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Jan Ostrau Mantras Heilige Laute der Kraft und wie wir sie nutzen können

mantras

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Jan Ostrau

Mantras Heilige Laute der Kraft und wie wir sie nutzen können

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Originalausgabe Copyright © 2005 Lüchow Verlag Stuttgart in der Verlagsgruppe Dornier GmbH Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Margret Russer, München Umschlagfoto: Jonelle Weaver/Getty Images Satz: de-te-pe, Aalen Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany

ISBN 3-363-03079-7 ISBN 978-3-363-03079-2 www.luechow-verlag.de

Inhalt

1. Was sind Mantras? 7 Definitionsversuche 9

2. Warum und wie Mantras wirken 15 Urlaute als Archetypen der Seele 17 Sprache als Mantra der Mystik 20 Tönende und stille Mantras 24 Mantras als Mittel der Reinigung 26

3. Mantras und andere Formen der Besinnung 29 Zauberworte in der Dichtung 30 Mantras und Gebete 33 Kraftworte und Affirmationen 34 Mantras und Meditation 36 Kraftworte und Zen-Koans 37 Mantras, Mudras, Mandalas und Yantras 39

4. Mantras aus verschiedenen Religionen und Kulturen 43 Wie Sie Mantras praktisch anwenden 44 Om-Aum 44 Mantras im Hinduismus 49 Mantras im Buddhismus 62 Mantras im Sikhismus 67 Mantras im Keltentum 70 Kraftworte in der Nordischen Religion 71 Kraftworte im Schamanismus 75

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Kraftworte und Gebete im Judaismus 80 Kraftworte und Gebete im Christentum 84 Mantras und Kraftworte im Islam 91 Mantras und Kraftworte aus Theosophie und Arkanschule 97

5. Mantras für unterschiedliche Zwecke 101 Vorbemerkung zur Übungsweise 102 Zur ganzheitlichen Entspannung 103 Für mehr geistige Klarheit 104 Zur Problemlösung 104 Zum Schutz 105 Zur psychosomatischen und seelischen Heilung 107 Für den Frieden 108 Zur Aktivierung der Chakras 110 Zur spirituellen Öffnung 112 Das große Ja 114 Du 115 Ich bin 116 Wie Sie Ihre persönlichen Mantras schaffen können 118

6. Er ist das Wort 121

Anhang 125 Übersicht über alle im Buch aufgeführten Mantras 127 Literaturhinweise 131 CD-Hinweise 133 Dank 135

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1. Was sind Mantras?

Von Gott zu sprechen, ohne aus Gott zu sprechen, das ist gottlos. (Meister von Howrah)

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Mantra - ein Edelstein, der geheimnisvoll funkelt wie der sagen­umwobene »Stein der Weisen«, der seit Jahrtausenden Menschen aller Kontinente, Religionen und Kulturen zu einer äußeren und inneren Suche bewegt hat. Allein der Begriff Mantra ist ein ver­heißungsvolles Wort. Was schwingt da nicht alles mit? Magie und Mystik, Macht und Mitte, der Zauber Indiens und des Orients. Tiefe eigene Besinnung und Bindung an lichte Kräfte, aber auch das Bannen dunkler Energien klingen in diesem Wort an. Hör­bare und innere Klänge, verborgene Kräfte von Worten und Na­men sind weitere Facetten des rätselhaften Edelsteins Mantra. Es ist ein Juwel mit ähnlich sagenhaften Kräften, wie sie dem Stein der Weisen zugeschrieben werden; jenem Stein der Weisen, der nicht Eisen zu Gold macht, sondern die dumpfe Tierseele des Menschen in die Höhen der Engel zu heben imstande ist!

Dieses Buch soll eine praktische Einführung in die heilsame Anwendung von Mantras, Energieklängen und Kraftworten sein -zur ganzheitlichen Heilung, für geistige Klarheit und inneren Frieden. Manche Leser und Leserinnen werden vielleicht sogar in einem oder mehreren Mantras in diesem Buch eine Brücke zu einem höheren, spirituellen Bewusstsein entdecken.

Ohne jedes Übergewicht einer bestimmten religiösen Tradition und frei von jedem missionarischen Impetus, stellt dieses aus­drücklich sehr klar gegliederte Handbuch anschaulich und pra­xisnah dar, wie Sie Mantras verstehen und nutzen und ganz ei­gene Mantras auch selbst neu schaffen können. Das Buch geht auf die unterschiedliche Wirkungsweise stiller, gesprochener, gesun­gener und musikalisch unterstützter Mantras ein.

Dabei ist einerseits eine gewisse Einführung in die Grundlagen des Themas sinnvoll, die vor allem sachliche Informationen bringt und Zusammenhänge beschreibt. Deshalb finden Sie am Anfang des Buches überwiegend Sachinformationen. Anderer­seits ist eine aktive persönliche Einstimmung wünschenswert -ganzheitlich mit möglichst vielen Sinnen und auf verschiedenen Ebenen. Dazu dienen die zahlreichen Übungsvorschläge im zwei-

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ten Teil des Buches, aber auch schon einige kurze Übungen, die von Anfang an für Abwechslung sorgen mögen.

Übung mit dem eigenen Namen Fangen wir mit einem der stärksten Kraftworte an, das es für uns gibt: mit unserem Namen.

• Schreiben Sie Ihren Namen, so wie Sie ihn normalerweise verwenden, drei Mal untereinander auf ein Blatt Papier.

• Schließen Sie danach die Augen! Sprechen Sie ihn dann laut­los ebenfalls drei Mal hintereinander aus.

• Nun sprechen Sie ihn noch drei Mal gut hörbar und harmo­nisch aus.

Was spüren Sie? Holpern und stolpern die Worte anfangs eher aus dem Mund, als dass sie melodisch fließen? Stocken wir we­niger, wenn wir sie schreiben und denken und mehr, wenn wir unseren Namen plötzlich laut vor uns hin sprechen? Finden wir das irgendwie »peinlich« oder geht es uns gut damit? Wir wer­den diese Übung später noch ausbauen.

Übrigens: Wenn Sie das nun als völlig albern empfunden und vielleicht gar nicht mitgemacht haben: Bitte geben Sie Ihrem Herzen doch einen kleinen Stoß und summen Sie wenigsten 2 oder 3 Minuten lang. Erst wenn wir uns selbst ganz praktisch und ohne Vorbehalte auf Klangschwingungen einlassen, kön­nen wir größeren Nutzen aus der Kraft von Mantras ziehen. Also...!

Definitionsversuche

Der Brockhaus schreibt: • Mantra ist ein Wort aus dem Sanskrit (altindische Kulturspra­che) und bezeichnet eine heilige oder magische Formel.

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Der Begriff »Mantra« hat dieselbe Wurzel wie manas, die Kräfte der mentalen bildlichen Vorstellung. In der Theosophie sind die Manas das Prinzip der kreativen Imagination; bei Castaneda sind sie das Prinzip der autonomen Bewusstheit, die es möglich macht, die Welt als eine von uns getrennte Wirklichkeit zu erfah­ren. Im Begriff Mantra ist auch dieselbe Wurzel wie in Mani ent­halten, zu dem unsere Worte Mensch und man sowie das engli­sche Wort man in Beziehung stehen. Es geht bei Mantras also um etwas, was den Menschen in seinem Kern, in seinem Wesen be­trifft.

Die heiligen Schriften der Veden, von denen es vier gibt, sind je­weils in vier große Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt sind die »Mantras« oder Hymnen. (Es gibt die Rigveda, Samaveda, Ayurveda und Atharvanaveda; der erste Hauptteil sind die Man­tras, der zweite Erklärungen zu Mantras und Ritualen, der dritte enthält Abhandlungen über Meditationsübungen in der Einsam­keit und der vierte schließlich die Upanishaden, mystische spiri­tuelle Texte und Anleitungen zu einer bewussten Lebensweise.)

Im engeren Sinne bezeichnen Mantras Worte und Klangfor­meln; »Das Handbuch des Suchers« definiert wie folgt:

• Ein Mantra ist eine verbale Formel oder einfach ein Klang, wie Aum, die still wiederholt oder hörbar gesungen werden, wie ein Gebet, um damit verschiedene Zustände zu erreichen wie Heiterkeit, Freude, Gelassenheit, Gemütsruhe, Einstimmung auf Gott, Macht über äußerliche Hindernisse und so fort. Außerdem: Mantra ist Teil des Yogas der Ton- oder Klangme­ditation.

Ein Universalgelehrter des 20. Jahrhunderts und Asienforscher schrieb:

• Mantras sind Lautgebilde, Formeln und Lautsymbole, welche irrationale Kräfte (Prana) im menschlichen Unterbewusstsein

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(bzw. Unbewussten, besonders im »Kollektiv«) aufrufen und in Schwingungen bringen. Diese Kräfte und Schwingungen ver­mag eine intellektuelle, begriffliche Definition und die Über­setzung eines Mantras jedoch nicht auszulösen. Als Beispiel, wie Mantras unwirksam werden, seien die Übersetzungen der in Latein mantrisch gebildeten katholischen Messe in heutige Verkehrssprache angeführt. So ist das >Amen<, richtig gespro­chen oder gesungen, ein echtes Mantra, welches seine ur­sprünglichen Laut- und Schwingungseigenschaften verliert, wenn es durch die den Verstand befriedigenden, an sich sehr schönen Worte »Ja, so sei es!« ersetzt wird. Dasselbe gilt für alle Übersetzungen des Mantra »Om«. (Hans-Hasso von Veltheim-Ostrau, Tagebücher aus Asien, S. 390)

Auch in die Begriffe Wort, Kraft und Zauber wollen wir hinein­spüren.

• Wort: »Wort« war ursprünglich wohl gleichbedeutend mit »Name« sowie mit »ich werde sagen«.

• Kraft: Fülle, geistige Fähigkeit und Kunstfertigkeit finden wir im Herkunfts- und Bedeutungsfeld von »Kraft«. Kraftworte wären demnach Namen, die Fülle, geistige Fähigkeiten und Kunst vermitteln oder dazu inspirieren.

• Zauber: Dieses Wort soll auf eine angelsächsische Bezeich­nung für roten Ocker zurückgehen, der zum Schreiben von Runen diente. Der Begriff Zauber bedeutete demnach so et­was wie »zauberkräftige Geheimschrift«. Zauberworte wären also nicht nur niedergeschriebene, sondern vor allem stimm­haft ausgesprochene bzw. zumindest gedachte und »gelau­tete« zauberkräftige Namen.

Gudula Blau, Sängerin, Schauspielerin und geistige Lehrerin, die selbst einige Mantra-CDs veröffentlicht hat, definiert Mantras so:

• Ein Mantra wird als direkter Ausdruck Gottes betrachtet und bewirkt die Einstimmung in die göttliche Energie. Durch die

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regelmäßige Widerholung eines Mantras entstehen im Geist Gedanken, die im Einklang mit der göttlichen Wahrheit sind. Das Singen der heil(ig)en Worte läutert das Denken und fuhrt zur Weiterentwicklung des individuellen Bewusstseins. Hilde­gard von Bingen bezeichnete das Singen der heiligen Namen als höchste Form der Gottesverehrung.

Paramhansa Yogananda, einer der bedeutenden spirituellen Meis­ter Indiens, der im 20. Jahrhundert im Westen wirkte und Autor des Klassikers Autobiographie eines Yogi ist, schrieb einmal zur Er­klärung des Begriffs Mantra:

• Kraftvoller, schwingender Gesang. Die wörtliche Überset­zung des Sanskrit-Wortes Mantra ist »Instrument des Den­kens«.

Das Webster's New International Dictionary gibt als Erklärung an: • Mantras bezeichnen die idealen, mit dem Körpersinn unhör­baren Klänge, die einen Aspekt der Schöpfung repräsentieren; wenn sie als Silben vokalisiert (gelautet bzw. getönt) werden, dann konstitutieren Mantras eine universelle Terminologie.

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Was sind Mantras? • Mantras sind Laute, Silben, Worte oder ganze Sätze,

die meist halblaut gesprochen oder gesungen werden; manchmal mit musikalischer Unterstützung.

• Mantras können auch still gedacht und gespürt wer­den; im Herzen, im Kopf, im Körper, im Gefühl, im Geist, in der eigenen Vorstellung.

• Mantras sind an vielen Orten Teil öffendicher religiö­ser Rituale; sie können jedoch ebenso in der ganz per­sönlichen Übung gebraucht werden.

• Mantras dienen der Gottesverehrung, der Selbstfin-dung, der Harmonisierung und Heilung sowie dem Erlangen besonderer Kräfte.

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2. Warum und wie Mantras wirken

Wenn ich meinen Sinn an G-tt hefte, lasse ich meinen Mund reden, was er will: Denn alle Worte sind dann an ihre obere Wurzel gebunden. (Baal Schein Tow, der »Meister des guten Namens«)

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Mantras, heilige Laute, aber generell alle Worte, Gebete, Affirma­tionen wirken dann, so der chassidische Meister Baal Sehern Tow, wenn der »Sinn an G-tt geheftet« ist. Im chassidischen Judentum gilt der Name Gottes als so heilig, dass er noch nicht einmal ganz ausgeschrieben wird. Denn es könnte ja sein, dass dieses Papier ei­nes Tages achtlos fortgeworfen und damit der heilige Name, der »gute Name« entwürdigt wird. Der Glaube an die Macht des Wor­tes, das aus Gott und in Gott und auf Gott zu gesprochen wurde, war tiefgläubigen Menschen in allen Religionen und Kulturen schon immer zu Eigen.

Worte wirken also einfach und vor allem deshalb, weil sie in le­bendiger Beziehung zum Schöpfer gesprochen werden. In einigen Legenden und Lehrgeschichten wird beschrieben, dass Worte von Menschen, die gottesfürchtig waren und den Mitmenschen zuge­tan, sich immer als wahr herausstellten, gleich, was sie sagten. Das war damals so und gilt auch noch heute, weil solche Menschen sich mit allen Fasern ihres Wesens der schöpferischen Kraft ver­bunden wissen oder sich zumindest immer wieder danach sehnen und ausrichten.

Der weiter oben bereits zitierte Asienforscher von Veltheim-Ostrau, der seine ausgedehnten Reisen vor dem zweiten Weltkrieg machte, schrieb über die Wirkung von Mantras, wie er sie persön­lich erlebte:

Einmal unterbrach ein Guru ein solches, auf dem Höhepunkt angelangtes Gespräch und rezitierte mir ein tantrisches Man-tra, welches mich in einen eigenartigen, überwachen, unper­sönlichen Zustand großer Gedankenklarheit versetzte.«

Warum das so ist, erklärt er so: Mantras sind durch den Ton (besonders gestellter und aufein­ander folgender Vokale und Konsonanten) sowie durch den In­halt wirkende wortschwere Sprüche. Ihr Inhalt muss mehr hin­gebungsvoll als aktiv denkend, mit dem inneren Fühlen aufgenommen werden, indem man sich sinnend-fühlend dem

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Wesen des Klanges hingibt. Ein Mantra muss vornehmlich mu­sikalisch, etwa wie eine Fuge, hingenommen werden, damit es die Seelenkraft zum Mitschwingen bringt. Darin liegt der Grund, weshalb Mantras durch oftmalige, rhythmisch sich stei­gernde Wiederholung zuerst wie eine Fuge wirken. Innere See­lenorgane (Chakras) werden dadurch in Bewegung gesetzt und zu inneren Wahrnehmungsorganen ausgestaltet.

Für uns Westländer ergibt sich kurzen Sanskrit-Mantras ge­genüber die Schwierigkeit, dass uns ihr gedanklicher Inhalt mangels genügenden Verständnisses oft nicht voll befriedigt, d. h. denkerisch nicht mehr so aktiviert, wie dieses bei einer völ­ligen Hingabe an das Musikalische gefühlsmäßig auf dem an­deren Pole des Erlebens der Fall ist. Bei längeren, gedanklich stärker geladenen Mantras werden aber die musikalischen Ton­formen so kompliziert, dass das Gefühlsmäßige - bei mir we­nigstens - in eine gewisse Unordnung kommt. Etwa mit dieser Einstellung versuchte ich den Mantras zu folgen oder, besser, mich ihnen hinzugeben. (Tagebücher aus Asien, S. 114)

Urlaute als Archetypen der Seele

Urlaute können auch als »Archetypen der Seele« gelten. Wir kön­nen uns Om, Aum, Amen, Ich, Ich bin, Heilig-heilig-heilig, Aloha, Ram-Ram, Om mani padme hum, Kyrie eleison, Illalah, Sat Naam, A - E - I - O - U , Du-du- du usw. durchaus auch tiefen­psychologisch annähern.

Ähnlich wie wir Bilder als eine fast universelle Sprache der Seele betrachten können, die oft überall auf unserer Erde ohne weitere Erläuterungen verstanden werden. Dazu zählen zum Beispiel Zei­chen wie Kreis, Dreieck, Quadrat; Symbole wie Spirale, Gefäß oder Hand; ganze Bilder wie Pilger, Große Mutter oder Engel. Musik gilt ebenfalls weithin als universelle Sprache, obschon sie stärker kulturgebunden ist. Wie wollen Westeuropäer auf Anhieb

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indische Ragas in ihrer Tiefe aufnehmen können; wie sollten bei schamanistisch geprägten Naturvölkern Bach, Mozart oder Beethoven das Gleiche auslösen wie in unseren Breiten. Nicht, dass nicht beides möglich wäre, natürlich ist es das. Aber es ver­langt eine intensivere Beschäftigung, ein Hineinhören und Mit­schwingen. Dass MTV und der amerikanisch geprägte musikali­sche Einheitsbrei inzwischen auch nachhaltig beeinflussen, wie wir Musik auffassen und empfinden - schnellere bis hektische Rhythmen, abgehackte und auf starke, kurzzeitige Stimulation des Nervensystems abzielende Tonbruchstücke -, unterstreicht das oben Gesagte nur. Man könnte hier durchaus von Klangrei­zen sprechen, die archaische Grundmuster aktivieren, aber nicht mehr in eine bewusst erlebte Mitte führen.

Wie sieht es nun mit Lauten, Klängen und melodisch gespro­chenen oder gesungenen Mantras wie den zuvor erwähnten aus? Auch sie erweisen sich nach einer gewissen Zeit der Einstimmung als Archetypen der Seele, die in uns etwas anklingen lassen, was dem Alltagsbewusstsein oft verborgen ist und was in unserer mo­dernen Lebensführung meist zu kurz kommt.

Diese sowohl musikalisch wie durch ihre Bedeutung wirkenden Worte, Mantras, deren Schwingung sich infolge ihrer Wiederho­lung durch Jahrtausende hindurch und weil sie von vielen Millio­nen Menschen gedacht, gesprochen, gesummt und gesungen wurden und werden immer weiter verstärkt hat - solche Mantras rühren an unser Innerstes. Sie können als Stufen des Aufstiegs der Seele zur Selbstwerdung und zum Erwachen als Teil einer unge­teilten Ganzheit dienen. Dabei ist es sogar in der Regel hilfreicher, wenn nicht die intellektuelle Bedeutung der Begriffe oder der mentale Inhalt der Worte im Vordergrund stehen, sondern wenn man sich auf die Klangsilben, auf die Urlaute einlässt, sich ihnen hingibt.

Mit »irrationalen« Urlauten können wir in Schichten des per­sonalen und kollektiven Unbewussten eintauchen oder zumin­dest eine erste Fühlungnahme erfahren, die uns mit etwas in Kon-

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takt bringt, was entweder lange Zeit hindurch verschüttet war, meist seit der frühen Kindheit, als das »vernünftige Sprechen« be­gann, oder was wir bislang noch gar nicht erlebt haben.

Mantras sind in diesem Sinne Schwingungen, die feine und feinste Energieformen darstellen, die unsere Gemütspanzer und Gewohnheitsmuster, unsere Ich-Vorstellungen und Abwehrstra­tegien überwinden und uns berühren. Denken Sie an die Ge­schichte vom »weinenden Kamel«! Musik rührt die Seele des Ka­mels und hilft der Kamelstute, das Herz für ihr Neugeborenes zu öffnen.

Neben »Urbildern« - Zeichen, Symbolen, archetypischen Bil­dern - gibt es offensichtlich auch »Urlaute«, die uns einen Zugang zu Bewusstseinsschichten und Bewusstseinskräften verschaffen, die uns bislang unbekannt waren oder die wir bisher verdrängt haben. Mir ist nicht bekannt, dass eine Zuordnung von Urlauten und Mantras zu Seelenmustern und Seelenzuständen bereits so systematisch erfolgt wäre, wie dies bei Zeichen, Symbolen und Archetypen der Fall ist, vor allem in der Analytischen Psychologie nach C. G. Jung. Urlaute als Archetypen der Seele sollten an dieser Stelle jedoch wenigstens kurz thematisiert werden; vielleicht fin­den sich Psychologen, die hier weitere Untersuchungen anstellen. Beschäftigen wir uns nun mit »klassischen« Mantras.

Om oder Aum als klassisches Mantra Aum ist in der hinduistischen Tradition die heilige Silbe bzw. das heilige Mantra, mit dessen Hilfe die Einstimmung auf Gott, das All, die schöpferische Quelle, die kosmische Urkraft usw. ange­strebt wird. Das »A« steht für den Anfang, das »U« für die Mitte bzw. die Fortsetzung und das »M« für das Ende. Verkürzt wird dieses Mantra auch Om geschrieben.

Über das Mantra Om heißt es in den Veden, den heiligen Schrif­ten des Hinduismus:

Om ist der Bogen, auf dem die Seele als Pfeil zu Brahma fliegt,

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das obere Reibholz, das mit dem Leibe als unterem Reibholz das Feuer der Gottesschauung entzündet, der Wagen, der zur Brahmawelt führt!

In der katholischen Kirche wird nach der Lesung aus dem Evan­gelium vom Priester verkündet, »Die Worte des Evangeliums rei­nigen uns von unseren Sünden«. Eine gleichartige Wirkung wurde in Indien vor vielen Jahrtausenden bereits den Worten und Lauten der Veden zugeschrieben. In beiden Religionen, und auch in manch anderen, wurde und wird erkannt, dass Worte, die Ho­hes und Heiliges umschreiben bzw. die aus dem Munde von Hei­ligen oder gar als Offenbarung Gottes zu uns gelangen, die Wir­kung besitzen können, uns mit ihrem lichten Ursprung zu verbinden und eins werden zu lassen. Veltheim-Ostrau schreibt dazu:

Durch den Gebrauch des Veda können deshalb in sinnlichen, unter- und übersinnlichen Sphären und Reichen reale Wirkun­gen hervorgerufen werden, wie sie jedem echten kultischen Worte oder Mantra eignen, sofern es richtig in Verbindung mit geistiger Konzentration ausgesprochen bzw. gesungen wird. Die rhythmisch festgelegte Aufeinanderfolge gewisser Laute in einer bestimmten Tonhöhe ist wesentlich. Es ist demnach klar, dass durch die Übersetzung eines Mantra dieses seine Wirkung einbüßen muss.

Sprache als Mantra der Mystik

Das Gleiche gilt sicherlich für die Übertragung der über tausend Jahre alten gebräuchlichen Formeln des christlichen Gottesdiens­tes von der lateinischen Sprache in die jeweilige Landessprache. Eine vermeintlich wünschenswerte Entmystifizierung und die damit beabsichtigte bessere Verständlichkeit des Inhalts der ver­wendeten Worte wird dabei zwar gewonnen, der mythische Hin-

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tergrund, der die Seele schwingen lässt, geht jedoch meist verlo­ren. Zu diesem Thema meint der bedeutende Mythenforscher Jo­seph Campbell in seinem Buch Das bist du:

Die Religion hat die Aufgabe - und das Problem -, das Herz zu erwecken. ... Eine Gelegenheit dazu hat beispielsweise die rö­misch-katholische Kirche dadurch verschenkt, dass sie die la­teinische Liturgie in die Landessprachen übersetzte und sie da­durch ihres Mysteriencharakters beraubte.

Das christliche A und O, das Alpha et Omega, das Anfang und Ende bezeichnet, kommt uns dabei in den Sinn, aber auch die hei­lige Dreieinigkeit, wenn Priester und Gläubige in der Kirche ge­meinsam sprechen:

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!

Die Wiederholung von Kraftworten ist ein Mittel, um den ganzen Menschen zu stärken und zu entfalten. So erklärt sich die im posi­tiven Sinn »hypnotische« Wirkung von Rosenkränzen, Marienan­rufungen und Litaneien. Im steten Rhythmus der Laute und Worte, im Wechselgesang zwischen Vorbeter und Gemeinschaft, entfaltet sich ein geistiger Raum, in dem die Alltagsgedanken und sonst vorherrschenden Gefühle langsam versinken oder sich so­gar auflösen. In diesem freien Raum entsteht eine eigene Schwin­gung des »No-Mind«, einer zenartigen Leere. Diese Leere kann eine neue Fülle aufnehmen, die nicht vom Intellekt oder den Emotionen der Person bestimmt wird. Sie kommt vielmehr aus einer überpersönlichen Ebene der Seele, die sowohl im Unbe-wussten als auch im Überbewussten ihren Ursprung haben kann.

Das führt häufig zu Erfahrungen des Sich-aufgehoben-Wis-sens, der tiefen Entspannung, aus der ein neues Urvertrauen ent­stehen kann. In diesem äußerlich vielleicht monoton erscheinen­den Singsang der Laute tauchen Erlebnisse der Entrückung und Verzückung, des Lichts und der Liebe auf. Das geschieht, wenn

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wir einerseits bereit sind, uns wirklich darauf einzulassen, und wenn uns andererseits eine überpersönliche Gnade zuteil wird, die nicht erzwungen werden kann.

In einer bestimmten Form von Energiearbeit setzt man das »Ich bin« ein, das manchen Lesern aus der Ich-bin-Bewegung oder aus den Lehren von St. Germain ein Begriff sein mag. Man wiederholt halblaut oder nur gedanklich das Ich bin. Lesen Sie das bitte geduldig und ruhig mit, so wie es hier abgedruckt ist:

Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich bin, Ich binl

Wiederholen Sie das noch einmal mit geschlossenen Augen und spüren Sie nach, ob es einen Unterschied gibt, ob Ihre Augen of­fen oder geschlossen sind.

Schon dieses einfache Mantra, das in keiner Weise religiös oder gar konfessionell gefärbt ist, kann Sie in einen anderen Bewusst-seinszustand erheben. Mantras bilden in der Mystik sozusagen eine Brücke in höhere Bewusstseinsräume. Sie können die Namen von Heiligen dazu verwenden, solche Brücken zu bauen, wie den von Pater Pio, oder das Ave Maria bzw. das Salve Regina, oder auch Hashem (jüdische Bezeichnung für Gott), Allah, das india-nisch-schamanistische Vater Himmel und Mutter Erde, oder sonst einen Begriff, der für Sie persönlich das wie in einem Brennglas bündelt, was Sie anrufen oder womit Sie sich verbun­den fühlen möchten.

Eine Erklärung für die spirituelle Wirksamkeit von Mantras wird sicher zumindest drei Faktoren berücksichtigen: den Sinn­gehalt des Mantras, die Schwingung der Person, die sie uns über­mittelt und unsere eigene innere Haltung.

Je höher, umfassender, idealer, ätherischer oder heiliger das ist, was ein Mantra bezeichnet, benennt oder symbolisch zum Aus­druck bringt, desto spirituell wirksamer mag ein solches Kraft­wort sein. Aber gibt es den einen einzigen »höchsten« Namen

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Gottes oder die wenigen ausgesuchten energiereichsten Mantras überhaupt? Das sollte jeder Leser für sich selbst erkunden.

Vor allem bei schamanistischen Ausbildungen und Initiations­wegen geht man davon aus, dass die Wirksamkeit von Mantras wesentlich vom Bewusstsein des Menschen bestimmt wird, der uns ein Mantra übermittelt. In solchen Fällen geht es manchmal gar nicht so sehr oder vielleicht überhaupt nicht mehr um den speziellen Begriff, der als Kraftwort gebraucht wird, sondern um den Gedankenimpuls einer Meisterin oder eines Meisters, der quasi einen lebendigen Funken überträgt. Man könnte das mit der Kraft vergleichen, die manchmal in Blicken liegt. Wenn uns jemand besonders liebevoll anblickt oder wenn Heilige wie Pater Pio, Ramana Maharshi oder Ananda Mayee Menschen tief ange­blickt haben, haben diese oft von einer lebendigen Kraft berichtet, die in sie einfloss und die in ihnen immerfort lebendig blieb.

Die meisten von uns werden beim Rezitieren oder Singen von Mantras eine solch tiefe Erfahrung nicht unbedingt gleich beim ersten Mal haben, sondern mit der geduldigen und anhaltenden Einübung und Wiederholung entfaltet sich eine solche Kraft meist eher unmerklich. Ich kenne jedoch auch Menschen, bei de­nen bereits ein einziges Hören und eine einzige Wiederholung zu tief greifenden spirituellen Erlebnissen geführt hat. Diese Mög­lichkeit drückt auch dieser Satz aus: »Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach - doch sprich nur ein Wort, und meine Seele wird gesund.« Mit diesen Worten bitten, wie Kirch­gänger wissen, die Gläubigen um den Segen Gottes und Jesu Christi bei der Eucharistie. Damit kommen wir zum dritten wich­tigen Faktor für die Wirksamkeit, zur eigenen Einstellung.

Unsere innere Haltung ist wesentlich. Ich glaube sogar, dass sie alles entscheidend ist. Wenn Sie Ihr Herz öffnen, wenn Sie vom Verstand her loslassen, Körper und Bauch entspannen und die Seele zu dem erheben, was für Sie am beglückendsten ist, dann spielt es keine große Rolle mehr, welche Begriffe Sie verwenden. Wenn die geistige Aufmerksamkeit gesammelt und gebündelt

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wird - sei es ein Gefühl, ein Mantra, eine Hoffnung - dann voll­zieht sich eine Öffnung des Menschen für feine überpersönliche Kräfte.

Warum wirken Mantras? • Eine Erklärung ist die Gottverbundenheit der Menschen, die

sie verwenden. Auf besondere Worte kommt es dabei nicht unbedingt an!

• Eine weitere Erklärung ist der Inhalt bzw. die besondere Be­deutung, die bestimmten Worten innewohnen soll.

• Eine dritte Erklärung ist die innere Haltung des Übenden, wobei nicht Religiosität im Vordergrund steht, sondern Kon­zentration, die gebündelte Aufmerksamkeit und Versenkung auf ein Mantra.

• Melodisch gesprochene oder gesungene Mantras können wegen ihrer feinen Schwingungen körperlich und seelisch, also physiologisch und psychosomatisch wirksam werden.

• Mantras wirken, weil sie helfen, das verstandesmäßige Den­ken hinter sich zu lassen und sich für höhere Ebenen der Wahrnehmung zu öffnen.

Tönende und stille Mantras

Tönende Mantras, also solche, die wir singen, sprechen oder an­ders zum Klingen bringen (durch Summen, Tönen, Anschlagen von Klangschalen, durch Obertöne), wirken zunächst einmal auf eine Weise, die wir leicht übersehen oder gering schätzen können, nämlich direkt körperlich. Wenn Sie einmal tibetische Lamas oder mongolische Schamanen gehört haben, die Obertöne sin­gen, werden Sie sich sicher erinnern, welch körperlich spürbare Schwingungen den Raum erfüllt haben. Es gibt eine ganze Thera­pierichtung, die sich mit der Heilung durch Töne beschäftigt -mit Sufi-Mantras oder Klangschalen, die auf den Körper gelegt

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und angeschlagen werden, mit Summübungen oder Vokal- und Konsonantenlautungen an den Chakras oder an anderen Körper­zonen (siehe auch Seite 114). »Lauten« ist ein Begriff, der in der Pädagogik umschreibt, wie ein Kind sich darum bemüht, Vokale und Konsonanten hörbar auszusprechen, wie es versucht, sie mit der Stimme zu bilden und eben »laut« werden zu lassen. In unse­rem Zusammenhang bezieht sich dieser Begriff ebenso auf das stimmliche Bilden von Lauten.

Außerdem vertiefen tönende Mantras aufgrund ihrer Koppe­lung an melodische oder rhythmische Formen der Wiederholung unsere Erinnerung dieser Silben und Laute auch dann, wenn wir sie nicht bewusst sprechen oder singen.

Darüber hinaus wirken sie selbstverständlich wie stille Mantras aufgrund ihrer »Kraftladung« durch eine spirituell höher ent­wickelte Persönlichkeit, die sie uns übermittelt. Ein ähnlicher Ef­fekt ergibt sich, wenn wir selbst mit unserer Herzensöffnung und unserer seelischen Hingabe an ein Mantra darauf vertrauen, dass es wirken wird!

Zu diesen subtilen und oft feinstofflichen Wirkungen kommen der vernunftmäßig erfassbare Inhalt sowie der symbolisch und eher unter- oder unbewusst anklingende Gehalt der Mantras.

Stille Mantras - also solche, die nicht gesprochen oder gesun­gen, sondern gedacht, visualisiert oder mental empfunden wer­den - wirken vor allem, indem sie das Bewusstsein sammeln. Wenn wir es uns zum Ziel machen, nicht einfach ständig einen unkontrollierten Gedanken-, Erinnerungs- und Gefühlsstrom durch uns laufen zu lassen, sondern unser Denken absichtsvoll zu formen, dann können Schwingung und Inhalt des gewählten Mantras immer umfassender wirken.

Wenn wir nicht nur während der Messe oder der Meditation, sondern auch im Alltag bewusst ganz bestimmte Kraftworte lau­fend mental wiederholen, dann geben wir unserem Denken und Fühlen eine bestimmte Ausrichtung. Oft stellen Menschen, die das üben, eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit fest, höhere

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gedankliche Klarheit sowie eine größere Öffnung für Intuition und innere Führung.

Die folgenden Merksätze sind beispielhaft gemeint. Sie sollen auf einige wesentliche Wirkungen hinweisen. Es gibt darüber hi­naus selbstverständlich eine große Zahl weiterer Wirkungen, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein können. Fühlen Sie sich bitte frei, auch Ihre eigenen Erfahrungen, die ganz anderer Art sein mögen, als »richtig« anzunehmen!

Wie wirken Mantras? • Sie können zu gedanklicher Klarheit und einem Gefühl der

Harmonie führen. • Mantras können psychosomatisch heilen bzw. Heilungspro­

zesse unterstützen. • Sie helfen vielen Menschen, wieder ihre Mitte zu finden. • Manche erlangen durch Mantraübungen überbewusste See-

lenzustände und mystische Erfahrungen. • Mantras können zur spirituellen Erfahrung und Erneuerung

dienen sowie dazu, Höhen und Tiefen der Seele auszuloten. • Manche Menschen eignen sich durch Mantras bestimmte

Kräfte an, mit denen sie auf die Außenwelt einwirken wollen.

Mantras als Mittel der Reinigung

Noch einige Bemerkungen zu einem »Spezialgebiet«, auf dem Mantras wirken, dem so genannten Exorzismus bzw. der Auflö­sung negativer Schwingungen. Denken Sie bitte nicht gleich an wüste Formen der Teufelsaustreibung oder wilde Kämpfe mit den »Mächten der Finsternis«. Menschen, die sich mit Kraftworten beschäftigt haben, wissen, dass es so etwas wie einen genius loci, einen »Geist des Ortes« gibt. Dieser ist für sensible Menschen meist als eine Schwingung spürbar, die erhebend oder bedrü­ckend, lichtvoll oder düster wirkt.

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Was für einen Ort gilt, kann auch auf Menschen zutreffen. Sie sind in ihren Gedanken und Gefühlen eher von Freude, Kraft und Liebe erfüllt oder zeitweise von dunklen Wolken umgeben und niedergeschlagen. Das zeigt sich auch über ihre feinstofflichen Schwingungen, über die Aura.

In den seltensten Fällen geht es wirklich darum, dass äußere Orte oder Personen von Wesenheiten »besessen« sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind es Kräfte, die sich an bestimm­ten Orten festgesetzt haben oder denen man - wohl meist unge­wollt - zu Bewusstseinsräumen im eigenen Inneren Zutritt ver­schafft hat.

Hier können Mantras sehr wirksame Hilfe bieten. Sicher wer­den Sie den Brauch indianischer Schamanen kennen, mit Salbei oder anderem Räucherwerk Orte oder Menschen zu beräuchern, um üble Schwingungen aufzulösen und gute zu bringen. Nichts anderes passiert ja, wenn im Christentum und in anderen Religio­nen der oder die Geistliche Segen spendet, eine Art von Bann-und Beschwörungsformel spricht und Weihwasser verspritzt, Kräuter oder Weihrauch verteilt.

Wenn Sie es mit solchen Phänomenen negativer Schwingungen persönlich oder über andere Menschen zu tun haben, sollten Sie intuitiv entscheiden, welche der Mantras im Buch sich geeignet anfühlen, Hilfe zu bringen.

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3. Mantras und andere Formen der Besinnung

Amazing Grace, how sweet the sound that saved a wretch like me! I once was lost, but now amfound, was blind, but now I see!

O wunderbare Gnade, wie süß dein Klang, der einen Elenden wie mich errettete. Einst war ich verlorn, doch jetzt bin ich gefunden, einst war ich blind, doch kann jetzt sehn!

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Auch Lieder können etwas vom Zauber und der Wirkung klassi­scher Mantras an sich haben - zumal dann, wenn sie erdumspan­nend bekannt sind und millionenfach gesungen werden, wie das »Amazing Grace«. Nicht jeder Leser wird wissen, dass dies der Herzensschrei des Kapitäns eines Sklavenschiffes war, der viele Male mit seiner »Fracht« unglücklicher, verschleppter und in die Sklaverei gezwungener Schwarzafrikaner - Männer, Frauen und Kinder - von Westafrika nach Amerika segelte, wo sie verkauft wurden. Als er erkannte, an welch schändlichem Tun er beteiligt war, sagte er sich davon los, wandte sein Herz Gott zu und flehte reuevoll um barmherzige Vergebung. Er durfte empfinden, dass Gott sie ihm gewährte. So entstand dieses Lied.

Mantrische Eindringlichkeit kann entstehen, wenn Menschen innig empfundene Worte an die geistige Welt richten, und diese Worte in der Hoffnung aus dem Herzen kommen, endlich Hei­lung zu finden. Aber auch geheime, kraft- und machtvolle Zau­berworte spielen in mehr Bereichen unseres Lebens eine Rolle, als wir vielleicht denken. Die Parolen der Militärs, mit denen sie zwi­schen Freund und Feind zu unterscheiden pflegen, gehören ebenso dazu wie die zahllosen Codierungsschlüssel - von Nostra-damus' Prophezeiungen zum Bibelcode oder den sybillinischen Orakelsprüchen bis hin zum Da-Vinci-Code.

Zauberworte in der Dichtung

Die Dichter waren dem Himmel und dem Innersten der Welt, dem Geheimnis des Lebens und des menschlichen Herzens meist näher als andere. Und so finden wir in ihren Dichtungen zahlrei­che Hinweise auf Zauberworte, die den Menschen verwandeln, die das Leben durchleuchten, die Segen bringen, die sich wie ein Füllhorn öffnen, um unbeschreibliche Wogen der Wonne sanft über die empfänglichen Seelen zu ergießen. Einige Beispiele für solche Inspirationen mögen Ihnen einen poetischen Zugang ver-

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mittein zu dem, was das Wesen von Mantras ist. Es ist nicht nötig, dass Sie alle Beispiele hintereinander lesen, damit Sie sich nicht »überfüttert« fühlen. Erlauben Sie Ihren Augen und Ihrem Sinn, sich von bestimmten Versen anziehen zu lassen, die sicher gerade die sind, die Ihnen jetzt etwas zu sagen haben.

Wünschelrute Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort. (Eichendorff, Gedichte)

Aschenputtel Eine kurze Stunde weilte Aschenputtel beim Tanze - mit einem Male war sie aus dem Saale verschwunden, rasch saß sie wieder in ihrem Wagen und sprach ihr Zauberwort: »Hinter mir dunkel und vor mir klar, Dass niemand sehe, wohin ich fahr!« (Bechstein: Neues deutsches Märchenbuch)

Faust FAUST erst ergrimmt, dann besänftigt, für sich. Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort. (Goethe, Faust.)

Mutabor Mensch, der du dieses findest, preise Allah für seine Gnade. Wer von dem Pulver in dieser Dose schnupft und dazu spricht: Muta­bor, der kann sich in jedes Tier verwandeln und versteht auch die Sprache der Tiere. Will er wieder in seine menschliche Gestalt zurückkehren, so neige er sich dreimal gen Osten und spreche je­nes Wort; aber hüte dich, wenn du verwandelt bist, dass du nicht

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lachest, sonst verschwindet das Zauberwort gänzlich aus deinem Gedächtnis und du bleibst ein Tier. (Hauff, Märchen-Almanach)

Einem Kristall... Einem Kristall gleicht meine Seele nun, Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen; Zu fluten scheint mein Geist, er scheint zu ruhn, Dem Eindruck naher Wunderkräfte offen, Die aus dem klaren Gürtel blauer Luft Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft. (Mörike, Gedichte)

Doch Freundin Luna... Doch Freundin Luna kommt daher! Empfangt mich Busch' und Bäume! Ihr stilles Zauberwort ist mehr Als hunderttausend Reime. (Claudius, Asmus omnia sua secum portans)

Lasst mich an meines Sees Bord Lasst mich an meines Sees Bord, Mich schaukelnd mit der Wellen Strich, Allein mit meinem Zauberwort Dem Alpengeist und meinem Ich. (Droste-Hülshoff, Gedichte)

Es gibt eine Vielzahl weiterer Beispiele aus der deutschen und aus der Weltliteratur, die man anführen könnte, um sich davon über­zeugen zu lassen, dass Zauberworte, Zaubersprüche, Kraftworte, Bannsprüche und andere Formen von Mantras und ihre wunder­samen Wirkungen seit Jahrtausenden wohl bekannt sind. Viel­leicht haben Sie ein Lieblingsgedicht, aus dem ein oder zwei Zei-

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len für Sie wie ein Mantra wirken. Mir fällt das Schlusswort aus Goethes Faust ein, »Das ewig Weibliche zieht uns hinan«, und aus Eichendorffs Mondnacht der letzte Vers:

Und meine Seele spannt weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.

Daraus lässt sich ein schönes Mantra ableiten: »Ich lebe, als flöge ich nach Haus!«

Wir wollen nun die Beziehung von Mantras zu anderen Formen und Möglichkeiten betrachten, wie sich Menschen Ausdruck ver­schaffen.

Mantras und Gebete

Ein Gebet richtet sich wohl immer an eine geistige Instanz, eine lebende Person oder ein überirdisches Wesen. Gebete sind Bitten, Danksagungen oder Lobpreisungen. Wir bitten um persönliches Wohlergehen oder Hilfe für andere Menschen. Wir sagen Dank für Hilfe, die wir bekommen haben, vielleicht auch einfach dafür, dass wir überhaupt leben dürfen. Wir preisen Gott, die Große Mutter, das Leben, Gaia, den Großen Geist für das Mysterium von Sein und Bewusstsein. Bei Gebeten sprechen wir zu Gott bzw. jene Instanz, die wir damit identifizieren.

Es gibt eine Sonderform des Gebets, die einer spirituellen Me­ditationsform ähnlich ist: das »stille Gebet«. Teresa von Avila hat in ihrer Schrift von der Seelenburg davon berichtet, dass es neben den laut oder halblaut gemurmelten Gebeten auch so etwas wie ein stilles Gebet gibt. Es besteht darin, die geistige Aufmerksam­keit bewusst zu sammeln und zu öffnen und vor dem »Tor der Seelenburg« darauf zu warten, dass sich dieses unsichtbare geis­tige Tor öffnet, sich der Vorhang zwischen Alltagsbewusstsein und

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mystischer Erfahrung hebt. Nicht wir sprechen, sondern wir hören und empfangen, was Gott oder die kosmische Urkraft uns mitteilen möchte.

Mantras richten sich jedoch meist nicht auf eine Instanz außer­halb von uns oder irgendwo »oben« im geistigen Raum, sondern sie sind ein Mittel, um uns auf etwas einzustimmen, was in uns selbst erfahrbar wird.

Gebet und Mantra sind einander jedoch insofern ähnlich, als sie häufig einen spirituellen oder religiösen Bezug haben. Weiter unten, im Abschnitt über das Christentum, finden Sie Vorschläge, die eher Gebeten gleichkommen als klassischen Mantraformen.

Kraftworte und Affirmationen

Heutzutage verwischen Grenzen - Konzepte aus verschiedenen Kulturen und geistigen Traditionen werden gern miteinander vermengt. Manche Menschen betrachten deshalb auch Affirma­tionen als eine Art von Mantras. Warum auch nicht, wenn es hilf­reich ist! Ich sehe deutlich erkennbare Unterschiede nach Ur­sprung und Wirkung von Mantra und Affirmation, die an dieser Stelle skizziert werden sollen.

Affirmationen sind im 20. Jahrhundert als ein eigenes westli­ches Instrument entwickelt worden, um dem Menschen in der hektischen modernen Welt mehr Sicherheit, Klarheit und Zielori­entierung zu geben. Dr. Joseph Murphy und Norman Vincent Peale, die beide auch Reverends waren, protestantische Geistliche, sind die amerikanischen Altmeister und Begründer des so ge­nannten Positiven Denkens. Sie haben sich vor allem mit der Pro­grammierung des Unterbewusstseins beschäftigt. Sie hatten er­kannt, dass unser Unterbewusstsein Botschaften sendet, die mit den Absichten und Zielen unseres Alltagsbewusstseins oft nicht im Einklang stehen. Das Unterbewusstein folgt oft Programmen, die das Ego stärken und das Selbst schwächen, die sogar wie Ei-

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gensabotage wirken können. Deshalb musste, so stellten sie fest, das Unterbewusstsein »neu programmiert« werden, eben durch gezielt ausgewählte und bewusst positiv formulierte Affirmatio­nen. Solche Affirmationen verwendet man auch gern in der Kine-siologie. Sie können zum Beispiel lauten »Ich bin gesund und voller Lebenskraft« oder »Ich plane mein Vorhaben und habe da­mit Erfolg« usw. Oft werden Affirmationen mit Visualisierungen verbunden, also mit bildhaften Vorstellungen, in denen das Ziel ausgemalt wird, als wenn es schon erreicht wäre. Ein Beispiel dafür ist die »kreative Imagination« von Shakti Gawain.

Mantras formulieren in der Regel jedoch keine Zielvorstellun­gen oder Zustände oder Handlungsanleitungen, und sie sind ursprünglich auch nicht mit Bildern verbunden, die man sich vorstellt. Sie wirken auch nicht in erster Linie auf das Unterbe­wusstsein, sondern vielmehr auf das Unbewusste und das Über-bewusstsein. Kräfte des Unbewussten, so weit sie der ganzheitli­chen und spirituellen Entwicklung dienen, sollen aktiviert, Ziele der persönlichen Verwirklichung in höheren geistigen Dimensio­nen erreicht werden.

Mantras und Affirmationen • Affirmationen sollen das Unterbewusstsein neu pro­

grammieren. • Affirmationen setzen Ziele und steuern Verhaltens­

weisen. • Affirmationen dienen in erster Linie irdischen Zu­

ständen wie Gesundheit und Erfolg. • Mantras wirken auf das Unbewusste und das Über-

bewusstsein. Sie sollen von Programmen des Unter­bewusstseins frei machen, ohne direkt dort einzu­greifen.

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In Programme des Unterbewusstseins, die störend für die kör­perliche und seelische Entwicklung sein können, wird nicht di­rekt eingegriffen. Vielmehr werden die »tieferen« und »höheren« Kräfte der genannten Bewusstseinsebenen gefördert, die - wenn sie harmonisch fließen - sozusagen automatisch Fehlsteuerungen aus dem Unterbewusstein aufheben oder überspielen.

Mantras und Meditation

In Indien, das als Mutterland von Mantras und Meditation gilt, gehören beide oft zusammen und ergänzen sich. Weil bei der Me­ditation fast immer eine bestimmte Gedankenbewegung stattfin­det, empfehlen zahlreiche Yogawege Mantras vor allem zur Beru­higung der »Gemütswellen«.

Mantras sollen aber nicht nur den Geist klar werden lassen wie einen stillen See oder einen leeren Spiegel, sondern auch von sich aus Bewusstseinsimpulse setzen, um die Meditation in eine be­stimmte Richtung zu lenken.

Gern werden Mantras bei der Meditation in unterschiedlichen Zonen im Körper gedacht, angestimmt, erspürt oder getönt. Das können die Hauptchakras sein, andere Zonen im physischen Kör­per oder auch Punkte im feinstofflichen Energiefeld bzw. der Aura dicht um den Körper herum. In der Meditation kann man Mantras im Beckenraum, am Solarplexus, im geistigen Herzen, im Kopf, vor dem dritten Auge oder oberhalb des Kronenchakras wiederholen (siehe auch Abschnitt über Chakras, Seite 114).

Mantras können zeitweise die Meditation stützen. In einem gewissen Stadium können sie jedoch durchaus auch hemmend sein oder bei der Meditationserfahrung störend wirken. Der Grund: Mantras sind Laute, Silben und Kraftworte, die stimm­haft anklingen oder zumindest gedacht und gespürt werden. Damit absorbieren sie einen Teil unserer Aufmerksamkeit, un­serer Bewusstheit. Dieser Bewusstseinsanteil ist »abgespalten«

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und kann deshalb nicht mit in die Meditationserfahrung eintau­chen.

Da die meisten Menschen allerdings ohnehin nicht völlig still meditieren - ohne Musikuntermalung, körperliche, mentale oder emotionale Bewegung -, ist es aber meiner Ansicht nach durch­aus sinnvoll, Mantras zu nutzen, um die meditative Stimmung zu begünstigen, die geistige Sammlung zu stärken und die Öffnung des Herzens zu fördern.

Probieren Sie aus, welches Mantra, das Sie in diesem Leitfaden finden oder aus Ihrer bisherigen Erfahrung kennen, sich beson­ders dazu eignet, Ihre Meditation zu vertiefen.

Mantra und Meditation • Mantras können die Meditation unterstützen, indem

sie zur Gemütsstille führen. • Mantras können der Meditation ein bestimmtes Ziel

geben. • Mantras können die Meditation gesammelter und

kraftvoller machen. • Meditation in ihrer Form als vollkommene Gedan­

kenruhe und Gemütsstille einerseits und als »göttli­che Verzückung« andererseits, wird keine Mantras mehr brauchen.

Kraftworte und Zen-Koans

Koan ist ein japanischer Begriff, der aus dem Zen-Buddhismus stammt. Koans sind kurze, oft absurde Fragen oder einzelne para­dox erscheinende Worte, die in ihrer Rätselhaftigkeit den Schüler dazu herausfordern sollen, aus seinen üblichen Denkmustern

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auszubrechen und sich für eine plötzliche Erleuchtung zu öffnen. Sie gehen wohl auf die Chan-Meister Chinas zwischen 600 und 900 n. Chr. zurück. Die Rinzai-Schule, die von dem Zen-Meister Esei (1141-1215) gegründet wurde, verwendete Koans auf syste­matische Weise.

Drei sehr bekannte Koans sind: »Was ist der Ton der einen Hand?«; »Was ist das reine Dharma« bzw. »Was ist der kosmische Körper des Buddha?«; »Hat ein Hund Buddha-Natur?« Eine berühmte Antwort, die zwar als Antwort auf die letzte Frage über­liefert wurde, jedoch vermutlich auch häufiger auf andere gege­ben wurde, ist: »Mu!« »Mu« bedeutet unter anderem »Nichts«.

Bei Zen-Koans geht es jedoch nicht um eine »richtige« Ant­wort, sondern um einen inneren Bewusstseinsprozess, der sich in einer stimmigen Antwort niederschlagen oder äußerlich zeigen kann. Solange sich der Schüler auf der rein rationalen Ebene des Alltagsverstandes damit abmüht, eine »richtige« Antwort zu fin­den, so lange steht die vom Lehrer beabsichtigte Bewusstseinsver-änderung sozusagen noch gerade draußen vor der Tür. Ein Koan ist, in diesem Bild gesprochen, der Anstoß dazu, dass eine Tür aufgeht und ein ganz neuer Blick auf die Wirklichkeit möglich wird.

Auch Koans werden wiederholt, jedoch nicht wie Mantras rhythmisch und rituell, um das Denken auszuschalten und auf den grob- und den feinstofflichen Körper sowie die Seele einzu­wirken, sondern als ständige mentale Auseinandersetzung, als »Gehirnübung«, als intellektuelle Schachaufgabe. Das Denken bleibt hier ausdrücklich »eingeschaltet« und wird sogar damit »geärgert«, dass es eine vermeintlich einfache Frage gar nicht so leicht beantworten kann - so lange, bis schließlich der spontane geistige Quantensprung erfolgt und das Denken vollständig los­gelassen bzw. überwunden oder transzendiert wird.

Ein wunderschönes »modernes« Koan des schillernden geisti­gen Lehrers Osho lautet wie folgt: »Die Gans ist in der Flasche. Wie kommt sie wieder heraus?« Er soll vor den fragenden Gesich-

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tern seiner Anhänger und Anhängerinnen lachend in die Hände geklatscht und sich selbst geantwortet haben: »Dein Geist hat die Gans in die Flasche getan. Dein Geist kann sie auch einfach wie­der herausholen!«

Mantras und Koans • Koans sind kurze paradoxe Sätze, die dazu fuhren sol­

len, eine Durchbruchserfahrung zu erleben. • Mantras entfalten ihre Wirkung nicht durch die be-

wusste Herausforderung des Verstandes, sondern durch »subkutane« seelische Wirkung.

Mantras, Mudras, Mandalas und Yantras

Mudras sind bestimmte Finger- und Handhaltungen, in denen ei­nerseits die innere Bewusstseinshaltung zum Ausdruck gebracht wird und womit andererseits Kraft übermittelt werden kann. Ein Mandala (wörtlich: »Kreis«) ist ein vielschichtiges symbolisches Abbild des Universums. Ein Yantra (wörtlich: »Instrument«) ist eine spezielle Form des Mandalas. Beide, Mandalas und Yantras, werden in Hinduismus und Buddhismus als Meditationsbilder und Konzentrationshilfen verwendet, außerdem als verschlüs­selte Hinweise auf den Weg der Selbsterkenntnis sowie auf Gefah­ren, Hilfen und Erfahrungen.

In den Mudras wird der gesamte Körper zum Ausdruck einer Bewusstseinshaltung und Kraftausübung; bei Mandalas und Yan­tras wird vor allem der Gesichtssinn angesprochen, die visuelle Wahrnehmung und ihre Wirkungen auf feinstofflichen Ebenen; bei Mantras verbinden Klangschwingungen - hörbar oder auch nur gespürt - mit der Kraft des Ewigen.

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Man kann Mantras, Mudras und Mandalas durchaus als drei verschiedene Aspekte einer einzigen Einstellung und eines ganz­heitlichen Vorgangs betrachten, nämlich der Fühlungnahme zum Göttlichen. Veltheim-Ostrau beschreibt das so:

Im buddhistischen Tantrismus, dem Vajrayana, bildet das Ma­gische den Kernpunkt von Lehre und Kult. Es findet seinen Ausdruck in Mantras (heiligen Silben), Mudras (bestimmten Hand- und Fingerhaltungen), Meditationen, Mandalas (mys­tisch-magischen Diagrammen) und in den feierlichen Initiati­onsriten. Einer der Zwecke aller dieser Praktiken ist, kurz ge­sagt, den priesterlichen Eingeweihten zum Organ der Götter und höheren Welten zu gestalten. Mantras, Mudras und die Be­trachtung von Mandalas werden mit Meditationen verbunden.

Erinnert das nicht stark an die Eucharistiefeier im Christentum, in der die Priester beim Abendmahl die Hostie und den Kelch zum Himmel recken, um den Segen Christi für die Verwandlung zu erbitten? Wenn Priester der Gemeinde den Segen erteilen, da­bei die Arme ausbreiten und die Handflächen nach oben wenden, um den Segen sozusagen vom Himmel herabzurufen, so ent­spricht das der Ausführung von Mudras. Wenn Ikonen der Mutter Maria zur Versenkung in Betrachtung und Gebet einladen, so fin­den sich hier Parallelen zur Verwendung von Mandalas im asiati­schen Kulturraum.

Übrigens können nicht nur Mudras, als Hand- und Fingerhal­tungen, sondern auch Asanas, besondere Haltungen des gesamten Körpers, wie wir sie aus dem Yoga kennen, Mantras in ihrer Wirk­samkeit vertiefen.

Wir müssen nichts künstlich gleichsetzen oder gar vermischen, was nicht zusammengehört. Es ist jedoch, wenn wir uns mit Kul­turvergleich und interreligiösem Austausch beschäftigen, unü­bersehbar, dass überall auf der Erde ähnliche Formen der Besin­nung und Verehrung, der Beherrschung der irdischen Natur und der Wege des spirituellen Suchens nach Selbsterkenntnis und

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Gotterfahrung entstanden sind. Das soll uns dazu ermutigen, jene Formen der Annäherung an unsere eigenen Ideale zu wählen, die uns persönlich am besten entsprechen.

Mantras, Mudras, Mandalas • Mantras können in ihrer Wirkung durch bestimmte

Hand- und Fingerhaltungen, aber auch durch eine spezielle Körperhaltung verstärkt werden.

• Die Wirkung von Mantras kann auch durch die gleichzeitige Ausrichtung auf ein Kraftbild (Mandala, Yantra) gefördert werden.

• Jeder Mensch sollte durch Ausprobieren herausfin­den, ob es für ihn oder sie besser ist, mit Unterstüt­zung durch solche Hilfen oder ganz konzentriert nur auf das Mantra zu üben.

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4. Mantras aus verschiedenen Religionen und Kulturen

Wenn die Blumen von Kirche und Moschee, von Tempel und Synagoge zusammenkommen, Dann wird der Frühling in Deinem Garten erblühen, oh Herr! (Darshan Singh)

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Wir fangen mit Mantras und Kraftworten vom indischen Sub­kontinent an, weil wohl dort die frühesten Mantras bekannt ge­worden sind und weil in Asien eine viele Jahrtausende währende Tradition der Mantra-Übung besteht. Dann gehen wir in diesem Kapitel weiter durch verschiedene andere Religions- und Kul­turräume und lernen deren traditionelle Mantras und Kraftworte kennen. Zu Beginn dieses praktischen Teils wollen wir uns jedoch zunächst damit beschäftigen, wie wir Mantras anwenden können.

Wie Sie Mantras praktisch anwenden

In jedem Gottesdienst und bei fast allen spirituellen Ritualen tau­chen Gebete, Kraftworte oder Mantras in der einen oder anderen Form auf. »Amen« ist ein solches Bekräftigungswort, das wie ein Mantra wirkt. In religiösen Bräuchen haben Mantras ihren eige­nen Platz; sie werden in festgelegter Zahl wiederholt. Meist spricht oder singt man sie halblaut. Die lauretanische Litanei bei­spielsweise ist ein Wechselgesang in der katholischen Messe, de­ren Worte Mantra-Charakter besitzen.

Vielleicht noch wichtiger als der Gebrauch von Mantras im Rahmen bestimmter Feiern ist die Einübung und Verwendung von Kraftworten im Alltag - wenn man nicht schon speziell ein­gestimmt ist und wenn kein rituelles äußeres Geschehen einen geschützten Raum zur Besinnung schafft. Hier einige Merksätze zum praktischen Gebrauch von Mantras.

Om-Aum

Om! Diese Silbe ist die ganze Welt, das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige. Und was außerdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om!

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Om mani padme hum ist ein Mantra, das sowohl für Hindus als auch für Buddhisten große Bedeutung hat. Übertragungen dieses Mantras könnten lauten:

• Om, o du Kleinod im Lotos • Oh, du Juwel in der Lotosblüte • Göttliches, Mensch, bist du, im Innern • Om, heil dem Juwel des Bewusstseins (dem höheren Selbst,

der Seele), das in das Innerste des Lotos des Herzens gelangt ist

Wenn Om in der Lautform Aum geschrieben und gesprochen bzw. gesungen wird, oft tief berührend mit einem vollen Klang und vielen Obertönen, kann jeder der drei Vokale symbolisch auf die folgende Weise aufgefasst werden:

• In der hinduistischen »Dreieinigkeit« steht »A« für Brahma, für jenen Aspekt Gottes, der als Schöpfergott verstanden wird, aus dem alles hervorgeht; »U« für Vishnu, den Erhalter, und »M« für Shiva, den Auflöser oder Zerstörer.

• Im Buddhismus bezeichnet »A« den Buddha, »U« steht für die Lehre, »M« für die Gemeinde.

Es gibt auch Farbzuordnungen, nämlich • Om: weiß (göttliche Reinheit) • Ma: blau (geistig-spirituelle Liebe) • Ni: gelb (geistig-spirituelle Entwicklung) • Pad: grün (körperlich-seelische Entwicklung) • Me: rot (irdische Tätigkeit) • Hum: Schwarz (irdische Form)

In der Meditation treten diese Farben bei bzw. vor den Chakras auf, manchmal verbunden mit bestimmten Figuren:

• Ein leuchtend weißes Dreieck vor dem dritten Auge • Ein bläulich leuchtender Kreis oder Würfel vor dem Kehl-

kopfchakra

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• Ein gelb-orange-rötlich leuchtendes Sechseck vor dem Herz-chakra

• Ein smaragdgrün leuchtendes Fünfeck oder ein Fünfstern (mit der Spitze nach oben) vor dem Nabelchakra

Die beiden unteren Chakras, das Sexual- und das Wurzelchakra mit ihren Hauptfarben Rot und Schwarz, werden bei Mantrame-ditationen nicht aktiviert.

Zu den einzelnen Silben gibt es auch folgende Analogien: • Om: die Götter • Ma: die Dämonen • Ni: das Menschenreich • Pad: das Tierreich • Me: Geister, die weder Götter, Dämonen oder Höllenwesen

sind, also meist Totengeister • Hum: Höllenwesen, die innerhalb der Götterhierarchien evo-

lutionshemmende Götter darstellen

Die Schlusssilbe Hum soll die Wirkung haben, Dämonen zu ver­treiben, die bei Anrufungen auch herbeieilen können.

Der Mantra-Kundige von Veltheim-Ostrau, der manche der oben dargestellten Zuordnungen aus Indien übermittelt hat, die hier noch ergänzt wurden, schreibt zum Erleben des Mantras Om mani padme hum in diesem Sinne:

Man kann sich das vielleicht so versinnbildlichen, dass den Götterhierarchien die an sich unsichtbaren und farblosen Enti-täten Licht (weiß) und Finsternis (schwarz) angehören, wobei die lichtfördernden Götter mit »Om« am lichten, weißen Pol, die evolutionshemmenden Götter mit »Hum« am finsteren, schwarzen Pol stehen. Diese Spannung von einem zum anderen Pole empfindet man in der Meditation außerordentlich stark, wenn man nach der Beendigung einer Meditation dieselbe so-

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fort wieder neu beginnt. Man hat ein Gefühl, als bewege man sich »hinter« den Elementarwesen, Tier-, Menschen- und Dä­monen-Reichen, und fühlt sich absolut verlassen und einsam in einem zeitlosen Gegenraumzustand, wobei eine unwirkliche Purpurfarbe auftritt. Leider vermag ich es nicht anders zu be­schreiben. (Tagebücher aus Asien, S.280)

Wem dies als zu abwegig erscheint, weil wir es doch bei uns nicht mehr mit Göttern und Dämonen zu tun hätten, sei an Immanuel Swedenborgs Schauungen und Schriften erinnert, zum Beispiel an seine Beschreibung der höheren und niederen geistigen Ebe­nen, die unter dem Titel Himmel, Höllen, Geisterwelten veröffent­licht wurden. Oder man denke an die vielfältigen Darstellungen von Zwischenwelten und ihren Wesen im Buddhismus, besonders im tibetischen.

Manche Forscher meinen, dass sogar im Amen der Urlaut Om bzw. Aum anklinge. Om, Aum und auch Amen dürfen wir sicher­lich zu den grundlegenden und wesentlichen Mantras zählen, die Menschen über alle religiösen und sprachlichen Grenzen hinaus ansprechen.

Halten Sie jetzt, als kleine Erholungspause während des Lesens, einmal einige Momente inne, und tönen bzw. singen Sie das Om. (Beim Singen bilden wir auf die bekannte und übliche Weise Laute und Melodien; beim Tönen erzeugen wir gewissermaßen eine stehende Schwingung in uns, die nichts von einer Melodie an sich hat.) Spüren Sie, wie sich der Klang verändert, wenn Sie den Mund öffnen und schließen, wenn Sie die Lippen enger oder wei­ter runden usw. Fühlen Sie auch, wie die tiefen Schwingungen des -mmm in Ihrem Innersten etwas in Resonanz bringt. Machen Sie dann den gleichen Versuch mit dem Amen.

Ooo-mmm Ooo-mmm Ooo-mmm

Aaa-uuu-mmm-mmm Aaa-ooo-mmm-mmm

Aaa-meeen Aaa-meeen Aaa-meeen

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Page 24: mantras

Wenn Sie sich tiefer entspannen wollen, wenn Sie ruhiger und ge­lassener werden oder sich selbst wieder mehr spüren möchten, dann können Sie ohne jede weitere förmliche Vor- oder Nachbe­reitung das Om oder das Amen in sich erklingen und nachschwin­gen lassen.

Mantras praktisch anwenden • Mantras werden im Rahmen von besonderen religiö­

sen oder spirituellen Ritualen gesungen, gesprochen oder nur gedacht. Wesentlich ist die mehrfache Wie­derholung, zum Beispiel 3 x, 9 x, 12 x usw.

• Mantras dienen der täglichen persönlichen Übung außerhalb bestimmter Rituale - als ständig anhal­tende Erinnerung und Rückbindung an das, wofür das Mantra steht.

• Unterstützung können Gebetskette oder Rosenkranz geben, deren Perlen laufend »nebenbei« abgezählt und mit einem Kraft- oder Gebetswort verbunden werden.

• Mantras können gezielt für bestimmte Aufgaben oder Absichten gewählt und zu bestimmten Tageszeiten für 5 oder 10 Minuten wiederholt werden, beispielsweise als Tages-, Wochen- oder Monats-Mantra.

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Mantras im Hinduismus

Im Hinduismus wären Rituale ohne die regelgerechte Verwen­dung von Mantras gar nicht denkbar. Davon, dass sie richtig ein­gesetzt und korrekt ausgesprochen bzw. gesungen werden, hängt die Wirksamkeit des Rituals ab. Ihre Länge reicht von der Silbe Om bis zu längeren Hymnen. Orthodoxe Hindus halten nur Mantras für gültig, die aus den Veden stammen. Diese heiligen Schriften, wohl die ältesten schriftlichen Überlieferungen, die wir überhaupt kennen, sind nach Meinung der Mehrheit der Forscher etwa 4000 bis 6000 Jahre alt. Sie sind nach Auffassung der Hindus unmittelbare Offenbarungen und bringen jeden Gläubigen oder Ausführenden in Berührung mit der ewigen Wirklichkeit und Wahrheit. Mantras, die aus diesen Schriften stammen, sollen die Essenz, das Innerste und Wesentliche der Schriften und damit auch der ewigen Wahrheit und Wirklichkeit übermitteln.

In der hinduistischen Tradition, und aus dieser abgeleitet auch der buddhistischen und sikhistischen, besitzt ein Mantra aller­dings nur dann diese wunderbare Kraft, wenn der Schüler bzw. die Schülerin es von einem Meister oder einer Meisterin persön­lich übermittelt bekommt. Dies stellt gleichzeitig eine Form der Initiation dar. In dieser Betrachtungsweise sind die Silben öder Worte an sich »leblos« und unwirksam. Sie werden erst durch den lebendigen Impuls aus dem spirituellen Bewusstsein einer er­wachten Seele auch im Übenden selbst zu einer lebendigen Kraft.

Alles Sein und Handeln in der Welt, alle Gedanken, Gefühle, Worte und Taten der Menschen tragen eine von drei »Gunas« oder Qualitäten in sich. Diese drei Qualitäten sind die der Schöp­fung bzw. Erschaffung, der Aufrechterhaltung oder Bewahrung und der Auflösung bzw. Zerstörung. In der alten indischen Ge­sundheitskunde, dem Ayurveda, spiegelt sich das in den drei Ar­ten von Nahrungsmitteln und Arzneien wider, die entweder klärend-heilend, kräftigend-stärkend oder abstumpfend-belas-tend sind. Da diese drei Qualitäten das ganze Leben durchdringen

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und bestimmen, kommt es darauf an, möglichst häufig wahre, heilende, klärende und heilige Gedanken zu hegen und Worte zu sprechen. Dabei spielen oft wiederholte Mantras eine wesentliche Rolle.

Übrigens besteht nach der Radha-Soami-Lehre, die auch als Sant Mat (»Weg der Heiligen« bzw. »heiliger Weg«) und Surat Shabd Yoga (Yoga des Hörens auf den inneren Klang) bekannt ist, das Ziel des Menschen darin, sich durch diese drei Qualitäten über die Gebundenheit seiner Aktionen zu erheben oder durch eine erleuchtete Seele erheben zu lassen. Erst dann könne die Seele den karmisch bedingten Kreislauf der Reinkarnation verlas­sen.

Sanskrit, die indische Hochsprache, kennt 50 Buchstaben, die jeweils ganz spezielle Schwingungen zum Ausdruck bringen und hervorrufen und eine missverständliche Aussprache verhindern sollen. Auch deshalb gelten indische Mantras als besonders wirk­sam.

Äußere Techniken für Mantraübungen In der hinduistischen Tradition gilt die Zahl 108 als besonders heilig. In Rishikesh habe ich Briefbögen von Ashramvorstehern gesehen, die dessen Namen angeben, vor den aber »Sri 108 x Sri« gesetzt wurde. »Sri« bedeutet »heilig«. Warum gerade die Zahl 108 heilig sein soll, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Aber wie dem auch sei, in Indien gilt die 108-malige Wiederholung - oder eines Vielfachen davon - von Mantras als besonders wirksam und Glück verheißend.

Wenn man sich nicht auf eine bestimmte Anzahl von Wieder­holungen einlassen möchte, so sollte man zumindest eine be­stimmte Zeit festsetzen, wie lange man das Mantra wiederholen wird - 5 Minuten, 10 Minuten oder länger. Wie bei der Medita­tion ist es außerdem empfehlenswert, eine bestimmte Ecke in der Wohnung oder sogar einen eigenen Raum für Gebete, Mantra­übungen und Meditationen freizuhalten.

Vielleicht legen Sie auch eine Zeitspanne fest, über die hinweg Sie bestimmte Mantra-Übungen durchführen möchten - 1 Wo­che, 3 Wochen, 40 Tage. Wundern Sie sich nicht, wenn kurz vor Ende der Zeitspanne, die Sie sich vorgenommen haben, alle mög­lichen Hindernisse auftauchen. Sie haben wichtige Termine und können Ihre Übungszeit nicht einhalten, Sie sind müde und schlafen ein usw. Das kann damit zusammenhängen, dass Sie be­ginnen, sich wirklich wichtigen inneren Themen zu nähern, und das kleine Ich will da nicht weitermachen oder loslassen.

Gayatri-Mantra Das Gayatri-Mantra besteht aus dreimal acht Silben, beginnend mit Om, die dem hinduistischen Aspiranten traditionell von sei­nem Guru ins Ohr geflüstert wurden, wenn dieser ihn als Schüler annahm. Dieses Mantra gilt als eine der heiligsten Strophen des Rigveda (dort der Vers 3,62,10). Es wird auch als »brahmanisches Licht-Mantra« bezeichnet und Frauen sowie Angehörigen niedri­ger Kasten war und ist die Verwendung streng verboten. Das ist eine Einschränkung, die wir mit unserem heutigen spirituellen Bewusstsein wohl kaum akzeptieren können. Der bereits mehr­fach zitierte Veltheim-Ostrau schildert ein persönliches Erleben in der Ausübung des Gayatri-Mantras. Er berichtet, dass er, wenn er über das Wesen des Lichtes mit diesem Mantra meditierte, mehrfach die strahlende Lichtgestalt seines Meisters Ramana Ma-harshi gesehen habe. Dies sind Erfahrungen, die über das Erleben der meisten von uns vermutlich weit hinausgehen, aber es ist doch schön, zu wissen, dass so etwas möglich ist.

Tat savitur varenjam Bhargo devasya dhimahi Dhijo jo nah pracodajat

Das Gayatri-Mantra wird in diesem Buch zwar der Vollständig­keit halber angeführt. Ich meine jedoch, dass es sinnvoller ist, sich

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Page 26: mantras

dieses Mantra von einem Berufenen persönlich geben und vortö­nen zu lassen, als es einfach aus einem Buch zu entnehmen.

Ich bin Er - du bist das

So - Harn Tat vam asi

Swami Paramhansa Yogananda hat das Mantra So-Ham weit im Westen verbreitet, das manchmal auch Sa-Ham ausgesprochen wird oder So-Hang. Sa ist Einatmung, Harn ist Ausatmung.

Es bedeutet wörtlich »Er - Ich« und im übertragenen Sinn »Ich bin Er«. Das erinnert an den Satz, der Paulus zugeschrieben wird, »Ich lebe, aber nun nicht ich, sondern Er (Christus) lebt in mir«. Im Hinduismus gibt es einen zweiten Begriff, der das Gleiche aus­drückt und ebenfalls als Mantra verwendet wird: Tat vam asi. Die wörtliche Bedeutung ist: »Du bis das.«

Die hinduistische Kosmologie Bevor wir nun zu Mantras gelangen, die sich auf indische Gott­heiten beziehen, zunächst eine knappe Einführung in die zu­grunde liegende Kosmologie. Lange wurde der Hinduismus als eine Religion der Vielgötter missverstanden. Dazu mag beigetra­gen haben, dass der Volksglaube auch teilweise genau so ausge­prägt war und in Ritualen gelebt wurde. Wie schwierig solche reli­giösen Fragen sind, sei mit einem Hinweis auf die Frage im Christentum angedeutet, ob Jesus in Brot und Wein leiblich oder symbolisch oder geistig anwesend sei. Auch im Hinduismus gibt es zahlreiche mehr oder weniger unterschiedliche Anschauungen. Hier eine, die mir sinnvoll erscheint:

Aus der großen, formlosen und absoluten Schöpferkraft mani­festieren sich drei Gottesaspekte, welche die sichtbare Schöpfung erst erschaffen. Sichtbare Schöpfung meint dabei nicht nur Erde, Menschen und alle anderen Lebewesen und nicht nur das Son­nensystem und die Sterne und den Kosmos, sondern genauso

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auch innere, geistige bzw. feinstoffliche Welten und Wesen. Brah­ma, Vishnu und Shiva bilden eine Trinität, die indische »Dreiei­nigkeit«. Brahma ist der Erschaffer, Vishnu der Erhalter und Shiva der Auflöser materieller und feinstofflicher Welten, Wesen und Formen.

Ob über ihnen eine unsichtbare Gestalt namens Kai (bzw. »Lu-zifer« als »Fürst der Welt«) gebietet, wie es der Mystiker Kabir im 15. Jahrhundert in seiner Dichtung Anurag Sagar mitteilt, die eine Art Schöpfungsmythos beschreibt, oder ob sie selbst unmittelbar aus »Gott« hervorgehen, wird unterschiedlich betrachtet. (Auf Deutsch ist diese Dichtung unter dem Titel »Wie Gott die Welten schuf« erschienen; siehe Anhang).

Brahma inkarniert sich nicht in Avataren, gottähnlichen Wesen in Menschengestalt, Vishnu und Shiva jedoch sehr wohl. Wäh­rend die beiden Letzteren auch in den zwei großen Orden der Vishnaiten und Shivaiten verehrt werden, gibt es für Brahma kei­nen Orden, jedoch die Priesterkaste der Brahmanen. Einem My­thos zufolge erschafft Brahma aus sich die Göttin Satarupa und verbindet sich mit ihr, woraus der erste Mensch, Manu, hervor­geht. Eine andere Überlieferung nennt den Namen dieser Göttin mit Saraswati. Es ist unklar, ob es sich um zwei Gestalten oder um eine handelt.

Die Göttin Kali wird manchmal mit dem oben erwähnten Kai verwechselt. Kali ist auch als Durga, die auf dem Tiger reitet, so­wie unter weiteren Namen bekannt. Sie gilt manchen als Verkör­perung der »Großen Mutter«, der Erde, der Gaia, anderen als Schrecken erregende blutrünstige schwarze Rachegöttin, die dann Totenschädel als Halskette trägt und eine spitze Zunge her­ausstreckt. In ihrer Gestalt als Shakti ist sie die weibliche Ergän­zung zu Shiva. Darstellungen zeigen sie dann in intimer Umar­mung und Verbindung auf dem Schoße Shivas sitzend. Die sanfte und helle Seite der weiblichen Shakti-Kraft wird durch Shivas »Frau« Parvati repräsentiert, deren Name »Mutter der Berge« be­deutet. Kali ist einer Legende nach aus der Göttin Parvati hervor-

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gegangen, eben als die eher dunkle Gestalt der Urform der Weib­lichkeit. Parvati hat den Gott mit dem Elefantenkopf Ganesh bzw. Ganesha hervorgebracht, der heute vielerorts als Glücksgott ver­ehrt wird.

Die Göttin Lakshmi ist die wunderschöne »Frau« von Vishnu. Ihr Hochfest ist Diwali, das Lichtfest. Als Vishnu sich im Avatar Rama inkarnierte, inkarnierte Lakshmi als dessen Frau Sita.

Manche weitere Aspekte der hinduistischen Gottheiten finden bei den entsprechenden Mantras unten noch Erwähnung. Auch in gelehrten Spezialwerken können die Mythen der Religionen, zumal der indischen, nicht umfassend und widerspruchsfrei dar­gestellt werden. Um wie viel mehr gilt das für diese Skizze, die ja bestenfalls einen Impuls geben kann, sich weiter damit zu be­schäftigen, falls Interesse dafür besteht.

Shiva Mantra - Die Anrufung Shivas

Om Namah Shivaja, Om Namah Shivaja, Om Namah Shivaja, Shiva Om Namah.

Für dieses Mantra gibt es, meinen manche Autoren, keine auch nur annähernde Übersetzung. Ich sehe das jedoch etwas anders. Ich sehe und spüre darin:

• Om = Urlaut, Amen, Sein, Essenz, das Wesentliche, Alpha und Omega

• Namah = Name, Wort, Laut • Shivaya = des Shiva, der sowohl als eigenständiger Gott wie

als Gottesaspekt der hinduistischen Trinität Brahma (Er­schaffer), Vishnu (Erhalter) und Shiva (Auflöser) gilt

Sinnvolle und überzeugende Übertragungen dieses Mantras könnten also lauten:

• Oh Kraft im Namen Shivas • Anfang und Ende im Namen Shivas • Heiliger Name Shivas

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Viele Menschen in Indien sehen in diesem Mantra den Anfang des Weges im Siddha Yoga, einer Yoga-Richtung, die sich auf die Erlangung übersinnlicher Kräfte konzentriert. Dabei ist das spiri­tuelle Ziel die Vervollkommnung des Körpers, der als ein göttli­ches Vehikel verstanden wird, das auch auf dieser Erde rein, heil und gesund sein soll und kann. Um das zu erreichen, müssen »höhere« Kräfte durch Siddha-Yoga aktiviert werden, die im wei­teren Verlauf auch zu so genannten Wunderkräften wie Hellse­hen, Hellhören, Levitation usw. führen können. Die Klänge im Shiva-Mantra bringen die Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther in Resonanz, die im Menschen und in seinen Chakras, den Energiezentren, wirken. Dadurch wird die Schwingung des Be-wusstseins und des Körpers erhöht.

Subramanya-Mantra

Om Sharavana - bhavaya namaha

Dieses Mantra soll helfen, aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen, die Offenheit für günstige kosmische Kräfte zu fördern, die geistige Klarheit zu stärken und mehr Entschlusskraft zu gewinnen, etwas Positives für die eigene Gesundheit zu tun und auch durchzuhalten. Es gilt ganz allgemein als »Glücksbrin­ger«.

Eine mögliche Übertragung könnte lauten: »Heil dir, du Sohn des Shiva, der du Glück verheißende Umstände mit dir bringst.«

Kali-Mantra - Die Anrufung Kalis

Om - Ring-Hung-Kring-Baghavadji Kalike - Swaha!

Alternative Anrufung Kalis:

Om - Baghavadji Kalike - Ring - Hung - Swaha!

Ring, Hung und Kring sind magische Mantras, die nicht übersetzt werden können und nur der Kali gegenüber ausgesprochen wer-

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den. Swaha heißt »dem Feuer-Element gewidmet« und stellt eine Befehlsform dar. Baghavadji bedeutet »Göttin« in der Vereh­rungsform; Kalike ist nicht nur der Name der Göttin, sondern auch eine mantrische Energieform.

Rama-Mantra - Die Anrufung Ramas

Om Sri Rama, Jaja Rama, Jaja Rama, Jaja Rama

Eine ungefähre Übersetzung wäre: »Om Heiliger Rama - Rama sei Sieg, Rama sei Sieg, Rama sei Sieg.«

Rama war ein Avatar, der vor vielleicht viertausend oder fünftau­send Jahren gelebt hat (siehe auch Edouard Schures Buch Die großen Eingeweihten). Es gibt eine Reihe von mythischen Ge­schichten, die sich um Rama ranken. Den einen gilt er als sagen­hafter Herrscher, in dem sich das indogermanische Erbe von der Überwindung des Stierzeitalters zum Zeitalter des Widders wie in einem Brennglas fokussierte. (Das darauffolgende Fischezeitalter wurde von Jesus Christus bestimmt; das gerade heraufziehende Wassermannzeitalter sucht noch nach seiner exemplarischen In­karnation, die neue spirituelle Orientierung gibt.) Rama soll die­ses Erbe von Zentralasien nach Vorderindien getragen haben - ein Erbe, das vielleicht auch darin bestanden haben mag, dass die Ge­sellschaft von matriarchalen zu patriarchalen Strukturen wech­selte, in jedem Fall aber blutige Menschenopfer durch Tieropfer ersetzte. Im Zusammenhang mit Opfern denken wir auch an Ab­raham und dessen Bereitschaft, seinen Sohn Isaak zu opfern, wo­bei Gott sich jedoch mit einem Widder zufrieden gab. »Ram« ist übrigens das englische Wort für Widder.

Andere sehen in Rama den Helden eines der beiden großen in­dischen Epen, des Ramayana. Dort tritt er als Königssohn auf, dessen tugendhafte Frau Sita vom bösen Gegenspieler Ravana ge­raubt wird, mithilfe des affenköpfigen Gottes Hanuman jedoch wieder befreit werden kann. Natürlich kann dieses komplexe

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Epos hier nur in aller Kürze angerissen werden. Darin wird Rama, nachdem er als Vertreter des Guten das Böse besiegt hat, für viele Jahrtausende der unumschränkte, indes gütige Herrscher. Rama oder, wie sein voller Name lautet, Ramachandra, gilt auch als Avatar, als die siebente Verkörperung der Gottheit Vishnu.

Mahatma Gandhi soll das Rama-Mantra 60 Jahre lang prakti­ziert haben. Wohl deshalb konnte er noch in dem Augenblick, in dem sein Attentäter ihn mit zwei Kugeln niederstreckte, segnend die Hände falten und »Ram, Ram« sagen.

In Indien hoffen viele Menschen fest darauf, dass das Rama-Mantra sie sicher über »das Meer der Wiedergeburten« bringen wird. Auf jeden Fall soll es schon im Hier und Jetzt negative kar­mische Auswirkungen auslöschen können, ob sie nun aus diesem Leben oder aus früheren stammen.

Auch ungewöhnliche und verblüffende Heilungen soll dieses Mantra bewirken können - was aber wohl für fast alle Mantras gelten mag, die man aus ganzem Herzen rezitiert. Über die Wirk­samkeit des Rama-Mantras berichtet Yogananda: Ramu, ein von Geburt an blinder Schüler von Lahiri Mahasaya, dem Meister sei­nes eigenen Meisters Sri Yukteswar, rezitierte auf Anraten Lahiri Mahasayas eine Woche lang das Rama-Mantra am dritten Auge und erlangte so das physische Augenlicht, um die äußere Welt zu betrachten, nachdem er bereits lange zuvor die Innenwelten mit seinem geöffneten inneren Auge hatte schauen dürfen.

Veltheim-Ostrau berichtet, dass es in Benares (heute: Kashi) eine »Rama-Bank« gab: Man schreibt einen legitimen Herzens­wunsch auf ein Blatt Papier, eine Art von »Anmeldeformular« für die »Eröffnung eines Rama-Kontos«. Dann leistet man eine »Ein­lage«, indem man 144 000 Male fein säuberlich den Namen Rama auf entsprechend viele Bögen schreibt. Es spielt keine Rolle, ob man am Tag eine Zeile, ein ganzes Blatt oder mehrere schreibt, nur müssen es tatsächlich 144 000 sein. Dann soll der legitime Herzenswunsch, früher oder später, erfüllt werden.

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Rama-Heilmantra

Om Apadamapa Hataram Dataram Sarva Sampadam Loka Bhi Ramam Sri Rama Bhuyo Bhuyo Namamjaham

Manche Kenner halten dies für eines der machtvollsten Heilman-tras. Wörtlich übersetzt bedeutet es etwa: »Om, oh barmherziger Rama, sende deine heilende Energie hier zu uns auf die Erde, hier auf unsere Erde.«

Regelrechte Wunderheilungen sollen damit gelungen sein, auch bei Menschen, die seelisch schwer krank waren. Man kann dieses Mantra auch für andere Kranke rezitieren, die selbst nicht dazu in der Lage sind. Gerade dieses Heilmantra soll auf jeden Fall 108 Male bzw. ein Vielfaches von 108 wiederholt werden. Wenn Sie dazu in einer Meditationshaltung sitzen können, umso besser. Das dauert am Anfang vielleicht eine gute Stunde; Übende berichten, dass es nach einiger Zeit nur noch etwa eine halbe Stunde Zeitaufwand erfordert.

Wie bei den meisten anderen Mantras auch, kommt es hier je­doch wohl besonders auf die eigene Überzeugung einerseits und auf die Übermittlung durch eine bewusstere Seele andererseits an.

Ganesha-Mantra

Om Gum Ganapatajei Namaha

Ganesha ist ein elefantenköpfiger Gott, der als besonderer Glücksgott gilt. Man findet ihn in fast allen Hard Rock Cafes welt­weit, weil der Gründer ein Ganesha-Verehrer war. Das Sanskrit­wort bedeutet eigentlich »Herr der Schar«, das heißt der Herr des Gefolges von Shiva. Ursprünglich war Ganesha »nur« der Gott der Schreibkunst und Weisheit, aber jetzt ist er das Glückssymbol schlechthin, nicht nur in Indien. Er wird übrigens dem Wur-zelchakra zugeordnet; Brahma dem Sakralchakra, Vishnu dem Nabelchakra und Shiva dem Herzchakra.

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Eine ungefähre Übersetzung des Ganesha-Mantras wäre: »Om und Heil dem Überwinder von Hindernissen, der in Gum seinen Keim hat.«

Wenn Schwierigkeiten auftauchen, wenn sich vorübergehende Blockaden zu Mustern zu verfestigen drohen, dann soll man die­ses Mantra erfolgreich anwenden können. Vor allem auch bei Geldproblemen und Hindernissen im Beruf hat sich dieses Man­tra bewährt.

Lakshmi-Mantra

Om Shrim Mahalakshmijei Swaha

Lakshmi ist die Frau des Gottes Vishnu. Sie ist die indische Glücksgöttin und insofern das weibliche Gegenstück zu Ganesha. Sie verheißt auch Schönheit, Fruchtbarkeit und Ehe. Ihr Symbol ist die Lotosblume und die Kuh ist dieser Göttin auf besondere Weise geweiht.

Das Lakshmi-Mantra wird nicht nur gern verwendet, um ganz generell »Glück« anzuziehen, sondern auch speziell, um Harmo­nie in Familie und Freundeskreis zu bewirken sowie Linderung bei manchen Gesundheitsproblemen. Wer es rezitiert, um Glück anzuziehen, sollte sich darüber klar werden, welche Art von Glück er anstrebt - finanzielles oder seelisches, familiäres oder berufli­ches ...

Die Übertragung könnte lauten: »Om und Heil der weiblichen Kraft, die Glück und Schätze schenkt und die in Shrim ihren Keim hat.«

Durga-Mantra

Om Dum Durgajei Namaha

Durga stellt einen Aspekt der Göttermutter Kali dar. Manchmal wird sie als göttliche Beschützerin, ein anderes Mal jedoch auch als Furcht erregende Herrscherin gezeigt. Auf Bildern sieht man

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sie oft auf einem Tiger oder einem Löwen reiten. Sie hält zwar in ihren vielen Armen jeweils ein anderes Werkzeug der Zerstörung, dennoch wirkt ihr Antlitz sehr fein und sanft und schön. Eine Deutung besagt, dass sie sich frommen und aufrichtigen Wahr­heitssuchenden in zahlreichen wunderbaren Gestalten offenba­ren und ihnen spirituelle Ekstase schenken kann. Bösen Men­schen und Wesen tritt sie jedoch in ihrer negativen, dämonischen Gestalt gegenüber, verbreitet Schrecken unter unreinen Men­schen und Wesen und tötet sie womöglich sogar.

Eine ungefähre Übersetzung des Mantras oben lautet: »Om und Heil der weiblichen Kraft (dem weiblichen Namen), die vor allem Negativen schützt und die in Dum ihren Keim hat.«

Saraswati-Mantra

Om Eim Saraswatijei Swaha

Dieses Mantra bedeutet, ins Deutsche übertragen, etwa: »Om und Heil der weiblichen Kraft, die kreative und akademische Bemühungen segnet und in Eim ihren Keim hat.«

Saraswati ist die indische Göttin der Rede und Gelehrsamkeit und die Gattin des Gottes Brahma. Ursprünglich war sie die Fluss­göttin; ihr Name bedeutet so viel wie »die Wasserreiche«. Auf Darstellungen begegnet sie uns mit dem Musikinstrument Vina in der einen und einem Rosenkranz in der anderen Hand. Sie bil­det eine Brücke zwischen weltlich-irdischem Wissen und jensei­tig-spirituellem Verstehen. Dieses Mantra wird gern zur Inspira­tion angewandt, wenn man etwas Künstlerisches schaffen oder sich Wissen aneignen möchte.

Nun noch drei interessante Mantras, die bei speziellen Anliegen helfen sollen. Gefunden habe ich sie bei Henry Marshall, in des­sen leider vergriffenem Buch »Mantras - Mein Weg zum inneren Frieden«. (Mandala Media 1997, CH-Rheinfelden; S. 139 ff.)

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Mantra für Heilung und Kraft

Om ham hanuma te namaha Om ham hanuma te namaha

Mantra, um eine Lebenspartnerin zu finden

Patniem manoramam dehi, mono vritanu saariniem

Mantra, um einen Lebenspartner zu finden

Satpatim dehi parameshvara Satpatim dehi parameshvara

Mantra zur Verabschiedung einer verstorbenen Seele

Ram Nam Sat-i hej Ram Nam Sat-i hej Ram Nam Sat-i hej

Die Worte für sich bedeuten: Ram = Gott, Anrufung Gottes Nam = Wort, Heiliger Geist, Anrufung des Heiligen Geistes Sat = Wahrheit i hej = so ist es, das existiert wirklich

Mit diesem Mantra rufen wir uns und der Seele, die hinüberge­gangen ist, in Erinnerung, dass es nur eine Wirklichkeit gibt, nämlich die des göttlichen Geistes und der Wahrheit des ewigen Seins im Geiste.

Mantras als Waffe Wie alles, was Kraft besitzt, kann man auch Kraftworte missbrau­chen. Verwünschungen, Bannflüche oder missgünstige Flüche kennen wir nicht nur aus Märchen. Die Puranas, alte heilige Schriften des Hinduismus, beschreiben Kriege zwischen Devas

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und Asuras, zwischen Göttern und Dämonen. Em Asura wollte einen Deva mit einer »Mantra-Bombe« töten, einem kraftgela­denen Gesang, der mit voller Konzentration auf das Opfer gerich­tet wurde. Da der Dämon die richtige Sprechweise nicht be­herrschte, wirkte das Mantra wie ein Bumerang und tötete ihn selbst.

Deshalb ist die Motivation wichtig, mit der wir ein Mantra be­nutzen, und nicht nur die Formel bzw. der Inhalt. Ein Beispiel: Wenn ich ein Mantra zur Erlangung von Kraft anwende und ins­geheim vorhabe, mit dieser Kraft etwas Unrechtes anzufangen, kann sich die Energie des Mantras gegen mich selbst richten. Oder wenn ich ein Mantra benutze, um einen bestimmten Part­ner zu bekommen, dieser aber bereits liiert ist, so wird auch in diesem Fall das Mantra zu einer Waffe, die sich gegen mich selbst richten kann.

Mantras im Buddhismus

Im Buddhismus wissen wir von drei großen Richtungen: Hinaya-na, Mahayana und Vajrayana. Hinayana, das so genannte »kleine Fahrzeug«, ist ein Weg der Selbsterlösung durch die Entwicklung des Menschen bzw. des menschlichen Geistes (im Chrisentum würden wir wohl von »Seele« sprechen); im Verlaufe vieler Wie­dergeburten steigt er bis in die höchsten Stufen der Heiligkeit, zum Arhat auf, worauf ein Ich-Erlöschen (manche meinen sogar ein Selbst-Erlöschen) auf der Buddha-Stufe folgt. Die Lehren des Hinayana stellen eine Art Ur-Buddhismus dar, der heute vor al­lem in Sri Lanka und Hinterindien (Burma, Laos, Thailand) ver­breitet ist.

Weltweite Geltung hat jedoch der Mahayana-Buddhismus er­langt, das so genannte »große Fahrzeug«, eine Lehre, die fünf Jahrhunderte später entstand. Sie ist in Tibet, China, Japan und der Mongolei, inzwischen aber auch in vielen Ländern der westli­

chen Hemisphäre verbreitet. In dieser Lehre ist das Ziel zwar auch das Erwachen zum wahren Bewusstsein des Selbst, jedoch nicht die endgültige Erlösung vom Kreislauf der Geburten und von der Illusion (Maya) der Welt. Vielmehr strebt der Mahayana an, auf der Stufe des Boddhisattvas zu bleiben, auf der Stufe des allen We­sen in Liebe verbundenen Erwachten, der so lange wieder und wieder inkarniert, bis alle Geschöpfe Heil und Erlösung erlangt haben. Obwohl sich beide Formen, Hinayana und Mahayana, in Vorderindien entwickelt haben, sind sie dort etwa seit dem Jahr 1200 praktisch erloschen.

Sowohl im brahmanischen Hinduismus als auch im Buddhis­mus entwickelten sich nach Entstehung der Mahayana-Lehren vor allem in Indien bestimmte Geheimwissenschaften, die Aus­druck in speziellen Ritualen fanden, die insgesamt als Tantrismus bezeichnet werden. Aus dem buddhistischen Tantrismus ent­wickelte sich eine dritte Hauptform des Buddhismus, der Vaj­rayana, das so genannte »Diamant-Fahrzeug«, oder auch Man-trayana, »Fahrzeug der Zauberformeln«.

Das wichtigste buddhistische Mantra

Om mani padme hum

Dieses wichtigste buddhistische Mantra wurde bereits weiter oben ausführlich behandelt (siehe Seite 45). Es wird vor allem mit dem Bodhisattva Avalokiteshvara in Verbindung gebracht, der im tibetisch-lamaistischen Buddhismus übrigens Chenresig heißt, der Bodhisattva der Barmherzigkeit. Dieses Mantra soll in dem Menschen, der es rezitiert, eine seelische Haltung des Mitgefühls fördern, die zum aktiven Einsatz für die Mitmenschen und für alle Wesen führt.

Dieses Mantra führt Bewusstsein und Gefühl, Geist und Herz zusammen. Wenn Geist und Herz vereint werden, ist alles möglich. Dann kann ich mich selbst verwandeln, dann gelingt es mir, in meiner unmittelbaren Umwelt heilend zu wirken und dann kann

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ich auch dazu beitragen, die Welt zu verändern. Besonders zum Wesak-Fest, dem ersten Vollmond im Mai, an dem traditionell die Erinnerung an die Erleuchtung Buddhas gefeiert wird, gewinnt dieses Mantra nach Ansicht der Übenden besondere Kraft.

KwanYin Vermutlich wird nicht jede Leserin und jeder Leser wissen, dass Kwan Jin (oder Quan Yin) die weibliche Gestalt des Bodhisattvas Avalokiteshvara ist. Nach Ansicht mancher Forscher (so Martin Palmer in seinem Buch Die Jesus Sutras) diente die Überlieferung von Maria, die mit den so genannten Nestorianern und ihrer »Religion des Lichts« aus dem heutigen Persien in das heutige Westchina gelangte, als »Vorbild« für die Ausgestaltung eines weiblichen Bodhisattvas. In Kwan Jin könnte man auch eine Ent­sprechung zur Sophia sehen, zur weiblichen Seite Gottes, die im Christentum als Weltgeist oder Heiliger Geist wirkt. Im Juden­tum ist diese weibliche Emanation oder Manifestation übrigens die Schechina, die sich nach den Berichten der mystischen, chas-sidischen Juden sogar bisweilen in Menschengestalt zeigt.

Zurück zu Kwan Jin. Um sie bzw. ihre Qualität der weiblichen Güte und Barmherzigkeit anzurufen oder in sich selbst zu mani­festieren, gibt es ein spezielles Mantra.

Namo Kuan Shi Jin Pu Sa

Ich nehme Zuflucht »Ich nehme Zuflucht« - mit diesen Worten beginnt eine Art Glaubenbekenntnis von Buddhisten, die ihre persönliche Bereit­schaft zum Ausdruck bringen und auch die Notwendigkeit dazu, Zuflucht zu suchen beim Buddha, beim Dhamma und beim Sangha. Buddha ist der Lehrer, Dhamma ist die praktizierte Lehre und Sangha ist die Gemeinschaft der Strebenden. (Dhamma wird manchmal auch als Dharma übertragen.)

Zuflucht nehmen heißt in diesem Sinne, sich der Weisheit des

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Buddhas anzuvertrauen, eine Lebensweise der Wahrheit zu prak­tizieren und sich in der Gemeinschaft mit anderen strebenden Menschen in der Verwirklichung von Tugenden zu üben.

Dieser Satz - »Ich nehme Zuflucht« - eignet sich meiner An­sicht nach jedoch auch ohne die spezifisch buddhistische Fort­führung als Mantra. Es ist ein Mantra, das hilft, sich emotional, mental und auch feinstofflich darauf einzustellen, eine größere Wirklichkeit als das kleine begrenzte Ich zum Fundament des all­täglichen Lebens zu machen. Mit diesem Mantra kann jeder Mensch all das an humanistischem, spirituellem bzw. religiösem Gehalt verknüpfen, was für ihn oder sie stimmig ist.

Ich nehme Zuflucht

Buddho Das Mantra Buddho bedeutet, je nach Übertragung, »Der, der weiß«, »Der Erwachte« oder »Das, was wach ist«. Es wird von Buddhisten, zum Beispiel von Lehrer und Autor Ajahn Sumedho, der über Achtsamkeit und den Weg zur Todlosigkeit geschrieben hat, für mental besonders aktive bzw. unruhige Menschen emp­fohlen.

Beim Einatmen soll man rein gedanklich die Anfangssilbe Bud wiederholen; beim Ausatmen die Endsilbe dho (jeweils nur ein­mal). Diese Übung sollte man 10 bis 15 Minuten durchführen. Wenn Gedanken auftauchen, was im Übrigen völlig normal ist, dann können Sie das als Erinnerung und Aufforderung betrach­ten, beim nächsten Einatmen wieder ganz bewusst möglichst nur Bud zu denken und beim Ausatmen dho. Es geht nicht darum, Gedanken zu unterdrücken und auch nicht darum »Erfolg« oder »Versagen« festzustellen oder zu beurteilen. Versuchen Sie ohne jede Bewertung, 10 bis 15 Minuten lang nur diese schlichte Übung zu praktizieren. Vergleichen Sie, wie Sie sich während der Übung gefühlt haben und wie Sie sich jetzt empfinden. (Nach: Gill Farrer-Halls, Die Welt des Buddhismus, S. 138 ff.)

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Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho Bud dho

Nun noch ohne eingehende weitere Erläuterungen und nur zur Information einige buddhistische Mantras, die sich für manche Menschen als hilfreich erwiesen haben. Aber auch an dieser Stelle seien Sie daran erinnert, dass eine persönliche Übermittlung solch spezieller Mantras durch eine kundige Lehrerin bzw. einen kundigen Lehrer einer womöglich unreflektierten Übernahme aus einem Buch immer vorzuziehen ist.

Anrufung des Buddhas der Heilung Tay ata Om Bhaikandse Bhaikandse Maha Bhaikandse Randsa Samudgate Soha

Anrufung des Bodhisattvas der Weisheit Om Ah Ra Pa Tsa Na Dhi

Anrufung des Bodhisattvas der Reinigung Om Vajrasattva Hum

Anrufung der Grünen Tara Sie gilt als Mutter aller Buddhas, Mutter der Barmherzigkeit und als Befreierin.

Om Tare Tutare Tura Soha

Anrufung des zukünftigen Buddhas Om Buddha Metri Mem Soha

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Mantras im Sikhismus

Der Sikhismus ist im 16. Jahrhundert in Nordindien entstanden, unter Guru Nanak. Europäer haben diese neue Religion manch­mal (irrtümlich!) als Reformationsbewegung zu Islam und Hin­duismus bezeichnet. In mystischen Zweigen dieser Religion, die nach dem Tod des 10. Gurus, Gobind Singh, entstanden und auch heute noch sehr lebendig sind, spielen Mantras eine bedeutende Rolle. Dabei ist die Rede von zweierlei Arten von Klängen. Einmal gibt es fünf besondere Kraftworte, die gedacht bzw. still mental wiederholt werden. Daneben gibt es jene subtilen oder ätheri­schen Klänge, die auf inneren Ebenen ertönen und nicht mit den physischen Ohren gehört werden können. Diese inneren Klänge kann das menschliche Bewusstsein wahrnehmen, wenn es über die begrenzte Körperebene erhoben wird.

Naam, Sat Naam, das ewige Wort ist in jeder Form. ... Gott durchdringt das ganze Universum, doch kann man sich nur mit Ihm verbinden, wenn man die Grenzen der Sinne überschrei­tet.

Diese Beschreibung der inneren Klänge ist übrigens praktisch identisch mit jener, die von den Sufis gegeben wird (siehe Seite 94). Die fünf speziellen Kraftworte, die mental wiederholt wer­den, dienen dazu, das menschliche Bewusstsein von seiner fast ständigen Beschäftigung mit der Welt der Form, der Welt von Raum und Zeit zu lösen und für die geistige Welt zu öffnen. Die im mystischen Sikhismus vom Meister übermittelten Kraftworte dienen auch dazu, sich in der Meditation zu sammeln und vom inneren, schattenlosen Licht und eben von den rein geistigen in­neren Klängen erfassen zu lassen.

Der 1974 verstorbene Meister Sant Kirpal Singh hat in einem seiner Bücher unter anderem eine detaillierte Meditationsanwei­sung hinterlassen, in der die Meditation mit dem inneren Licht

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am dritten Auge mit einem Mantra verbunden wird. Außerdem empfiehlt er die Meditation mit dem inneren, mit physischen Oh­ren nicht hörbaren Klang- oder Tonstrom. Hier seine Anleitung, jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass auch die Meister der Sant-Mat-Linie davon ausgehen, dass nur die persönliche oder autorisierte Übermittlung eines Mantras (das in diesem Fall neben dem unten genannten aus vier weiteren Kraftworten be­steht, die dem Sat Naam vorangestellt werden) dem Übenden dessen wahre Kraft zugänglich macht.

Sitze in unbeweglicher und bequemer Haltung, ganz gelockert, ohne irgendeine Spannung im Körper. Schließe die Augen und lass ab von allem Denken an den Körper unten und seine Um­gebung und die Atmung, die in ihm weitergeht. Festige deinen Blick in der Mitte dessen, was du innen im Raum der beiden Augenbrauen vor dir siehst, und wiederhole im Geist sehr, sehr langsam das Wort Sat Naam, was mit Zwischenpausen sein kann. So dass der innere Blick nicht gestört wird. Die Wieder­holung des Wortes hält alle üblen Auswirkungen der negativen Kraft im Innern ab. Wenn du Licht siehst, wird es heller werden und zuletzt bersten, um dir den weiteren Weg aufwärts freizu­geben. ...

Setze dich, die Ohren mit den Daumenspitzen geschlossen. Höre nur auf den Ton von der rechten Seite. Er wird näher kommen, stärker werden und schließlich von oben zu hören sein; und er ist dann während des Tages auch ohne Schließen der Ohren wahrzunehmen. Du darfst dem Ton nicht dorthin folgen, wo er herkommt, weil er in diesem Fall schwächer wird und allmählich weggeht. Du wirst mehr als einen Ton hören, doch musst du an dem einer großen Glocke, einer Muschel, ei­nes Horns, des Donners, Trommelschlags, der Violine und Flöte festhalten, welche die höheren Töne sind, und alle ande­ren unbeachtet lassen. (Kirpal Singh, Spirituelles Elixier, S. 52-53)

In diesem letzten Absatz finden wir einen deutlichen Hinweis auf den Klang, der nicht von menschengemachten Instrumenten oder durch menschliche Stimmen erzeugt wird, sondern aus sich heraus ertönt. Pythagoras und andere griechische Philosophen und Mystiker nannten dieses kosmische Ur-Mantra die »Musik der Sphären«; Madame Blavatsky sprach von der »Stimme der Stille«. Auch in anderen Religionen und spirituellen Richtungen ist dieses Phänomen bekannt, das im Hinduismus zum Beispiel »Nada Yoga« genannt wird. Es gibt Meister und Meisterinnen, die diese »göttliche Musik«, welche mit den Sinnen nicht hörbar ist und nur auf der Ebene der Seele wahrgenommen werden kann, mit dem »inneren Ohr«, für die höchste Kraft im Universum überhaupt halten.

Nun noch drei Mantras, die sich sowohl einzeln als auch ge­meinsam zur Übung eignen.

Sate Naam - sate naam - sate naame-ji, Wahe guru — wahe gur—wahe guri-ji

Tera bani - tera bani - tera bani-ji nite - nite jap-i he - terab bani-ji

Tera naam - tera naam - tera naame-ji Swass - swass -jap-i hej - tera naame-ji

Sinngemäß bedeuten diese Zeilen: • Heiliges Wort, oh heiliges Wort, großer Gott, oh großer Gott • Heiliges Wort, oh heiliges Wort, an dich denk ich immerzu • Heiliger Geist, oh heiliger Geist, beständig lebe ich in dir

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Mantras im Keltentum

Wir wissen über diese Kultur leider fast nichts mehr, weil Wissen und Weisheit der Kelten im Wesentlichen mündlich überliefert wurden. Versuche, hier etwas zu rekonstruieren, sind verständlich und lobenswert, können jedoch kaum als historisch gesichert gel-ten. Wir finden bestenfalls den einen oder anderen Mosaikstein, von dem wir jedoch nicht sicher wissen, zu welchem Bild er gehört und was darauf ursprünglich einmal zu sehen gewesen ist Auch der folgende Ansatz wird spekulativ bleiben müssen. Den­noch wollen wir einige wenige Splitter aufzeigen, die vom Baum des keltischen Wissens stammen.

Der Engländer Ross Nichols - neben dem Franzosen Jean Mar­kale (Die keltische Frau) der wohl bedeutendste Kelten-Forscher des 20. Jahrhunderts -, der sich mit den Kelten, ihrer Kultur, Ge-Seilschaft und Religion beschäftigt hat, überliefert einen Aus­tausch zwischen Druidenschüler und Druidenmeister:

Ein Schüler fragt den Meister: »Wer ist Hu, der Mächtige?« Der Meister antwortet ihm, dass »Hu, der Mächtige« Jesus Christus sei. Als irdischer Mensch sei er als der Geringste unter Gottes Geschöpfen erschienen, aber im Himmel aller sichtbaren Ma-jestäten sei er der Größte.

Interessant daran im Zusammenhang mit unserem Thema: Hu ist der Gottesname bzw. das »Kraftwort Gottes«, das in einer Form der islamischen Mystik die dritte Stufe der Erhebung der Seele auf dem Weg vom irdischen zum göttlichen Bewusstsein bezeichnet. Man könnte auch vom Gottesnamen auf der höheren Kausal-ebene sprechen. Vielleicht hat »Hu« in den frühen Jahrhunderten des nachchristlichen Keltentums nicht nur als Name, sondern auch als Anrufung, als Mantra gedient?

Fünf heilige Bäume bildeten, so Ross Nichols, einen »süßen Kessel«, sozusagen fünf keltische Elemente, vielleicht ähnlich de-

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nen, die wir aus der chinesischen Medizin kennen. Die uns ver­trauten fünf Vokale stehen für diese Bäume und die Kräfte, welche sie symbolisieren.

• A = Ailm, die Silbertanne, die darauf hinweist, dass überall Geburt stattfindet, dass sich überall Leben entfaltet.

• O = Ohn, der Stechginster, der Initiation auf den Hügeln und in den Dolmen symbolisiert.

• U = Ur, das Heidekraut, das als Zeichen der Liebesgöttin dient.

• E = Eadha, die Weißpappel, welche als Refugium für den Krieger gilt.

• I = Iar oder Iodha, die Eibe, die für den Tod steht und gleich­zeitig für die Hoffnung, durch das Tor des Todes in eine an­dere Welt zu gelangen.

Es ist denkbar, dass die jeweiligen Vokale auch gesungen wurden, um die entsprechenden Kräfte zu stimulieren.

Kraftworte in der Nordischen Religion

Sicher stellten die Namen der Götter, wenn sie angerufen wurden, bereits Kraftworte im Sinne dieses Buches dar. Der Ausruf »Walte Wotan!« wäre ein solches Mantra. Stabreime (oder »Alliteratio­nen«) gehören zu den ältesten Formen, wie Worte und Satzteile in der germanischen Sprache miteinander verbunden wurden. Die Anfangsbuchstaben sind dabei jeweils identisch. Dabei entsteht eine rhythmische Sprechweise, die ihre ganz eigene Wirkung ent­faltet. Hier ein nachempfundenes Beispiel, in dem das Gesagte anklingen mag:

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Walte Wotan, wo wir weilen: Wolle Wand'rern warme Winter, Sende Segen siechen Seelen, Wunden Wesen wirke Wunder.

Weite Welten, wahre Weisen: Werden wieder, wer wir waren, Klare Klänge, kluge Kräfte -Walte Wotan, wo wir weilen!

In einer Schriftsprache des alten Nordeuropas, den Runen, sehen manche Forscher nicht nur Schriftzeichen, sondern auch eigen­ständige Mantras. Dieser Ansatz könnte in weniger deutlicher Form übrigens auch für die keltische Ogham-Schrift gelten. Wir wollen einige wesentliche Runen-Mantras näher kennen lernen.

Das Tönen des Klanglautes iis soll das dritte Auge, die Zirbeldrüse und das Kronenchakra öffnen. Es erfolgt etwa in Sopranhöhe. Sie stehen mit geschlossenen Beinen und über dem Kopf zum Him­mel erhobenen Armen, die aneinander gelegt sind. Dadurch bil­den Sie gewissermaßen ein I.

Die Rune iis ist ein Sinnbild, das sowohl nach oben als auch nach unten weist: Von oben fließen spirituelle Eingebungen ein, von unten fließt die Kraft der Erde ein.

Das Tönen des Klanglautes ge soll die Medulla Oblongata (zwi­schen Hinterkopf und Wirbelsäule), die Hirnanhangdrüse und den Nackenbereich aktivieren. Dieser Laut schwingt niedriger als

Iis

Ge

das iis. Sie stehen mit gegrätschten Beinen und diagonal nach oben gestreckten Armen und Händen, so dass der Körper ein X formt.

Die Rune ge stellt ein Bekenntnis zu Gibor, dem unendlichen Geber oder Urwesen der Schöpfung dar, aus dem alles kommt und von dem wir selbst ein integraler Bestandteil sind.

Man

Das Tönen erfolgt im Brustraum, im Bereich des Herzzentrums. Es soll sowohl die Thymusdrüse als auch das seelisch-geistige Herzchakra anregen. Man schwingt wiederum niedriger als ge. Sie stehen mit geschlossenen Beinen und strecken nun die Arme so gen Himmel, dass der Körper ein Y bildet.

Die Rune man symbolisiert die Öffnung des Menschen für die feinstofflichen, für die ätherischen Kräfte des Kosmos. Ohne steti­gen Zustrom dieser Kraft könnten wir nicht leben.

Odem

Das Tönen erfolgt im Bauchraum, zwischen Rippenbogen und Becken. Es soll das Sonnengeflecht und die schöpferischen Kräfte anregen. Wieder schwingt dieser Laut niedriger. {Odem und Om sind sprachverwandt; man kann statt odem auch Om verwenden.) Sie stehen mit gegrätschten Beinen und verschränken die Hände so über dem Kopf, dass sie ein Dach über dem Kronenchakra bil­den, ohne den Kopf zu berühren; die Arme formen mit abgewin­kelten Ellenbogen den oberen Teil der Rune nach.

Die Rune othil ist ein so genanntes Heilszeichen, das helfen soll, den Energiefluss außerhalb und innerhalb des Körpers und Be-wusstseins zu ändern, damit der Mensch sein inneres Strahlen entfalten kann. Die Fingerspitzen tauchen dabei gewissermaßen

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ren Körper bildet. (Diese Betrachtungen sind angeregt worden durch eine Forschungsarbeit von Heinz Gundel, die er in Heil-At­men - der Yoga Europas 1991 im Eigenverlag als Band 5 der Reihe Urwissen der Menschheitherausgegeben hat.)

Kraftworte im Schamanismus

In allen schamanisch geprägten Völkern und Kulturen gab und gibt es Kraftworte. Es gibt solche, die Schamanen, »Zauberer« und Heiler während ihrer Rituale verwenden. Andere Kraftworte sind Teil von täglichen oder jahreszeitlich bestimmten Gebeten und Anrufungen, die jedermann und jedefrau praktiziert.

Uns ist meist die Anrufung von Mutter Erde und Vater Himmel geläufig sowie Bitten an den Großen Geist. Bei Medizinradzere­monien können wir auch in Mitteleuropa solche Anrufungen und Gebete miterleben. Wir denken meist zunächst an nord­amerikanische oder lateinamerikanische Schamanen. Der Dene-Lakota Lone Eagle (Tim Sikyea), ein Heiler, Künstler und Scha­mane aus dem Nordwesten Kanadas, führt solche Zeremonien sowie Schwitzhütten in Deutschland, Österreich und Slowenien durch. Auch der Schamanismus des Tuwa-Volkes erfährt auf­grund einer besonderen Affinität zwischen Menschen aus deutschsprachigen Ländern und der Mongolei ein großes Inte­resse. Deutsche, Österreicher und Schweizer haben die Mongolei schon frühzeitig bereist und den Austausch gepflegt. Das hat sich in Schulbuchprojekten und Universitätspartnerschaften ebenso ausgedrückt wie in Einladungen mongolischer Schamanen zu uns, in Dokumentationen über den Shambhala-Mythos in der Mongolei und nicht zuletzt im oscarnominierten Film über das weinende Kamel. Galsang Tschinag, ein Schamane, der auch Schriftsteller ist und der seine Bücher sogar in deutscher Sprache schreibt, ist ebenfalls immer wieder im deutschsprachigen Raum präsent.

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in den eigenen Od-Mantel oder die Energie-Aura ein. Od ist ein Begriff für die psychische und vitale Kraft, die von Baron von Rei­chenbach (1788-1869), einem Pionier der Erforschung paranor­maler Phänomene, geprägt wurde und als eigener europäischer Begriff im Gegensatz zu sonst oft indischen Bezeichnungen in manchen Kreisen Verwendung findet.

Yr

Das Tönen erfolgt im oberen Beckenraum, im Lenden- und Kreuzbeinbereich. Es soll die Verbundenheit mit allem Lebendi­gen stärken und die Bereitschaft, von dem erfüllt zu sein, was zur Verfügung steht, und nicht mehr zu wollen. Es ist ein tiefer, hal­lender Laut. Sie stehen mit geschlossenen Beinen und strecken die Arme und Hände seitlich vom Körper ab, wie das Bild es nahe legt. Die Hände führen die Linie der Arme zur Erde weiter.

Die Rune yr bedeutet, sich eingebunden zu wissen in ein großes Ganzes, zu dem auch Erde, Pflanzen und Tiere gehören. Auch der Bezug zur unmittelbaren Umwelt wird damit symbolisiert.

Ur

Das Tönen erfolgt im Steißbein und im unteren Beckenraum, eventuell auch leicht unter- und außerhalb des Gesäßes. Es soll die urtümlichste und ursprünglichste Form von Lebenskraft und Überlebenswillen fördern oder wieder neu entfachen. Es ist ein bassartiger, tiefer Laut, tiefer als beim yr. Sie stehen wie bei der Übung zuvor, lassen aber nun die Hände abgewinkelt »herunter­fallen«, so dass sie also nicht mehr die Verlängerung der Armlinie bilden.

Die Rune ur steht für das Tor auf dem Weg zum Urstoff, aus dem die sichtbare Schöpfung geformt wurde und die auch unse-

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Eine andere Form des Schamanismus, die bei uns inzwischen weithin bekannt ist, sind die hawaiianischen Huna-Lehren. Vor allem Serge Kahili King (siehe Literaturhinweise) hat sie mit dem Klassiker Der Stadtschamane und anderen Büchern verbreitet Aus der Huna-Weisheit ergeben sich Kraftworte, die als Mantras eine besondere Wirkung entfalten.

Huna - Der Schamanismus aus Hawaii und Polynesien Wer kennt ihn nicht, den schönen hawaiianischen Gruß Aloha (Ich liebe, was ist)? Doch nicht nur dieser, auch Namasté (Ich grüße das Göttliche in dir) und natürlich das uns vertraute Grüß Gott sind ebenfalls Mantras!

Der Gruß und das Mantra Aloha ist Teil von Huna, einer sehr alten, praktischen Lebensweise und -haltung, die aus einer unge­wöhnlich genauen Beobachtung des Lebens erwachsen ist. Poly-nesische Meister, auch Kahunas genannt, haben ein besonderes spirituelles Wissen gesammelt. Das Wort »Huna« geht auf »Hu« = männliche Kraft und »Na« = weibliche Kraft zurück. Huna ist da­mit so etwas wie das Yin und Yang, das zusammen die Ganzheit des Tao bildet. Im Huna wie in der taoistischen Lehre geht man davon aus, dass »böse« oder »krank« bzw. »gut« oder »gesund« keine Eigenschaften oder festen Zustände, sondern Einstellungen und Verhaltensweisen darstellen.

Die Huna-Weisheit lässt sich auf alle Bereiche des Lebens an­wenden. Besonders gut geeignet ist sie, um Ziele zu erreichen, Er­folg zu haben und um Träume Realität werden zu lassen. Das We­sen der polynesischen Sprache hat es den alten Meistern gestattet, ihre Philosophie in sieben Prinzipien klarer und tiefer Einsicht zusammenzufassen und diese überdies jeweils mit einem einzigen Begriff zu benennen, der, so habe ich es für mich entdeckt, auch als Mantra verwendet werden kann. Über ihren Inhalt hinaus bringt der Vokalreichtum dieser Sprache Leichtigkeit und Kraft für die eigene Lebensgestaltung mit. Probieren Sie es einfach für sich aus!

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Ike ist der hawaiianische Begriff für das erste Prinzip, den man wie folgt übersetzen könnte: »Die Welt ist das, wofür du sie hältst.« In Bezug auf Erfolg bedeutet das: Wenn Sie etwas manifestieren möchten, ist Glaube bzw. Vertrauen der wichtigste Faktor. Damit sind nicht bloßes Wünschen oder eine intellektuelle Ansicht ge­meint, sondern tief verwurzeltes, felsenfestes Wissen, das nicht in-frage gestellt wird. Fehlt dieser tiefe Glaube, werden auch die Er­gebnisse geringer ausfallen. Das ist der Grund, warum so viele Menschen gemischte Erfolge erzielen, wenn sie beginnen, einen Traum zu verwirklichen.

In Ike, als Mantra verwendet, ist eine Selbstbestätigung des ei­genen Vertrauens darauf enthalten, dass Sie die gesteckten Ziele auch erreichen werden.

Kala ist das zweite Prinzip. Es besagt: »Es gibt keine Grenzen.« Das ist eine Erinnerung daran, dass das Universum unendlich ist. Da­mit wird alles möglich, wenn Sie nur herausfinden, wie Sie vorge­hen müssen. Alles, was Sie unternehmen, beeinflusst auch die Welt um Sie herum, eben weil es keine Grenzen gibt. Kala bedeutet auch Vergeben, Loslassen oder Befreien. Damit können Schuldgefühle, Verstimmungen und Spannungen gelöst werden, die sich dem freien Fluss der Energie auf ein Ziel hin entgegenstellen.

Kala als Mantra öffnet Ihren Geist für die Tatsache, dass alles möglich ist, weil das Universum unendlich ist. Alles, auch die Ver­wirklichung Ihrer schönsten Träume, ist möglich.

Makia, das dritte Huna-Prinzip, bedeutet: »Energie fließt dorthin, wo die Aufmerksamkeit hingeht.« Wohin wir unsere Aufmerk­samkeit wenden, davon werden wir angezogen. Je konzentrierter Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten, desto stärker ist die Anziehung. Das Problem dabei ist, dass sich diese Anziehung ein­stellt, egal ob unsere Aufmerksamkeit positiv oder negativ ist. Also sollten wir ganz bewusst darauf achten, unseren Traum bzw. unsere Ziele positiv zu definieren.

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Makia kann, als Mantra praktiziert, unsere Aufmerksamkeit auf das konzentrieren, was uns wirklich wichtig ist, und damit die Kraft für dessen Verwirklichung stärken.

Manawa besagt: »Jetzt ist der Augenblick der Kraft.« Wenn wir uns an frühere Probleme erinnern und in dieser Erinnerung stecken bleiben, dann wird uns das entweder davon abhalten, vor­wärts zu gehen oder es wird das Verhaltensmuster verstärken, das zu diesen Problemen geführt hat - oder beides. Wenn Sie sich dann über ein mögliches Versagen in der Zukunft Sorgen ma­chen, wird Sie das entweder ebenfalls davon abhalten, weiter vor­anzuschreiten oder es wird solche Muster verstärken, die den Fehlschlag garantieren. Es wird klar: Sie können Ihre Träume nur im Hier und Jetzt manifestieren.

Manawa als Mantra gibt Ihnen die Zuversicht, auf Ihre Kraft in diesem Augenblick zu vertrauen und den jetzigen Zeitpunkt als die beste Gelegenheit anzusehen, aktiv zu werden und Ihrem Ziel entgegenzugehen.

Aloha bedeutet: »Lieben heißt, glücklich mit dem zu sein, was du hast und was jetzt ist.« Je umfassender Sie einverstanden mit dem sind, was jetzt ist - was Sie jetzt haben, wer Sie jetzt sind, was Sie gerade tun, wie Ihre inneren Einstellungen und äußeren Verhal­tensweisen in diesem Moment aussehen -, desto zufriedener sind Sie, desto mehr werden Sie von einem Gefühl der Leichtigkeit er-fasst, desto tiefer werden Sie sogar glücklich sein können. Je mehr Sie mit dem in Frieden sind, was jetzt ist, desto leichter fällt es Ih­nen außerdem, genau das zu verändern! Je mehr Sie Ihren Traum oder Ihr Ziel lieben, desto mehr regt er Sie an und desto leichter wird es, den Traum wahr werden zu lassen und das Ziel zu errei­chen. Viele Menschen haben Träume, die aus der Angst geboren sind. Sie wollen Wohlstand manifestieren, weil sie Angst vor der Armut haben, oder sie streben Frieden an, weil sie sich vor dem Krieg fürchten. Dieses Huna-Prinzip weist darauf hin, dass die

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beste Methode, Wohlstand zu erreichen, darin besteht, den Wohl­stand zu lieben, und dass die beste Methode, Frieden zu verwirkli­chen, darin besteht, den Frieden zu lieben. Und die beste Mög­lichkeit, glücklich zu sein, ist, das Glück zu lieben!

Aloha ist ein kraftvolles Mantra, das uns helfen kann, fröhlicher in die Welt zu blicken, anderen Menschen freundlicher zu begeg­nen und glücklicher mit uns selbst und unserem Leben zu sein.

Mana ist das sechste Huna-Prinzip. Übersetzt heißt es etwa: »Alle Kraft kommt von innen.« Das bedeutet, dass es keine Macht außerhalb von uns selbst gibt. Es gibt keine Person, kein Wesen, kein Ding und keinen Umstand, die irgendeine Macht über uns besitzen. Aufgrund unserer eigenen Entscheidungen und Glau­bensmuster können wir zwar so tun und uns so verhalten, als ob andere mehr Macht über unser Leben hätten als wir selbst - aber die Kraft zu solchen Entscheidungen kommt ebenfalls von innen! Gott (das Universum, die unendliche Intelligenz) handelt nicht über uns hinweg, sondern durch uns hindurch. Dieses Prinzip sagt aus: Wenn Sie einen Traum haben, haben Sie auch die Kraft, ihn zu verwirklichen. Es liegt jedoch selbstverständlich auch in Ihrer Macht, die Verwirklichung des Traums recht schwierig zu machen oder gar zu vereiteln. Interessant ist am Rande, dass der Begriff Mana an das indogermanische man und mani erinnert. Diese Worte bezeichnen den Menschen in seinem Wesen; unser Wort Mensch, das englische man und zahlreiche andere Wörter sind damit verwandt.

Mana ist ein Mantra, das uns wieder in tiefe Verbindung mit unserem innersten Wesen bringt.

Pono, das siebte Huna-Prinzip, bedeutet: »Wirksamkeit ist das Maß der Wahrheit.« Entscheidend ist, was funktioniert; und die Mittel bestimmen dabei das Ziel. Wenn Sie glückliche und fröhli­che Ergebnisse erzielen möchten, sollten Sie Methoden anwen­den, die Freude machen. Alles, was funktioniert, kann eine gute

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»Methode« sein. Wichtig ist die Einstellung dazu und wie Sie diese Methode umsetzen - leicht, unbeschwert, harmonisch, von Glück beseelt oder verbissen, verkrampft, verkniffen ... Dieses siebte Prinzip sagt auch aus, dass man, wenn eine Methode nicht funktioniert, eine andere einsetzen sollte. Wenn ein Plan nicht zum Ziel führt, dann verändern Sie den Plan einfach. Solange die Mittel, die Sie benutzen, der Wirkung entsprechen, die Sie errei­chen möchten, kommt es nur auf dieses Endziel, auf die Verwirk­lichung dieses Traums an, und nicht auf eine bestimmte Technik oder einen festgelegten Plan.

Pono als Mantra stärkt Ihre Entschlusskraft, das richtige Ziel auf leichte Weise anzustreben.

Epono e! Glück auf !

Sie können sich aus den oben genannten sieben Begriffen auf un­orthodoxe Weise auch eigene Huna-Mantras zusammenstellen, zum Beispiel:

• Kala Mana (die Kraft der Ausstrahlung) • Aloha Manawa (diesen Augenblick als Chance zur Verwirkli­

chung lieben) • Ike Pono (was ich aus der Welt mache, bestimmt, wie sie ist)

Kraftworte und Gebete im Judaismus

Höre Israel, der Ewige (ist) G-tt, der Ewige ist einzig.

Mit diesen Worten heben viele jüdische Gebete an. Mit diesen Worten beschließen fromme Juden ihr Leben, bevor sie sterben. Es ist sowohl ein Glaubensbekenntnis als auch eine Anrufung, eine Bitte und ein Mantra zur Selbstvergewisserung.

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Shalom Dieses hebräische Wort, das auch als Schalom in die lateinische Schrift übertragen wird, heißt zunächst einmal Frieden, wie Ih­nen sicher bekannt ist. Sein Wortstamm ist verwandt mit dem arabischen Salam oder Salaam. Es geht dabei jedoch um mehr als nur Frieden im Sinne von Abwesenheit von Kampf und Krieg. Auch die Qualitäten Ganzheit, Ganzheitlichkeit, Sicherheit, Wohlergehen, Gesundheit, Wohlstand, Ruhe, Stille, Gleichmut und Freundschaft klingen im Shalom mit an.

Wenn Sie also mit diesem Mantra üben, dürfen Sie sich ruhig auf die ganze Breite und Tiefe dieses Begriffs einlassen. Beginnen Sie einmal den Morgen mit ein oder zwei Minuten Shalom und beschließen Sie auch den Abend damit.

Shalom ... Shalom ... Shalom ...

Es gibt ein recht bekanntes Friedenslied, das auf melodiöse und sehr ryhthmische Weise das jüdische Friedensmantra in uns ver­wurzeln kann:

Hevenu shalom alechem

Hevenu shalom alechem, hevenu shalom alechem, hevenu shalom alechem. Hevenu shalom shalom shalom alechem.

Es werde Frieden auf Erden, es werde Frieden auf Erden, es werde Frieden auf Erden, es werde Frieden, Frieden, Frieden überall.

Wenn Sie die Melodie nicht kennen, fragen Sie in Ihrer Kirche nach, am besten bei einem Jugendchor. Oder erfinden Sie Ihre ei­gene Melodie.

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Hier eine weitere Fassung des jüdischen Friedenslieds, das sich ebenfalls zur Mantra-Übung eignet:

Shalom Alaychem

Shalom Alaychem, Mal'Achay Hashalom Mal'Achay El'Yon. Mee-Melech Mal'Chay Ham'Lachim Hakadosh Baruch Hu.

Frieden sei mit Euch, Engel des Höchsten. Wer ist der König, der König der Könige? Der Heilige, gelobt sei Er!

Zum Morgengebet gehört der folgende Text. Er ist deutlich län­ger, als wir es von Mantras kennen und auch länger als bei Affir­mationen üblich. Ähnlich wie bei einer Litanei, einem Wechselge­bet, geht es hier nicht um die Wiederholung eines einzelnen Wortes oder einzelner recht kurzer, »überschaubarer« Sätze, son­dern darum, sich auf einen melodiösen Singsang einzulassen, der sowohl vom Inhalt der Worte wie von der anhaltenden Schwin­gung getragen wird.

Mein G-tt Mein G-tt, die Seele, die du mir geschenkt hast, ist rein. Du hast sie geschaffen. Du hast sie sich entwickeln lassen. Du hast sie mir eingehaucht. Du behütest sie in mir. Du wirst sie mir eines Tages nehmen und in ewiges Leben ver­wandeln. Mein G-tt und G-tt meiner Vorfahren, solange die Seele in mir ist, will ich dir danken, denn du waltest über alle Geschöpfe,

du herrschst über alle Kreatur. Alles Leben ist in deiner Hand. Gepriesen seist du, Ewiger. Du bringst den Toten ihre Seelen zurück.

Du Ein besonders schönes Kraft- und Zauberwort ist das Du. Auf Levi Jizchak, den Berditschewer Rabbi, geht ein Lied zurück, wel­ches das Herz auf besondere Weise anrührt. Er war ein Schüler des Rabbi Dow Bär, des so genannten Maggid von Mesritsch, der wiederum ein direkter Schüler des Begründers des Chassidismus, des mystischen Judentums in der Neuzeit, Baal Sehern Tow, war. Der Berditschewer Rabbi starb 1809. Sein Lied vom Du wird umso wirksamer, je bedächtiger man jedes einzelne Wort aus­spricht, also bei jedem Wort innehält, um hineinzuspüren und ihm nachzulauschen.

Wo ich gehe - du! Wo ich stehe - du! Nur du, wieder du, immer du! Du, du, du! Ergeht's mir gut - du! Wenn's mir wehtut- du! Nur du, wieder du, immer du! Du, du, du!

Himmel - du, Erde - du, Oben - du, unten - du; Wohin ich mich wende, an jedem Ende Nur du, wieder du, immer du! Du, du, du!

Wie können Sie damit üben? Ein Vorschlag: Üben Sie eine Woche lang jeden Tag dreimal 3 Minuten in stiller Meditation, während derer Sie immer wieder langsam nur du, du, du denken. Das kön-

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nen Sie im Herzen oder vor dem dritten Auge oder über dem Kopf spüren. Sie fangen den Tag damit an, Sie halten um die Mittagszeit damit inne und Sie beschließen den Abend damit. Dabei brau­chen Sie sich nichts Spezielles vorstellen - weder Ihre/n Part­ner/in noch Ihre Kinder oder Eltern, weder Engel noch Gott oder sonst etwas. Das Du wird seine Wirkung auch ohne jeden Bezug auf eine besondere Person entfalten!

Einen weiteren Übungshinweis finden Sie im Abschnitt zum Großen Ja (Seite 118).

Bei den alten Hebräern und wohl auch im mystischen Juden­tum heute galten die Psalmen Davids als Mantras. Horst E. Miers weist in seinem Lexikon des Geheimwissens darauf hin, dass auch die Klagelieder Jeremias, Verse aus dem Prediger Salomo und dem Hohelied, einige Passagen von Hesekiel sowie manche Texte der zwölf Propheten als Mantras galten, die zum Teil auch in höhere Grade des Freimaurertums übernommen wurden.

In der Kabbala werden geheime und »wahre« Namen Gottes persönlich von Zaddik zu Chassid, von Meister zu Schüler weiter­gegeben. Sie sollen mächtige Kräfte haben, die sowohl eine dunkle Seele mit Licht erfüllen als auch in der irdischen Welt Dinge wun­dersam verändern können. Mir sind diese heiligen Namen nicht bekannt, doch möchte ich auf die Existenz solcher Kraftworte hinweisen.

Kraftworte und Gebete im Christentum

Wir sind uns dessen meistens nicht bewusst, aber auch das Chris­tentum ist voller Kraftworte und Mantras. Wie könnte es auch anders sein? Schließlich ist es ja nicht im religiösen und kulturel­len Vakuum entstanden, sondern im Umfeld der antiken Über­lieferungen aus Chaldäa und Ägypten, aus Griechenland und Rom; gleichzeitig bediente es sich wohl auch der fruchtbaren Vermächtnisse aus dem mittelasiatischen und vorderindischen

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Raum. Man denke nur an die Herkunft der drei Weisen aus dem Morgenland... Drei Zitate sollen genügen, um auf den Stellen­wert von Kraftworten in der Bibel aufmerksam zu machen.

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Men­schen. Und das Licht scheinet in der Finsternis und die Finster­nis hat's nicht ergriffen. (Johannes 1,1-5)

Dieses Wort besitzt also ganz eigene Qualitäten. Es handelt sich offensichtlich nicht um Worte, die gesprochen wurden, sondern um ein »Urwort«, einen »Urlaut« bzw. eine erste kosmische Schwingung, aus der alles entstand. Parallelen finden sich in den Schöpfungsmythologien der griechischen (Musik der Sphären) und der indischen Mystiker (Shabd, Noam, Bani).

Aus dem Alten Testament soll ein einziges Beispiel genügen:

Zu mir ist heimlich ein Wort gekommen und von ihm hat mein Ohr ein Flüstern empfangen. (Hiob 4,12)

Dieses Wort, das Hiob vernimmt, ist kein normales, gesprochenes Wort, sondern hat etwas Geheimnisvolles an sich. Dass Worte, die hörbar sind und aus dem Munde eines Gottessohnes kommen, wunderbare Wirkungen zeitigen, geht aus dem dritten Bibelzitat hervor:

Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Le­bens. (Johannes 6,68)

Wir finden eine Erinnerung an diese Aussage in dem Spruch, der im Verlauf des heiligen Abendmahls von den Gläubigen gespro­chen wird:

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Ich bin nicht würdig, dass du eintrittst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

In der Offenbarung des Johannes finden wir eine Reihe von Aus­sprüchen, die als Kraftworte verwendet wurden und bis heute werden. Auch dafür drei Beispiele:

Ich bin das A und O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Und der Geist und die Braut sprechen: »Komm!« Und wer es hört, der spreche: »Komm!« Und wen es dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst. Ja, ich komme bald. Amen, ja komm, Herr Jesus! (Offenbarung 22, 13,17,20)

Drei christliche »Mantras«, die vermutlich allen Leserinnen und Lesern bekannt sind, helfen sowohl in der Kirche als Ort der An­rufung und Heiligung als auch zu Hause oder unterwegs im All­tag, den Geist zu sammeln und sich für die Kräfte des Friedens und der Inspiration zu öffnen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!

Liebe deinen Herrn, deinen Gott. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Das erste Zitat oben ist, wie Sie ja wissen, der Beginn des Vaterun­sers. Das Vaterunser ist für sich genommen und als Ganzes eben­falls ein »christliches Mantra«.

Kommen wir nun zu einer Sonderform, der Litanei. Es gibt sie in fast allen Religionen. Dabei handelt es sich um einen Wechsel-

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gesang, der zwischen Vorbeter/in und Gemeinde erfolgt (ja, in manchen Religionen hatten und haben auch Frauen dieses Amt inne!). Die Litaneien sind keine klassischen Wiederholungen des immer selben Wortes. Vielmehr stellen Sie Anrufungen und zu­gleich Bekräftigungen dar. Unter dem Namen »Lauretanische Li­tanei« gibt es ein altes, traditionsreiches Gebet, das durchaus als Form eines christlichen Mantras gelten kann. Es beginnt mit den Worten:

Lauretanische Litanei Herr, erbarme dich unser Christus, erbarme dich unser Herr, erbarme dich unser, Christus höre uns Christus, erhöre uns Gott Vater vom Himmel, erbarme dich unser Gott Sohn, Erlöser der Welt Gott Heiliger Geist Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott Heilige Maria, bitte für uns...

Das Herzensgebet aus der Ostkirche In der Ostkirche sind Mantras bekannt, die sozusagen als ständige Hintergrundmusik des Bewusstseins buchstäblich jahrelang ein­geübt werden. Die beiden wohl bedeutendsten wollen wir uns an dieser Stelle in Erinnerung rufen. Sie heißen Herzensgebet, weil man sie im Herzen bewegt und vom Herzen her spricht, singt oder lautlos gedanklich wiederholt.

Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!

Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.

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Maria Rosa Mystica Das Gebet zur Rosa Mystica in einem besonderen Anliegen kann auch als so genannte Novene an neun aufeinander folgenden Tagen gebetet werden. Maria ist hier bildlich gesprochen die mystische Rose, aus der göttliches Heil, Schönheit und Segen aufblühen. Novenen sind neuntägige Andachten, die auch Für­bittgottesdienste enthalten. Im April 2005 wurde in Rom aus Anlass des Ablebens von Papst Johannes Paul II. eine solche neuntägige Andacht gehalten.

Maria Rosa Mystica Geheimnisvolle Rose Unbefleckte Empfängnis Mutter des Herrn Jesus Mutter der Gnade Mutter des mystischen Leibes, der Kirche Du bist auf unsere Erde niedergestiegen, um uns Erdenkinder zu Liebe, Eintracht und Frieden aufzurufen Du forderst uns auf zu Nächstenliebe, Gebet und Buße Wir danken Gott von ganzem Herzen, dass Er Dich uns zur Mutter und Fürsprecherin in all unseren Nöten gegeben hat Du Gnadenreiche, hilf mir bitte in meinem besonderen Anliegen (das hier genannt wird) Du hast uns Deinen mütterlichen Schutz voller Gnaden versprochen: »Ich bin euch immer ganz nahe mit meiner mütterlichen Liebe.« Rosa Mystica, Immaculata, Mater dolorosa, bitte zeige, dass Du Mutter bist, Braut des Heiligen Geistes und Königin des Himmels und der Erde. Amen.

Es soll an dieser Stelle nochmals daran erinnert werden, dass die Hingabe, ja die Inbrunst, mit der Worte der Kraft und des Gebets gesprochen werden, oft die entscheidende Grundlage bilden, um

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etwas zu spüren, um eine sichtbare Wirkung sowohl im inneren wie im äußeren Leben zu erfahren. Selbst wenn Sie bislang keinen oder nur wenig Zugang zu christlichen Gebeten oder gar Lita­neien hatten, nehmen Sie sich bitte die Zeit, diese drei längeren Texte - die beiden oben und den folgenden - ruhig und gesam­melt halblaut hörbar vor sich hin zu sprechen.

Pater Pio Litanei Inzwischen ist eine neue Litanei entstanden, die an den heilig ge­sprochenen wundertätigen Pater Pio aus Süditalien gerichtet wird, der jahrzehntelang die Wundmale Christi trug. In Italien sieht man sein Bildnis fast überall, in Hotels und Cafés, in Friseur­salons und Werkstätten. Nördlich der Alpen befindet sich eine eindrucksvolle Pater-Pio-Statue im Wallfahrtsort Großgmain bei Salzburg, im »Marienheilgarten«, der durch seine besondere Aura und seine Anlage nach alten geomantischen Prinzipien einen Rahmen der Andacht, Versenkung und Heiligkeit schafft.

Nach einer Anrufung der heiligen Dreieinigkeit heißt es da un­ter anderem:

Seliger Pater Pio - Du glühender Nachfolger Christi, Du Träger Seiner fünf Wundmale... Du in der heiligen Messe von Liebe entbranntes Herz, das selbst Zweifler in tiefste Ergriffenheit brachte, Du Rettung unheilbarer Kranker durch die Gabe der Heilung,... Du großer Wundertäter durch Gottes Gnade, Du außergewöhnliches Werkzeug Gottes, Du unermüdlicher Fürbitter für die Rettung der Seelen... Du Meister des Durchhaltens in Krankheit, Enttäuschung und Leiden, Seliger Pater Pio, du unser mächtiger Helfer und Schutzpatron bitte für uns...

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Irischer Segensspruch Die Heil'ge Drei Mein Schutzwall sei. Der mich umwehrt. Komm rings herbei Um mein Haus, meinen Herd.

Komm, begleite Du mein Leben Ein »modernes« Mantra in Form eines Liedes stammt von dem österreichischen Pater Josef Pichler, OSFS. Es ist gut zum Nach­sinnen und Nachsingen geeignet.

Ich komme zur Ruh', in mir wird es still, weil ich Dir, liebes Du, begegnen will. In Dir find' ich Ruh', in Dir werd ich still. Was ich will,find't in Dir sein letztes Ziel. Dank und Lob sing ich Dir, guter Gott. Sonne und Regen, Freude am Leben, Hilfe in Not gibst Du uns, Gott. Schenke uns Frieden, Güte und Liebe, wecke in mir Sehnsucht nach Dir!

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Pater Pichler schreibt sehr modern - und gleichzeitig treffend: »Gott ist überall, auch in der Disco. Finden wirst du ihn aber erst in der Stille.«

Zum Abschluss noch zwei recht schlicht anmutende kurze christ­liche Gebete, die wie sehr intensive Mantras wirken können. Wenn man den Impuls dazu spürt, möge man sich auf eines oder auch beide zusammen einlassen und das Herz öffnen.

Jesus, ich vertraue auf Dich. Maria, bitte für uns alle.

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Jesus, ich vertraue auf Dich. Maria, bitte für uns alle.

Jesus, ich vertraue auf Dich. Maria, bitte für uns alle.

Christus, erhöre uns. Christus, erhöre uns.

Mantras und Kraftworte im Islam

Kun-feu-Kun

Sei - und alles ward. Gott befahl und es geschah. So der islamische Satz, der den Schöpfungsvorgang mit ähnlichen Worten um­schreibt wie das Johannesevangelium, das vom Wort als dem Schöpfungsmittel spricht - »Im Anfang war das Wort...«.

Der Urton Hu Bei den Sufis heißt diese Kraft des schöpferischen göttlichen Wor­tes auch Vadan oder Kalma bzw. Kalam. Der Sufi-Meister Hazrat Inayat Khan bemerkt, dass die Musik Gottes als Saut-i-Sarmadi oder berauschender Nektar vom Garten Allahs ausgehe, und be­schreibt das so:

Der ganze Raum ist von Saut-i-Sarmadi oder dem »abstrakten Klang« erfüllt. Die Schwingungen dieses Klangs sind zu fein, um den materiellen Ohren oder Augen wahrnehmbar zu sein ... Moses hörte genau diesen Klang auf dem Berg Sinai ... Das­selbe Wort wurde dem Christus hörbar, als er in der Wildnis in seinem Himmlischen Vater aufging. Shiva hörte dasselbe Ana-had Naad (nicht irdisch erzeugter Ton) während seines Samad-his in den Himalayas. Die Flöte Krishnas ist ein symbolisch-al­legorischer Hinweis auf denselben Klang. Dieser Klang ist die Quelle aller Offenbarungen der Meister, de-

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nen er im Inneren enthüllt wird und die deshalb ein und die­selbe Wahrheit lehren.... Der Mensch hört diesen Klang in der Regel nicht, weil sein Bewusstsein ganz auf die materielle Exis­tenz ausgerichtet ist. Der Mensch wird durch seine Erfahrun­gen mittels seines Körpers in der äußeren Welt so absorbiert, dass ihm der Raum mit all seinen Wundern von Licht und Ton leer erscheint... Dieser Klang entwickelt sich in zehn unterschiedlichen Aspek­ten, da er sich durch verschiedene Nadis des Körpers manifes­tiert (subtile Körperkanäle ähnlich wie Meridiane); er tönt wie Donner, Meeresbrüllen, Glockenklang, Wasserrauschen, Bie­nensummen, Vogelzwitschern, wie die Veena (Musikinstru­ment; Obertöne ähnlich wie Dudelsack), oder der Ton des Mu-schelhorns (Shanka Conch), bis er schließlich zum Hu wird, dem heiligsten aller Töne. Dieser Ton Hu ist Anfang und Ende aller Klänge, mögen sie nun von Mensch, Vogel, Tier und Ding stammen.

Wir stellen fest, dass islamischen Mystikern Hu das bedeutet, was Hindus und Buddhisten dem Om zuschreiben: Anfang und Ende der Schöpfung, innerste Wirkkraft, subtilste Energie, aus der erst Raum, Form und Zeit entstehen. Im Sanskrit, aus dem dieser mys­tische Begriff vermutlich entlehnt wurde, bezeichnet das Wort hu das, was angebetet oder verehrt wird.

Dieser Urton heißt im Islam u.a. Kalam-i-Ilahi (Stimme Got­tes), Nida-i-Asmani (Klang vom Himmel), Ism-i-Azam (Gro­ßer Name), Saut-i-Sarmadi (Berauschender Klang), Kalam-i-Majid (Großes Gebot) oder Kalam-i-Haq (Stimme der Wahrheit).

Dieser innere mystische Klang wird (nach entsprechender kom­petenter Unterweisung!) in Versenkung oder Kontemplation ge­hört, jedoch nicht mit den körperlichen Sinnesorganen. Er führt,

so die Meister dieses Weges, der in Indien auch als Surat Shabd Yoga bekannt ist - Yoga der Verbindung des Bewusstseins mit dem inneren Klang - zur Entwicklung des Seelenbewusstseins und soll die notwendige Voraussetzung zur Befreiung de- Seele von den irdischen Banden sein.

Wohl in Anlehnung an diese Zusammenhänge sind auch eine Reihe von islamischen Mantras entstanden, die aus Kunsätzen bzw. Formeln bestehen, die laut gesprochen bzw. gesungen oder leise vor sich hin gesagt oder sogar nur gedacht werden. In diesen Kraftformeln soll dem Übenden der Zugang zum unhörba?en in­neren Klang in Form einer sprechbaren und hörbaren Brücke in die geistige Welt näher gebracht werden.

Die regelmäßige Wiederholung bestimmter Formeln - vie des Glaubensbekenntnisses, des Wortes Allah oder eines der 99 Schönsten Namen Gottes - wurde schon früh geübt und ent­wickelte sich in den Orden zu einer zentralen Technik. De dhikr (das Gedenken oder Erwähnen Allahs) konnte entweder laut oder leise vollzogen werden; in den großen Orden ist der gemeinsame Vollzug des lauten dhikr ein wichtiges ekstaseförderndes »«littel. Doch gilt der leise dhikr als vorzüglicher; verbunden mit irr Laufe der Zeit immer genauer definierter Atemtechnik, ist er eine zen­trale Pflicht des Ordensmitgliedes.

Hu Hu Hu Hu Hu Hu Hu Hu Hu Haq Haq Haq Haq Haq Haq Anal'Haq Anal'Haq Anal'Haq

Hu ist in seiner hörbaren, gesprochenen, gesungenen oder nur ge­dachten Form auch für sich genommen ein Mantra. Ebenso das Wort Haq, »Wahrheit«, oder der Ausspruch AnaVHaq - »Ich bin die Wahrheit«.

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Allah-hu akbar Meist wird dieser weithin bekannte Ruf der Muezzine, der Gebetsrufer von den Minaretten der Moscheen, als »Gott ist groß« übersetzt. Mir scheint nach ausführlichen Gesprächen, dass folgende Übertragung, auch wenn sie keineswegs allen Mus­limen geläufig sein mag, angemessener ist: »Gott ist größer!« Gott ist größer als alles - als Leid und Glück, als Sterben und Leben, als Not und Freude, als Angst und Zuversicht, größer als alle Sorgen.

Allah-hu-akbar

Zumindest als stilles Mantra ist dieser Ausspruch sehr geeignet, um sich immer wieder eine andere, höhere Betrachtungsweise anzueignen. Sowohl dieses Mantra als auch das folgende stellen bekanntlich Gebetsformeln dar. Ihre Eignung auch als Mantra er­schließt sich dem Übenden jedoch schon recht bald, selbst wenn man nicht dem Islam angehört.

Bismillah ir rahman ir rahim »Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen« oder »Im Namen Got­tes, des Barmherzigen, des Allerbarmers«. So etwa könnte man diese Anrufung Gottes übertragen. In Bismillah ir rahman ir ra­him soll das innerste Wesen des gesamten Korans enthalten sein. Fast jede Sure beginnt mit dieser Anrufung.

Bismillah wird meist mit »Im Namen Allahs« übersetzt. Ge­meint ist damit stillschweigend auch »Mit dem Segen Allahs«, »Lob sei Allah« und »Unter der Führung Allahs«.

Der Wortteil illah ist der Begriff Allah, der wohl auf denselben semitischen Wortsstamm wie das hebräische El und Elohim und das aramäische Alaha zurückgeht. Gemeint ist dabei immer der bzw. das Eine, in dem sowohl das sichtbare wie das unsichtbare Sein und auch das Nichtsein enthalten ist.

Manchmal wird Bismillah auch verstanden als »Das wahre We-

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sen Gottes«, »Zur Verherrlichung unseres Schöpfers«, »Mit dem Lichte des Einen« oder »Unter der Führung des Göttlichen«.

Die Begriffe ir Rahman ir Rahim bestimmen die Eigenschaften Gottes näher. Gott ist gnädig und barmherzig, voller Erbarmen und Mitgefühl, Fürsorge und Schutz. Rahman weist auf die Gott innewohnende Eigenschaft der überfließenden Gnade hin - und zwar ungeachtet dessen, was das Wesen, das diese Gnade emp­fängt, dazu beiträgt oder auch nicht.

Der Begriff Rahim bezeichnet in der Differenzierung hierzu jene besondere Gnade, die Gott dem Wesen zufließen lässt, wenn dieses Wesen aktiv etwas unternimmt, um Gnade zu erlangen. Deshalb sagt man im Osten auch: »Gehst du einen Schritt auf Gott zu, so wird Gott dir tausend Schritte entgegenkommen.« Mit diesem Begriff werden wir daran erinnert, dass wir uns stän­dig bemühen und versuchen sollten, einen eigenen Beitrag zu leisten.

Zusammenfassend könnte man die Anrufung Bismillah ir rah­man ir rahim auch übertragen mit: »Oh du Einer, Schöpfer und Erhalter der gesamten Schöpfung, der Du Deine Gnade strömen lässt und jede noch so geringe Bemühung, dass wir uns Dir nähern, reich segnest: Hilf uns, in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen zu leben.«

Bismillah ir rahman ir rahim Bismillah ir rahman ir rahim Bismillah ir rahman ir rahim

Die Anrufungsworte Bismillah ir-Rahman ir-Rahim, die im Ko­ran einen so zentralen Platz einnehmen, werden in der arabischen Kalligraphie gern als Kunstwerk dargestellt, das sowohl spirituell wie ästhetisch zu inspirieren vermag.

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La illaha illaha

Bei manchen Sufis wird der Ruf La illaha illaha - Es gibt keinen Gott außer Gott - rhythmisch sehr lange, sogar stundenlang, me­lodisch gesungen, um in höhere Bewusstseinszustände zu gelan­gen.

Verschiedene Sufi-Mantras Nun möchte ich Ihnen noch einige ins Deutsche übertragene Sufi-Mantras vorstellen, die wohltuende Wirkungen entfalten können.

Es gibt keinen Gott außer Gott.

Dieses Mantra soll helfen, das Gemüt von einer falschen Abhän­gigkeit von Dingen, Umständen und Menschen zu befreien.

Es gibt kein Ziel außer Gott.

Dieses Mantra soll negative Gemütsbewegungen - Gedanken, Gefühle, Träume - auflösen.

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Es gibt kein Sein außerhalb von Gott.

Dieses Mantra soll die Illusion vom Anderssein und der Isoliert­heit des Ichs auflösen.

E5 gibt keine Erfahrung außerhalb Gottes.

Dieses Mantra soll helfen, das Wesen der Wirklichkeit zu verste­hen, nämlich dass wir nichts anderes als das erleben können, was von Gott kommt, damit wir uns der Gegenwart Gottes bewusst werden und uns davon innerlich erfüllen und erleuchten lassen.

Mantras und Kraftworte aus Theosophie und Arkanschule

Da nicht allen Leserinnen und Lesern die Theosophie ein Begriff sein wird, eine kurze einleitende Erklärung dazu. Im Begriff Theosophie kommt zum Ausdruck, dass es sich um Sophia, also um die Weisheit handelt, und zwar die Weisheit Gottes, Theos. 1875 wurde diese Bewegung als »Theosophical Society« von der russischen Spiritualistin Madame Helen Blavatsky und Colonel Henry Olcott gegründet, zunächst in New York. Das Hauptquar­tier wurde 1877 nach Adyar bei Madras (heute Chennai) verlegt, und nach Blavatskys Tod von Annie Besant und kurzzeitig auch von Jiddu Krishnamurti geleitet. Die Theosophie bot die Grund­lage für zahlreiche spirituelle Bewegungen des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel auch die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Arkanschule Alice Baileys. Sie war Quelle für zahlreiche esoteri­sche und New-Age-Richtungen. Die Theosophie sah sich als Reli­gion der ewigen Weisheit; sie formulierte den Satz: »Die höchste Religion ist die Wahrheit.« Sie propagiert die Bruderschaft aller Menschen unter der Vaterschaft eines Gottes.

In der Theosophie spricht man nun von »aufgestiegenen Meis-

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tern«, von den »Meistern der Weißen Bruderschaft«, welche die besondere Aufgabe haben, den Weltenlauf zu begleiten. Ihre Na­men werden von manchen Menschen ebenfalls als Mantras be­nutzt, als Kraftworte zur Anrufung dieser Wesenheiten in der Be­reitschaft, sich von ihnen führen zu lassen.

Einige dieser aufgestiegenen Meister sind: Amatu, Meister des Rosenkreuzerordens; Dwal Khul, »der Tibeter«, der Madame Bla-vatsky die »Geheimlehre« diktiert haben soll und als Meister der Heilkunde gilt; Hilarion, Meister der Wissenschaft; Kut Humi (auch Koot Humi), Verkörperung von Liebe und Weisheit aller Zeitalter; Morya (oder El Morya), Förderer der menschlichen Entwicklung und geistiger Führer zahlreicher spiritueller Ge­meinschaften, der Alice Bailey ihre Werke übermittelt haben soll.

Ich nenne die Namen dieser Meister nur zur Information; eine praktische Anwendung sollte wohl nur nach gründlicher Prüfung erfolgen. Als Übungsform eignen sich meiner Meinung nach bes­ser die folgende Invokation und das Gebet für ein Neues Zeitalter.

Große Invokation

Aus dem Quell des Lichts im Denken Gottes Ströme Licht herab ins Menschen-Denken. Es werde Licht auf Erden.

Aus dem Quell der Liehe im Herzen Gottes Ströme Liehe aus in alle Menschenherzen. Möge Christus wiederkommen auf Erden.

Aus dem Zentrum, das den Willen Gottes kennt, Lenke planbeseelte Kraft die kleinen Menschenwillen Zu dem Ziele, dem die Meister wissend dienen.

Durch das Zentrum, das wir Menschheit nennen, Entfalte sich der Plan der Liebe und des Lichtes

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Und siegle zu die Tür zum Übel. Lass Licht und Liebe und Kraft den Plan auf Erden wiederherstellen.

Die Große Invokation, die von Alice Bailey und der so genann­ten Arkanschule bekannt gemacht wurde (deutsche Übersetzung durch den Lucis Verlag), soll Menschen befähigen, die Energien, die die Welt verändern werden, selbst anzurufen und damit die Rückkehr des Christus und der geistigen Hierarchie zu ermögli­chen. Man kann diese »Anrufung« noch verstärken, indem man sie zu dritt (in Dreiecksformation) spricht. Wenn Sie auf diese Weise mitarbeiten wollen, vereinbaren Sie mit zwei befreundeten Menschen, sie täglich laut zu sprechen. Man muss dazu nicht am gleichen Ort, im gleichen Land sein oder sie zur gleichen Zeit sprechen, sondern jeder zu der für ihn günstigsten Zeit. Man ver­bindet sich dabei in Gedanken mit den beiden anderen und stellt sich ein Dreieck aus weißem Licht vor, das über den Köpfen zir­kuliert und gleichzeitig an ein großes Netzwerk solcher Dreiecke angeschlossen ist, das die ganze Welt umspannt.

Gebet für das neue Zeitalter Ich bin der Schöpfer des Universums. Ich bin Vater und Mutter des Universums. Alles kam von mir. Alles kehrt zurück zu mir. Denken, Geist und Körper sind meine Tempel, durch die sich verwirklicht mein höchstes Sein und Werden.

Im Dezember 1988 erschien dieses »Gebet für das neue Zeitalter« im Rundbrief von Share International. Es hieß dazu: »Dieses Ge­bet erweist sich als besonders wirksam, wenn man es mit konzen­triertem Willen spricht oder >denkt< und dabei die Aufmerksam­keit im Zentrum zwischen den Augenbrauen hält.« Es ist eine

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»Affirmation«, und die Wirkung aller derartigen Gebete oder Mantras beruht auf dem konzentrierten Einsatz des Willens (Meister Dwal Khul nennt das die »eindeutige Intention«). Das Vaterunser oder die Große Invokation wird häufig wie ein Segen gesprochen. Damit diese Gebete aber eine invokative Wirkung bekommen, muss der Wille eingesetzt werden. Wenn der Sinn er­kannt und gleichzeitig der Wille eingesetzt wird, dann werden die formulierten Ideen aktiviert, und das Mantra entfaltet seine Wir­kung. Dieses Gebet ist ein großes Mantra oder eine große Affir­mation. Es enthält die Idee, die Vorstellung, dass das Selbst Gott ist, Schöpfer von allem, was existiert. Wenn man dieses Gebet je­den Tag ernsthaft spricht, wächst in einem allmählich das Be-wusstsein für das eigentliche, wahre Selbst.

5. Mantras für unterschiedliche Zwecke

Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht. (Edith Stein)

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Vorbemerkung zur Übungsweise Zur ganzheitlichen Entspannung

Sicher ist es günstig, wenn Sie sich hinsetzen, die Augen schließen und die folgenden Mantras rein gedanklich wiederholen. Sie kön­nen sie jedoch auch während der Busfahrt oder im Auto, bei einer Besprechung oder während einer einfachen Arbeit mit geöffneten Augen üben. Wenn es für Sie stimmiger ist, Mantras zunächst halblaut zu sprechen oder in einem melodischen Singsang hörbar zu machen, so folgen Sie Ihrem Impuls. Die rein gedankliche Wie­derholung bei geschlossenen Augen und in entspannter, aufrech­ter und zugleich wacher Sitzhaltung (oder im Liegen) hat sich in­des als besonders wirksam erwiesen.

Mantras »wirken« als Teil einer Zeremonie oder im Rahmen ei­ner Meditation, für die besondere Zeiten zur Verfügung stehen. Sie entfalten jedoch auch dauerhafte und immer weiter sich auf­bauende Wirkung, wenn Sie sich tagsüber immer wieder an sie er­innern, sie sprechen oder üben.

Wenn Sie Mantras jetzt ganz neu kennen lernen, ist es sinnvoll, sich einen bestimmten Zeitraum vorzunehmen, in dem Sie tiefer »einsteigen« möchten: zum Beispiel eine Woche lang jeden Tag drei Mal für wenige Minuten oder die biblischen 40 Tage lang je­den Morgen und Abend 10 Minuten lang. Spüren Sie, was sich für Sie richtig anfühlt.

Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Fülle an verschiede­nen Mantras. Suchen Sie sich einige wenige heraus, mit denen Sie beginnen möchten - anfangs nicht mehr als zwei oder drei pro Woche.

Eine kleine Vorübung, die mehr mit Atmung als mit Mantras zu tun hat, sei hier empfohlen. Wenn Sie mal wieder geglaubt haben, sich so richtig ärgern zu müssen, oder wenn Sie einfach zu viel Stress hatten, atmen Sie drei Mal deutlich tiefer als sonst durch die Nase ein und schnaufen Sie drei Mal richtig anhaltend und hör­bar durch den Mund aus. Damit haben Sie schon einen Gutteil des Überdrucks aus dem Gemütskessel gelassen. Die Münchner Yoga-Lehrerin Anneliese Harf nannte das »Dampfkesselatem«.

Probieren Sie danach eines der folgenden beiden Mantras aus. Sprechen Sie jedes dieser Worte jeweils zwölf Mal langsam und ruhig hintereinander. Lassen Sie sich Zeit für »Erlebnispausen« zwischen den kurzen Sätzen.

Ich lasse alles los. Ich lasse alles los. Ich lasse alles los.

Ich lasse alles los. Ich lasse alles los. Ich lasse alles los.

Ich lasse alles los. Ich lasse alles los. Ich lasse alles los.

Ich lasse alles los. Ich lasse alles los. Ich lasse alles los.

Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie. Ich spüre Ruhe und Harmonie.

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Für mehr geistige Klarheit

Was ist eigentlich Klarheit? Das Wort »klar« hat mit dem Begriff »hell« zu tun. In unserem Geist sollte also Licht sein, wenn wir geistige Klarheit wollen. Ordnung gehört sicher auch dazu - keine sterile, forcierte Ordnung, sondern eine organische, lebendige, die Entwicklung erlaubt. Mantras zur geistigen Klarheit werden also eine natürliche Ordnung des Geistes sowie eine »Erhellung« fördern.

Hier drei Vorschläge:

Mein Wesen ist bewusstes Sein. Mein Wesen ist bewusstes Sein. Mein Wesen ist bewusstes Sein.

Ich bin Klarheit, mehr Klarheit. Ich bin Klarheit, mehr Klarheit. Ich bin Klarheit, mehr Klarheit.

Licht und Ordnung breiten sich aus. Licht und Ordnung breiten sich aus. Licht und Ordnung breiten sich aus.

Zur Problemlösung

Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut.

Ist Ihnen das »zu viel«, wenn Sie fünfmal hintereinander lesen: »Alles wird gut«? »Alles wird gut« ist ein außerordentlich potentes Mantra. Versuchen Sie, sich darauf einzulassen, diese Worte lang­sam und halblaut hörbar auszusprechen, egal ob Sie »daran glau-

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ben« oder nicht. Es mag sein, dass Ihnen die Worte zunächst stockend über die Lippen kommen oder dass Sie sogar widerwil­lig reagieren und sich ärgern, eine solch »alberne« Übung zu ma­chen. Geben Sie sich dennoch die Chance, 5 Minuten lang genau diese Kraftworte zu wiederholen. Sie werden nach und nach ihre ganz eigene Schwingung entfalten. Am Ende fühlen Sie sich ver­mutlich auf ungewohnte Weise »neu«, anscheinend ohne Grund zuversichtlicher oder auf andere Weise transformiert.

Die Wirksamkeit dieses und anderer Mantras beruht auch dar­auf, dass sie eine neue Grundschwingung in uns erzeugen, die als sicheres Fundament für unsere Alltagskreativität dient, die sich in bislang nicht für möglich gehaltenen Einfällen oder in unvorher­sehbaren Chancen ausdrückt.

Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles ist gut. Alles ist gut. Alles ist gut. Alles ist gut. Alles ist gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut.

Zum Schutz

Wir können höhere Mächte anrufen und darum bitten, dass wir beschützt sein mögen: Gott, die Erzengel, Allah, Jahwe, Jesus, Christus, Maria, Heilige, Vater Himmel, Mutter Erde, den Großen Geist, die Große Mutter, unsere Ahnen, Krafttiere, Elfen, Feen, Elementarwesen usw. Wir können das Kreuzzeichen machen oder einen Lichtkreis um uns ziehen, uns in einer Spirale aus Licht vi-sualisieren, im Inneren der Pyramide oder eines Steinkreises. Wir können uns in das Herzchakra versenken, Erdung im Hara (der »Erdmitte« etwa zwei bis drei Fingerbreit unter dem Bauchnabel) suchen und gleichzeitig bewusst von dort aus ein- und ausatmen

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oder Verbindung zum inneren Licht am dritten Auge suchen. Wir können auch Mantras zum Schutz verwenden, sowohl vor­

beugend wie in akuten Notsituationen. Hier einige Vorschläge:

Ich bin im Licht. Ich bin im Licht. Ich bin im Licht.

Bitte hilf: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen! Bitte hilf: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: Amen! Bitte hilf: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen!

Hari Krishna, Hari Ram Hari Krishna, Hari Ram Hari Krishna, Hari Ram

Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.

Bismillah i Rahman i Rahim. Bismillah i Rahman i Rahim. Bismillah i Rahman i Rahim.

Maria, bitte für mich. Maria, bitte für mich. Maria, bitte für mich.

Ich bin Gottes geliebtes Kind. Ich bin Gottes geliebtes Kind. Ich bin Gottes geliebtes Kind.

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Zur psychosomatischen und seelischen Heilung

In der kinesiologischen Therapie nach Dr. Guido Schuhmacher, die ich im Heliotop-Gesundheitszentrum von Helmut Weyrer in Salzburg persönlich kennen lernen durfte, wird mit Klängen und Tönen an bestimmten Punkten des Körpers gearbeitet. Dieser An­satz geht davon aus, dass manche tief sitzenden Schockerlebnisse nicht psychotherapeutisch und auch nicht medikamentös aufge­löst werden können, sondern über heilende Laute. Während der Therapeut bzw. die Therapeutin bestimmte Akupressurpunkte auf Meridianen hält oder »drückt« (zum Beispiel auf dem Nierenme­ridian Ni 21 und Ni 17), summt oder singt der Klient bestimmte Vokale bzw. Konsonanten. Dabei wurde die folgende Zuordnung von Konsonanten zu Organmeridianen getroffen:

Hauptmeridiane • T = Gouverneursgefäß • L = Konzeptionsgefäß

Yin-Meridiane • K = Niere • Th = Leber (ausgesprochen wie ein hartes »t«, nicht wie eng­

lisch »th«) • H = Milz-Pankreas • S = Herz • Sch = Kreislauf-Sexus • Z = Lunge

Yang-Meridiane - W = Blase - Qu = Galle (ausgesprochen wie in »Qualle«) - F = Magen - P = Dünndarm - R = Dreifacherwärmer - M = Dickdarm

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Ein anderer Ansatz ist die Wiederholung bestimmter Kraftworte. Man kann die Wirkung durch eine leichte rhythmische Bewe­gung, zum Beispiel durch Arm- und Knieschwingen, unterstüt­zen.

Energie fließt. Energie fließt in mir und durch mich. Energie fließt durch mich zur Umwelt.

Ich fühle Heilung. Ich werde heil. Ich fühle Heilung. Ich werde heil. Ich fühle Heilung. Ich werde heil.

Wichtiger Hinweis: Wenn Sie körperliche oder seelische Beschwer­den haben, sollten Sie zu Diagnose und Therapie Heilkundige aufsuchen, die amtlich zugelassen, seriös ausgebildet und persön­lich integer sind. Diese - und auch alle anderen - Mantra-Übun-gen ersetzen keinesfalls eine medizinische oder psychologische Betreuung!

Für den Frieden

May Peace prevail on Earth! Möge Frieden auf Erden sein!

Das ist der Segensspruch und das Gebet der World Peace Prayer Society, der Weltfriedens-Gebetsgesellschaft, die bewunderns­werte Arbeit leistet. Sie hat zum Aufstellen im Freien größere vier­seitige Holzpfähle entworfen, auf deren Seiten in verschiedenen Sprachen der oben zitierte Segenswunsch steht. Es gibt diese Frie­denssäulen auch in einer Miniaturversion für den Schreibtisch oder das Bücherregal.

Gebete für den Frieden in der Welt gibt es in allen Religionen, und doch wurde und wird noch allzu oft im Namen der Religion

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Unfrieden gestiftet oder sogar Krieg geführt. Weniger verbreitet ist der Ansatz, mit dem Frieden bei sich selbst zu beginnen. Dazu sollen die folgenden Mantra-Vorschläge dienen.

Ich spüre Frieden. Ich spüre Frieden in mir. Ich spüre Frieden mit meinen Nächsten. Ich spüre Frieden mit der Umwelt. Ich spüre Frieden mit allen Menschen. Ich spüre Frieden mit allen Wesen. Ich spüre Frieden mit Gott. Ich spüre Frieden mit mir selbst. Ich spüre Frieden.

Ich strahle Frieden aus. Ich strahle Frieden in mir aus. Ich strahle Frieden zu meinen Nächsten aus. Ich strahle Frieden in die Umwelt aus. Ich strahle Frieden zu allen Menschen aus. Ich strahle Frieden zu allen Wesen aus. Ich strahle Frieden mit Gott aus. Ich strahle Frieden zu Gott aus. Ich strahle Frieden zu mir selbst aus. Ich strahle Frieden aus.

Zu guter Letzt noch ein »klassisches« christliches Mantra - sehr schlicht und sehr wirksam zur achtsamen und zugleich absichts­losen Kontemplation.

Dona nobis pacem. Dona nobis pacem. Dona nobis pacem.

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Gib uns Frieden. Gib uns Frieden. Gib uns Frieden.

Friede sei mit dir! »Friede sei mit dir - und mit deinem Geiste.« So lautet der allseits bekannte Austausch zwischen Priester und Gemeinde am Anfang und oft am Ende der heiligen Messe. Dieser Ausspruch »Friede sei mit dir« kann ebenfalls zu einem wirksamen Friedensmantra werden.

Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir. Friede sei mit dir.

Zur Aktivierung der Chakras

Mantras können in die Chakras hinein gesungen, gesprochen oder gedacht werden. Nehmen Sie sich 2 bis 3 Minuten Zeit für je­des Chakra. Setzen Sie sich entspannt und wach hin, praktizieren Sie einige Male die Dampfkesselatmung. Vielleicht möchten Sie eine schöne Musik verwenden. Ich rate jedoch dazu, diese und andere Übungen auf jeden Fall auch ohne Musik auszuprobieren, damit Sie besser spüren, welche Wirkung die Mantras für sich allein ausüben.

Eine Zuordnung der in unserem Sprachraum üblichen Vokale zu den Chakras kann so aussehen:

• U - Wurzelchakra: Vitalität, Überleben, Steißbeingegend • O - Sexualchakra: Sexualität, Kreativität, Unterbauch

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• I - Nabelchakra: Ich-Bewusstsein, Ego, Oberbauch • E - Herzchakra: Bewusstsein, Selbst, Brustraum • A - Kehlkopfchakra: Vermittlung, Selbstausdruck, Halsraum

Hier werden die Vokale also nicht in der üblichen Reihenfolge a -e - i - o - u gesprochen, gesungen oder gedacht, sondern umge­kehrt, sozusagen in aufsteigender Reihenfolge. Das führt zu einer inneren Aufrichtung und zum Aufsteigen der Bewusstseinsener-gien durch den Körper und über ihn hinaus.

Vielleicht fragen Sie sich, wo denn das Augenchakra und das so genannte Kronenchakra bleiben. Am Augenchakra können Sie das Aum tönen oder mental erklingen lassen. Das Kronenchakra ist eine Bewusstseinsebene außerhalb des (feinstofflichen) Kör­pers und wird in Resonanz zu höheren Schwingungen gelangen, sobald wir uns »von unten hochgearbeitet« haben, ohne dass wir dazu etwas Spezielles unternehmen müssen.

Manche Menschen möchten die Mantraübung an den Chakras mit Farb- und Lichtvorstellungen verbinden. Die Elemente ste­hen bekanntlich für Eigenschaften: Erde für festes Beharren, Was­ser für fließende Anpassung, Feuer für energische Kraft, Luft für leichten Austausch und Äther für spirituelles Bewusstsein.

U - Wurzelchakra: Ziegelrot, Magenta; Element Erde O - Sexualchakra: Zinnoberrot, Orange; Element Wasser I - Nabelchakra: Gelbgrün, Löwenzahngelb; Element Feuer E - Herzchakra: Rosa, Königsblau; Element Luft A - Kehlkopfchakra: Türkis, Violett; Element Äther

Sie merken, dass wir hier nicht die gängigen Zuordnungen vor­schlagen - die meist, ohne nachzudenken, voneinander abge­schrieben wurden oder die der westlichen Annahme folgen, dass die Chakras nach dem Regenbogenspektrum aufgebaut seien und nur so aktiviert bzw. harmonisiert werden können. Die oben er­wähnten Zuordnungen können in der feinstofflichen Arbeit und

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in der Meditation als stimmig erfahren werden. Sie wurden, so­weit bekannt, zuerst in Indien im ursprünglichen Yoga-System überliefert.

Was ist mit Weiß, Silber und Gold? Am Augenchakra und darü­ber hinaus in höheren Ebenen werden diese Farben erlebt. Sie können diese drei »Farben« auch verwenden, um dann mit in Ihrer Vorstellung jedes Chakra zu reinigen.

Stellen Sie sich vor, wie weißes, silbernes oder goldenes Licht nacheinander mit dem Einatmen in Sie einströmt und in das Wurzelchakra fließt und wie Sie mit dem Ausatmen alles Über­flüssige, Überholte oder Belastende dort loslassen bzw. abgeben können.

Nachdem Sie diesen Vorgang zwei oder drei Mal wiederholt ha­ben, tönen Sie das U und lassen es im ganzen Körper schwingen. Lenken Sie die Vibration des langsam und bedächtig wiederhol­ten U hinunter in das Wurzelchakra, 1 bis 2 Minuten lang.

Danach wiederholen Sie diesen Vorgang beim Sexualchakra mit dem I usw. Wenn Sie am Kehlkopfchakra angekommen sind, fühlen Sie sich ohne weitere Übung oder Vorstellung in den Raum in Ihrem Kopf und darüber hinaus ein und nehmen Sie wahr, ob sich Bilder, Licht oder andere Wahrnehmungen einstellen. Schließen Sie mit einem kurzen Dank oder Gebet.

Zur spirituellen Öffnung

Wenn Sie sich spirituell weiterentwickeln möchten, dienen dazu in besonderer Weise solche Kraftworte, die einen Namen Gottes zum Ausdruck bringen. Zahlreiche Beispiele dafür finden Sie ja in den Abschnitten zu den verschiedenen Religionen. Weitere Hilfen geben solche Mantras, die zunächst vor allem die psychologische Öffnung und Entwicklung fördern, wie sie weiter oben schon an­geführt wurden.

Hier soll es nun um Kraftworte gehen, die speziell die spiritu-

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elle Entwicklung stärken und bislang noch nicht erwähnt wur­den.

Mutter des Lebens. Vater des Lebens. Himmel des Lebens.

Mutter allen Lebens. Vater allen Lebens. Himmel allen Lebens.

Mutter der Liebe. Vater der Liebe. Himmel der Liebe.

Mutter meiner Liebe. Vater meiner Liebe. Himmel meiner Liebe.

Quelle der Hoffnung. Brunnen der Wahrheit. Heimat der Seele.

Höchste Kraft. Höchster Segen. Höchste Erfüllung.

Größte Hoffnung. Größte Gnade. Größte Liebe.

Sie können üben, indem Sie einen dieser Begriffe oder eine Gruppe verwenden. Sie können auch jeweils einen persönlichen Bezug voranstellen wie:

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Ich bitte um ... Ich öffne mich für ... Komm zu mir,...

Das große Ja

Von K. O. Schmidt, dem längst verstorbenen Weisheitsforscher und Lebenslehrer, gibt es ein Buch voller Inspiration mit dem schönen Titel Das große Ja!. Darin beschreibt er, wie das vorbe­haltlose Ja zum Leben, zum eigenen Leben, zum Leben von Part­ner, Familie, Kollegen, Gemeinde, Mitmenschen, ja zu allen Lebe­wesen und Geschöpfen befreiende Wirkung entfalten kann. Hier einige Vorschläge, wie Sie ein Ja zu sich selbst »einüben« können, zu Ihren Beziehungen, zu Erfolg, Visionen, Mitmenschen, Leben, Leiden, Sterben und Tod, zu Bewusstsein, zu bewusstem Sein, zu dem in Ihnen und allen anderen, was immer sein wird.

Ich sage Ja/ Ich sage Ja/ Ich sage Ja/

Ich sage Ja zu deinem Leben! Ich sage Ja zu deinem Leben! Ich sage Ja zu Deinem Leben!

Ich sage Ja zu Dir! Ich sage Ja zu Dir! Ich sage Ja zu Dir!

Für manche Menschen ist es schwieriger, sich selbst anzunehmen als andere. Also sollten wir die beiden folgenden Mantras beson­ders eifrig nutzen.

Ich sage Ja zu meinem Leben! Ich sage Ja zu meinem Leben! Ich sage Ja zu meinem Leben!

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Ich sage Ja zu mir! Ich sage Ja zu mir! Ich sage Ja zu mir!

Wie ist unsere Einstellung zu Gott? Haben wir eine Beziehung zu Ihm? Können wir mit dem Begriff wenig oder gar nichts anfan­gen? Probieren Sie es einige Male mit »Gott«, auch wenn das Wort Ihnen nicht viel sagt. Oder ersetzen Sie diesen Begriff mit einem anderen, der für Sie besser passt, vielleicht mit »Schöpfungs­kraft«, »Große Mutter« oder »Vater Himmel«.

Ich sage Ja zu Gott! Ich sage Ja zu Gott! Ich sage Ja zu Gott!

Du

Im Lied des Berditschewer Rabbis im Abschnitt über Kraftworte im Judentum sind wir dem »Du« schon begegnet. Hier einige weitere Hinweise zu Mantra-Übungen mit dem Du.

Du, Du, Du, Du, Du. Du bist in meinem Sinnen. Du bist in meinem Fühlen. Du bist in meinem Träumen. Du bist in meinem Herzen. Du bist in mir und ich bin in Dir.

Wie soll der Apostel Paulus doch gesagt haben: »Ich lebe, aber nun lebe nicht mehr ich, sondern Du lebst in mir.« Das Ich und das Du sind unauflöslich und innig miteinander verbunden. Wo ein Du ist, gibt es ein Ich. Wo sich ein Ich wahrnimmt, gibt es ein Du. Die Wechselbeziehung von Ich und Du erfährt ihre

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höchste Erfüllung in der Einheit, die im Yin und Yang des Tao unnachahmlich zum Ausdruck kommt. Ich und Du behalten ihre individuelle Einzigartigkeit und formen doch ein Ganzes. In beiden ist jeweils der Keim des anderen enthalten, was sie dazu befähigt, in Resonanz miteinander zu schwingen und eine Einheit zu bilden.

Ich bin

Die St.-Germain-Bewegung hat das »Ich bin« zu einem macht­vollen Instrument der Selbstfindung und Selbstwerdung ausge­formt. Die jüdische Bezeichnung Gottes als Jehovah wird gern als Ich bin übersetzt. Der Psychologe Erich Fromm hat in seinem berühmten Buchtitel die rhetorische Frage gestellt: Haben oder Sein? Das Sein, das »Ich bin«, ist der Anfang unserer Individua-tion, unseres bewussten Lebens. In der Astrologie wird das Zei­chen Widder, mit dem der Tierkreis beginnt, und das 1. Haus mit der Affirmation »Ich bin« gleichgesetzt.

Probieren Sie aus, ob es für Sie die Wirkung verstärkt, wenn Sie die folgenden Kraftworte halblaut und gut hörbar aussprechen, während Sie mit einer Hand die Stirn und mit der anderen den Hinterkopf halten. Alternativ legen Sie eine Hand auf den Bauch und die andere auf das Herz. Sie werden vermutlich feststellen, dass Sie das »Ich bin ...« noch intensiver spüren.

Ich bin. Ich bin. Ich bin.

Ich bin. Ich bin Leben. Ich bin Körper. Ich bin im Körper. Ich bin Gefühl. Ich bin in Gefühlen.

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Ich bin Denken. Ich bin im Denken. Ich bin Bewusstsein. Ich bin im bewussten Sein. Ich bin Leben. Ich bin.

Ich bin Leben. Ich bin Liebe. Ich bin Klarheit. Ich bin Ruhe. Ich bin Frieden. Ich bin Stille. Ich bin.

Aus einem Gedicht des amerikanischen Psychologen Dr. Chuck Spezzano stammen die folgenden Worte, die sich sehr gut als Mantra im Sinne des »Ich bin« eignen; nun ist es aber ein anderer, der von sich sagt: »Ich bin.«

Ich bin immer für dich da. Ich bin da und warte darauf, dass du dich erinnerst. Schau vor dich: Ich bin da. Blick in dich: Ich bin da. Sieh hinter dich: Ich folge dir. Ich bin immer für dich da.

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Wie Sie Ihre persönlichen Mantras scharfen können

Die einfachste Möglichkeit, sich Ihr eigenes Mantra zu schaffen, besteht darin, dass Sie Ihren Vornamen verwenden. Sie können alle Vokale Ihrer Vornamen und Nachnamen in der Reihenfolge, wie sie auftauchen, als Mantra benutzen, in dem die Ursprungs­kraft Ihres Namens Ausdruck findet.

Alice Maria Berghausen hätte dann das Vokal-Mantra A-I-E A-I-A E-A-U-E; Yvonne Steiner hätte O-E E-I-E; Thomas Wunder hätte O-A U-E; Jan Ostrau hätte A O-A-U usw.

Vielleicht wollen Sie einmal ausprobieren, ob und wie der Name Ihres bzw. Ihrer Liebsten für Sie als Mantra wirkt. Dabei aber Vorsicht: Das kann süchtig oder blind machen - oder beides!

Oder Sie schlagen mit geschlossenen Augen einen Gedichtband auf und tippen auf eine Seite und nehmen das Wort, das Sie ne­ben Ihrem Finger auf der Seite am meisten anstrahlt.

Sie können auch eine der Karten aus Chuck Spezzanos Karten der Heilung ziehen (Achtung: nicht aus den Verschwörungs-, son­dern nur aus den Heilungskarten; bitte auch nicht aus normalen Tarotkarten, weil diese sehr oft negativ besetzt sind, eine Aus­nahme bildet das Tarot der Liebe (von Gayan S. Winter und Wul-fing von Rohr) und das entsprechende Wort als Tages- oder Wo-chen-Mantra üben. Hier eine Auswahl der Begriffe dieser Heilungskarten:

• Bestimmung • Bindungsfähigkeit • Erinnerung • Erwachen • Geburt • Gemeinschaß • Glück • Gnade

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• Humor • Innige Verbindung • Lernen • Meisterschaft • Nach Hause kommen • Segnung • Selbstwert • Sinn verwirklichen • Sorgenfrei • Transformation • Vertrauen • Vollendung • Wahrheit • Wunder

Selbstverständlich stehe es Ihnen frei, auch ganz andere Worte zu kombinieren oder aus den Vorschlägen in diesem Buch Laute oder Silben neu miteinander zu verbinden (siehe Registerüber­sicht im Anhang).

Es ist mir wichtig, Sie zu ermutigen, sich auf das Geheimnis von Kraftworten bzw. Mantras einzulassen, die Sie persönlich auf ganz besondere Weise ansprechen, die Ihr eigenes Herz wirklich berühren und bewegen.

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6. Er ist das Wort...

Alles geht in das Eine zurück, aber wohin kehrt das Eine zurück?

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Was sind Mantras? Wer Lottogewinne oder Wunderheilungen durch den Gebrauch von Mantras erwartet, wird meist enttäuscht werden. Wer sich auf den Zauber von Schwingungen einlässt und sich selbst als Teil einer Ganzheit versteht, die bereit gemacht wer­den sollte, um erfüllt zu werden, so wie die Frühlingserde für die neue Aussaat geöffnet wird, darf sicherlich viele zauberhafte Au­genblicke erleben.

Die Schöpfung folgt ihren eigenen Gesetzen, die einer höheren Inspiration entspringen, einem göttlichen Willen. So vieles im Le­ben folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die überpersönlicher Natur sind. Pflanzen entstehen aus einem Samenkorn, sie wach­sen heran, wenn es ihr Geschick so will, sie blühen auf, entwickeln sich, tragen Früchte und sinken eines Tages wieder zurück in die Erde, aus der ihre Hülle entsprang. Tiere, Menschen, vielleicht auch andere geistige Wesen folgen dem gleichen Rhythmus von Entstehen, Werden, Entfalten, Vergehen und - wie viele glauben und manche spüren - unsichtbarem Sein in einer anderen Welt. Kräfte wirken, die kosmischer Natur sind.

Mantras sind in einer solchen transpersonalen Betrachtungs­weise ein Mittel, um sich in kosmische Kräfte einzustimmen, die Körper und Seele, Herz und Geist durchdringen, tragen und er­heben. Dann kann auch ein schlichtes Wort wie »Ich liebe dich« zum Kraftwort werden, das Zauber wirkt.

Zum Ausklang möchte ich Ihnen ein wunderschönes Sonett der wahren Herzensliebe von Wolfgang Federau auf Ihren Le­bensweg mitgeben. In diesem Gedicht kommt eine höchste Wahrheit über den Sinn und das Wesen von Mantras, nämlich über das »innere Wort«, zum Ausdruck.

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Er ist das Wort. Und lässt sich doch nicht sagen. Er ist in tiefster Dunkelheit das Licht. Wir stehn in seinem Glanz. Doch geschlagen von Blindheit, bangen wir und - sehn ihn nicht.

Wir suchen ihn auf namenlosen Wegen. Wirflehn, er möge zeigen, dass er sei. Und immer wieder kommt er uns entgegen, und unerkannt geht er an uns vorbei.

Wir glauben ihn, selbst wenn uns Zweifel brennen. Er ist der Schwerpunkt dieser großen Welt, die sein Gesetz so ganz umschlossen hält.

Und spät, sehr spät erst lernen wir erkennen, dass er, der Ferne, ganz unwandelbar von Anbeginn in unserem Herzen war. (Wolfgang Federau, Te Deum, Sonette)

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Anhang

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Übersicht über alle im Buch aufgeführten Mantras

A E I O U 71,118 Allah-hu akbar 94 Alles wird gut 104 Aloha 76,78 Aloha Manawa 80 Amen 48 Anal'Haq 93 Aum 44,48 Bismillah... 95,106 Bitte hilf 106 Bud dho 66 Der Herr ist mein Hirte 106 Die heil'ge Drei 90 Dona nobis pacem 109 Du, Du, Du 83,115 Energie fließt 108 Es gibt kein Sein außerhalb von Gott 97 Es gibt kein Ziel außer Gott 96 Es gibt keine Erfahrung außerhalb Gottes 97 Es gibt keinen Gott außer Gott 96 Friede sei mit dir 110 Ge 72 Gebet für das neue Zeitalter 99 Große Invokation 98 HariKrishna 106 Hevenu shalom alechem 81 Höre Israel 80 Hu 93 Ich bin 116 Ich bin Gottes geliebtes Kind 106 Ich bin im Licht 106

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Ich bin Klarheit, mehr Klarheit 104 Ich fühle Heilung 108 Ich komme zur Ruh' 90 Ich lasse alles los 103 Ich nehme Zuflucht 65 Ich sage Ja 114 Ich spüre Frieden 109 Ich spüre Ruhe und Harmonie 103 Ich strahle Frieden aus 109 Iis 72 Ike 77 Ike Pono 80 Im Namen des Vaters 86 Jesus, ich vertraue auf Dich 90 Kala 77 KalaMana 80 Kun-feu-kun 91 Kyrie eleison 87 Laillahahillahah 96 Lauretanische Litanei 87 Licht und Ordnung breiten sich aus 104 Liebe deinen Herrn 86 Makia 77 Man 73 Mana 79 Manawa 78 Maria Rosa Mystica 88 Maria, bitte für mich 106 Mein Wesen ist bewusstes Sein 104 Möge Frieden auf Erden sein 108 Mutter... 113 Namo Kuan Shi Jin Pu Sa 64 Odem 73 OM 44,48

Om Ah Ra 66 Om Apadamapa Hataram 58 Om Baghavadji Kalike 55 Om Buddha Metri Mem Soha 66 Om Dum Durgajei Namaha 59 Om Eim Saraswatijei Swaha 60 Om Gum Ganapatajei Namaha 58 Om ham hanuma te namaha 61 Om mani padme hum 45,63 Om namah shivaya 54 Om ring hung kring 55 Om sharavana - bhavaya namaha 55 Om shrim mahalakshmijei swaha 59 Om Sri Rama, Jaja Rama 56 Om tare tutare tura soha 66 Om vajrasattva hum 66 Pater Pio-Litanei 89 Patniem manoramam dehi 61 Pono 79 Ram Nam Sat-i hej 61 Sate Naam 69 Sat patim dehi parameshvara 61 Shalom aleychem 82 So-Ham 52 Tat savitur varenjam 51 Tayata Om Bhaikandse 66 Terabani 69 Teranaam 69 Om Ah Ra Pa Tsa Na Dhi 66 Ur 74 Vater unser 86 Walte Wotan 72 Wo ich gehe 83 Yr 74

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Weitere »Mantras« können wir aus der christlichen Liturgie ablei­ten, zum Beispiel: • »Gib uns Frieden« • Heilig, heilig, heilig • Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes

Literaturhinweise

Buber, Martin: Die Erzählungen der Chassidim, Manesse, Zürich 1992

Campbell, Joseph: Das bist Du - Die spirituelle Bedeutung biblischer Geschichten, Wunder und Gleichnisse, Ansata, München 2002

Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka, Digitale Bibliothek, Di-rectmedia Publishing, Berlin 2004

Eckehart, Meister: Vom Wunder des Lebens, Reclam, Stuttgart 1984

Farrer-Halls, GilI: Die Welt des Buddhismus, Urania, CH-Neuhau-sen2001

Federau, Wolfgang: Te Deum, Sonette, Privatdruck Elisabeth Fe-derau, Lübeck 1986, Satz & Druck Eugen Radtke

Heiler, Friedrich: Die Religionen der Menschheit, Reclam, Stuttgart 1980

King, Serge Kahili: Huna - Der hawaiianische Weg zu einem erfüll­ten Leben, Lüchow Verlag, Stuttgart 2004

Lash, John: The Seeker's Handbook - The Complete Guide to Spi­ritual Pathfinding, Harmony Books, New York 1990

John O'Donohue: Anam Cara - Das Buch der keltischen Weisheit, dtv, München 1997

Kabir: Wie Gott die Welten schuf- Ein indischer Schöpfungsmythos, Sophia Verlag, Bergen 2001; Bezug über SK Publikationen Hof, Ludwigstraße 3, D 95028 Hof; Tel. +49-(0)9281-87412; E-Mail: [email protected]

Petuchowski, Jakob J.: Wie Juden beten, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1998

Rohr, Wulfing von: Meditation - Das Praxisbuch für den Alltag, Lüchow, Stuttgart 2005

Rohr, Wulfing von/Weltzien, Diane von (Hrsg.): Das große Lese­buch der Mystiker, Goldmann, München 1993; unveränderte Neuausgabe 2005

Rosenberg, Alfons (Hrsg.): Die Meditation des Herzensgebetes -

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Ein christlicher Weg der Meditation, O.W. Barth, Bern-München 1983

Silesius, Angelus: Aus dem Cherubinischen Wandersmann, Reclam, Stuttgart 1971

Singh, Darshan: Spirituelles Erwachen, Knaur, München 1999 Singh, Kirpal: Naam or Word, Sat Sandesh Books, Franklin NH-

USA 1970 ders.: Spirituelles Elixier, Origo Verlag, Bern 1978 Singh, Rajinder: Die Weisheit der erwachten Seele, Urania, CH-

Neuhausen 1999 Spezzano, Chuck: Es muss einen besseren Weg geben - Einführung

in die Psychologie der Vision, Via Nova, Petersberg 1993 ders.: Karten der Heilung - Verschwörungsmuster erkennen und

auflösen, Urania, CH-Neuhausen 2004 Veltheim-Ostrau, Hans-Hasso von: Tagebücher aus Asien, Erster

Teil, Ciaassen, Hamburg 1956 Weinreb, Friedrich: GottMutter-Die weibliche Seite Gottes, Thau-

ros, Weiler im Allgäu 1990 Yogananda, Paramhansa: Autobiographie of a Yogi, Self-Realiza-

tion Fellowship, Los Angeles 1971 (deutsche Ausgabe im Buch­handel unter dem Titel: Autobiographie eines Yogi)

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CD-Hinweise

Zu diesem Buch gibt es eine CD mit dem gleichen Titel,

die ebenfalls beim Lüchow Verlag erschienen ist.

Weitere Mantra-CDs:

Phyllida Anam-Aire: Let Love In, Touched, Cauldron of Song-, Be­zug über E-Mail an: [email protected]

Arunga Heiden: Verwandlungen, LebensFluss; Bezug über [email protected]

Chrisdiche Lieder und Kraftworte von P. Josef Pichler, OSFS: Komm, begleite Du mein Lebenl Bestellungen über: P. Mag. Pichler, Am Pösdingberg 1, A-4040 Linz, Tel. +43-(0)732-731228 oder: KIM-Zentrale, Weningstraße 35, D-85053 Ingol­stadt, Tel. +49-(0)841-62091

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Dank

Ich bin dir längst bekannt! Ich bin dir jetzt gesandt und werde dich im lichten Land erwarten. Ephides

Dank den vielen Menschen, durch die ich lernen durfte, mehr von Wesen und Wirkungen von Mantras und Kraftworten und von den Energien in Klängen zu verstehen. Dazu gehören zahlreiche Menschen, die ich nur durch ihre Bücher kennen lernte, vor allem der verehrte Hans-Hasso von Veltheim-Ostrau, ein Universalge­lehrter und Praktiker von Weisheitslehren, dessen Tagebücher aus Asien eine wahre Schatzgrube an sensibel und tiefgründig erfass-tem Lebenswissen darstellen. Dank sei verstorbenen und noch le­benden Lehrern und Wegbegleitern gesagt, besonders der Münch­ner Yoga-Lehrerin Anneliese Harf, in deren Unterricht ich erste Bekanntschaft mit Mantras machte, den Meditationsmeistern Sant Darshan Singh, von dem ich mystische islamische Mantras erhielt, und seinem Nachfolger Sant Rajinder Singh, der mir Kraftworte aus dem Sant-Mat-Meditationsweg übermittelte. Dank dem verstorbenen Sufi-Meister Pir Vilayat Khan und dem ebenfalls hinübergegangenen Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson. Dank auch dem Franziskaner-Pater Maximi­lian Mizzi aus Assisi und dem Geistlichen Rat Herbert Josef Schmatzberger, Pfarrer des Wallfahrtsortes Großgmain bei Salz­burg, dafür, dass ich durch sie an christliche Formen von Mantras und Litaneien herangeführt wurde. Dank den Schamanen und Heilern Martin Prechtel und Tim Sikyea für ihre Einführungen, mit Energien und Kraftworten umzugehen. Nicht zuletzt danke ich der Mantra-Sängerin Gudula Blau, der Erforscherin der Gaia-Kräfte Arunga Heiden, und der wunderbaren irisch-keltischen Druidin Phyllida Anamaire, die jede auf ihre Weise mit Mantras, Kraftworten, Kraftliedern und Musik das Herz für Liebe, Licht und Leben öffnen.

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