinanteil des Magnetismus gemessen wird (Fall c der Zusammenstellung S. 110). Bei hiiheren Temperaturen scheint diese Kopplung der Bahnmomente wegen der steigenden Warme- bewegung etwas lockerer zu werden. Uber den -4bfall bei tieferen Temperaturen vgl. S. 116.

2. Beim CuS liegt ohne Zweifel der andere Extremfall vor, n&m- lich eine i n t e r m e t a l l i s c h e V e r b i n d u n g (Fall d). Dies ergibt sich unter anderem sehr iiberzeugend daraus, dalS nach MEISSNER~) bei tiefen Temperaturen Supraleitfahigkeit auftritt. Magnetisch wurden wir einen sehr geringen und von der Temperatur praktisch unabhangigen2) Paramagnetismuss) erwarten, ganz wie es tatsachlich der Fall ist (vgl. S. 109). CuSe, das nur bei Zimmertemperatur gemessen wurde, schlieBt sich hier vollkommen an.

3. CuO und CuBr, sind demnach als Mi t t e lg l i ede r zwischen salzartigen und intermetallischen Verbindungen zu betrachten, also Mittelstellung zwischen o und d (vgl. S. 110) Bei hohen Temperaturen verhalten sich beide mehr salzastig, bei tiefen mehr metallisch.

Mit dieser Auffassung ist im Einklang, daB die beiden Verbin- dungen schwarz sind. Es erscheint ihr jedoch zu tvidersprechen, daB CuO den elektrischen Strom nur sehr wenig leitet.+) Das ist jedoch nicht bedenklich ; denn die Leitfkhigkeit von intermetallischen Ver- bindungen ist durchweg erheblich kleiner als die der reinen Metalle, und man kann daher hier, wo der Verbindung sicherlich noch sehr vie1 von salzartigem Charakter anhaftet, eine grol3e Leitfahigkeit auch gar nicht emarten. Es ware sehr schdn, wenn man auch hier einmal das Verhdtnis von Elektronen- zu Ionenleitfghigkeit bei verschiedenen Temperaturen messen konnte, wie dies von TUBANDT und seinen Mit- arbeitern fur eine Reihe anderer Stoffe bestimmt worden ist.5) Leider

l ) W. NEISSNER, Z. Physik 58 (1929), 570. 2, Das bedeutet natiirlich, daB die ~ ‘ T - W e r t e linear mit der Temperatur

ansteigen; die Absolutwerte dieses Produkts sind aber gegeniiber denen der Salze und der nur teilweise salzartigen Verbindungen, wie CuO und CuBr,, sehr klein.

3, Allerdinga nur unter der Voraussetzung, daD die in das Elektronengas eingelagcrten Ionen diamagnetisch sind.

4, Die Leitfahigkeit yon CuBr, ixt noch nieht gemessen. 5 , Nach C. TUBANDT, E. RINDTORBB u. W. JOST, Z. anorg. u. allg. Chem.

166 (1925), 195, leitet e. B. CuJ bei tiefen Temperaturen metallisch, bei hohen Temperatursn elektrolytisch.

8*

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116 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 203. 1931

scheinen die Aussichten fiir eine experiinentelle Durchfiihrbarkeit hier nicht sehr gunstig.

Wir hatten vermutet, dad sich auch bcini C,uS bei hijheren Tempe- raturen Anzeichen fur den nbergang in den salzartigen Zustand er- geben, d. h. daJ3 der Magnetismus bei hoheren Temperaturen zunehmen wurde. Bis 460° ist das jedoch in merklicher Weise nicht der Fall.

Es erhebt sich dic Frage, ob dcr Abfa l l der ~ - T - W e r t e bei t i e f e n Tempe- r a t u r e n beim CuCl, und CuSO, ebenfalls im Sinne eines beginnenden Ubergangs in den metallischen Zustand zu deut.en is%, oder ob nur unsere Grundannahme, die Gidtigkeit des CTrRIE’schen Gesetzes hier ohne wciteres als gegeben anzunehmen, versagt. Wir halten cs immcrhin fiir rnijglich, da13 es sich hier bereits um den Be- ginn ekes solehen Ubergangs handelt, weil die Erseheinungen so vollkommen kontinuierlich verlaufen. Zur Entseheidung miissen hierfiir natiirlich andere Methoden herangezogen 1verdcn.l)

FaBt man das Vorstehendc zusammen, so kann man dic den Magnetismus erniedrigende atarlie Wechselwirkung zwischen dem Kupferion nnd negativen Ionen in folgender Reihe ordnen :

Die W-echselwirkung steigt also 1. mit der Ladung des Anions und 2. mit fallender Elektronenaffinitat bzw. steigender Polarisierbarkeit des Anions.

Es ergibt, sich also ein deutlicher Zusarnmenhang rnit den Defor - ma t ionse r sche inungen , auf den wir amber im einzelnen nicht ein- gehen wollen.

b) Losungen , H y d r a t e u n d Ammoniaka te . Fur die Er- klarung des magnetischen Verhaltens von Lijsungen, Hydraten usw. ergeben sich ohne weiteres zwei Grenzfalle :

1. Unendlich verdunnte Losungen. 2. Wasserfreie feste Salze. Konzentrierte Losungen, Hydrate usw. mussen sich dann als

Zwischenziistande smischen diesen beiden Grenzfallen ergeben. 1. Unend l i ch ve rd i inn te Losungen. Die fiir den Diamagnetis-

mu8 korrigierte Susxeptibilitat des &++-Ions in sehr verdunnten

Anm. bei der Korrektur: Xach einer inzwischen erschicnencn Mit- tefiung von \V. J . DE HAAS u. C. J. GORTER, Kon. Akad. v. Wetenseh, Amster- dam 34 (1931), 317 uber den Magnetismus von CuC1, und CuSO, bei sehr tiefen Temperatwen verhalt sich CuC1, ganz iihnlich wie CuBr, und CuO. Auch hier fiillt der Magnetismus bei sehr tiefen Temperaturen wider ab. Das so bezeich- nende Maximum der Suszeptibilitat Uegt hier bei -200°, wahrend es bei CuBr, etwa bei --80°, bei CuO etwa bei +200° liegt. Die Suszeptibilitat von CuSO, ist bei sehr tiefen Temperaturcn etwas feldstiirkcnabhiingig. Auch hier zeigen $ch also deutliche Abweichungen vom ,,salzartigen” Verhalten.

SO;--, C1 < Br- < 0-- < S---: Se---.

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wallrigen Losungen betragt nach den Untersnchimgen der Wmss'schen Schule ziemlich genau 1600.10-6. Dieser Wert ist, grooer, als sich ffir chs vollige Verschwinden der Bahnmomente berechnet, aber auch kleiner, als den1 Fa,ll b der Zusammenstellnng S. 110 cntspricht. (fegenuber den festen Salzen, wie Cu SO, und CuCI, , ist, die Koppelung der Bahnmornente mit' denen der H,O-Ifolekule etwas loser.

Die Susaeptibilitat des Cu+-+ in ammonialialischen Losungen liegt riach M. J A C O B S O H N ~ ) bei etma 1450. nach unseren Messungen an festen Ammoniakaten usw. ctma bei 15Q0.10-G. Auf jeden Fall ergibt sich, da,13 die Cu-NH,-Komplexe einen niedrigeren Magnetismus be- sitarn als die Cu-H,O-Komplexe. Dies entspricht nach S. 109 und 110 riner festeren Bindung ties NH, an das Cuf', wie es auch aus che- mischen Griinden zu erwarten ist.

2. K o n z e n t r i e r t e Losungen. DalS in Lijsungen von Kupfer- salzen such schon bei mafliger Perdunnung Komplexe vorhanden sind, ist, bekannt; es ist ja in vielen Fallen schon tliirch die dnderung der Farbe dentlich zu erkenncn. Im magnetischen Verhalten wird sich die Komplexhildung in verachiedener Weise ausdriicken, je nachdem, ob die den Komplexen entsprechenden wasserfreien Verbindungen stark oder scliwadi magnetisch sind. Dementsprechend ist xu er- warten, daiS die Susaeptibilitat des Cu+-,--Ions in Snlfat- ~ Chlorid- usw. -Losungen uiit der Koneentration nur wenig abnimmt, in Bromid- liisurigen dqegen starker. Da13 dies ta,tsachlich der Pall ist,, ergibt sich aus einer Untersuohung von S. S. SHAFBEIZ und NELSON W. TAYLOR.~) In Nitratlijsungen, die sich j e den Sulfatlosungen ahnlich verhalten wrerden, ist der Magnetismus praktisch nnahhangig von der Konzentration; in Bromidlosungen sinkt er mit st'eigender Konzentrat'ion erheblich, besonders dam, wenn der Losung ein grol3er IhersehuB an HBr zugegeben wird; im Extremfall betragt die Abnahme 14O/,.

Die Losungen entsprechen in ihrer T e nip e r a t u r a bh a n g i g k ei t im allgemeinen dem C v ~ ~ ~ ' s c h e n Gesetz ziemlich weitgehendl). Bei CuCI,-Liisungen fand BIRCH~) nnn, da13 das Produkt x* I; zwar von 0-40° praktisch konstant, ist (es fallt nur eine Kleinigkeit ab), ober- halb 40° aber mit steigender Temperatur merklich ansteigt,. Das wiirde heiaen, tlaB sich der Zustand bei hoheren Temperaturen

l) M. JACOBSOHN, Dissertstion Ziirich 1916. 2, 6. S. SHAFBER u. N. W. TAYLOR, Journ. Am. Chem. SOC. 48 (1926), 843. 9 F. BIRCH, Journ. de Phys. et lc Rad. [6] 9 (1928), 137.

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mehr der geringeren Komplexbildung nahert, d. h. also, da13 die Kom- plexe bei hoheren Temperaturen zerfallen.

3. H y d r a t e und Ammine. Vie1 groaere Effekte erhiilt man natiirlich bei festen Hydraten und Ammoniakaten. Die hier von uns erhaltenen Ergebnisse sind in Fig. 4 zusammengestellt. Man er- kennt 8. B. in der Reihe: WaBr. Losung, CuSO4-5H,O, CuC12.2H,0, CuCl, b m . CuS04 diese Zwischenstellung der H y d r a t e zwischen den waBrigen Losungen und den wasserfreien Salxen sehr deutlich.1)

t I

CUO H20

CUO \ I I I I I

5 4 3 2 1 0 2d Mo/e NH3 bzw. H2 0

Fig. 4. Abhangigkeit der Molekular- susaeptibilitat vom NH,- bzw. H,O-

Gehalt 1) CuBr,-5NH3 2) CuS04.4NH,.H,0

3) CuJ,.5NH, 4) CuBr,.31/,NH3 5) CuBr, -2 NH,

Noch eindrucksvoller sind die Verhiiltnisse bei den il m m o - nia ka ten , von denen wir die des CuBr, und CuJ, untersucht haben.,) Man sieht, wie bei den CuBr,-Ammoniakaten die Werte mit fallendem NH,- Gehalt von dem Grenzwert des vollkommen von NH,-Molekulen umhullten Cu++-Ions abfallen und sich der Suszeptibilitat des CuBr, nahern. J e weniger NH, der Kristall ent- halt, desto mehr besteht die Moglichkeit, daB sich die den Magnetismus erniedrigenden Cu- Br-Bindungen ausbilden.

Es war zu erwarten, ds13 diese Effekte beim Jodid noch vie1 groBer sein wiirden. Zwar ist wasserfreies CuJ, nicht her- stellbar, aber es ist eine Reihe von Ammoniakaten bekannt. Wie erwartet, liegen die Magne- tismuswerte hier noch tiefer als

bei den Bromidammoniakaten. Gabe es freies CuJ,, so wiirde dies einen sehr geringen Magnetismus zeigen.

Ganz in diese Reihe pa& der Magnetismus des CUO-~/,H,O~), der sich dem des CuO in vollkommen richtiger Weise zuordnet.

l) Nach 3'. BIRCH sol1 der Ma,gnetismus von CuC1,.2H,O groBer sein als

,) Beim CuCl, waren, wie man aus der Figur ablesen kann, merkliche Effekte

3) Int. &it. Tables 6, 357.

der einer CuCI,-Lcisung. Das erscheint in hohem Grade unwahrscheinlich.

nicht zu erwarten.

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Anhang. Der Magnetismus des Cu,O

In allen Handbuchern findet sich die Angabe, daB Cu,O aiemlich stark paramagnetisch sei. Das ist jedoch nicht richt,ig; Cu,O besitzt eine Suszeptibilitat (pro gramm) von -0,lS - 10-6. Die fruheren Autoren haben offenbar CuO-haltige PrBparate gemessen.

Herrn Prof. Dr. Dr. Ing. e. h. W. BILTZ danken wir fur sein freundliches Interesse, der Notgemeinschaft der deutschen Wissen- schaft fur die Uberlassung von Apparaten. Herr Dr. HBLLMANN war so freundlich, die theoretischen Abschnitte durchzusehen, wofiir wir auch an dieser Stelle danken mochten.

Zusamrnenfassung

1. Es werden die Theorien zur Erkliirung des Magnetismus der Ionen der Ubergangselemente besprochen.

2. Es werden magnetische Messungen von wasserfreien Cu(2)- Salzen, Hydraten, Ammoniakaten usw. durchgefuhrt.

3. Auf Grund des magnetischen Verhaltens sind CuSO, und CuC1, als Salze, CuS und CuSe als intermetallische Verbindungen an- zusprechen; CuO und CuBr, bilden ubergengsglieder.

4. Der Magnetismus von Losungen, Hydraten und Amminen wird besprochen.

Eanmover, Technische Hochchule, Institat fur nnorganiscke Chemnie.

Bei der Redaktion eingegangen am 25. November 1931.