Manus-loquens

Embed Size (px)

Citation preview

MANUS LOQUENSMediologieBand 7Eine Schriftenreihe des Kulturwissenschaftlichen ForschungskollegsMedien und kulturelle KommunikationHerausgegeben von Ludwig JgerDuMontHerausgegeben von Matthias Bickenbach,Annina Klappert und Hedwig PompeMANUS LOQUENSMedium der Geste Gesten der MedienDiese Publikation ist im Sonderforschungsbereich/KulturwissenschaftlichenForschungskolleg 427 Medien und kulturelle Kommunikation, Kln, entstandenund wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der DeutschenForschungsgemeinschaft zur Verfgung gestellten Mittel gedruckt. Der Band wurde durch das Ministerium fr Schule, Wissenschaft und Forschungdes Landes Nordrhein-Westfalen gefrdert.Erste Auflage 2003 2003 DuMont Literatur und Kunst Verlag, KlnAlle Rechte vorbehaltenAusstattung und Umschlag: Groothuis, Lohfert, Consorten (Hamburg)Gesetzt aus der DTL Documenta und der DIN MittelschriftGedruckt auf surefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierSatz: Greiner und Reichel, KlnDruck und Verarbeitung: B. o. s. s Druck und Medien GmbH, KlevePrinted in GermanyISBN 3-8321-7830-9I NHALT SVE RZ E I CHNI SMat t hi asBi ckenbachVorwort 7Hedwi gPompeEine Handreichung zum Thema 8Anni naKl appertHandout der Beitrge 26Ursul aPet ersDigitus argumentalis. Autorbilder als Signatur von Lehr-auctoritasin der mittelalterlichen Liedberlieferung 31St ephani eAl t rock / Geral dKapf hammerHand-Bcher: Die Hand des Autors und sein Buch 66Hedwi gPompe Das Gesetz der Serie: Pdagogische Fingerzeige und modulare sthetikin einer Bild-Text-Folge des spten 18. Jahrhunderts (Chodowiecki /Lichtenberg) 102JrgenFohrmannHand und Herz des Philologen 131Anni naKl appertIn den Hnden des Wissenschaftlers.Die Pfeife im Bild und als Bild der Wissenschaft 158Mat t hi asBi ckenbachFotografierte Autorschaft: Die entzogene Hand 188Pet raLf f l erWas Hnde sagen: Von der sprechenden zur Ausdruckshand 210Cl audi aLi ebrand / I nesSt ei nerMonstrse Moderne: Zur Funktionsstelle der manus loquensin Robert Wienes ORLACS HNDE (sterreich 1924) 243Haral dKrmerManuelle Parameter als bildkonstituierende Elemente von ConsecutioTemporum: Schweizer, Bosse, Wegman und Serra 306Eri kaLi nz / Kl audi aGrot eSprechende Hnde. Ikonizitt in der Gebrdensprache undihre Auswirkungen auf semantische Strukturen 318JanPet erdeRui t erThe function of hand gesture in spoken conversation 338Al bert KmmelDie Hand des Bildes (Skizze) 348Aut orenverzei chni s 361Bi l dnachwei se 3647Mat t hi asBi ckenbachVORWORTDervorliegendeBandresultiertauseinergemeinsamenArbeitderProjektedesKulturwissenschaftlichen Forschungskollegs Medien und kulturelle Kommunika-tion. Fr den interdisziplinren Ansatz des Kollegs stellten sich Motiv wie Toposder redenden Hand als uerst fruchtbarer Bezugspunkt heraus. Das Thema dermanus loquens wird in den hier versammelten Beitrgen zum Anlass genommen,die kommunikative und intermediale Rolle der Geste zwischen Bildern und Dis-kursen genauer zu beobachten. Welchen Status hat die Hand als Medium? Wel-che Zeichen entwickeln Hnde, um Personen zu charakterisieren? Wie verndernund bewahren sich Gesten im Wandel der Medien? Als Medium der Geste traut man den Hnden seit der antiken Rhetorik dieKomplexitteinerautonomenSpracheunddenAusdruckEmotionenzu.KeinZufall,dassdieredendenHndezumZeichenderGelehrsamkeitwurden.DieredendeHandevoziertandererseitsauchimmerwiederHoffnungenaufeinealternative und universale Sprache. Doch die Hand ist kein einfaches Motiv. Jen-seits der metaphorischen Verfhrung einer Sprache der Hnde macht der ToposaufkulturelleSystemevisuellerKommunikationundihreMedienaufmerksam.AlsWerkzeugistdieHandebensoSymbolderArbeitwiedesknstlerischenSchaffens,eineSchnittstellegeistigerundphysischerTtigkeit.ImZeichenderschreibenden und malenden Hand reflektieren die Knste sich selbst. Durch dieneue Sichtbarkeit in Fotografie und Film werden Traditionen erneut wirksam undneueDiskurseinitiiert.KannmanGestenalskulturellesArchivbegreifen,dasdurchdieBildmediengreifbarwird?DieBeitrgemchtenzeigen,wieMedienundGestenkulturelleKonstellationenausprgen,wiesiePersonenattribuierenund welche Vernderungen mit der Entwicklung neuer Medien verbunden sind.8Hedwi gPompeE I NE HANDRE I CHUNGZ UMT HE MASobaldeseinenffentlichenCodegibt,demzufolgedasab-sichtlicheBewegendesAugenlidsalseingeheimesZeichengilt,soist dasebenZwinkern.Dasistalles,wasesdazuzusagengibt:einbichenVerhalten,einwenigKulturundvoil eine Gebrde.1Clifford GeertzI . ANT HROPOL OGI E ( UNDVE RSPRE CHE N)Wer von der menschlichen Hand spricht und schreibt, spricht und schreibt auchAnthropologie; dies umso mehr, wenn von der sprechenden Hand die Rede ist,giltdochdasSprachvermgendesMenschenalsseinganzbesonderesSpezifi-kum,dasgenuinmitseinerEntwicklungsgeschichteverbundenist.Diemoder-nenEvolutions-undKognitionsforschungenbeziehensichfrdieErforschungsolcher Zusammenhnge auf das Gehirn und andere Teile des menschlichen Kr-persalsArchiv,GegenstandundgleichsamtranszendentalenEinsatzpunktderMenschheitsgeschichte; ber aktuelle empirische Befunde, etwa in der Neurolo-gie, wird so der Raum der uranfnglichen Frhgeschichte des Menschen spekula-tiv geffnet. Die Fortschreibung der naturwissenschaftlichen Annherung an denMenschen ist dennoch an die Historizitt und Relativitt von Darstellungsverfah-ren gebunden und untersteht dem Dispositiv der gewhlten Medien und den spe-zifischen Darstellungsoperationen.2Wie andernorts im WissenschaftsgeschehengebensoauchdieErkenntnisseindenNaturwissenschaftenAuskunftberdieberformungen des vorgeblich natrlichen Krpers durch historisch variierendekulturelleTechniken.LngstscheintdieseinkonsensuellerwieselbstkritischerToposallerkulturgeschichtlichenErforschungderjeweilsanderenwieeige-nen RedevommenschlichenKrperunddessenSinnesaktivitten.3IndiesemZusammenhang verweist die Hand, die spricht, nicht nur auf eine in ihre eigeneKulturgeschichteverwickelteNaturgeschichteoder-wissenschaft,sondernaufinterdisziplinrebergriffezwischenallenWissenschaften,ihrenMethoden,TechnikenundMedien.FrdieBeobachtungsolchervielfltigenWechselbezie-hungen bietet sich die sprechende Hand so als ein attraktives Tertium Compara-tionis an. DiesseitsihrereigenenSprachfhigkeitzitiertsiesichselbstalseinWerk-zeug,dasauchinscheinbarreintechnischenZusammenhngenimmerwieder9zumZugekommt.UnddassdieHandsprechen,wiesieschreiben,malen,tan-zen, fotografieren, schlicht arbeiten kann, und wie sie ihre vielfltige, kulturbe-dingteTechnizittinallendiesenVorgngenselbstbezeichnendmiteinschliet,lsstsieineinesozialundhistorischvariierende,besondereKonkurrenzbezie-hungzudenSprechwerkzeugendesGesichtsoderauchzuderSprachlichkeitandersausgefhrternonverbalerGestiktreten.AlseinederattraktivstenVer-flechtungeninkulturwissenschaftlichenwiemedientheoretischenZusammen-hngenwirdgegenwrtigdieSchnittstellevonMenschundMaschineverhan-delt; aber nicht nur hier erscheint die Hand an exponierter Krperstelle, um ihremotivischeAttraktivittwievonselbstauszustellen.StellvertretendfrdenmenschlichenKrperundseineTeilesprichtbesonderssievomKrperalsei-ner bergangszone frdiekulturellerworbeneTechnizittallesMenschlichen.4SiegiltnichtnuralseinesderprimrenWerkzeuge,indemsichdasNatrlichemitdemKnstlichenschonimmerverbindet,gleichgltig,anwelchemPunktder unszugnglichenGeschichtederHandmaneinsetzt.MitihremGebrauchweistdermenschlicheKrperzugleichbersichhinausundkommuniziertineinerlangenReiheselbstgeschaffenerApparaturenmitdem,wasoftgenugalsseinAndereserscheint,mittierischerArbeit,gttlichemPneuma,technischenProthesen. Alle Funktionen der Hand wie die Mglichkeit, in ihren Gesten semantischoderexpressivzuerscheinen,besttigensichdaherallesanderealsbeilufig;imGegenteil,diesprechendeHandhinterlsstauffallendvieleSpurenimdiskursi-venBeziehungsgeflecht,dasBereichedesDazwischenkonstituiert:zwischenZeichen, Sprache und Kommunikation, zwischen Semantizitt und Funktionali-tt,zwischenMedien,zwischenKommunikabilittundMedialitt.Manknnteauchsagen:DiesprechendeHandtranskribiertmedienspezifisch,wassiekom-muniziert ihr eigenes Tun in allen seinen Mglichkeiten.5Oder noch anders: Siezitiert permanent sich selbst, wenn sie handelt.Dies liee sich historisch wie wissenschaftstheoretisch breit ausfalten, nichtnur, weil Krperkommunikation eines der Themen im interdisziplinren Dialogder letzten 30 Jahre ist.6Die Anziehungskraft dieses Themas auch im Bereich derGenderstudiesberuhtjanichtzuletztdarauf,dasssichamBeispielderKrper-sprachebesondersgutdasprekreVerhltniszwischennatrlichenundknst-lichen Zeichen und ihrer Materialitt diskutieren lsst. Hier werden gegenwrtigin der Differenz Leib und Krper diese Bezge neu und weiterhin berprft Kr-per verstanden als soziales und historisches Produkt, Leib als das andere der nunblinden Flecken eines allzu radikalen, zeichentheoretisch geschulten Konstrukti-vismus.7Eine Handreichung zum Thema10In dem vorliegenden Band werden die Akzente anders gesetzt, hier liegt derFokus auf der Adressierung der Hand als Zeichen und als Medium in verschiede-nenMedien.IndiesemSinnegehtesumdasVersprechenihrerSprachfhigkeitwiedessenKritik,wennsieihreZeicheninbesonderenmedialenSituationensetzt.DiePerformanzdersprechendenHanduntermedienspezifischenBedin-gungen zu beobachten erweist sich damit als ein Thema, das die von der Sprech-akttheorie geleistete Engfhrung von Sprechen und Handeln wieder auseinanderzuziehenvermag.Angenommen,nurdieSprachesprichtundhandeltent-sprechendsprachspezifisch,dannwrezufragen,wiebeispielsweisedieHandin derMalerei,inderFotografieoderimFilmhandelt,umBedeutungzuver-mitteln.MankannsichvonderMetaphorikdersprechendenHandverfhren,ansprechen lassen, eine Verfhrung, die bereits in der Feststellung, hier kommu-nizieren die nonverbalen Gesten der Hand, statthat. Andererseits widersteht mandieser Verfhrung zur Sprachlichkeit vielleicht nur dort, wo das Medium, in demdieHandagiert,zurlesbaren/unlesbarenBotschaftseinerselbstinderHandwird;einerBotschaft,dieindiesemFalllautenmsste:MeinHandelnfunktio-niert nicht wie die Sprache. Was dieses Handeln als selbsteigene Sprache der dar-stellendenMedienimMediumderHanddannvermittelte,scheinteinenochweitgehend offene Frage zu sein.8Im Folgenden wird der Verfhrung zur Sprach-lichkeit und Kommunikationsfunktion der Hnde in einigen Punkten nachgegan-gen.I I . NOMOSUNDDI F F E RE NZ DE RKNST E ( GE ST E UNDGE BRDE )Contre cur, so knnte man vermuten, lautet der deutsche Terminus fr die na-trlicheSpracheGehrloserheuteGebrdensprache,wohingegenimenglisch-sprachigen Kontext von sign language gesprochen wird.9In der (deutschsprachi-gen) Tradition, die es ermglicht, von Gebrde und von Geste zu sprechen, scheintdie Zeichenhaftigkeit der Gebrde eher im Kontext des Traditionsstrangs der Aus-druckstheorienzustehen,die(seitAristoteles)aufeinanalogischesVerhltniszwischen innerer Empfindung und uerer Krpersprache setzen, wobei der zei-chenhafteAusdruck,dereinGegenberadressiert,denvermutetenSeelenzu-stand des Senders signifiziert. Karl Bhler, der auf der Schwelle zwischen Sprach-psychologie und moderner Linguistik steht, unterscheidet in seiner historischenRekonstruktionderAusdruckstheorie von1933imAnschlussanJohannJakobEngelzwischenDarstellung undAusdruck.10EngelgreiftinseinerMimik von1785, einem klassischen Text fr die Ausbildung des Schauspielers, fr diese Un-Hedwig Pompe11terscheidungseinerseitsaufeinevonCiceroeingefhrteDifferenzierungzwi-schendemonstrare undsignificare indernonverbalenZeichengebungzurck.11DieGestikdesRednerssollnachCicerodieWortenichtwieaufeinerBhnepantomimischwiedergeben,sonderndengesamtenInhaltundGedankenan-deutend, nicht darstellend ausdrcken (non demonstratione, sed significationedeclarans).12Engel setzt in seiner Abhandlung den Begriff des Darstellens (de-monstrare)mitdemMalengleich,esgehthieralsoummimetisch-ikonischeAnteileimGestenrepertoire,anhandwelchersichdieprofessionellenBewe-gungendesSchauspielersvomrhetorischsignifizierendenGestengebrauchdesRednersunterscheidenlassen.DieAbgrenzungdesEinsatzesvonStimmeundKrpergebrdenderSchauspielerrespektivederpantomimischenGestikvonStimm- und Krpereinsatz des Redners bercksichtigt von der griechisch-rmi-schenAntikebisindieneuzeitlichenSchauspiel-undRhetoriktheoriensoeinewechselseitigeBezogenheitimSpektrumallerMittel,dieinkommunikativenHandlungenzumEinsatzkommen.ImVersuch,hierdieeigeneunddieandereKunstfertigkeitundProfessionalittzubestimmen,istdieberschreitungderausgewiesenen Grenzen (was einbezogen, was ausgeschlossen wird) im MediumdesKrpersimmerschonangelegt,wennnichtsogarvollzogen.DerBegriffderMimik,mitdemsowohlKrper-alsauchStimmgestengemeintseinknnen,trgt diesem Umstand Rechnung.AlsNomosundmedialeDifferenzenderdarstellendenKnsteundderRedekunst werden Ciceros Unterscheidungen von Quintilian wieder aufgenom-men.Dielexgestus,mitwelchemBegriffQuintiliandasgriechischeChirono-mie bersetzt,13beschrnkt sich nicht nur auf die Bewegung der Hnde, sonderntrgtinumfassenderWeisedemkomplexenZusammenwirkenvonvisuellzu-gnglicher Krpersprache14und lautsprachlicher Durchfhrung in der Pronuntia-tio Rechnung.HiermussvondergleichzeitigenAdressierungallerSinneindenverschiedenen Arten des krpereigenen Zeichengebrauchs ausgegangen werden,sodass die Modalittsbrche zwischen Sehen, Hren und Fhlen, die als Sinnes-funktionenvondenKnstenunterschiedlichangesprochensind,inderRede-kunstberspieltwerden.NebendensemantischorientiertenFunktionenderKrpergesten,andeutendzusignifizieren,pathetischauszudrckenundmime-tischanzeigenddarzustellen,hebtQuintilianinseinerActio-Lehrebesondersden Aspekt einer parallel die Rede begleitenden Gestik der Hnde hervor: Und diese Gebrden [gemeint sind die Gesten der Hand] nun [] sind es,dieinnatrlicherWeisemitdemsprachlichenAusdruckeinhergehen(cumipsisvocibusnaturaliterexeuntgestus);esgibtaberauchnochEine Handreichung zum Thema12andere,diedieGegenstndedurchNachahmungkennzeichnen(quiresimitationesignificant),wennmanetwaeinenKrankendurchdiehn-lichkeitmitderGebrde,wieeinArztdenPulsfhlt,darstelltoderei-nen Kitharaspielerdadurch,damandenHndeneineHaltunggibt,alsschlgemandieSaiten.DieseArtvonGebrdenistbeimVortragaufsuerstezumeiden.DennaufsstrkstemusichderRednervomAus-druckstnzer(Pantomimen)abheben,sodadasGebrdenspielmehrdemSinnalsdenWortendient(utsitgestusadsensusmagisquamadverbaaccommodatus),wieesjaauchbeidenetwasanspruchsvollerenSchauspielern gebruchlich war. Wenn ich also es auch gestatten mchte,dieHandaufsichzurichten,wennmanvonsichselbstspricht,fernerauchsieaufdenzurichten,densiemeint,undandereGebrdendieserArt, so wenig doch, bestimmte Stellungen und alles, was man sagen will,darzustellen (ostendere). Und das gilt es nicht allein bei den Hnden, son-dern im ganzen Gebrdenspiel und stimmlichen Ausdruck zu beachten.15InderumfassendenlexgestusvonQuintiliansActio-LehrestellendieRegelnfr die sprechenden Hnde das ausfhrlichste Stck dar. Als ein Seitenstrang derActio-RegelnwerdendieseauchunterdemlatinisiertenBegriffderChironomiafortgefhrt.16Ihre Prominenz gewinnt die Handgestik bei Quintilian in ihrer (un-terstellten) vieldimensionierten Sprachhnlichkeit:BeidenHnden nungar,ohnediederVortragverstmmeltwirkteundschwchlich, lt es sich kaum sagen, ber welchen Reichtum an Bewe-gungensieverfgen,dasiefastdieganzeFlle,diedenWortenselbsteigen ist, erreichen. Mitihnenfordern,versprechen,rufen,entlassen,drohen,flehen,ver-wnschen, frchten, fragen und verneinen wir, geben wir der Freude, derTrauer,demZweifel,demEingestndnis,derReue,demAusma,derFlle, der Anzahl und Zeit Ausdruck. Sind sie es nicht ebenfalls, die anspornen und verwehren, loben, bestau-nenunddieAchtungbekunden?bernehmensiezurBezeichnungdesOrtesundderPersonnichtdieRollederAdverbienundPronomina?So mchte ich, so verschieden die Sprachen bei allen Vlkern und Stm-men sind, hierin die gemeinsame Sprache der Menschheit erblicken (ut intanta per omnes gentes nationesque linguae diversitate hic mihi omniumhominum communis sermo videatur).17Hedwig Pompe13Wenn Quintilian und nach ihm andere sich im Einzelnen fr vox (Stimme), habi-tuscorporis (Krperhaltung),vultus (Mienenspiel),gestus (Gebrdenspiel)undderen gemeinsames Zusammenwirken in der Krpersprache interessieren,18sindsie immer auch Medientheoretiker des Krpers und seiner Zeichen, insofern siediespezifischenSinnesmodalittenbeiderZeichenproduktionwie-rezeptionbeachten. Traditionsbildend (und mit zeichentheoretischem Kritizismus als Vor-urteil bis in die Gegenwart hinein verfolgbar) ist auch die Annahme gewesen, dassessichbeidenKrpergestenumeineuniverselle(unddeshalbleichtverstnd-liche)MenschheitsspracheinnatrlicherGestalthandelt.AufprgnanteWeisewird bei Quintilian der an die Visualitt gekoppelte Universalismusgedanke abergeradedadurchkonterkariert,dassnachihmeinedielautsprachlichenue-rungenbegleitendeGestikderHndenichtnurausdruckshaltigeTeilederRedeverstrkt,sondernauchaufsprachrhythmische,grammatische,deiktischeundweitereSprachfunktionenbezogenist.SowenigdiesprechendenHndedamitbereits ber eine eigene Sprache im strengen linguistischen Sinne verfgen (unddieseRolleimrhetorischenSystemauchnichtbernehmensollten),sosehrschreibt sich damit von hier aus gegen den Universalismusgedanken eine vielsei-tigeFunktionalittundEinsetzbarkeitgeradederHndeher,dieinbesondererWeisefrdiespezifischsemantischeAmbivalenzvonGestikverantwortlichsind. Der Universalsprachgedanke verbindet sich in der Frhen Neuzeit dann mitder Beobachtung von Gebrdensprachen, etwa in den Werken von John Bulwer,19undebensoistinderlangenTraditionderrhetorischenBeobachtungdergesti-schen Sprache das Argument eines jederzeit mglichen Zerfalls in eine je indivi-duelle Handhabung von Gesten angelegt.NachEngel,derimspten18. JahrhundertanTeilederrhetorischenTradi-tioninseinerSchauspieltheorieanschliet,msseninderAktiondesRednerswie auch des Schauspielers anwesende Dinge nicht mimetisch dargestellt werden(demonstrare oder malen); hier reicht der Gebrauch von Gesten mit deiktischerFunktion hin (significare).20Die Idee einer Geste, die nur andeutet und hinweist,verschrnkt sich nun bei Engel mit der Prgnanz, die der Ausdrucksgebung eigenist,derDeutlichkeitderunwillkrlichenAffektregungen.21Letzterewerdenih-rerseitsalsnatrlicheKrperzeichenim18. Jahrhundertparadigmatischfrdas(entwederarbitrreoderebennichtkontingente)VerhltnisvonZeichenundihremBedeutetendiskutiert.22Malerey,soEngel,istmir[]jedesinnlicheDarstellung der Sache selbst, welche die Seele denkt; Ausdruk jede sinnliche Dar-stellungderFassung,derGesinnung,womitsiedenkt;desganzenZustandes,worinn sie durch ihr Denken versezt wird.23Der mit der Affektenlehre verbun-dene, weitere Traditionsstrang, der in die Konzeption der Ausdruckslehre hinein-Eine Handreichung zum Thema14ragt,istdiePhysiognomie,dieausdenanalogenVerhltnissenzwischenPsycheundausdrucksstarkemKrpernichtzuletztdenCharaktereinerPersonabliest.Damit kommt in der Krpersemiotik seit dem spten 18. Jahrhundert auf der SeitedesSignifizierenseineZweitunterscheidungzumZuge,dienichtnurinderAusbildungdesSchauspielerszahlreicheparadoxaleKonstellationennachsichzieht: Naturveranlagung ist Voraussetzung einer charaktervollen Darstellung, dieihre Kunst der Zeichengebung an den Krper bindet; in diesem Krper sind so na-trlichesundknstlichesKnneninderZeichenproduktionverschrnkt.DerKrper ist ein natrliches Medium, an dem die Techniken des professionellen undentsprechendkodifiziertenGestenerwerbs(desRednersoderSchauspielers)dennoch ansetzen mssen.24Die Konfrontation des Mittelbaren mit dem behaup-tetenUnmittelbarenfhrtinderAusdrucks-alsZeichenlehresoaufdiewider-sprchlichen Funktionen des Medialen selbst zurck: was unmittelbar gegeben zusein scheint und agiert der Charakter, die psychische Disposition, der Affekt ,erweist sich nur beobachtbar im Medium/Mittel seiner Darstellung.25I I I . PHANTASMADE RDE I XI S, BE RSI CHHI NAUSWE I SE NDWeitreichendesystematischeHinsichtenaufdieSprachederHnde,insoferndieseTeilderGesamtheitdesKrpersundseinerzugeschriebenenSprachfhig-keitsind,werdenvondenSprach-undKognitionswissenschaftenentworfen,wobeiinevolutionstheoretischerPerspektivedaseinenichtvomanderenabls-bar ist.26Die Geschichte vom Spracherwerb des Homo sapiens erzhlt dabei vonder prominenten Rolle, die der Hand neben dem Gesicht und dessen Sprechwerk-zeugenzukommt.DieFreisetzungderHanddurchdenerworbenenaufrechtenGangzeitigtweiteretechnischeFolgen:GertschaftenfertigenundbenutzenzuknnenisteineFhigkeit,dieVoraussetzungfrdenSchrifterwerbist.DieEnt-wicklungderLautsprache,soeinevolutionstheoretischesSzenario,setztdabeieinerseits die Existenz einer gestisch-visuellen Sprache voraus und fhrt anderer-seitszurErsetzungdermanuellenSprachedurchdieSprachedesGesichts.27Die visuelle Modalitt bleibt aber in und mit der Sprachfhigkeit der Krpergestenerhalten,auchwenndieFunktionalittihrerSpracheevolutionrvonderEnt-wicklungderLautspracheberholtwird.DieLautsprachewirdihrerseitsnichtmehrimeinfachenSinnevonderSchriftspracheberholt,aberdasArchime-diumSprache(soderBegriff,indemLudwigJgerdieevolutionreBedeutungvon Sprache przisiert) wird noch einmal nachhaltig durch die Literalitt in seinerKomplexitt gesteigert. Was unter evolutionstheoretischen Aspekten im Verhlt-Hedwig Pompe15nis von Sprache und Kognition bereits als Urgeschichte angesetzt wird, die inter-medial vernetzten Modalitten des Visuellen und Auditiven in der menschlichenKommunikation, bleibt aus dieser Perspektive fr alle Zeiten erhalten.Mit der Geschichte der Hand verbindet sich so der Anspruch, genuine Hin-weise aufdieanihreSprachfhigkeitgekoppelteEntwicklungsgeschichtederMenschheitselbstgebenzuknnen.DieserUmstandscheintdenhandeigenenGesten der semantischen Vereindeutigung, zu denen das Hinweisen gehrt, einebesondere kulturelle Autoritt zu verleihen. In den kodifizierten Gesten des hin-weisenden Zeigefingers wird diese Autoritt emblematisch verdichtet. AuchQuintiliansActio-LehresiehtdieFunktionalitteinerintentionalenGestik im verweisenden Zeigen; Anzeigen (indicare) und Anschuldigen (expro-bare) gehren zusammen:WenndagegendreigekrmmteFingervomDaumenfestgeklammertwerden, dann pflegt man den Finger, von dem, wie Cicero sagt,28CrassussovortrefflichGebrauchzumachenverstand,auszustrecken.DieserkommtbeimAnschuldigenundbeimAnzeigenwohererjaseineNa-men hat zur Geltung (is in exprobando et indicando [unde ei nomen est]valet);wirddieHandgehobenundzurSchultergewandt,sodienter,leichtgebogen,zurBekrftigung;erdwrtsgewandtundgleichsamsteilnachuntendienterzumNachdruck;manchmaldienterauchzumZh-len.29IndenTechnikennichtnurdesZeigefingers,sondernallerFinger(dendigiti),die auch das gestische Zhlen ermglichen, zeichnet sich so schon die zuknftigeAutoritt der digitalen Kodifizierung von Kommunikation ab, insofern Bedeu-tung in der Unterscheidung von ja und nein, eins und zwei auszhlend produziertwerden kann. Damit steht die menschliche Hand zwischen den analogen und dendigitalen Medien.Die Autoritt des Zeigefingers, der auf etwas verweist, wird im Blick, der derangewiesenen Lese- und Interpretationsrichtung folgt, gespiegelt. Eine Destabili-sierungwieformaleBesttigungderkommunikativenBeziehungzwischenderGestedesZeigensunddemkorrespondierendenBlickerfolgtdurchdieanalyti-sche Zerlegung einer solchen Kommunikationssituation: auf der Seite der synthe-tischenGesteetwaindiebeteiligtenKrpersegmenteArm,Hand,Finger,unddieswiederuminRelationzumKrper,zudessenVerortbarkeitimsymbolischgenerierten Raum. Auf beiden Seiten der evozierten Schnittstelle, die eine Hand-geste vorgibt, nimmt man die rumliche Suggestion der Metapher der Stelle auf,Eine Handreichung zum Thema16stehen und warten immer komplexe Kommunikationsgebilde; sie laufen am Ortder Schnittstelle als Kreuzwege der Kommunikation zusammen, wie sie sich zu-gleich wieder trennen. DerSprachpsychologeKarlBhlerverfolgtimverweisendenZeigefingerdenbasalenModusmenschlicherSelbst-undFremdreferenz.30Erruftdafreinkollektives Erinnerungsbild auf, das die Regieanweisung, wie mit der deiktischenFunktion von bestimmten Sprachwrtern umzugehen sei, enthlt:Es gibt mehr als nur eine Art gestenhaft zu deuten; doch bleiben wir beimWegweiser: an Wegverzweigungen oder irgendwo im weglosen Gelndeist weithin sichtbar ein Arm, ein Pfeil errichtet; ein Arm oder Pfeil, dergewhnlicheinenOrtsnamentrgt.ErtutdemWandererguteDienste,wenn alles klappt, wozu vorweg ntig ist, da er in seinem Zeigfeld richtigsteht.KaummehralsdiesetrivialeEinsichtsollmitgenommenunddieFrageerhobenwerden,obesunterdenlautsprachlichenZeichensolchegibt,welchewieWegweiserfungieren.DieAntwortlautet:ja,hnlichfungieren Zeigwrter wie hier und dort.AlleindaskonkreteSprechereignisunterscheidetsichvomunbewegtenDastehendeshlzernenArmesimGelndeindemeinenwichtigenPunkte, da es ein Ereignis ist. Noch mehr: es ist eine komplexe menschli-cheHandlung.UndinihrhatderSendernichtnurwiederWegweisereine bestimmte Position im Gelnde, sondern er spielt auch eine Rolle, dieRolle des Senders abgehoben von der Rolle des Empfngers. Denn es ge-hren zwei nicht nur zum Heiraten, sondern zu jedem sozialen Gesche-hen und das konkrete Sprechereignis mu am vollen Modell des Sprech-verkehrszuerstbeschriebenwerden.WenneinSprecheraufdenSenderdes aktuellen Wortes verweisen will, dann sagt er ich, und wenn er aufden Empfnger verweisen will, dann sagt er du. Auch ich und du sindZeigwrterundprimrnichtsanderes.WennmandenblichenNamenPersonalia,densietragen,zurckbersetztinsGriechischeProsopongleichAntlitz,MaskeoderRolle,verschwindetetwasvondemerstenErstaunen ber unsere These [].31Es ist die Utopie des Subjekts, das im Moment des in Sprachlichkeit mndendenZeigensamrichtigenOrtsteht,diehieraufdemKreuzungspunktzwischenPsychologieundLinguistiknocheinmalmitjabeantwortetwird.Wolltemaneine Sprachethik der Handgesten konzipieren, so knnte sie an diesem autoritati-venwietrivialen,weillebenspraktischevidentenFingerzeigendesZeigefingers,Hedwig Pompe17an dessen Bejahung der deiktischen Sprachfunktion ansetzen. Die Willkr einerintentionalenGestikkrperlicherSprachhandlungenwreabernichtnureindemSubjekt(unddessenPhilosophie)anzulastendesKommunikationsereignis;dieseIntentionalittlieesichaufdiereferenzielle FunktionallerSprachzeichenrckfhrenundentsprechendanallensemiotischzugnglichenZeichenzusam-menhngen ablesen. Auch die gerichteten Botschaften der Medien werden in die-serWeisealsihreselbsteigenengestischenAnweisungen,wiemitihnenumzu-gehensei,vondensiediskursivierendenTheorienautoritativeingefhrt.Manentkommt in diesem Sinne der unironischen Geste des eigenen Textes und seinerSchriftnicht;diesverdientbesondereAufmerksamkeit,insoferndieSchriftdesTextesimmernochbevorzugtesMediumderTheoriebildungindenKulturwis-senschaftenist.UndauchdievielenGegengeschichtenderVerneinung,einesapotropischen Zusammenwirkens von Lautsprache und Handgesten lieen sichzunchstgleichermaenbasalinderIdeedesBhlerschenZeigfeldseinergesti-schen Sprache wie einer Sprache der Gesten konzeptualisieren.32KarlBhler,umbeieinemauchanderAusdruckstheorieinteressiertenSprachpsychologenzubleiben,gewinnthierausseineigenessprachtheoretischgewendetesKonzeptderDeixisamPhantasma:33Etwas,dasnurangedeutet,aber im hinweisenden Zeigen des Krpers dennoch signifiziert wird, wie der in-nerepsychischeZustand,istimMomentseineruerlichenSignifikationganzgegenwrtigundwahrnehmbarfrandere.DerzeichenhafteKrpersetztsogleichsamaufeinephantasmatischeReferenzfunktionseinerMedialitt.34Derausdrckliche Hinweis der gestischen Krperzeichen auf ein Inneres, ein zugleichim Auen reprsentiertes Inneres, beruht damit auf einem doppelten Modalitts-bruch,derdieSprachederExpressivittauszeichnet:MitBlickaufdenZustandderPsychewirdderenVorsprachlichkeitmitsichtbaren,abergleichfallsvorderSprachestehenden,non-verbalen Gestenkorreliert.DasselbevisuelleZeichenspricht von dem, was nicht gesprochen wird, weil es zeigt, was anders nicht zuzeigenwre.NurbehelfsmigwerdensolcheexpressivenSignale,wennsiedielautsprachlichenuerungenbegleiten,linguistischdemFeldderparasprach-lichenMomentezugeschlagen(einBegriff,derbeiweitemnichtdasabdeckenkann, was in der Pantomime, im Schauspiel oder im Film an stummen, visuellenKrperzeichen zum Einsatz kommt). Der inhrente Bruch zwischen Signifikant und Signifikat im Modus der Vi-sualittstelltberdieLautsprachehinwegeinehnlichkeitsrelationzwischendenZeichenderSchriftunddenGestenher.IhrestummeVisualittmachtsiebeidephnomenologischvondenlautsprachlichenZeichenunterscheidbar.Da-rber hinaus liee sich dann aber allgemeiner fragen, ob nicht die in den GestenEine Handreichung zum Thema18desZeigefingersemblematischaufgerufeneReferenzfunktiondasPhantasmaaller Deixis bildlich signifiziert und in diesem Sinne eine ikonische, an VisualittgebundeneZeichenlehrebeinhaltet.BesondersdieGestenderHandindiziertensoaucheinemetaphysischeAusrichtungdesZeigensdurchsichtbareZeichen.MichelangelosFreskoderErschaffungAdamsausdemBilderzyklusderSixtini-schenKapellewreeinparadigmatischeswieautoritativesBild-Zitat,dasdiestummehnlichkeitsrelationzwischenSchriftundBildzusammenfhrt,in-dem es das nie gehrte Wort Gottes und seine Tat gestisch-visuell bezeugte: EsdemonstriertdiebersinnlicheFhigkeiteinerfast vollzogenenBerhrungdesmenschlichenundgttlichenZeigefingersunddieBelehnungdurchdiezitie-rende Wiederholung der gttlichen Gerichtetheit ber alles Trennende hinweg inder Handgeste Adams. Das Fresko zeigte die referenzielle Funktion der Deixis wieden Bruch und die metaphysische Tendenz, die der berwindung des Bruches imZitat der referenziellen Geste dient.35In diesem zeichentheoretischen Sinne httesich die Referenzfunktion jedes materialisierten Zeichens einem oder sogar meh-reren Modalittsbrchen zu stellen, denen man medientheoretisch in allen inter-und intramedialen Bezgen nachgehen kann. Gerade die Geschichte der Kommu-nikationsapparatewirdjaentlangeinerevolutionrverstandenenErweiterungvonmglichenBezugnahmendesmenschlichenKrpersaufnichtGegenwrti-ges erzhlt. Die Adressierung von Abwesendem wird hier im Phantasma techni-scher Machbarkeit mit entsprechender Medieneuphorie fortgeschrieben.I V. WE I T E RE VE RSPRE CHE N: L E SBARKE I T, F I GURAT I VI T T, HABI T UAL I SI E RUNG( HNL I CHKE I T E N)DieAmbiguittdervielenVersprechendermanusloquens entfaltetsichsozwi-scheneinerRhetorizittderVerstehbarkeitwieeinerUnlesbarkeitihrerseman-tisch grenzwertigen Gestik, zwischen der Referenzialisierbarkeit ihrer ikonischenundandereZeichenrelationenausspielendenHandlungenunddemEntzugvonDeutbarkeit in denselben Gesten, zwischen anschlussfhiger Informationshaltig-keit und beilufiger Mitteilung in Interaktionen. SowiediesichtbarenZeichenderSchriftalseinBedeutungerzeugendesSystem der Sprache auf eine sie grundierende Mndlichkeit verwiesen sind,36soscheintauchdieLesbarkeitdernonverbalen KrpergestikanihrenGebrauchimKontextintermedialerundintermodalerBezgeangewiesen.AneineranderenStelle des Fragehorizonts, wie man ber die in ihrer visuellen Stummheit spre-chende Hand schreiben kann, setzt wiederum die Linguistik an, wenn sie die rela-tive Autonomie nonverbaler Gesten von der Gebrdensprache aus beschreibt. DieHedwig Pompe19dortgewonneneErkenntnis,dassessichbeiden(nationaldifferierenden)Ge-brdensprachen um natrliche Sprachen handelt, geht mit einer politischen Sto-richtungimProjektihrerErforschungeinher.SofehltimmernochinweitenTeilendiegesellschaftlicheAnerkennungderfunktionalenGleichrangigkeitdernonliteralen, gestisch ausgerichteten Gebrdensprachen gegenber den Lautspra-chenundderenVerschriftungssystemen.37IndenGebrdensprachenmssennonverbale Gesten, die kommunizieren, ohne den Aspekt der eigenen, system-bezogenenSprachlichkeitimstrengenSinnezuerfllen,imBereichderselbenModalitt,ihrerVisualitt,vondenGebrdensprachzeichenabgehobenwer-den. DiesunterscheidetdieBeschreibungnichtsystembezogenerGesteninderGebrdensprachevoneinerzudeutendenGestik,diedieLautsprachenbeglei-tet. Der schizophrenedouble-bindvonZeichengebung,denGregoryBatesonaufgrundverschiedenerModalittenimVerhltnisvonlautsprachlichenue-rungenundparalleler,scheinbargegenlufigernonverbalerGestikbeobachtenkonnte,mssteindenGebrdensprachenentsprechendandersrelationiertwer-den.38In der Literaturwissenschaft hat Paul de Man den Double-Bind, der paralleleZeichengebung von Laut- und Krpersprache geradezu kontrr deutbar macht, freine generelle Theorie der Unlesbarkeit des Sinn produzierenden Zeichens frucht-bar gemacht. So liest er Heinrich von Kleists Text ber das Marionettentheater aufparadigmatischeWeiseauchinderunaufhebbarenSpannungvongesprochenerundhabituellerZeichengebung.39DiesemantischeKrisedesreprsentativenSprachzeichens wrde ber den Riss, der gesprochene und gestikulierte Sprachetrennt,inderSchrift,diedieseserzhlt,vermittelt.Wiezitiertnun,sowrebeieinem Text wie Kleists Marionettentheater zu fragen, die verschriftete Lautspra-che der beiden Dialogpartner die Modalitt der nonverbalen Krpersprache, derenVisualitt? Steht die Schrift (wie oben behauptet) in einer hnlichkeitsrelation zuden gestischen Zeichen, allein aufgrund ihrer Visualitt? Auf welcher Ebene desVisuellenstelltendanndieFiguren,derenInteraktionKleistinderSchriftvor-fhrt, die Figur der Unlesbarkeit, die Paul de Man darin liest, dar? Sieht man auchin der Schrift, was nicht zu sehen ist? Welche unlesbaren medialen Spuren zwi-schen Krper, Laut- und Gestensprache legte ein Text wie das Marionettentheaterdann aus? Und wo lge der mediale Ort der Figurativitt, um den die verschiede-nenSprachendesKrperswetteifern?InLiebewetteifern,folgtmanRolandBarthes Lesart einer figurativen Sprache (der Liebe).40Was unter Gebrdensprechern der semantischen Vereindeutigung dient, den Zei-chen der Hand einen systemisch bestimmten, relationalen Ort zu geben, der sichEine Handreichung zum Thema20aus den Parametern Handform, Handstellung, Ausfhrungsstelle (am Krper) undBewegung zusammensetzt,41klrt mitnichten die Semantizitt und Funktionali-ttderGestennonverbalerKommunikation.Hierwreeinebisaufdieindivi-duelle Ebene und Situation zurckgehende Bereitschaft zur Deutung anzusetzen,dieimSpektrumvielermglicherBezgevonGesellschaftundKommunika-tionsformendenbedeutungshaltigenOrtderHandjeweilssituativunddasheit dann historisch und in der Eigentmlichkeit einer medialen Situation be-stimmte.DochmanentkommtderlinguistischenSchulungnichtsoschnell,sobaldmanauchbeisolchenAnalysenunterstellt,dassesaufdieZuschreibungkleinsterbedeutungsdifferenzierenderwie-tragenderunddeshalbbedeutungs-erzeugender Einheiten ankommt. Die semantische Ambivalenz erzeugende Un-terbestimmtheit von Gesten im intermedialen Kontext findet so (abgesehen vomSpezialfallderGebrdenlinguistik)zunchstihrGegenstckimFeldderhisto-risch-kulturellenKodifizierungvonGestik.ImsozialenKonsenskodifizierteGesten stehen fr die Mglichkeit, Handgesten mit konkreten Bedeutungen undFunktionenzuverbinden,ihrerUnbestimmtheitmiteinerkomplementrenberbestimmtheitzubegegnen.Diesschlgtsichetwamotivgeschichtlichnie-der, aber auch in den Registerwerken, die zur Sprache der Hnde mit Blick auf rhe-torische, naturwissenschaftliche, ethnologische, soziologische, linguistische undandere Zwecke mehr angelegt worden sind, in Handstellungen, die in juristischerwie magischer Praxis ihren Ort haben.42V. DAZ WI SCHE N: ARCHI VE DE RSPRE CHE NDE NHANDEiner Historisierung mglicher Ortsbestimmungen der Hand im Netz des Kom-munikativen widerspricht nicht die Beweglichkeit, die Performanz der Hand, dieinihrenHandlungensemantischwiefunktionalzusichselbstkommt.DieEvi-denz,hierwirdundwurdegesprochenundgehandelt,gewinntdiesprechendeHand als Effekt ihrer Sichtbarkeit zunchst in der Gegenberstellung mit der audi-tivenLautsprache.InderModalittsabhngigkeitdesGestisch-Visuellen,seinerStillstellungundBewegtheithatimmerdieFragenachdenAufzeichnungsme-dienderHandundihrenBewegungeneineRollegespielt.Whrendsystemischinteressierte Theoretiker seit der Frhen Neuzeit bedauern, dass Quintilians Rhe-torik keine bildlichen Notationssysteme fr die von ihm beschriebenen Stellun-genderHandkennt,unddieseLckemiteigenem,statischemBildmaterialschlossen,43begrtBhleretwa,frdenEngelbereitseinAktionstheoretikerist,44die modernen Aufzeichnungsmedien Film und Tontrger, die neue Mglich-Hedwig Pompe21keitenzurBeobachtungbewegtergestischerund(analoggedachter)auditiverGebrden liefern. Das folgende Zitat gibt stellvertretend Auskunft ber die Rela-tion der Stillstellung im Archiv und den komplementren Wunsch nach erneuterDynamisierung, die nun als das Angemessenheitskriterium fr die AufzeichnungvonGebrdenangefhrtwird,demgeradedietechnischenMglichkeitendesFilmsunddesRadiosamnchstenzukommenscheinen.DochdieUnterschei-dung zwischen technisch und hermeneutisch belichteter Bewegung und erneuterStillstellungimMomentschlietsichzirkulr,weildermenschlicheWahrneh-mungsapparatdenaufzeichnendenBewegungendesFilmsunddesRadioszuZwecken der Analyse nicht zu folgen vermag: WasichimAugehabe,istdieSchereinderHandvonlersch.45Sieschneidet aus den (in bestimmten, experimentell herbeigefhrten Situa-tionen aufgenommenen) Filmstreifen prgnante Einzelbilder aus, die imBuchereproduziertwerden.EsistnochnichtdieRededavon,dadie-selbeSchereeinzweitesMalansetztunddasGelndeumdieAugentrennt von dem Gelnde um Mund und Nase []. Vorher aber deutet dererste Scherenschnitt darauf hin, da, der ihn fhrt, die berzeugung hat,an geschickt ausgesuchten Einzelbildern ganze Ausdrcke illustrieren zuknnen. Was wir dazu zu sagen haben, ist einfach genug: Das Ausschnei-den, welches die Schere vornimmt, ist eine Selektion, die (gewi nicht sogrob, aber im groen und ganzen konform) vorgezeichnet ist im Erlebnisdes wahrnehmbaren Deuters eines zeitlich ablaufenden Geschehens. ManbrauchtnureineinzigesMalBeobachterundVersuchspersonineinerunserer Wiener Untersuchungen gewesen zu sein, um aus eigener Erfah-rungzubesttigen,wasichmeine,nmlichdaman,umAusdrucks-geschehenzudeuten,JagdmachtnachfruchtbarenMomenten(inderMehrzahl gewhnlich). Gleichviel, ob das kontinuierlich Ablaufende eineSprechstimme oder ein bewegtes Bild ist.46Im Unterschied zu Bhler sollte man die Hand an der Schere im Auge haben, dieimSinnederobenaufgestelltenThesenalseinberseineTechnizittinanderetechnische Medien vermitteltes Arbeits- und Kommunikationsmedium fungiert,einVorgang,dervonBhlersBeschreibungarchiviertwird.AndieTheoriedesdamitproduziertenfruchtbarenMomentslieensicheineganzeReiheklassi-scherReferenztexteund-problemederKunst-undMedientheorieanschlieen:Lessings Diskussion der Laokoon-Plastik, die das differenzielle Knnen simulta-ner wie prozessierender Knste gegeneinander stellt; Texte, die zwischen Selbst-Eine Handreichung zum Thema22beobachtungundTeilnahmedesSchauspielershin-undhergehen,umvonsei-ner Arbeit zu verlangen, die Unterscheidung berzeugend einzuebnen oder auchauszustellen; Texte zur Montage des Films als Leitmedium der Zeit, in der BhlersSchrift entstanden ist; so auch Walter Benjamins Historismus-Schelte, die geradeimVerfahrenderZerschneidungundMontagediekritischePotenzverankertsieht, um das von den Textverfahren des Historismus hergestellte Kontinuum derGeschichteaufzusprengen;oderauchdiephnomenologischeVermittlungderim Erlebnis des wahrnehmbaren Deuters vorgezeichneten Erfahrungen mit denMedien der Darstellung, wie Aby Warburg und Fritz Saxl sie in der Ikonographieder Pathosformel gesucht haben.47InallendiesenHinsichtengehtesimmerwiederauchumeinmitseinenMedien technisch und dynamisch vermitteltes Gedchtnis der Gestik; so auch indemvorliegendenBand.DiehiervollzogenenBeobachtungendersprechendenHand sind damit auch Testflle der Beobachtbarkeit von Medienperformanz. Undumgekehrt gilt: Als je spezifische Verfahren der Semiose konstituieren diese Hin-sichteninihrereigenenMedialittsabhngigkeitdenStatusdersprechendenHand. Allen diesen Lektren gemeinsam ist der Aspekt, dass es um unhintergeh-bare Austauschbeziehungen zwischen Text, Bild und Krper geht, um die Thema-tisierungvonIntermedialitt.AufeinfacheundselbstbezglicheWeisewieder-holt sich die Intermedialitt in den hier gewhlten Darstellungsformen, insofernTexte und Bilder wechselseitig kommunizieren und handgreifliche Schnittstel-len des Medialen ausstellen.1 CliffordGeertz:DichteBeschreibung.BeitrgezumVerstehenkulturellerSysteme,Frankfurt/M.31994, hier: S. 11. Geertz zitiert hier Gilbert Ryle, um dessen Bemerkungen zur Deutung des (unwill-krlichen) Augenlidzuckens als (absichtsvolles) Zwinkern oder parodierendes Nachahmen dessel-ben weiterzutreiben: eine geschichtete Hierarchie bedeutungsvoller Strukturen, in deren RahmenZucken,Zwinkern,Scheinzwinkern,ParodienundgeprobteParodienproduziert,verstandenundinterpretiert werden. Ebd., S. 12.2 Vgl. etwa Karin Knorr-Cetina: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Wissenschaft,Frankfurt/M. 1984.3 Vgl.dazuauchdieDiskussionenimAusstellungskatalog:StiftungDeutschesHygiene-Museum/Deutsche Behindertenhilfe Aktion Mensch (Hg.): Der [im]perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvoll-kommenheit, Ostfildern 2001 (Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Dresden und Berlin).4 Vgl.AndrLeroi-Gourhan:HandundWort.DieEvolutionvonTechnik,SpracheundKunst,Frank-furt/M. 1980 (Le geste et la parole, 2 Bde., Paris 1964/65); Frank R. Wilson: Die Hand Geniestreichder Evolution. Der Einflu auf Gehirn, Sprache und Kultur des Menschen, Stuttgart 2000.5 Vgl.zumKonzeptmedienspezifischerTranskriptionenGeorgStanitzek:Transkribieren.Medien/Lektre: Einfhrung, in: Ludwig Jger/Georg Stanitzek (Hg.): Transkribieren. Medien/Lektre, Mn-chen 2002, S. 718; Ludwig Jger: Transkriptivitt. Zur medialen Logik der kulturellen Semantik, in:ebd., S. 1942.6 BeeindruckendbelegtwirddiesesInteresseanGestikimRahmeneinerwissenschaftsgeschicht-lichenRekonstruktionin:MargrethEgidi/OliverSchneider/MatthiasSchning/IreneSchtze/Caro-lineTorra-Mattenklott(Hg.):Gestik.FigurendesKrpersinTextundBild,Tbingen2000(vgl.hierHedwig Pompe23besondersdieEinleitungderHerausgeber);umfassendauch:UlrikeBergermann:EinBildvoneinerSprache.KonzeptevonBildundSchriftunddasHamburgerNotationssystemfrGebrden-sprache,Mnchen2001;dies./AndreaSick/AndreaKlier(Hg.):Hand.MediumKrperTechnik,Bremen2001(derSchwerpunktdieserPublikationzurHandliegtaufderAuseinandersetzungmitderRolle,FunktionundSelbstreflexionderHandindenbildendenKnsten);CorneliaMller:EinekleineKulturgeschichtederGestenbetrachtung,in:PsychotherapieundSozialwissenschaft.Zeitschrift fr Qualitative Forschung, Themenheft: Sprechen vom Krper Sprechen mit dem Kr-per (2), 4.1 (2002), S. 329.7 Vgl.zurDiskussionderKrper-Leib-DifferenzdieEinleitungindenSammelbandvonEgidiu. a.:Gestik (Anm. 6); Julika Funk/Cornelia Brck: Fremd-Krper: Krper-Konzepte. Ein Vorwort, in: dies.(Hg.): Krper-Konzepte, Tbingen 1999, S. 717; Georg Braungart: Leibhafter Sinn. Der andere Dis-kursderModerne,Tbingen1995;vgl.zurWiederkehrdesKrpersindenKunstwissenschaftenHans Belting: Bild-Anthropologie. Krper Bild Medium, Mnchen 2001.8 Vgl. dazu die Beitrge von Matthias Bickenbach, Petra Lffler und Claudia Liebrand/Ines Steiner indiesem Band.9 Vgl. dazu die Beitrge von Erika Linz/Klaudia Grote und Jan-Peter de Ruiter in diesem Band.10 Karl Bhler: Ausdruckstheorie. Das System an der Geschichte aufgezeigt, Jena 1933.11 Johann Jacob Engel: Ideen zu einer Mimik, 2 Teile, Berlin 1785 f.; Cicero: De oratore 3, 220: omnisautemhosmotussubsequidebetgestus,nonhicverbaexprimensscaenicus,seduniversamremet sententiamnondemonstrationesedsignificationedeclarans,zit.nachUrsulaMaier-Eichhorn:Die Gestikulation in Quintilians Rhetorik, Frankfurt/M./Bern/New York/Paris 1989, S. 23. 12 Ebd.;vgl.dazuAlexander Kos enina:Art.Gebrde,in:HistorischesWrterbuchderRhetorik,hg.v.Gert Ueding, Bd. 3, Tbingen/Darmstadt 1990, Sp. 564579, Sp. 565.13 Marcus Fabii Quintiliani: Institutionis Oratoriae Libri XII/Ausbildung des Redners. Zwlf Bcher, hg.und bers. v. Helmut Rahn, 2 Bde., Darmstadt 1988, Bd. 1, I 11,17: Denn niemand knnte bestrei-ten, da dies zum Gebiet des Vortrags gehrt (haec esse in parte pronuntiationis) [], zumal dieseChironomie alsGebrdenregelung,wieesdasWortbesagt(haecchironomia,quaeest[innomineipso declaratur] lex gestus), schon seit der Heroenzeit besteht, den Beifall der bedeutendsten Mn-ner Griechenlands und selbst eines Sokrates gefunden hat, auch von Plato zum Bereich der Tugen-den des rechten Brgers gerechnet und von Chrysipp in seine [!] Anweisungen zur Kindererziehungnicht bergangen worden ist.14 Gebrdenregelung, wie Helmut Rahn hier seinerseits bersetzt.15 Quintilian: Institutionis Oratoriae (Anm. 13), Bd. 2, XI 3, 8890.16 Vgl.dazuF.RolandVarwig:Art.Chironomie,in:HistorischesWrterbuchderRhetorik(Anm.12),Bd.2,Sp. 175190undKos enina:Gebrde(Anm.12);BerndSteinbrink:Art.Actio,in:ebd.,Bd.1,Sp. 4374. 17 Quintilian: Institutionis Oratoriae (Anm. 13), Bd. 2, XI 3, 8587.18 Vgl. ebd., Bd. 2, XI 3, 2 und XI 3, 14.19 John Bulwer: Chirologia, or the Natural Language of the Hand [] Whereunto is added Chironomia:or the art of manuall Rhetoric, London 1644; ders.: Philosophus, or the deaf and dumb mans friend[], London 1648; ders.: Pathomyotomia or a Dissection of the signicative Muscles of the AffectionsoftheMinde,London1649;vgl.zuJohnBulwersWerkenKos enina:Gebrde(Anm.12),zuBulwerund allgemein zum Universalsprachgedanken Dilwyn Knox: Late medieval and renaissance ideas ofgesture, in: Volker Kapp (Hg.): Die Sprache der Zeichen und Bilder. Rhetorik und nonverbale Kom-munikationinderfrhenNeuzeit,Marburg1990,S. 1139;vgl.auchdenBeitragvonP.Lfflerindiesem Band.20 Vgl. dazu Bhler: Ausdruckstheorie (Anm. 10), S. 41.21 Vgl.zuVerbindungvonActio-LehreundPhysiognomik:VolkerKapp:DieLehrevonderactioalsSchlssel zum Verstndnis der Kultur der frhen Neuzeit, in: ders. (Hg.): Die Sprache der Zeichenund Bilder (Anm. 19), S. 4064. 22 Vgl. dazu Rdiger Campe: Affekt und Ausdruck. Zur Umwandlung der literarischen Rede im 17. und18. Jahrhundert, Tbingen 1990 (Studien zur deutschen Literatur 107).23 Engel: Ideen zu einer Mimik (Anm. 11), Teil I, 8. Brief, S. 79.24 Vgl. zu den paradigmatischen Vernderungen in der Schauspieltheorie des 18. Jahrhunderts ErikaFischer-Lichte:EntwicklungeinerneuenSchauspielkunst,in:WolfgangF.Bender(Hg.):Schau-spielkunst im 18. Jahrhundert. Grundlagen, Praxis, Autoren, Stuttgart 1992, S. 5170.Eine Handreichung zum Thema2425 Vgl. dazu auch meinen weiteren Beitrag in diesem Band.26 Vgl.zumFolgendendiegrundlegendenEinschtzungenvonLudwigJger:SprachealsMedium.berdieSprachealsaudio-visuellesDispositivdesMedialen,in:HorstWenzel/WilfriedSeipel/Gotthart Wunberg (Hg.): Audiovisualitt vor und nach Gutenberg, Wien 2001, S. 1942 (Schriften desKunsthistorischen Instituts 6).27 Ebd., S. 33.28 Cicero: De oratore 2, 45, 188.29 Quintilian: Institutionis Oratoriae (Anm. 13), XI 3, 94, vgl. dazu: Maier-Eichhorn: Die Gestikulation inQuintiliansRhetorik(Anm.11),dieimAnhang,wiebeivielenKommentatorenderQuintilianschenSystematik blich, fotografische Bildbeispiele fr diese Textstelle gibt (Abbildung *3, S. 138).30 InFortfhrunggriechisch-rmischerSprachformenundBildberlieferungdeiktischerSelbstbe-zeugung,vgl.dazuCarlSittl:DieGebrdenderGriechenundRmer,Leipzig1890(NDReinheim/Odw. 1970), S. 53 f.31 Karl Bhler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, mit einem Geleitwort von Fried-rich Kainz, ungekrzter Neudruck der Ausgabe Jena 1934, Stuttgart/New York 1982, S. 79.32 Vgl. etwa eines der vielen Exempla, die Alexander Kluge und Oskar Negt in ihrem Buch Geschichteund Eigensinn fr die These ihres Titels geben: Hier ist es das Grimmsche Mrchen vom eigensin-nigenKind,dessenArmundHandimmerwiederausdemGrabhervorwachsen,bisdieMutterdiese ungehorsame Hand ein letztes Mal zchtigt, woraufhin die Hand fr immer verschwindet. Vgl.Oskar Negt/Alexander Kluge: Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, S. 765 ff.33 Bhler: Ausdruckstheorie (Anm. 10), S. 44.34 Bhler faltet dieses Konzept in seiner Sprachtheorie aus (Anm. 31).35 Vgl. dazu auch den Beitrag von Albert Kmmel in diesem Band.36 Vgl. Jger: Sprache als Medium (Anm. 26), S. 20.37 Vgl. den Beitrag von Linz/Grote in diesem Band.38 GregoryBatesonetal.:Towardatheoryofschizophrenia,in:BehavioralScience1(1955),S. 251264; vgl. dazu auch Adam Kendon: Nonverbal Communication, in: Encyclopedic Dictionary ofSemiotics, Berlin/New York/Amsterdam, Bd. 2, 1986, S. 609622 (hier: S. 612). 39 Paul de Man: sthetische Formalisierung: Kleists ber das Marionettentheater, in: ders.: AllegoriendesLesens,ausdemAmerikanischenvonWernerHamacherundPeterKrumme,Frankfurt/M.1988,S. 205233,vgl.zumTheoremderUnlesbarkeitdieEinleitungvonHamacher,in:ebd.,S. 726.40 Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe, bers. v. Hans-Horst Henschen, Frankfurt/M.1984, S. 16: Man kann diese Redebruchstcke Figuren nennen. Das Wort darf aber nicht im rheto-rischen Sinne verstanden werden, sondern eher im gymnastischen oder choreographischen, kurz:im griechischen #, das ist nicht das Schema, das ist, in einem sehr viel lebendigeren Sinne,dieGebrdedesinBewegungerfatenundnichtdesimRuhezustandbetrachtetenKrpersderAthleten, der Redner, der Statuen: das, was sich vom angespannten, gestrafften Krper stillstellenlt.SoauchderLiebendeimBanneseinerFiguren:ermhtsichmiteinemetwasnrrischenSport ab, er verausgabt sich wie der Athlet; er phrasiert wie der Redner; er wird, in eine Rolle er-starrt, wie eine Statue erfat. Die Figur das ist der Liebende in Aktion.41 Vgl. dazu Ulla Louis-Nouvertn: Was sind Gebrdensprachen? Eine Einfhrung in die wichtigstenErgebnissederlinguistischenGebrdensprachenforschung,in:SpracheundLiteratur87(2001),Themenheft: Gebrdensprache, S. 320, zu den verbindlichen Parametern nach William Stokoe vgl.ebd., S. 6 ff.42 ZuerinnernsindhierauchdiezahlreichenEintrgezuHand,GestikundGebrdeindenFachlexika;vgl.zurkodifiziertenSymbolikmittelalterlicherundfrhneuzeitlicherHandgestendieBeitrge von Ursula Peters und Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer in diesem Band. 43 Vgl.etwaGilbertAustin:Chironomia;oraTreatiseonRhetoricalDelivery:comprehendingmanyprecepts,bothancientandmodern,fortheproperregulationoftheVoice,thecountenance,andGesture. Together with an Investigation of the Elements of Gesture, and a New Method for the Nota-tion thereof; illustrated by many figures, London 1806.44 Bhler: Ausdruckstheorie (Anm. 10), S. 50.45 Gemeint ist Philipp Lersch, auf dessen Werk Gesicht und Seele (1932) sich Bhler bezieht und indem er ein neues Lexicon der fruchtbaren Momente mimischen Geschehens angelegt sieht. Vgl.Bhler: Ausdruckstheorie (Anm. 10), S. 204.Hedwig Pompe2546 Bhler, ebd., S. 80.47 Vgl.FritzSaxl:DieAusdrucksgebrdenderbildendenKunst(1932),in:AbyM.Warburg:Aus-gewhlteSchriftenundWrdigungen,hg.v.DieterWuttkeinVerbindungmitCarlGeorgHeise,2. verb. und bibliogr. ergnzte Auflage 1980, S. 419432.Eine Handreichung zum Thema26Anni naKl appertHANDOUT DE RBE I T RGEDerUntertiteldesBandesMediumderGesteGestenderMedienverweistauf zweiPerspektiven,dieinallenBeitrgenzursprechendenHandvonBe-deutungsind.VorrangigalsMediumderGestewirddieHandvonjenenBei-trgenanalysiert,dieihrenBlickaufdieMedialittderHandselbstrichten,siealso inihrenverschiedenenkommunikativenFunktionenbeleuchten.DiesistinsbesondereindenBeitrgenderFall,diedieFormenuntersuchen,indenendie HandaufdiePersonverweistundindieserGestikzumMediumderAuto-rittskonstitutionwird.DieGestenderMedienwerdeninersterLinievonjenen Beitrgenanalysiert,diediespezifischenVerfahrenverschiedenerMe-dien untersuchen,dasSprechenderHandmedialberhaupterstzukonstruie-ren.Ursula Peters analysiert in ihrem Beitrag Autorbilder in der mittelalterlichenLiedberlieferung, die in der Regel Titelbilder fr Liedcorpora sind und durch ihreexponierte Stellung im Text konzeptionelle Funktion haben. Peters zeigt, wie indiesen Bildern die Autoren als Gelehrte am Schreibtisch, als Lehrende oder Dik-tierende dargestellt und hierdurch als Autorittspersonen mit dem Anspruch aufLehr-auctoritas in Szene gesetzt werden. Sie stellt dabei die Gestik der dargestell-ten Autoren in den Mittelpunkt, wobei sie eine signifikante Hufung von Lehr-,Argumentations-undZeigegestenfeststellt,derenFunktionensieinverschie-denen Genres nachgeht. Stephanie Altrock und Gerald Kapfhammer schlieen in ihrem Beitrag histo-rischdirektandieUntersuchungenvonPetersan.SieanalysierendiebildlicheAutordarstellung in den Drucken der Frhen Neuzeit, wobei sie fr die neue me-diale Situation des Buchdrucks einen Fortbestand tradierter Formen, gleichzeitigaberbedeutendeWeiterentwicklungendieserBildtraditionenkonstatieren. Ins-besonderebeimWiedergebrauchvonDruckstckenstellenAltrockundKapf-hammeraufschlussreicheVernderungengeradederHandstellungfest,die, soihre These, auf eine deutliche Akzentuierung der Autorperson abzielen.Die Sprache der Hand erfhrt so Vernderungen durch die Medien, in denensie dargestellt wird. Die Frage, wie und mit welchen Funktionen sie medienspezi-fischinszeniertwird,beschftigtauchHedwigPompe.SieuntersuchteineBild-Text-Folge von Chodowiecki und Lichtenberg aus dem spten 18. Jahrhundert, dieber die Methode des kontrastiven Vergleichs auf eine Normierung der zeichen-haften Sprache des Krpers und seiner Hnde zielt. Die Geste der Bildserie selbst27stelltdaher,soPompe,denpdagogischerhobenenZeigefingerkulturellenLer-nens aus. DerBeitragvonJrgenFohrmann geht,imSpannungsfeldvonberufsstn-discherZuschreibungundIndividualisierung,diedieGelehrtendarstellungim19. Jahrhundert kennzeichnet, dem Kreislauf nach, der mit den Gesten der Handauf dem Herzen und der Hand an der Stirn die philologische Ttigkeit selbst al-legorisiert. Gezeigt wird insbesondere am Bildnis Karl Lachmanns, dass diese Phi-lologiederVerschrnkungzweierGabenbedarf:derimHerzendesPhilologenliegendenWahrhaftigkeitundLiebezumGegenstandunddemaufdenKrftendes Verstandes beruhenden Vermgen zur Kritik. Die Symbiose beider GabenwirdzurGabedesgeretteten,reinenWerkesfhren,mitdenendiePhilologenihre waltende Spur der Mit- und Nachwelt zu hinterlassen versuchen.AnninaKlappert beobachtetdieDarstellungsweisevonWissenschaftlernmitPfeifeim20.JahrhundertalseinetypischeReprsentationsform.HiervonausgehendanalysiertihrBeitragzumeinendiesozialhistorischeFunktionderPfeifealsMediumderpersonellenSelbstbeschreibung.ZumanderenwirddiePfeife von Klappert allegorisch als Medium der Speicherung und TransformationvonWissengelesen,alseinBildfrdenBegriffderWissenschaft,wieihndieEnzyklopdien des 19. Jahrhunderts fassen. Die Hand bernimmt in dieser Alle-gorese dann Ttigkeiten des Gehirns die Kopf-Arbeit wird zur Hand-Arbeit amPfeifen-Kopf und die Hand so zum Medium der Kopf-Arbeit.Matthias Bickenbachs Beitrag beschftigt sich mit der Darstellung von Auto-ren in der Portrtfotografie des 20. Jahrhunderts. Der Beitrag fragt nach der Gestedes Mediums, indem er den Blick der Fotografie zu analysieren versucht, der dieHand erst konstruiert. Entgegen der traditionellen Autorendarstellung, in der dieschreibendeAutorhandalsvirtuosesMediumausgestelltwurde,beobachtetBickenbach, dass die Hnde von Autoren sagen, dass sie ruhen. IndenbishergenanntenBeitrgenwirdgefragt,wiedieHandinBildundText als Medium der Personalittskonstituierung eingesetzt wird. Die Hand agierthierbei aber, so knnte man sagen, nicht immer alleine. Es treten Attribute hinzu,dieihreRedeberdiePersonverfeinern.WiebereichernsichaberHandundAttributgegenseitig?Petersbeobachtet,dassimMittelalterSchriftbnderoderBcheralsAttributinsbesonderefrdiebuchgelehrteauctoritasinAnspruchgenommenwerden.NebensolchentraditionellenAttribuierungenbeschreibenAltrock/Kapfhammer fr die Frhe Neuzeit eine Entwicklung hin zu einer Dar-stellung, nach der der Autor durch seine Ttigkeit charakterisiert wird also etwadurchdasSammelnvonZettelnoderdurchdieBeschftigungmitseinemThema,frdaserreprsentativeGegenstndeinderHandhlt.DassAttributeHandout der Beitrge28(allerArt)undHandelnineinersubjektkonstituierendenFunktionmiteinandervermittelt werden und wie Text und Bild selbstbezglich autoritativ gestikulierenknnen, zeigt der Beitrag von Pompe. Von einer einschneidenden Vernderung indenAttribuierungsverfahrengehenFohrmannsAnalysenaus.WeildasSubjektseit dem spten 18. Jahrhundert als Individuum aufgefasst wird und in seiner Indi-vidualitt allen sozialen Markierungen vorgngig sein soll, fllt in den Autordar-stellungen die Notwendigkeit der ikonographisch lesbaren Attribute weitgehendweg. Bemerkenswert ist daher ein historisch vergleichsweise neues Attribut, diePfeife, die sich als Teil der Person scheinbar beilufig in die Darstellung von Wis-senschaftlerneingeschlichenundsich,wieinKlappertsBeitragzusehenist,zueinem ihrer typischen Insignien herausgebildet hat. Die Beitrge zeigen vor demHintergrunddieserBildtopoiaberauch,wiederenAusbleibensprechendseinkann.Altrock/Kapfhammerbeschreiben,wiedurchdasWeglassenbekannterAttributegttlicherAutorittdieProfessionalittderPersonherausgestelltwirdoder wie auch bei Bickenbach zu sehen durch die ruhende Hand die AutorittdervollbrachtenArbeitindenVordergrundgercktwird.Im18. Jahrhundertbewirktdann,wiebereitserwhnt,einverndertesKonzeptvonPersonalitteine Bedeutungsabnahme der typischen Insignien. Die Signifikanz dieses Aus-bleibens untersucht Fohrmann fr die Gelehrtenportrts, in denen die Gestik derHandschonausreicht,umdenMenschenalsoriginresIndividuumzubezeich-nen, und so die Merkmale des Standes oder Berufes ersetzt. Mit dem Einsatz der Fotografie im 19. Jahrhundert werden deren neue Mg-lichkeitengenutzt,Individualittmedialzukonstruieren.PetraLffler beobach-tet, wie die Hand in der fotografischen Inszenierung zunehmend als Medium desindividuellen Ausdrucks konzipiert wird, und situiert diese Entwicklung auf um-fassende Weise in den historischen Diskussionen um die Sprachlichkeit der Handvom17.biszum20. Jahrhundert.DieFotografiestellt,soLffler,dieHandnichtnurdar,sondernvermaggleichzeitigdenmedialenStatusderHandundauf-grundzeichentheoretischerAffinittenvonHandundFotografieauchihreeigene Medialitt zur Sprache zu bringen. Claudia Liebrand und Ines Steiner stellen in ihrer Analyse von Robert Wie-nes Film orlacs hnde ebenfalls die mediale Konstruktion der Hand ins Zen-trum ihrer berlegungen. Ausgehend von den Thesen, dass Gesten erst in ihrer jehistorischenKontextualisierungBedeutunggewinnenunddassderSinneinerGesteimFilmerstvonderfilmischenKompositionundnichtalleinschauspiel-technischhergestelltwird,untersuchenLiebrandundSteinerorlacshndealseinenFilm,indemdieHerstellungvonGesten-Sinnselbstausgestelltwird.DabeiwirddiebreitePalettederFunktionen,diedieHandbernehmenkann,Annina Klappert29gerade durch den Verlust der Protagonisten-Hnde, also durch die Isolierung undden Ausfall dieses Mediums, berhaupt erst deutlich. Ein spezieller Aspekt von Hand-Medialitt wird in dem Beitrag von HaraldKrmer vorgefhrt, der die Bedeutung von Gesten und Gebrden als werkkonsti-tuierendeElementevonZeitfolgenundBewegungsablufeninderzeitgenssi-schen fotografischen Kunst in Werken von Schweizer, Bosse, Wegman und Serraanalysiert. Krmer bezieht hier Hand und Zeit aufeinander, indem er die vielflti-genWeisenvorfhrt,indenenGesteninderFotografieZeit-Begrifflichkeitenmodellieren knnen sei es als Eingriff in den Zeitfluss, als Indikator fr eine ver-gangene Zeit, als Infragestellung einer Zeitreihenfolge oder als Ineinssetzung vonProduktions- und Wahrnehmungszeit.Das Verhltnis von Hand und Fotografie wird so in den Beitrgen von Kr-mer, Lffler und Bickenbach und jenes von Hand und Film von Liebrand/Steinerbeleuchtet. Krmer legt dabei den Akzent eher auf die Hand als Medium der Zeit-generierung, whrend Bickenbach und Lffler den fotografischen und Liebrand/SteinerdenfilmischenGestusindenBlicknehmen,derdieHandexplizitaus-stellt oder sie dem Bild entzieht.ErikaLinz undKlaudiaGrote untersuchendieHandalsMediumderGe-brdensprache,alssprechendeHandimlinguistischenSinne.IhrFokusliegtaufIkonizittalseinerallgemeinenSprachfunktion.DieempirischenStudienvonLinz und Grote machen deutlich, in welch hohem Mae die Ikonizitt der Gebr-densprache wiederum semantische und kognitive Strukturen prgt, und sie bele-gen so die Relevanz der Zeichenmaterialitt fr Semantisierungsprozesse. Die Hand als nonverbales Sprach-Medium nimmt Jan Peter de Ruiter in denBlick, der sich nach einer Vorstellung von Gestiktypen mit der kommunikativenFunktion von Gestik in der Lautsprache beschftigt. De Ruiter setzt sich dabei mitaktuellenForschungsarbeitenauseinander,dieGestenalsnicht-kommunikativverstehen, da Gesten nicht ohne Laut-Sprache interpretierbar seien und lediglichdem Sprachfindungsprozess des Sprechers dienten (facilitating-hypothesis). ErfhrthiergegenempirischeStudienan,indenendiekommunikativenFunktio-nen von Gesten nachgewiesen werden knnen. Gestik und Sprache sind nach deRuiteraufeinanderverwiesen,indemsiekommunikativeProblemeimjeweilsanderen Kanal kompensieren (channel compensation mechanism). AlsletzterBeitragsolljenervonAlbertKmmel stehen,dersichderMagieeinesBildesineinerBildbeschreibungnhert.ErumkreistdasVerhltnisvonHand,BlickundBildineinemAusstellungsplakat,aufdemeinMagierdemBe-trachter die hypnotisierende Hand entgegenstreckt. Das Bild so deutet es auchder Titel Die Hand des Bildes an scheint zu handeln (und zwar vom Blick desHandout der Beitrge30Kinos).GeradeweilKmmelinseinerEkphrasisdiesaberalsSuggestiondesBildes versteht, zieht diese noch eine weitere Schleife und entpuppt sich als Kom-mentar auf die Theorie auratischer Bildlichkeit.Die angesprochene Korrespondenz von Hand und Blick beschftigt so meh-rere Beitrge, etwa als Medien der Hypnose (Kmmel und Liebrand/Steiner), imKontextdesberedsamenLeibes(Pompe),alsMedienderErkenntnisunddesknstlerischen Schaffens (Lffler) oder hinsichtlich ihrer medialen Strategien (Bi-ckenbach und Kmmel). Fr die Bezge von Hand und Schrift interessieren sichPeters,Altrock/KapfhammerundLffler;LfflerhebthierbeidieHanddieSchriftproduziertundderenLinienselbstalsSchriftgelesenwerdengeradeauch in ihrer Bedeutung fr die Konstituierung von Individualitt hervor, derenscheinbarontologischeVerankerunginderHandundihrerausdruckgebendenSchrift auch Liebrand/Steiner als Konstruktion problematisieren. Die Bezge vonHandund Kopf werdenimKontextvonGelehrtenkommunikationangedeutet,etwa in der Geste, in der die Hand an die Schlfe gelegt wird (Fohrmann), oder inder Geste des Pfeiferauchens, bei der die Hand allegorisch als Medium der Kopf-arbeit verstanden werden kann (Klappert). Die Hand so wird in allen Beitrgen deutlich ist nie ein isoliertes MediumderGesteundihreFunktionsweisewirderstberdieGestenderMedienbeob-achtbar.AlsderenExtremelassensichaufdereinenSeiteNormierungsversucheder Hand aufzeigen etwa zu einer schnen Natrlichkeit (Pompe), zur diszipli-nierten Arbeitshand (Lffler) oder zur sprach-funktionalisierten Hand in der Ge-brdensprache (Linz/Grote). Auf der anderen Seite vermgen medial inszenierteStrungen der Hand Hinweise auf ihre Funktionalitt zu geben: Erst wo die Handfehlt,wirddeutlich,wassiebedeutet.Liebrand/Steinerarbeitendiesminutisfr die filmische Erzhlung von Orlacs abgeschnittenen Hnden heraus. AnhandfotografischerBeispieledeutetKrmerdiefotografischabgeschnittenenFingerals Verweis auf eine gescheiterte Beziehung, whrend Bickenbach sich fr den me-dialen Schnitt interessiert, der in der Portrtfotografie die Hnde ganz abschnei-det.BeideRuiterknntemannichtzuletztvoneinemAbschneidenderHandaufmethodisch-wissenschaftlicherEbenesprechen,dasbentigtwird,umberdieUnterdrckungderHand-FunktionenimExperimentihreFunktionalittzuerforschen.Annina Klappert31Ursul aPet ersDI GI T USARGUME NTAL I S.1AUTORBI L DE RAL SSI GNAT URVONL E HR-AUCTORI TASI NDE RMI T T E L ALT E RL I CHE NL I E DBE RL I E F E RUNGBei der Frage nach dem Sitz im Leben der romanischen und deutschen Liebeslyrikdes Mittelalters, nach ihrer Entstehung und Rezeption, ihrem Autor- und Publi-kumsbezug,ihrergesellschaftlichenVerortungundFunktionsbestimmungha-ben schon immer die Bilder eine besondere Rolle gespielt, mit denen romanischewiedeutscheLiedersammlungendes13.und14. Jahrhundertsausgestattetsind:zunchst so vor allem im Falle des Codex Manesse2 vornehmlich im Hinblickauf direkte Informationen ber die gesellschaftliche Stellung der Autoren, die bio-graphische Verankerung ihrer Lieder,3aber auch ber den hfischen Geselligkeits-kontext ihres Auftretens,4in den letzten Jahren eher als Rezeptionszeugnisse, dieAuskunft geben ber Ordnungsprinzipien wie Funktionsbestimmung der einzel-nen Liedersammlungen, ber das in ihnen vermittelte Text- und Autorverstnd-nis.5SoistaufdasKonzeptdesAutorbezugs,derProfilierungvonAutoruvreshingewiesenworden,dasdiemeistenLiedersammlungenbestimmeundsichinder Zusammenstellung von Autorcorpora wie auch der Nennung von Namen, indenillustriertenSammlungendarberhinausganzwesentlichindenalsTitel-bilder fungierenden Autorbildern zu Beginn jedes Autorcorpus zeige.6Auch Be-sonderheitenderindenLiedersammlungenvermitteltenAutorvorstellungsindimmer wieder an den Bildern abgelesen worden: etwa das Changieren zwischenSngerundschriftlichemAutor,dasMichaelCurschmann7amBeispielderinden AutorbilderndesCodexManessedargestelltenberlieferungsmedienoderSylviaHuot8andenverschiedenenMndlichkeits-bzw.Schriftlichkeitsmarkie-rungen der Trouvre-Bilder verfolgt. Fr Thomas Cramer9und neuerdings Rdi-gerSchnell10signalisierenhingegendieAutorbilderderdeutschenLiedersamm-lungenBundCdenaufderEbenederhandschriftlichenberlieferungbereitsabgeschlossenen Prozess des Sngers zur Figur des schriftlichen Autors.11Auchwenninzwischendeutlichgewordenist,dassdieBilderderLieder-sammlungen nicht sehr verlssliche Zeugen fr Fragen der Entstehung der Lieder,ihrer Performanz und Tradierung sind,12so bieten sie doch als Autorbilder, in derRegel als Titelbilder zu Liedcorpora, wertvolle Informationen ber die sich in denHandschriftenvollziehendeKonstituierungundkonzeptionelleAusdifferen-zierungvonAutoruvres.DennnebenihrerSchmuck-,ihrerOrdnungs-undIllustrationsfunktion haben sie fr die folgenden Texte auch eine ausgeprgt kon-32zeptionelle Bestimmung. Dies ist bislang allerdings nur an einigen besonders auf-fallendenBeispielengezeigtworden:etwaandemungewhnlichenerstenBildder Trobadorhandschrift M (Paris, BN 12 474, fol. 1r), einem Autorbild zum Lied-corpusdesGuirautdeBorneill,daseinenGelehrtenprsentiert,dermitUnter-weisungsgeste auf ein vor ihm auf einem Schreibpult aufgeschlagenes Buch deu-tet (Abb. 1). Dieses Gelehrtenbild mag zwar vielleicht sogar in erster Linie eineReferenz auf die Angabe der Vida ber die gelehrte Bildung und Lehrttigkeit die-ses Trobadors sein.13Aber Laura Kendrick sieht zu Recht in diesem EingangsbildweiterausgreifendaucheinenspezifischenVerstndnishorizontfrdiegesamteLiedersammlung. Whrend hier die folgenden Autoren entweder wie die meis-ten als adelig-hfische Herren auf einem Pferd reitend vorgestellt werden14oderausnahmsweisewieJaufreRudel(fol.165r)inliebenderUmarmung,setzedieseEingangsminiatureinenganzanderenAkzent.SiegreifeberdasersteLieduvre hinaus und ordne als eine Art Titelminiatur der gesamten HandschriftdiefolgendenLiedcorporadezidiertindenKontextvonBuchgelehrsamkeitundwissenschaftlicher Unterweisung ein: It sets a didactic tone.15hnlichargumentiertStephenG.NicholsimFalledesInitialenbildeszumuvre des Folquet de Marseilla der Trobadorhandschrift N (New York, PierpontMorganMs.819,fol.55r,Abb.2),16mitdemdieTrobadorpartiedieserHand-schrift,dieLiedcorpora(fol.55r274r)undderabschlieendePartimenteil(fol.275r293r), einsetzt, der eine Reihe liebesdidaktischer Texte (fol. 1r52v) voraus-gehen.WhrendinderTrobadorpartiediemeistenhistorisiertenAutorinitialenHalbfiguren, oft mit Rede- und Zeigegestus,17darstellen, nur das Bild zum Lied-corpus des Rigaut de Berbezieu (fol. 71v) eine Art textillustrative Szene entwirft,bietetdasersteInitialenbilddieserTrobadorpartie,diemitdemuvredesFol-quetdeMarseillaeinsetzt,dasVollbildniseinesBischofsinFrontalstellungmitBischofsstab und einer Verweisgeste der linken Hand. Damit knne der TrobadorFolquet de Marseilla als Bischof von Toulouse gemeint sein, aber auch Raymondde la Torre, der Patriarch von Aquileia, zu dessen Patriarchat auch Padua, der ver-mutliche Entstehungsort der Handschrift, gehre. In jedem Fall beginne die Tro-badorpartie on a visibly ecclesiastical note.18Im Blick auf den Trobador Folquetde Marseilla, der Jahre nach seiner Trobadorkarriere Bischof von Toulouse gewor-den war, werde mit diesem Bild zugleich das spezielle Thema einer EntwicklungvomWeltlichenzumGeistlichen,vonderweltlichenzurspirituellenLiebean-geschlagen,19daswieSylviaHuotandenMarginalienzudiesemLiedcorpusgezeigthat20auchaufanderenEbenenderBildausstattungdieserHandschriftprsent ist. Die Trobadorpartie von N stehe demnach von vornherein unter demTenorspirituellenAufstiegs,personalkonkretisiertindemBilddesmitseinemUrsula Peters33uvredieTrobadorsammlunganfhrendenAutors,derbereitsvorbildlichdenWegvomweltlichenTrobadorzurgeistlichenWrdeeinesBischofsabgeschrit-ten habe.21InihrerprogrammatischenEingangsbild-RollemgendieszwarAusnah-mensein,dochauchganzgenerellsignalisierenAutorbildernichtnurinlateini-schen,sondernauchinvolkssprachigenHandschrifteneinAmbientevonbuch-gelehrterauctoritas,WissenschaftodergeistlicherWrde,indasmehroderwenigerdeutlichdiefolgendenTexteeingebundensind.22Ikonographischbe-wegen sich Autorbilder in einem eher schmalen Spektrum der Prsentation geist-lich-gelehrterauctoritas.ZwartretenAutorenzumalinDedikationsbildernfranzsischer Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts auch in der Rolle desadeligen Herrn auf, der dem kniglich-frstlichen Auftraggeber oder Gnner seinWerk berreicht.23Aber vor allem in der deutschen berlieferung figurieren sehrviel hufiger in den Titelbildern und historisierten Eingangsinitialen die Autorenals Gelehrte am Schreibtisch, als Lehrende mit oder ohne Zuhrer, als DiktierendeodergenerellalsAutorittspersoneninFrontalstellungaufeinemKastenthron,diemitsignifikantenZeige-,Rede-,Argumentations-oderLehrgesten24ihrenAnspruch auf Unterweisungs-auctoritas unterstreichen.25Diese Gesten bestimmen neben dem Akt des Schreibens und Lesens ge-nerell die Ikonographie der Autorbilder. Das gilt natrlich vor allem fr jene Bil-der, die den Autor des folgenden Textes bzw. Textcorpus im weiteren Umfeld vonUnterweisung, sei es als Prediger oder akademischen Lehrer vor einer Gruppe vonSchlernbeziehungsweiseZuhrern,imeherpersnlichenLehrgesprch26oderbeimoffiziellenDiktat,prsentieren.UnterweisungsszenenvoreinerZuhrer-gruppe bestimmen in franzsischen Handschriften eine Reihe von Autorbildernin den verschiedensten Typen geistlicher wie weltlicher Didaxe, und dies in denunterschiedlichsten Konstellationen, wobei sich in diesen Bildern immer wiederderGestusvonLehremiteinerKonkretisierungdesaktuellenTextvortragsver-bindet:WhrendetwaderZyklusvonAutorprsentationeninderPariserSam-melhandschriftderWerkedesBenediktinersGautierdeCoincy(BN fr.n.a.24541) eher textillustrierend angelegt ist, wenn etwa im Eingangsbild (fol. 143r)zudemTextDelachastetausnonnains einBenediktinerabtmiteinerUnter-weisungsgestederrechtenHandaufeinvorihmkauerndesNonnenpublikumweist,27signalisiertzumBeispieldasineineHorologium-undeineLehr-bezie-hungsweisePredigtszeneaufgeteilteTitelbildderWienerHandschrift(NB2574,fol.2r)des15. JahrhundertszurfranzsischenbersetzungvonHeinrichSeusesHorologiumSapientiae zwarinersterLiniegeistlicheUnterweisung,zu-gleichaberauchdenaktuellenVortrag.DenninderunterenBildhlftetrgteinDigitus argumentalis34dominikanischer Gelehrter einem adeligen Hofpublikum auf einer Kathedra miterklrender Redegeste die in einem Spruchband konkretisierten ersten Worte desfolgenden Textes aus Sapientiae I, 1 vor: Sentez et entendez de dieu en bonte con-formez vous en son (ordonnance) (fol.2r), whrend auf den Treppen der Kanzel,dem Publikum abgewandt, ebenfalls ein Dominikaner in Meditationspose sitzt.28hnlichfunktioniertineinigenHandschriftendieBildkonstruktioninTitelbil-dern zu Guillaumes de Deguileville Plerinage de la vie humaine, die eine Unter-weisungsszene, in der ein Mnch auf einer Kanzel eine Zuhrerschaft belehrt, mitder Darstellung eines Schlafenden kombinieren.29Sie beziehen sich damit auf denProlog, in dem der Ich-Erzhler einer Zuhrergruppe (vous vueil nuncier) denBerichteinesmerkwrdigenTraumsvonseinerPilgerschaftzumHimmlischenJerusalemankndigt,denerkrzlichnachderLektredesRosenromans gehabthabe.30Der folgende Text bietet dann den plerinage dieses trumenden Mnchs.Auch das Eingangsbild zu Jean Bodels Cong in der Pariser Arsenal-Sammelhand-schrift 3142 (fol. 227r) verweigert eine klare Unterscheidung zwischen Textillus-trationundDarstellungeinertextbezogenenVortragssituation:HierstehtdieIch-Person des folgenden Textes als Pilger mit einer Demonstrationsgeste der lin-ken Hand einer klagenden Personengruppe gegenber, wobei das Schriftband inseinerrechtenfrseineAbschiedsrede,jenencongstehenmag,derzugleichder folgendeTextinIch-Redeist,derhierimVortragprsentiertwird.Eheraufeine spezielle Autorvorstellung und weniger auf bestimmte Textaussagen schei-nenhingegenLehrer-beziehungsweiseUnterweisungsbilderinderGuillaume-de-Machaut-HandschriftK(ParisBN fr.22 545,fol.40r,Abb.3und75v),31derJean-Froissart-Handschrift A (Paris, BN fr. 831, fol. 1v, Abb. 4)32oder der vatikani-schenRosenroman-Handschrift(Urb.Lat.376,fol.26r)33bezogenzusein:SieprsentierendenAutoralsGelehrten,dervoreinemPublikumentwedermiteiner signifikanten Unterweisungsgeste seine Zuhrer belehrt oder zugleich miteiner prgnanten Zeigegeste auf ein vor ihm aufgeschlagenes Buch weist. InderdeutschenberlieferunggreifenhingegenAutordarstellungeneherseltenaufdenBildtypusderLehrszenevorZuhrernaus.IndemTitelbildderWienerBertholdvonRegensburg-Handschrift(NB Cod.2829fol.1r,ehemals1v,Abb.5)des15. JahrhundertsdoziertunterderBeischriftDasistpruederpe-richtold der predinger und der Datumsangabe Anno Domini MCCCCXLVII jareinFranziskaneraufeinemRedepultmiteinernachdrcklichenRedegestederlinken Hand34vor einem verngstigt zusammengekauerten, von Teufeln geplag-tenPublikumauseinemrotenBuch,aufdasvonderrechtenoberenEckeeinenimbierte Taube zufliegt. Ein dem geffneten Buch zugeordnetes Spruchband mitderAufschriftnumerkchtaufunterstreichtdieadhortativeIntensittderPre-Ursula Peters35digtszene. Eine vergleichbare Lehrsituation bietet die Rckseite eines Pergament-blatts,dasdemWienerCodex(NB Cod.4142)derRechtssumme BruderBert-holdsvorgebundenist(Abb.6).EsprsentierteinendominikanischenPredigeraufderKanzelmitderausgeprgtenArgumentationsgestedesrechtenZeige-fingers am linken Daumen vor einem nachdenklich-bedrckt zuhrenden Publi-kum.35AberdiesebeidenTitelbildersindalsSpezialflleengaufdiePredigt-respektive Unterweisungssituation bezogen, die die folgenden Predigt- und Trak-tattexte dieser beiden monastischen Autoren in ihren Publikumsanreden entwer-fen.DasTitelbildderLondonerHandschrift(BL Add.21 458,fol.2v,Abb.7)derProsabersetzung des Schachtraktats von Jacobus de Cessolis zeigt dem Bild derWienerRechtssummen-HandschriftdesBertholdvergleichbareinenDomini-kaner auf einer hlzernen Kanzel vor einer Gruppe von sechs sitzenden Zuhrernmit einer Argumentationsgebrde. Es bezieht sich damit auf die Predigtsituation,dieimIch-PrologdespruederJacobvonCassalis,predigerorden36angespro-chenwird,undfolgtoffenbareherBildtraditionenderlateinischenCessolis-berlieferung,inderdemTextdesLiberdemoribusdeludoscaccorum einBildvorangeht, in dem ein Dominikaner auf einem Schachbrett in seinen Hnden aufeiner Steinkanzel einer Zuhrerschaft die Figuren dieses Spiels erklrt.37Eine auf-fallendeLehrsituationbietetschlielichdasEingangsbildzumNeunfelsen-buch der Wolfenbtteler Handschrift (HAB Cod. Guelf 78. 5 Aug. Fol., fol. 267v,Abb. 8):HierstehteineGelehrtenfiguramFueinesBergesvoreinerZuhrer-gruppe, mit einem unbeschrifteten Spruchband in der linken Hand, whrend dierechte eine Zeigebewegung ausfhrt, untersttzt von einer als Halbfigur aus demBildhintergrund herausragenden nimbierten Christusfigur, die mit ihrer rechtenHandaufeinweiteres,ebenfallsunbeschriftetes,schwebendesSpruchbandver-weist. In den meisten Fllen bezieht sich allerdings in den deutschen Handschrif-tendieAutorprsentationmitLehrgestenaufbestimmteTextangaben:DiesgiltvorallemfrdieIllustrationderUnterweisungsszeneinHugosvonTrimbergRenner zur Textpartie des Streit- und Lehrgesprchs der Ich-Person mit ihre sozi-aleUnterdrckungbeklagendenBauern,dieineinigenHandschriftenalsLehr-szenebzw.alsTravestieeinerLehrszeneillustriert38undimFallederLeidenerHandschrift (UB Cod. Voss. G. G. F. 4, fol. 25r) unter der berschrift Von den pa-wen und dem maister der daz puch gemacht hat (fol. 24v) ausdrcklich mit derBeischrift Des puch maister hugo versehen wird (Abb. 9).39Auch die Magister-cum-discipulis-SzenederMnchnerLucidarius-Handschrift(UB 2,Cod.688,fol. 260v) bezieht sich als Eingangsbild sehr direkt auf den B-Prolog.40Und auchdiedreiBilderhandschriftenmitderPilgerfahrtdestrumendenMnchs,derDigitus argumentalis36deutschen Prosa- beziehungsweise Vers-bersetzung von Guillaumes de Degui-leville Plerinage de la vie humaine, gehen mit ihren Eingangsbildern im Vergleichzur Illustration des Deguileville-Textes eigene Wege. Zwei von ihnen bieten zwarwiediefranzsischeberlieferungdieTraumdarstellungdesTextbeginns,41verzichten jedoch auf jene bei einigen franzsischen Handschriften in das Titel-bild integrierte Lehrszene.Eine vergleichbare Zurckhaltung der deutschen berlieferung gilt auch frdeninderAutordarstellunglateinischerundfranzsischerHandschriftengutvertretenenBildtypusdesdiktierendenAutors,dermiteinerZeigegestedenSchreiber instruiert.42Allerdings gibt es hier signifikante Ausnahmen, denn dik-tierende Autoren bietet nicht nur der Codex Manesse,43sondern auch die Rudolf-von-Ems-berlieferung mit drei der inzwischen bekannten acht Autorbildern.44AmauffallendstenistdabeidasDiktier-TitelbildderMnchnerWeltchronik-Handschrift45ausdemEndedes13. Jahrhunderts,daswennMichaelCursch-mann46Recht hat zugleich den Bildtypus des inspirierten, diktierenden Evange-listen aufruft. IndendeutschenHandschriftenerfolgtdemgegenberdieAutorprsen-tationhufigeralsinderfranzsischenberlieferungimBildtypdesfrontalaufeiner Kathedra thronenden Wrdentrgers, der sich durch eine Demonstrations-gesteals(Lehr-)Autorittausweist.WhrenddiesespezifischeFormderAutor-darstellung etwa im Codex Manesse nur dem Eingangsbild der Handschrift zumuvre Kaiser Heinrichs (fol. 6r) vorbehalten ist und hier in erster Linie den stn-disch-autoritativenAspektkaiserlich-kniglicherHerrschaft47vermittelnsoll,zielen die anderen mir bekannten Autorbilder dieses Typs eher auf die spezifischeauctoritasderjeweiligenTexte,diealsBibeldichtung,alsweltlicheDidaxeoderRechtsliteratureinenbestimmtenTypusgelehrterAutorschaftgeistlich-weltli-cherPrgungimplizieren.SoverweistderfrontalaufeinemBaldachinthronsit-zendeJohanniterdesEingangsbildesderWienerKreuziger-Handschrift(NBCod. 2691, fol. 1v) als Autorfigur Frater Johannes de franchenstain mit einer Zei-gegeste der rechten Hand auf den sich anschlieenden Prologtext: Ich han getihtdie redde starch.48In der Stuttgarter Handschrift (Wrtt. LB Cod. poet. et philol.Fol. N2) des Schachzabelbuchs Konrads von Ammenhausen wird den Prologaus-sagen ber den Autor der lateinischen Quelle ein Bild dieses Von tessel ein bredi-ger (fol. 5v) im Dominikanerhabit und mit Birett eingefgt, der frontal auf einerarchitekturverzierten Kathedra sitzt, in der rechten Hand ein aufgeschlagenes, aufdem linken Knie aufruhendes Buch hlt und mit der linken eine Zeigegeste voll-fhrt.49Auch in der Gothaer Sammelhandschrift (FB Cod. Chart. A 823, fol. 43r)ist den Prologversen von Freidanks Bescheidenheit ein halbseitiges Bild mit einerUrsula Peters37frontal auf einer Bank sitzenden Gelehrtenfigur vorangestellt, die mit einem BuchinderlinkenundeinemZeigegestusderrechtenHanddiesichaufderSeitean-schlieendeLehrezupersonifizierenscheint:Ichbingenantbescheydenheit(fol.431).50SehrkonkretaufdenSachsenspiegel-PrologmitseinerBitteumdieHilfe des Heiligen Geistes bezogen51ist die frontal auf einem erhhten Stuhl sit-zende,miteinerKuttebekleideteAutorfigurdesoberstenKolumnenbildesderOldenburger Bilderhandschrift (LB Cod. CIM410, fol. 6r) des Sachsenspiegels: SiescheintinderlinkenHandeinenFederkielodereinMesserzuhaltenundweistmit der rechten Hand in einer Zeigegeste auf die rechte Bildhlfte, wo der HeiligeGeist als nimbierte Taube ber einem dunkelroten Buch mit doppelten Schlieen,offenbardemRechtsbuchdesSachsenspiegels,schwebt.52AuchdersogenannteHarfferSachsenspiegel bietetinderfiguriertenD-InitialedesPrologs(p. 5)einefrontal auf einer roten Bank sitzende Gelehrtenfigur, die in ihren erhobenen Hn-deneinBuchhlt.53DiesemfrontalsitzendenAutor-GelehrtenentsprichtschlielichinderBerlinerHandschrift(SB,Preu.Kulturbesitz,Mgf1464,fol.VIv) von Konrads von Megenberg Buch der Natur das Eingangsbild eines frontalstehenden, brtigen Gelehrten, der mit der rechten Hand eine deutliche Geste derRedeerffnungvollfhrt54undmiteinerZeigegestederlinkenHandaufdieIn-schrifteinesinvielfachenWindungendieFigurumschlingendenSpruchbandesverweist.55MitihremGestusvongeistlich-weltlicherLehrautoritt,dieimmerwiederdurchbestimmteAccessoiresindieEbenegelehrterAutorschafthinberspielt,unterstreichen in diesen Handschriften die Autorbilder noch einmal nachdrck-lich jenen bereits in den Prologversen der folgenden Texte formulierten AnspruchaufchristlicheUnterweisung,weltlicheLebenslehreodergttlichfundierteRechtsdidaxe. Die Eingangsbilder lenken mit ihren Gelehrtenfiguren die Textlek-trevonvornhereinaufdieseEbeneundbindendasFolgendeineineAurage-lehrt-geistlicher Unterweisung ein.DiesgiltauchundsogarinbesondererWeisefrjenenamweitestenver-breitetenBildtypderAutorprsentation,demdesGelehrtenamSchreibpult,der dielangeTraditionantikerPhilosophen-,christlicherEvangelisten-undmittelalterlicherTheologendarstellungenaufruft56undindenverschiedenstenKonstellationenauchindervolkssprachigenberlieferungimmerwiedergeist-lich-gelehrteAutorschaftsignalisiert.VerstrktwirddieseAussage,wenndieGelehrtenfigur nicht nur im Akt des Schreibens, Abschreibens, bersetzens oderLesens am Schreibpult sitzt, sondern zugleich oder sogar primr mit einem Zeige-gestusaufdasoffeneodergeschlosseneBuchdeutetunddamitdieauctoritasschriftlicherLehreindenMittelpunktrckt.DieseZeigegesteaufdasBuch,aufDigitus argumentalis38diegelehrteSchrifttraditionbestimmteineReihedieserAutorbilder.Sositztindem Eingangsbild der Mnchner Handschrift (BSB Cgm 203, fol. 2r) von Rudolfsvon Ems Alexander ein Gelehrter frontal in einer Inspirationsgeste vor einem aufseinemSchreibpultliegendengeffnetenBuchundweistzugleichineinerDe-monstrationsgeste der linken Hand auf dieses Buch.57Die mit guten Grnden alsDarstellung Wolframs von Eschenbach gedeutete historisierte O-Initiale, mit derin der Wiener Willehalm-Trilogie (NB Cod. Ser. Nova 2643, fol. 323r) der Wolf-ram-ExkursinUlrichsvonTrheimRennewart einsetzt,58bietetebenfallsei-nen durch sein Alter und seine Kleidung ehrwrdigen Gelehrten, der mit einemFedermesserinderlinkenHandvoreinemgeffnetenBuchsitztundmitderrechten in einer Zeigegeste auf die beschriebene Seite dieses Buches weist. DieseZeigegeste auf das Geschriebene findet sich auch in dem Schreiber-/Autorbild derMnchnerHandschrift(BSB Cgm6406,fol.134r)vonRudolfsvonEmsWelt-chronik,59indenEingangsbildernderStuttgarterHandschrift(Wrtt.LB Cod.poet. et phil. N 2, fol. 1v) und der Klner Handschrift (Hist. Archiv Cod. W 356,fol.7r) von Konrads von Ammenhausen Schachzabelbuch,60in dem Autorbild, dasindervonKonradBollstatterimJahre1472geschriebenenBerlinerHandschrift(SB Preu. Kulturbesitz Mgf fol, 564, fol. 7v) die Teichnerreden einleitet,61in derkolorierten Federzeichnung, die als eine Art Titelbild in die Londoner Bollstatter-SammelhandschriftdidaktischerTexte(BL Add.16581,fol.1v)eingeklebtist(Abb. 10),62und schlielich in dem nachgetragenen Titelbild des von Konrad Boll-statterhandschriftlichergnztenMnchnerTeildrucks(BSB Cgm7366,fol.1v)der Chronik Jakob Twingers von Knigshofen (Abb. 11).63Eingangsbilder, die sich als Autorbilder verstehen lassen, die zumindest dasThemaAutorschaftsuggerieren,setzenjedenfallshufigdieverschiedenstenZeige- und Demonstrationsgesten ein, oft in Verbindung mit einem Buch bezie-hungsweise einem Schriftband, aber auch als eher generelle Zeichen fr gelehrteUnterweisung.Diesistnichterstaunlich,fhrendochAutorbilderschonauf-grund ihrer bildtypologischen Herkunft ohnehin eher in Bereiche geistlicher undweltlicherLehreimUmkreisvonWissenschaft,RechtundGeschichtsschrei-bung,derenauctoritasvonSchrifttraditionundGelehrsamkeitsieinsBildum-setzen und zugleich signifikativ unterstreichen. IndemAutorbilder nicht nurimlateinischenKontext,sondernauchindervolkssprachigenberlieferungvonvornhereindiesenAnspruchsignalisieren,erffnensieauchimUmkreisvolks-sprachigerLiteraturdenfolgendenTexteneinenbesonderenRaumautoritativerGelehrsamkeit.Es fragt sich allerdings, ob dies auch fr die Bilder der volkssprachigen Lie-dersammlungen zutrifft, die zwar in der Regel Titelbilder zu Autorcorpora und inUrsula Peters39gewissemSinneAutorbildersind,insofernauchanderAutorittstraditionvonAutorbildern teilhaben, die zugleich aber doch auch ganz andere Wege beschrei-ten.64Am deutlichsten zeigen das die deutschen illustrierten Liedersammlungen.Sie weisen verschiedene Bildtypen von Autorprsentation auf, als Einzelfigur mitoder ohne Accessoires von Schriftlichkeit, im Gesprch mit der Dame, als adeligerRitter,aberauchvorallemimCodexManesseeingebundenindieverschie-densten hfischen Geselligkeits- und Lebensformen wie Turnier, Tanz, hfischeBotschaften,Musikunterhaltung,Spiel-,Jagd-oderBadeszenen,diedasThemaAutorschaft als gelehrte auctoritas nicht unbedingt forcieren.65Zwar rufen einigeBilder mit Diktier-, Schreib- und Lehrszenen66eine gewisse Vorstellung von Ge-lehrsamkeit und Unterweisung ab. Doch sie sind direkt auf bestimmte Anlssedesuvresbezogen,alskonkretisierendeIllustrationenentwederdesAutor-namensrespektivedesMeistertitelsoderdesfolgendenLehrgesprch-Corpus,wieimFallederBilderzuKnigTirol,denWinsbecke-bzw.Winsbeckin-Texten,sodasssiekaumeinenbesonderenSpielraumfreinweiterfhrend-generellesAutor- und Textverstndnis erffnen, das auf Lehre im speziellen Sinne oder all-gemeineraufBuchgelehrsamkeitbasiert.67AuchdiezahlreichenZeigegestenscheinenimCodexManesseindenmeistenFllenaufbestimmteObjekte,eineBotschaft, ein Schriftband oder eine ganze Szene, bezogen,68jedenfalls fest in diejeweilige Bildgeschichte eingebunden zu sein. Selbst in den Fllen einer fehlen-den Referenz, etwa im Bild zum Liedcorpus des Schulmeisters von Esslingen (fol.292v), sind sie eher eine Art Illustration des Namens bzw. des Berufs des Minne-sngersundwenigereinZeichenfreinegenerelleUnterweisungsautorittderAutorfigur.Demgegenber weisen von den 25 Miniaturen der Weingartner Liederhand-schrift B (Stuttgart, Wrtt. LB HB XIII 1)69ein gutes Drittel so ausgeprgte Hand-gebrdendermitberdimensioniertenHndenagierendenFigurenauf,dasssiezugleich einen Eindruck von der Lehrautoritt des Autors vermitteln. Dies magwenigerfrdieexpressivenArgumentationsgestenderProtagonistenindensogenannten Gesprchsbildern gelten,70da hier der Bildtypus Gesprch zwischenDameundHerrinentsprechendeRedegestenumgesetztwird.AberineinigenBildernmitsingulrenAutorfigurensinddochgelegentlichdieauffallendenHandgebrdensosehrundzwarohneReferenzaufUnterweisungbezogen,dasshierdiedargestelltePersonzugleicheineAuravonLehr-auctoritaserhlt:etwa die Figur des Grafen Rudolf von Fenis (p. 4), der in der linken Hand ein dierechteBildhlfteeinnehmendesunbeschriftetesSchriftbandhlt,whrendermit hoch aufgerecktem Zeige- und Mittelfinger seiner riesigen rechten Hand einedasBildbeherrschendeUnterweisungsgestevollfhrt(Abb.13),oderOttovonDigitus argumentalis40Botenlauben(p. 23),derleichtnachrechtsgeneigtaufeinerBanksitztundmitseinen beidenwiederinihrenAusmaendasBildbestimmendenHndeneine frLehrautorittcharakteristischeDoppelgestederUnterweisungausfhrt(Abb. 14).71DamitunterscheidensichdieBilderderLiedersammlungBtrotzaller bereinstimmungen signifikant von der Vielfalt der Bildtypen des CodexManesse, der mit seiner Zurckhaltung gegenber etablierten Formen ikonogra-phischerInszenierungvongelehrterauctoritas zugleicheinenSonderwegein-schlgt. Die Liedersammlung B weist hingegen mit ihren beiden Bildtypen, Ein-zelfigur und Gesprchsbild, sogar eher auf die romanischen Liederhandschriften,vorallemdieTrobadorsammlungen.DieseprsentierenmitihrenhistorisiertenInitialenodereinspaltigenMiniaturennurinwenigenFllenkomplexerePerso-nenfigurationen und damit eine Art Erzhlung, sondern bieten eher ein breitesSpektrum an Autordarstellungen, die zu einem Groteil wenn auch in ganz an-derer Ausprgung als die Bilder der Weingartner Liedersammlung jene Aura vonUnterweisungskompetenzvermitteln,dienichtzuletztaufeinerVielfaltaus-geprgter Zeigegesten beruht.72Der bestimmendeBildtypist hier der Autor als Einzelfigur, unddies inzweigrundstzlichen Ausprgungen: einerseits als Ritter auf demPferd, entweder wieauf den Reitersiegeln in voller Rstung mit gezcktemSchwert beziehungsweiseaufgerichteter Lanze oder als adeliger Herr in hfischer Kleidung, andererseitsals stehende oder sitzende Halb- oder Vollfigur, die sich in vielen Fllen einesausdifferenzierten Gestensystems bedient. Diese Art der Autorprsentation istbesonders charakteristisch fr die Trobadorberlieferung. Zwar ist sie auch inTrouvrehandschriften vertreten, aber hier doch eher als eine unter anderen Dar-stellungsformen,73whrend in den Trobadorhandschriften dieser Darstellungs-typus einer Figur mit Redegesten ein sehr breites Spektrum an Variationen undKombinationenabdeckt undindenHandschriftenjeweils spezifischeAusprgun-gen erfhrt. In den drei italienischen Trobador-Handschriften A (Rom, Bibl. Vat.lat 5232), I (Paris, BNfr. 854) undK(Paris, BNfr. 12 473) des 13. Jahrhunderts nimmteretwadieHlftederBilderein,alsseitlichgedrehte,manchmalfrontalausge-richtete, stehende, gelegentlich sitzende, in einigen Fllen auch reitende Vollfigur,mit den verschiedensten Rede- und Zeigegesten: als Einzel- oder Doppelgeste derausgestreckten respektive ausgebreiteten Arme und erhobenen Hnde, der unter-schiedlichgeffnetenHandflchenunddemrhetorischenGebrauchentspre-chend gebogenen, ausgestreckten und erhobenen Finger, speziell der verweisen-den Geste des ausgestreckten Zeigefingers, des digitus argumentalis.74NochdominantersindRede-undZeigegesteninden29Initialenbildernder NewYorkerSammelhandschriftN(PierpontMorganM819),diesichmitUrsula Peters4110 Bildern auf die Eingangspartie liebesdidaktischer Texte (fol. 1r52v), mit 18 aufdieTrobador-undTrobairitzcorpora(fol.55r274r)undmiteinemBildaufdieabschlieendePartimenpartie(fol.275r293r)verteilen,ohnedasssichjeweilssignifikanteUnterschiedeausmachenlieen.75MitzweiAusnahmen76sinddiefiguriertenInitialendieserHandschriftzumeistfrontal,gelegentlichauchimHalbprofilangeordneteBrustbildervonAutorfiguren,dieinderRegelausge-prgteHandgebrdenaufweisen:SiehalteneinenStabinderHand,77grei