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neurologie Zusammenfassung: Idiopathisches Par- kinson-Syndrom mit Demenz (PDD) und Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) sind partiell unterschiedliche Manifestationen des Spektrums der Lewy-Körperchen- und Alzheimer-Erkrankungen. Die Kombina- tion von motorischer Parkinsonsymptoma- tik mit Demenz, affektiven Störungen (De- pression, Angst), Verhaltensstörungen (wie REM-Sleep Behaviour Disorder) und psy- chotischen Episoden (Halluzinationen, Wahn, Delir) neben einer Reihe vegetativer Symptome und zunehmendem Nebenwir- kungsrisiko erfordern eine maßgeschnei- derte, sorgfältige, kombinierte Pharmako- therapie (L-Dopa mit Decarboxylase- hemmer, gegebenenfalls Entacapone oder Tolcapone, neuere Antidepressiva wie SSRI, NaSSA, SNRI, Clozapin, Clonazepam, erapie vegetativer Störungen) und eng- maschige klinische Kontrollen. Summary: Parkinson’s disease with de- mentia (PDD) and dementia with Lewy- bodies (DLB) are partially different mani- festations of the spectrum of Lewy-body and Alzheimer diseases. ey are charac- terised by Parkinsonian motor signs, de- mentia, cognitive fluctations, affective symptoms (depression, anxiety), behavi- oural changes (e. g. REM-Sleep Behavior Disorder), psychotic episodes (hallucino- sis, delusion, delirium), vegetative symp- toms and increasing risk of side effects. Combined, individual, careful pharmaco- therapy (L-Dopa combined with a decar- boxylase-inhibitor, with or without enta- capone or tolcapone, new generation antidepressants, such as SSRI, NaSSA, SNRI, clozapine, clonazepam, therapy of vegetative symptoms), and regular clinical follow-ups are essential. Bis zu 80 Prozent aller Personen, die an ei- nem idiopathischen Parkinson-Syndrom leiden, entwickeln nach einer durch- schnittlichen Erkrankungsdauer von acht bis zehn Jahren ein demenzielles Syndrom, wobei das Alter (vor allem > 70 Jahre) der entscheidende Risikofaktor ist. Mit einer Prävalenz von drei bis vier Prozent unter allen Patienten mit Demenzen stellen Pati- enten mit Parkinson-Demenz (PDD) die zweitgrößte Gruppe mit degenerativer De- menz dar. An PDD sind 0,5 Prozent aller Personen über 65 Jahre erkrankt. Das Ri- siko während der Parkinsonkrankheit eine Demenz zu entwickeln ist je nach Literatur um den Faktor 2 bis 6 signifikant erhöht. Mit zunehmendem Alter zu Beginn der motorischen Symptomatik steigt auch das Risiko, in einem kurzen zeitlichen Abstand (definitionsgemäß weniger als ein Jahr) sowohl eine motorische Parkinson- Symp- tomatik als auch eine Demenz und psy- chotische Symptome (visuelle Halluzina- tionen, Wahn) zu entwickeln. Man spricht von einer Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB), wobei es fließende Übergänge zwi- schen DLB und PDD sowie der Alzheimer Demenz gibt. In solch einem Fall ist die Krankheits- progression rascher, und die Gesamtmorbi- dität höher (spontane, das heißt ohne Ein- wirkung von Medikamenten eintretende, Psychose, häufig Depression und Angst, au- tonome Störungen) als bei Entwicklung ei- ner Demenz mehrere Jahre nach Beginn der motorischen Symptomatik. Sowohl bei DLB als auch PDD tritt die Demenz meist nach dem 70. Lebensjahr auf. Klinische Grundlagen der Therapie von DLB und PDD In beiden Fällen liegt ein Parkinson-Syn- drom vor, das auf eine L-Dopa-erapie anspricht. Im Vergleich zu Parkinson-Pati- enten in der ersten Lebenshälfte oder spä- testens der sechsten bis siebten Dekade ohne Demenz haben Patienten mit DLB und PDD meist eine symmetrische moto- rische Symptomatik, wobei Rigor und Aki- nese im Vergleich zu Ruhetremor im Hin- tergrund stehen und körperachsennahe Funktionen (Körperhaltung, Rotation um die eigene Achse, Gang- und Standstabili- tät) relativ stärker betroffen sind als Funk- tionen der Extremitäten. Da sowohl bei DLB als auch PDD das Risiko von Demenz und Psychose alters- abhängig ist und diese Krankheitsaspekte ein signifikant erhöhtes Risiko von phar- makotoxischen Psychosen darstellen, ist eine L-Dopa-erapie die Grundlage der pharmakologischen Behandlung des mo- torischen Parkinsonsyndroms (Dopamin- agonisten, Anticholinergika und Amanta- tin nicht indiziert). Wahrscheinlich ist die Kombination von pathologischen Verän- derungen in den dopaminergen, und mit zunehmendem Alter und Krankheitsdauer nicht-dopaminergen, motorischen Syste- men der Grund dafür, dass Patienten mit DLB und PDD schlechter auf L- Dopa an- sprechen als Personen mit unkomplizier- ter Parkinson-Krankheit. 1 Vorstand der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie, AKH Linz © AKH Linz Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr Management der Parkinson-Demenz und Demenz mit Lewy-Körperchen Therapie motorischer, kognitiver und affektiver Störungen G. Ransmayr 1 Mit einer Prävalenz von drei bis vier Prozent unter allen Demenz-Betroffenen stellen Patienten mit Parkinson- Demenz die zweitgrößte Gruppe mit degenerativer Demenz. 2/2010 psychopraxis 24 © Springer-Verlag

Management der Parkinson-Demenz und Demenz mit Lewy-Körperchen

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Page 1: Management der Parkinson-Demenz und Demenz mit Lewy-Körperchen

neurologie

Zusammenfassung: Idiopathisches Par-kinson-Syndrom mit Demenz (PDD) und Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) sind partiell unterschiedliche Manifestationen des Spektrums der Lewy-Körperchen- und Alzheimer-Erkrankungen. Die Kombina-tion von motorischer Parkinsonsymptoma-tik mit Demenz, affektiven Störungen (De-pression, Angst), Verhaltensstörungen (wie REM-Sleep Behaviour Disorder) und psy-chotischen Episoden (Halluzinationen, Wahn, Delir) neben einer Reihe vegetativer Symptome und zunehmendem Nebenwir-kungsrisiko erfordern eine maßgeschnei-derte, sorgfältige, kombinierte Pharmako-therapie (L-Dopa mit Decarboxylase- hemmer, gegebenenfalls Entacapone oder Tolcapone, neuere Antidepressiva wie SSRI, NaSSA, SNRI, Clozapin, Clonazepam, Therapie vegetativer Störungen) und eng-maschige klinische Kontrollen.

Summary: Parkinson’s disease with de-mentia (PDD) and dementia with Lewy-bodies (DLB) are partially different mani-festations of the spectrum of Lewy-body and Alzheimer diseases. They are charac-terised by Parkinsonian motor signs, de-mentia, cognitive fluctations, affective symptoms (depression, anxiety), behavi-

oural changes (e. g. REM-Sleep Behavior Disorder), psychotic episodes (hallucino-sis, delusion, delirium), vegetative symp-toms and increasing risk of side effects. Combined, individual, careful pharmaco-therapy (L-Dopa combined with a decar-boxylase-inhibitor, with or without enta-capone or tolcapone, new generation antidepressants, such as SSRI, NaSSA, SNRI, clozapine, clonazepam, therapy of vegetative symptoms), and regular clinical follow-ups are essential.

Bis zu 80 Prozent aller Personen, die an ei-nem idiopathischen Parkinson-Syndrom leiden, entwickeln nach einer durch-schnittlichen Erkrankungsdauer von acht bis zehn Jahren ein demenzielles Syndrom, wobei das Alter (vor allem > 70 Jahre) der entscheidende Risikofaktor ist. Mit einer Prävalenz von drei bis vier Prozent unter allen Patienten mit Demenzen stellen Pati-enten mit Parkinson-Demenz (PDD) die zweitgrößte Gruppe mit degenerativer De-menz dar. An PDD sind 0,5 Prozent aller Personen über 65 Jahre erkrankt. Das Ri-siko während der Parkinsonkrankheit eine Demenz zu entwickeln ist je nach Literatur um den Faktor 2 bis 6 signifikant erhöht.

Mit zunehmendem Alter zu Beginn der motorischen Symptomatik steigt auch das Risiko, in einem kurzen zeitlichen Abstand (definitionsgemäß weniger als ein Jahr) sowohl eine motorische Parkinson- Symp-tomatik als auch eine Demenz und psy-chotische Symptome (visuelle Halluzina-tionen, Wahn) zu entwickeln. Man spricht von einer Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB), wobei es fließende Übergänge zwi-schen DLB und PDD sowie der Alzheimer Demenz gibt.

In solch einem Fall ist die Krankheits-progression rascher, und die Gesamtmorbi-

dität höher (spontane, das heißt ohne Ein-wirkung von Medikamenten eintretende, Psychose, häufig Depression und Angst, au-tonome Störungen) als bei Entwicklung ei-ner Demenz mehrere Jahre nach Beginn der motorischen Symptomatik. Sowohl bei DLB als auch PDD tritt die Demenz meist nach dem 70. Lebensjahr auf.

Klinische Grundlagen der Therapie von DLB und PDD

In beiden Fällen liegt ein Parkinson-Syn-drom vor, das auf eine L-Dopa-Therapie anspricht. Im Vergleich zu Parkinson-Pati-enten in der ersten Lebenshälfte oder spä-testens der sechsten bis siebten Dekade ohne Demenz haben Patienten mit DLB und PDD meist eine symmetrische moto-rische Symptomatik, wobei Rigor und Aki-nese im Vergleich zu Ruhetremor im Hin-tergrund stehen und körperachsennahe Funktionen (Körperhaltung, Rotation um die eigene Achse, Gang- und Standstabili-tät) relativ stärker betroffen sind als Funk-tionen der Extremitäten.

Da sowohl bei DLB als auch PDD das Risiko von Demenz und Psychose alters-abhängig ist und diese Krankheitsaspekte ein signifikant erhöhtes Risiko von phar-

makotoxischen Psychosen darstellen, ist eine L-Dopa-Therapie die Grundlage der pharmakologischen Behandlung des mo-torischen Parkinsonsyndroms (Dopamin-agonisten, Anticholinergika und Amanta-tin nicht indiziert). Wahrscheinlich ist die Kombination von pathologischen Verän-derungen in den dopaminergen, und mit zunehmendem Alter und Krankheitsdauer nicht-dopaminergen, motorischen Syste-men der Grund dafür, dass Patienten mit DLB und PDD schlechter auf L- Dopa an-sprechen als Personen mit unkomplizier-ter Parkinson-Krankheit.

1 Vorstand der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie, AKH Linz

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Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr

Management der Parkinson-Demenz und Demenz mit Lewy-Körperchen

Therapie motorischer, kognitiver und affektiver Störungen

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Mit einer Prävalenz von drei bis vier Prozent unter allen Demenz-Betroffenen stellen Patienten mit Parkinson- Demenz die zweitgrößte Gruppe mit degenerativer Demenz.

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Außerdem ist die Verträglichkeit von L-Dopa (vor allem aufgrund psychiatrischer Nebenwirkungen) geringer. Da sich bei DLB und PDD durch die zugrunde lie-gende Lewy-Pathologie, aber auch beglei-tende Alzheimer-Pathologie (bei rund 80 % der Patienten) und den damit verbunde-nen Neuronen- und Synapsenuntergän-gen ein ausgeprägtes subkortiko-kortika-les Azetyl-Cholin-Defizit entwickelt, bieten sich für die Therapie von kognitiven Defizi-ten (Demenz) Azetyl-Cholin-Esterase-Hemmer an. Die Demenz weist charakte-ristische klinische Akzente auf (Tabelle 1). Es sprechen auch krankheitstypische psy-chische Veränderungen (Tabelle 2; Apa-thie, Depression, Halluzinationen und Wahn, sowie Aufmerksamkeit und Brady-phrenie) teilweise auf eine Therapie mit Rivastigmin an. Die weitaus beste wissen-schaftliche Evidenz für eine Wirksamkeit besteht für den Cholin-Esterase-Hemmer Rivastigmin. Auch sind kortikale und hip-pocampale glutamaterge Systeme betrof-

fen, sodass eine die glutamaterge Neuro-transmission modifizierende Therapie neue Möglichkeiten eröffnet.

Psychiatrischen Phänomene, welche häufig bei der PDD therapieinduziert sind, per definitionem bei der DLB spontan auf-treten, und sich bei beiden Krankheitsfor-men typischerweise detailliert, szenisch, wiederholt und lebendig manifestieren, lassen sich auf eine Überempfindlichkeit limbischer Dopamin-Rezeptoren, aber auch auf eine mögliche Serotonin-Rezep-tor- Übererregbarkeit zurückführen.

Mehr als ein Drittel aller DLB und PDD Patienten leiden unter depressiven Symp-tomen, wobei eine schwere Depression (Major Depression) selten ist. Eine de-pressive Symptomatik kann ein Frühsym-ptom sein und steht in einem zeitlichen und wahrscheinlich auch ursächlichen Zusammenhang mit dem Krankheitsbe-ginn, aber auch dem Krankheitserleben, motorischen Funktionsschwankungen (Fluktuationen) und Angstsymptomen.

Zugrunde liegt ein Serotonin-Defizit durch Degeneration serotonerger Raphe-Neuro-nen, aber auch ein Noradrenalin-Mangel durch Untergang noradrenerger Neurone des Locus coeruleus.

Therapie des motorischen Parkinsonsyndroms

Es empfiehlt sich eine viermal tägliche Gabe eines Standard-L-Dopa-Präparates in langsam aufsteigender Dosierung (zum Beispiel Madopar®, Sinemet®), beginnend mit viermal 50 mg bis maximal viermal 200 mg L-Dopa (abhängig von der Ver-träglichkeit). Lösliche L-Dopa-Präparate sind nur bei morgendlichem, verspätetem Wirkungseintritt und unerwarteten akine-tischen Phasen angezeigt.

L-Dopa-retard Präparate (Madopar-CR®, Sinemet retard®) haben keinen zu-sätzlichen therapeutischen Nutzen wäh-rend des Tages, helfen jedoch nächtliche Akinese, Tremor und Off-Period-Dysto-nien zu verbessern.

Durch Kombination von L-Dopa-Prä-paraten mit COMT-Hemmern (Entaca-pone-Stalevo®-Kombination von L-Dopa, Carbidopa und Entacapone, oder L- Dopa-Präparate plus Entacapone separat – Comtan®, ebenso vier- bis fünfmal täglich verabreicht, beziehungsweise Tolcapone – Tasmar®, dreimal täglich, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind, separat zu L-Dopa, darunter aber regelmäßige Le-berfunktionskontrollen!), lässt sich die Verfügbarkeit von L-Dopa verbessern, so-dass Off-Phasen ausgeglichen werden, und, wahrscheinlich wie bei Patienten mit mehr oder weniger unkomplizierter Par-

Bei dementen Patienten bleibt nicht nur die Vergangenheit vergessen zurück, auch zeitlich näher liegende Ereignisse bereiten ihrem Gedächtnis Probleme.

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TABELLE 1

Charakteristika der Parkinson-Demenz / Demenz mit Lewy-Körperchen

Frontal-exekutive Störungen Lees u. Smith 1983, Reitan 1971, Wolfe 1990

Visuokognitive Störungen Villardita 1982, Hovestadt 1987, Ransmayr 1987, Levin 1991 u. a.

Gedächtnis Halgin 1977, Appollonio 1994,

Denkgeschwindigkeit Girotti 1986, Pillon 1989, Bloxham 1987

Vigilanz, Aufmerksamkeit, Pullman 1988, Ransmayr 1990,

Antrieb (L-Dopa) Ballard 2002, Rafal 1982

Affekt u. Stimmung Tröster 1995, Starkstein 1992, Chui 1986, Mayeux 1992

Selten (spät) kortikale Defizite (Aphasie, Apraxie, Agnosie, u. a.)

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kinsonkrankheit, auch die Ausprägung der motorischen Symptome verringern.

L-Dopa hat auch eine geringe psycho-trope Wirkung (Antrieb, Stimmung). Da mit zunehmendem Alter die L-Dopa-The-rapie an Wirkung verliert und das Sturzri-siko zunimmt, muss auf eine begleitende Physio- und Ergotherapie Bedacht ge-nommen werden. Therapeutische Ziele sind eine Verbesserung des Transfers (z. B. aus dem Bett in den Stuhl), des Auf-richtens aus einem Stuhl, der Standsicher-heit, des Ganges und der Muskelkraft so-wie der Ausbau kognitiver Ressourcen zur besseren Bewältigung von Mobilitätspro-blemen und Sturzrisiko.

Behandlung von Demenz und Verhaltensstörungen

In jeweils einer doppelblinden, multizent-rischen Studie wurde Rivastigmin peroral bei Patienten mit DLB und mit PDD im Vergleich zu Plazebo für die Dauer eines halben Jahres verglichen. In beiden Fällen fanden sich Verbesserungen im Vergleich zu Plazebo beziehungsweise Verzögerun-gen in der Progression von neuropsycho-logischen Parametern der mit Rivastigmin behandelten Patienten, aber auch in psy-chischen Symptomen.

Die veröffentlichte Studie über Riva-stigmin bei DLB wurde in einem vergleichs-weise relativ kleinen Krankengut durchge-führt und lässt Fragen offen hinsichtlich der Wirksamkeit auf bestimmte kognitive Parameter, die in späteren Studien mittels neuropsychologischen Batterien abgebil-det wurden oder Alltagsaktivitäten.

Bei PDD ergaben sich leichte bis mäßig-gradige Verbesserungen in einer Vielzahl neuropsychologischer Funktionen, Alltags-funktionen, psychischer Störungen und Verhaltensauffälligkeiten, Aufmerksamkeit, Wortflüssigkeit, visuell räumlich konstruk-tiver Funktionen. Außerdem wurde festge-stellt, dass ein Anteil von rund 15 bis 20 Pro-zent der Patienten deutlich mit kognitiven

und psychischen Verbesserungen auf Ri-vastagmin anspricht. In einer offenen Nach-folgeuntersuchung konnte gezeigt werden, dass Rivastigmin auch über die Dauer eines Jahres hinsichtlich der angeführten Para-meter wirksam ist. Patienten mit Halluzina-tionen und Wahnvorstellungen scheinen auf Rivastigmin bevorzugt anzusprechen.

Sowohl bei DLB und PDD ist Rivastig-min langsam aufzudosieren (Dosisschritte von 2 x 1, 5, 2 x 3, 2 x 4, 5, 2 x 6 mg täglich p. o.) in jeweils vierwöchigen Abständen unter engmaschiger klinischer Kontrolle. Nebenwirkungen sind vor allem gastroin-testinaler Natur (Nausea, Appetitlosigkeit, Erbrechen, gegebenenfalls Durchfall). Derzeit ist eine internationale Studie über

die Wirkung und Verträglichkeit von Ri-vastigmin als transdermal wirksames Pflaster im Gang.

In kleineren Studien wurde auch die Wirksamkeit von Donepezil bei PDD und DLB nachgewiesen. Eine rezente Studie in einem kleinen Patientenkollektiv (72 Per-sonen) hat ergeben, dass Patienten mit PDD und DLB auch auf Memantine an-sprechen. Effekte fanden sich in neuropsy-chologischen Parametern unter Ein-schluss des Minimental State Examination Score sowie im klinischen Gesamtein-druck. Die Studie ergab, dass ähnlich wie Rivastigmin bei PDD und DLB offensicht-lich bei etwa 15 Prozent der Personen Me-mantine (Dosis 20 mg/tgl.) deutlich wirkt.

Impulskontrollstörungen und Punding sind in erster Linie Phänomene jüngerer Patienten unter Behandlung mit Dopamin-agonisten. Kommen sie bei älteren, demen-ten Patienten vor, so sind sie als Phänomen

der Krankheit und einer dopaminergen Überstimulation zu interpretieren. Abdo-sierung der dopaminergen Therapie und eine allfällige atypische Neuroleptikathera-pie sind zu empfehlen, aber nicht ausrei-chend wissenschaftlich evaluiert. Gegen REM-Schlaf-Verhaltensstörungen hilft abendlich verabreichtes Clonazepam in ei-ner Dosis von 0,5 bis maximal 2 mg.

TABELLE 2

Psychiatrische Störungen bei DLB im Vergleich zur Alzheimer-Krankheit

% DLB DAT Faktor Unterschied DLB/DAT

Visuelle Halluz. 16–83 0–25 >3

Akust. Halluz. 11–45 0–3 >3–15

Komb. Halluz. 23–67 3–25 1–2,5

Wahn 13–75 0–53 >1,5

Fehlinterpret. 50 20 2,5

Depression 14–46 0–17 3

Modifiziert nach Ballard et al. Am. J. Psychiatry 1999, 156:1039

0,5 Prozent aller Personen über 65 Jahre sind an einer Parkinson-Demenz erkrankt.

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Psychiatrische Phänomene, die sich typischerweise detailliert, szenisch, wiederholt und lebendig manifestieren, lassen sich auf eine Überempfindlichkeit limbischer Dopamin-Rezeptoren, aber auch auf eine mögliche Serotonin-Rezeptor-Übererregbarkeit zurückführen.

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Therapie der Psychose

Psychotische Episoden (Halluzinationen, Wahn, Delir) sind durch ein Abdosieren von Medikamenten mit antipsychotischen Nebenwirkungen teilweise behandelbar (Amantadin, Anticholinergika, Dopamin-agonisten). Ergänzend ist die Behandlung mit atypischen Antipsychotika oft unum-gänglich. Evidenz einer Wirksamkeit be-steht für Clozapin, wobei ein langsames Aufdosieren (Initialtagesdosis 6,25–12,5 mg) erforderlich (Blutdruckabfall, Se-dierung, paradoxe Verschlechterung der Psychose) ist, eine obere Dosisbeschrän-kung (50–75 mg) eingehalten werden sollte und zu Behandlungsbeginn eine normale Zahl der neutrophilen Granulo-zyten sowie in der Folge regelmäßige Dif-ferentialblutbildkontrollen notwendig sind (erste 18 Wochen 1 x / Woche, dann 1 x / Monat). Zur Behandlung psychoti-scher Episoden wird auch Quetiapin ein-gesetzt, wobei kontrollierte Studien bis dato keinen klaren Wirkungsnachweis er-bracht haben. Andere atypische Neuro-leptika und typische Neuroleptika sind wegen ihrer motorischen Nebenwirkun-gen (Verstärkung der Parkinson-Sympto-matik) kontraindiziert.

Therapie der Depression

Depression ist ein wesentlicher Faktor ei-ner Beeinträchtigung der Lebensqualität. Kontrollierte Studien zur medikamentö-sen Behandlung einer Depression im Rah-men eines idiopathischen Parkinson-Syn-droms sind verglichen mit Th erapiestudien über motorische Phänomene ausgespro-chen selten. In den meisten Studien sind Patienten eingeschlossen worden, die nur zu einem geringen Anteil dement waren.

Aus diesem Grund lassen sich die Re-sultate nicht ohne Einschränkungen auf PDD und DLB-Patienten übertragen. Dies gilt vor allem für den leicht- bis mittelgra-digen antidepressiven und auch anxiolyti-schen Eff ekt von neueren Dopaminago-nisten wie Pramipexol und Ropinirol, die auch wegen des Risikos von psychotischen Episoden (Halluzinationen, Wahn, Delir) bei diesen Diagnosen nicht angewandt werden können. Auch lässt sich der leicht- bis mittelgradige antidepressive Eff ekt von trizyklischen Antidepressiva wie Desipra-min, Nortryptilin und Amitryptilin nicht nachvollziehen, da wegen anticholinerger Eff ekte ein deutliches Risiko einer kogniti-ven Verschlechterung und einer Zunahme psychotischer Phänomene besteht. Au-ßerdem kann es bei infravesikaler Ob-

struktion, vor allem bei älteren Männern, zu Blasenentleerungsstörungen kommen. Schließlich sind trockener Mund, Herz-rhythmusstörungen und eine mögliche Erhöhung des Augeninnendruckes als Ne-benwirkungen zu bedenken.

Serotonin und Noradrenalin-Wieder-aufnahmehemmer wie Sertralin, Citalop-ram, Reboxetin, Mirtazapin und Venlafa-xin sind bei Parkinson-Patienten fraglich oder, je nach Studie, nachgewiesenerma-ßen leicht bis mäßig antidepressiv wirk-sam. Ein Teil ihrer Nebenwirkungen – wie Zittrigkeit, innere Unruhe, vermehrtes Schwitzen, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen und Hypotonie – kommen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom an und für sich vor und könnten unter dieser Th erapie zunehmen. Ein anti-depressiver Eff ekt dieser Substanzen und auch des MAO-A-Hemmers Moclobemid, dem Noradrenalin- und Dopamin-Re-Up-take –Inhibitor Bupropion oder dem MAO-B-Hemmer L-Deprenyl, wie bei unkompli-zierter Parkinson-Krankheit beschrieben, ist für demente Parkinsonpatienten nicht explizit nachgewiesen. Depression und

Angst in Zusammenhang mit motorischen Fluktuationen (in Off -Phasen) lassen sich durch eine Reduktion motorischer Fluktu-ationen positiv beeinfl ussen (L-Dopa mit und ohne COMT-Hemmer, vor allem Enta-capone). Psychagogische und psychothe-rapeutische Maßnahmen sind wie auch bei anderen Formen von Depressionen wertvoll.

Zusammenfassend sind PDD und DLB neben motorischen und vegetativen Sym-ptomen durch ein Spektrum kognitiver und aff ektiver sowie auch psychotischer Phänomene charakterisiert, die rechtzei-tig erfasst und einer Th erapie zugeführt werden müssen. Wenn auch die Möglich-keiten einer psychopharmakologischen Th erapie begrenzt sind, sollen Psycho-pharmaka gezielt verwendet und konse-quent angewandt werden.

Mehr als ein Drittel aller Patienten mit Parkinson-Demenz und Demenz mit Lewy-Körperchen leiden unter depressiven Symptomen. Eine schwere Depression ist selten.

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KorrespondenzPrim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard RansmayrAbteilung für Neurologie und Psychiatrie, AKH LinzKrankenhausstr. 94020 LinzE-Mail: [email protected]

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