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Von Robert Prazak H elga hat etwas mehr Erklärungs- bedarf: ungewohnte Inhaltsstoffe, nicht so süß wie andere, sehr ka- lorienbewusst, außerordentlich gesund. Das Erfrischungsgetränk besteht unter an- derem aus einer Süßwasseralge namens Chlorella; sein Name leitet sich konse- quenterweise aus healthy algae ab. Von der ungesunden Konkurrenz unterschei- det sich Helga aber nicht nur wegen der Inhaltsstoffe, sondern auch durch eine ge- wisse Exklusivität. Erhältlich ist die Al- gen-Limo derzeit nämlich vor allem in Lo- kalen und in einigen wenigen Lebensmit- telgeschäſten wie etwa bei Meinl am Graben in Wien. „Wir haben ganz gezielt die urbane Gastronomie als ersten Ver- triebskanal gewählt, um die Marke zu- nächst mal bekannt zu machen“, sagt Re- nate Steger, eine der drei Gründerinnen des Start-ups Evasis, das hinter Helga steht. Gemeinsam mit Ute Petritsch und Anne- liese Niederl-Schmidinger hat sie im Ap- ril des Jahres die Firma im niederösterrei- chischen Berndorf gegründet, davor war das Algengetränk entwickelt worden. „Wir haben schon früh versucht, mögliche Ver- triebswege zu berücksichtigen und unter anderem auch an entsprechende Koope- rationspartner gedacht“, erläutert Steger. Das ist keine Selbstverständlichkeit für junge Unternehmen: Gerade der Vertrieb ist ein Faktor, der in den ersten Jahren oſt- mals vernachlässigt wird. Kein Wunder: Bei all der Begeisterung über das eigene Produkt oder die neue Dienstleistung wird gerne darauf vergessen, wie denn über- haupt Kunden erreicht werden können. Dabei ist der Aufbau einer Vertriebsorga- nisation und das Entwickeln der richtigen Vertriebsstrategie das A und O für junge Unternehmen. Und nicht nur für diese – auch große, etablierte Konzerne sind nicht vor gravierenden Fehlern beim Vertrieb gefeit. Das beweist unter anderem bau- Max: Die Handwerkerkette, die Ende Ok- tober endgültig vom Markt verschwunden ist, hatte laut dem Produktivitätsberater Alois Czipin vor allem im Kernmarkt Ös- terreich „fundamentale Vertriebsschwä- chen“ aufgewiesen – die Folge seien Nach- teile im Wettbewerb gegen Hornbach und Obi gewesen. Der Grund war unter ande- rem schlechte oder nicht vorhandene Ver- kaufsberatung in den Geschäſten. Ist es bei etablierten Unternehmen eine gewisse Betriebsblindheit, so führt bei jungen Unternehmen eher die An- ANNELIESE NIEDERL- SCHMIDINGER (li.), RENATE STEGER (mi.) UND UTE PETRITSCH (re.) Die Gründerinnen des Start-up Evasis vertreiben die Algen- Limo „Helga“ über ausgewählte Lokale und Lebensmittelgeschäfte. Marktlücken Verkauf schlägt Idee: Das beste Produkt ist sinnlos, wenn es nicht an die Kunden gebracht werden kann. Klingt logisch, wird aber von vielen Gründern nicht ausreichend beachtet. Einer der Hauptgründe, weshalb Start-ups scheitern, ist der undurchdachte Vertrieb. 53 9. November 2015 • profil 46 Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer fo-prazak - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

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Von Robert Prazak

Helga hat etwas mehr Erklärungs-bedarf: ungewohnte Inhaltsstoffe, nicht so süß wie andere, sehr ka-

lorienbewusst, außerordentlich gesund. Das Erfrischungsgetränk besteht unter an-derem aus einer Süßwasseralge namens Chlorella; sein Name leitet sich konse-quenterweise aus healthy algae ab. Von der ungesunden Konkurrenz unterschei-det sich Helga aber nicht nur wegen der Inhaltsstoffe, sondern auch durch eine ge-wisse Exklusivität. Erhältlich ist die Al-gen-Limo derzeit nämlich vor allem in Lo-kalen und in einigen wenigen Lebensmit-telgeschäften wie etwa bei Meinl am Graben in Wien. „Wir haben ganz gezielt die urbane Gastronomie als ersten Ver-triebskanal gewählt, um die Marke zu-nächst mal bekannt zu machen“, sagt Re-nate Steger, eine der drei Gründerinnen des Start-ups Evasis, das hinter Helga steht. Gemeinsam mit Ute Petritsch und Anne-liese Niederl-Schmidinger hat sie im Ap-ril des Jahres die Firma im niederösterrei-chischen Berndorf gegründet, davor war das Algengetränk entwickelt worden. „Wir haben schon früh versucht, mögliche Ver-triebswege zu berücksichtigen und unter anderem auch an entsprechende Koope-rationspartner gedacht“, erläutert Steger.

Das ist keine Selbstverständlichkeit für junge Unternehmen: Gerade der Vertrieb ist ein Faktor, der in den ersten Jahren oft-mals vernachlässigt wird. Kein Wunder: Bei all der Begeisterung über das eigene Produkt oder die neue Dienstleistung wird gerne darauf vergessen, wie denn über-haupt Kunden erreicht werden können. Dabei ist der Aufbau einer Vertriebsorga-nisation und das Entwickeln der richtigen Vertriebsstrategie das A und O für junge Unternehmen. Und nicht nur für diese – auch große, etablierte Konzerne sind nicht vor gravierenden Fehlern beim Vertrieb gefeit. Das beweist unter anderem bau-Max: Die Handwerkerkette, die Ende Ok-tober endgültig vom Markt verschwunden ist, hatte laut dem Produktivitätsberater Alois Czipin vor allem im Kernmarkt Ös-terreich „fundamentale Vertriebsschwä-chen“ aufgewiesen – die Folge seien Nach-teile im Wettbewerb gegen Hornbach und Obi gewesen. Der Grund war unter ande-rem schlechte oder nicht vorhandene Ver-kaufsberatung in den Geschäften.

Ist es bei etablierten Unternehmen eine gewisse Betriebsblindheit, so führt bei jungen Unternehmen eher die An-

Anneliese niederl-schmidinger (li.), renAte steger (mi.) und ute Petritsch (re.)die gründerinnen des start-up evasis vertreiben die Algen-limo „helga“ über ausgewählte lokale und lebensmittelgeschäfte.

MarktlückenVerkauf schlägt Idee: Das beste Produkt ist sinnlos,

wenn es nicht an die Kunden gebracht werden kann. Klingt logisch, wird aber von vielen Gründern

nicht ausreichend beachtet. Einer der Hauptgründe,

weshalb Start-ups scheitern, ist der undurchdachte

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anna iarotska (li.), yuri levin (re.) und rustem akishbekov (mi.)das trio entwickelte den kindergerechten lernroboter „robo Wunderkind“.

franz seherer gründete den verpackungsfreien bio-supermarkt

„holis market“.

domenik thorGemeinsam mit seinem

bruder benedikt startete er online eine individuelle

handschuh-fertigung.

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fangseuphorie zur Nachlässigkeit bei der Vertriebsstrategie. Laut einer Untersu-chung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sind Probleme auf Absatzmärkten und zu starke Bindung an einzelne Kunden Hauptgründe für das Scheitern von Start-ups. „Leider wird das Thema Vertrieb von Gründerinnen und Gründern oft unterschätzt“, sagt Elisabeth Zehetner-Piewald, Leiterin des Gründer-service der Wirtschaftskammer. Denn die Jungunternehmer sind nach der Akqui-se von ersten Kunden mit neuen und ak-tuellen Projekten zeitmäßig ausgelastet. Zudem fühlen sich nicht alle Gründer in der Rolle als Verkäufer gut. „Gerade in kleinen, neu gegründeten Unternehmen gibt es selten eine eigene Vertriebsmann-schaft“, weiß Zehetner-Piewald. Bei Ein- Personen-Unternehmen wird das Thema oft gar nicht beachtet.

Auch der Vertriebsexperte Gerald Ge-retschläger sieht bei jungen Unternehmen oft dieses Problem – was nicht bedeutet, dass nicht auch große Firmen beim Ver-trieb in die falsche Rich-tung unterwegs sein kön-nen. Geretschläger hilft als Geschäftsführer des auf Vertriebsentwicklung spezialisierten Trainings- und Beratungsunterneh-mens Ewos Firmen beim Finden und Umsetzen von Vertriebsstrategien, denn „die beste Idee nützt nichts, wenn ich sie nicht an den Kunden bringe“. Es sei leichter, eine schlechte Idee mit einem guten Geschäftsmodell zu verwirklichen als die beste Idee ohne ein sol-ches. Die Definition einer guten Leistung im Ver-trieb ist aber gar nicht leicht zu erfüllen: Es braucht die passenden Zielgruppen, die richtigen Märkte, außerdem wirksame Botschaften, funktionierende Vertriebswe-ge, und die angebotenen Produkte und Dienstleistungen sollten nach Möglichkeit konkrete Bedürfnisse der Kunden erfül-len. Um das alles zu schaffen, bedarf es ei-niges an Aufwand. „Der größte Fehler ist das Fehlen einer konsistenten Vertriebs-strategie“, meint Geretschläger. Schlech-te Abgrenzung innerhalb des Wettbe-werbs ende stets darin, so der Experte, dass der Preis die einzige Unterschei-dungsmöglichkeit sei und der Preiskampf

in weiterer Folge unausweichlich. Wie schwierig es sein kann, die richti-

gen Vertriebskanäle auszuwählen, weiß auch Dominik Thor, der gemeinsam mit seinem Bruder Benedikt unter dem Namen

„Company of Glovers“ seit dem Vorjahr Le-derhandschuhe in Einzelanfertigung ver-kauft. Seine Geschäftsidee: Kunden erstel-len im Internet ein individuelles Paar Handschuhe, indem sie aus mehreren Mil-lionen Stoff-, Farb- und Designvarianten ihre Wunschkombination wählen. Diese wird dann in Werkstätten maßgefertigt. Das Interesse ist vorhanden, doch nun will Thor das Geschäftsmodell erweitern und eine fertige Kollektion anbieten. Und er wird im Vertrieb mit großen Modeketten koope-rieren und stärker als bisher geplant in den Einzelhandel gehen. „Die Margen sind dort nicht sehr interessant, aber die Platzierung im Shop bringt Vorteile im Online-Ge-schäft.“ Die Kunden müssen ein neues Produkt erst einmal – im besten Wortsinn

– begreifen. E-Commerce wird zwar die wichtigste Stoßrichtung der Firma bleiben,

doch ohne den stationä-ren Handel geht es nicht, hat Thor gelernt. „Ein rei-ner Online-Vertrieb ist gerade für Start-ups ver-lockend, doch in vielen Bereichen werden Pro-dukte nicht nur im Inter-net gekauft.“

Überlegungen, die in vielen Businessplänen indes nicht zu finden sind, weiß Elisabeth Ze-hetner-Piewald: „Wir be-obachten leider oft eine fehlende Struktur in der Analyse der Zielgruppen und Vertriebswege.“ Ebenso wie Preisgestal-tung und Kundenma-

nagement sei das aber die Voraussetzung für eine erfolgreiche Vertriebstätigkeit. Bei der Beurteilung von Businessplänen durch das Gründerservice wird daher da-rauf geachtet – darin sollten beispielswei-se Zielgruppensegmente definiert sein.

Dass der Vertrieb einmal ausschlagge-bend sein würde für den Erfolg seines Un-ternehmens, stand für Franz Seher schon vor der Gründung von holis market fest. Seine Geschäftsidee ist der verpackungs-freie Einkauf von Bio-Lebensmitteln. Mo-tiviert wurde er dazu von den Unmengen an Verpackungsmüll, die nach einem üb-lichen Einkauf im Supermarkt übrigblei-

49 Prozent der Gründer wollen laut einer weltweit durchgeführten Accenture-Umfrage mit einem großen Unternehmen kooperieren, um zu mehr Kunden und einem größeren Vertriebsnetzwerk zu kommen.

Checkliste VertriebWorauf sollten kleine und junge Unternehmen beim Aufbau einer Vertriebsorganisation achten? Nach Ansicht des Vertriebsexperten Gerald Geretschläger, Chef von Ewos, sollten folgende Fragen beantwortet werden können:

Welcher grundsätzliche Kundennutzen soll geschaffen werden? Das könnten bei-spielsweise Zeitersparnis, Kostenersparnis oder ein Wettbewerbsvorteil durch neue Techniken sein.

Warum sollten potenzielle Kunden ausgerechnet zu diesem einen Produkt greifen oder bei diesem einen Anbieter kaufen? Gründe dafür könnte die Exper-tise oder die Erfahrung des Unterneh-mens sein. Ebenfalls denkbar: Preis oder Einfachheit des Produkts.

Welche sind die aussichtsreichsten Marktsegmente und Zielgruppen und auf welche konzentriert man sich dann? Länder, Regionen, Branchen, Kunden-gruppen fokussieren.

Welche Vertriebskanäle eignen sich zur Erschließung der angebotenen Markt-segmente und Zielgruppen? Sind eigene Verkäufer, Großhändler, Partner, Importeu-re oder Web-Shops die geeigneten Wege?

Welche Positionierung strebt man im Vergleich zu den Mitbewerbern an? Will man Qualitätsführer, Innovationsführer oder gar Preisführer sein?

Welche sind die Hauptwettbewerber und wie kann man sich differenzieren? Was kann man besser als Mitbewerber, und wie erkennen das die Kunden?

Auf welche Produkte bzw. Leistungen konzentriert man sich?

Welche vertriebsbezogenen Ziele strebt man mittelfristig an? Das könnten unter anderem sein: Umsatz, Ertrag, Absatz, Marktanteil oder Zahl der Kunden.

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ben. Weshalb sollte es nicht möglich sein, eine umweltfreundliche Alternative auf-zubauen? Das im Frühjahr gegründete Start-up hat zunächst eine Online-Platt-form und ein Rezeptboxen-System ge-schaffen, ehe vor zwei Monaten in der Linzer Innenstadt der erste echte ho-lis-Markt eröffnet wurde, ein „Zero-Waste- Lebensmittelmarkt“. Wer dort einkauft, füllt sich die gewünschten Waren in mit-gebrachte Mehrwegverpackungen oder nutzt die bereitgestellten Behältnisse. Se-her hat allerdings schon das erste Lehr-geld bezahlen müssen: „Wir merken nun, dass das Sortiment zu ge-ring war, das drückt den Umsatz pro Kunde.“ Die Kunden seien eben die riesige Auswahl aus her-kömmlichen Supermärk-ten gewohnt, daher ar-beiten Seher und sein Team nun an einer ra-schen Ausweitung des Sortiments. So wird es im holis-Markt in Zukunft auch Fleisch zu kaufen geben. Für Seher war die richtige Vertriebsstrate-gie immer etwas, das man ständig im Auge be-halten muss. „Die Gefahr besteht, dass man vom eingeschlagenen Weg ab-kommt und sich vom Kunden leiten lässt. Gleichzeitig sind Kompromisse nötig.“

Ein Dilemma, das Gerald Geretschlä-ger aus seiner Praxis kennt: Stur auf dem Weg bleiben oder besser flexibel auf Wün-sche und Anforderungen des Marktes re-agieren? „Strategie schlägt auf Dauer den Zufall“, sagt der Vertriebsexperte. Ande-rerseits müsste man sich zusätzliche Mög-lichkeiten offenhalten – so wie der On-line-Händler Amazon, der in den USA sta-tionäre Shops eröffnet. Es ist also nicht die Frage, ob online oder offline – sondern die Frage nach dem richtigen Mix. Kein Wunder: Studien zufolge informieren sich rund ein Drittel der Kunden zunächst im Geschäft über konkrete Produkte, um die-se dann erst recht im Internet zu bestel-len. Doch rund 40 Prozent informieren sich umgekehrt zunächst im Internet, um dann doch im stationären Handel einzu-kaufen. „Kunden sind heute übersättigt von Angeboten und Informationen und verfügen generell über immer weniger Zeit“, konstatiert Geretschläger. Gerade deshalb sei es wichtig, auf mehreren Ka-

nälen unterwegs zu sein. „Wir müssen uns vom Einheitskunden verabschieden.“

Innovative Ideen auf der einen, be-währte Vertriebskanäle auf der anderen Seite: In Zukunft müssten Jungunterneh-mer und große Unternehmen stärker zu-sammenarbeiten, um die jeweiligen Stär-ken nutzen zu können. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Beratungsunter-nehmens Accenture. Doch Unterschiede in der Firmenkultur und das Gefühl bei den Gründern, die großen Partner wür-den ihr Vorankommen nicht ausreichend unterstützen, verhindern oftmals diese Zu-

sammenarbeit. Klaus Malle, Geschäftsführer von Accenture Österreich, meint: „Start-ups sind ri-sikobereiter, flexibel und experimentierfreudig, machen Fehler und ler-nen rasch daraus. Große Unternehmen wägen Ri-siken stärker ab, sind langsamer in ihren Pro-zessen und versuchen Fehler zu vermeiden.“ Würden solche Unter-schiede verstanden und gut gemanagt, dann kön-ne die Zusammenarbeit durchaus erfolgreich sein

– doch dafür brauche es eine gemeinsame Vision

und Regeln auf Augenhöhe. „Die großen Unternehmen können sich einiges vom Start-up-Spirit abschauen, was Agilität und Fehlerkultur betrifft.“ Im Gegenzug profitieren die Kleinen von den Großen – etwa bei Erfahrung, globaler Reichweite und einem großen Vertriebsnetz.

Online oder stationärer Handel? Euro-päischer oder weltweiter Vertrieb? Ni-schenmärkte oder breite Aufstellung? Mit solchen und ähnlichen Fragen schlägt sich auch Anna Iarotska herum. Sie hat gemeinsam mit Rustem Akishbekov und Yuri Levin in Wien das Unternehmen Robo Wunderkind gegründet, das einen Spiel-zeug-Roboter entwickelt: Aus Einzeltei-len lassen sich programmierbare Mini-Ro-boter zusammenbauen, deren Bedienung besonders einfach sein soll. Vor Kurzem haben die Robo-Gründer für den Start der Produktion rund 225.0000 Euro über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein-gesammelt; nächsten Sommer sollen die ersten Robos anrollen. „Für uns war der Vertrieb immer extrem wichtig“, sagt Ia-rotska, schon seit Langem werden Gesprä-

che mit Experten und möglichen Partner- unternehmen geführt. Die Strategie: Die Roboter-Sets werden auf verschiedenen Kanälen verkauft: Online über die eigene Website und über Händler, im Einzelhan-del vor allem über Spielzeuggeschäfte und Elektronikmärkte. „Es ist für uns wichtig, die Player in diesem Bereich zu erreichen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.“ Überrascht wurden die Robo-Gründer vom Interesse aus aller Welt, eigentlich woll-ten sie zunächst nur in Europa starten –

„nun ist aber der weltweite Vertrieb unser Ziel“, sagt Anna Iarotska. Die Kickstar-ter-Kampagne hat die Bekanntheit erhöht, darauf musste reagiert werden.

Für Start-ups stellt sich außerdem recht rasch die Frage, wie sie es mit Ko-operationen halten; vor allem im Vertrieb kann diese Frage überlebenswichtig sein. holis-market-Gründer Franz Seher meint:

„Wir würden gern unabhängig bleiben, aber eventuell wird mal ein Partner nö-tig sein.“ Der Ausbau des Unternehmens soll in den nächsten Monaten über Fran-chise-Partner erfolgen, als Ziel soll es lang-fristig in jeder Landeshauptstadt einen holis-Markt geben – beispielsweise in Wien auf der Mariahilfer Straße. Bei der Aus-wahl seiner Partner ist Seher wählerisch.

„Wir brauchen Franchisenehmer mit den entsprechenden Fähigkeiten und Erfah-rung – und natürlich mit ausreichend Ka-pital.“ Der Vorteil: Das Konzept von holis market war von Anfang an auf Skalier-barkeit ausgelegt.

Für Anna Iarotska von Robo Wunder-kind ist es wiederum wichtig, Netzwerke aufzubauen. „Je innovativer ein Produkt ist, desto leichter fällt das: Alle sind auf der Suche nach spannenden neuen Ideen.“ Für Renate Steger von Evasis hingegen kommt es nicht infrage, sich auf das Spiel der großen Handelsfirmen einzulassen.

„Wir haben lieber kleinere Vertriebspart-ner.“ Sie weiß aber auch: Um unabhängig zu bleiben, braucht es einen längeren Atem. Ihren Algentrink Helga wird es da-her nicht so bald in allen Supermärkten geben. „Es ist nicht unser Ziel, jedem Ös-terreicher unser Produkt reinzudrücken“, sagt Steger. Es brauche eben Zeit, das Pro-dukt zu erklären, und die einmal einge-schlagene Vertriebsstrategie soll nicht auf-gegeben werden. „Wir wissen ja, dass eine Firma mit dem Vertrieb steht und fällt.“

Internet-Tipp:meinmarktplatz.wko.at: Marktplatz der Wirtschaftskammer für B2B-Geschäfte

44 Prozent der deutschen Jungunternehmen haben kein Wissen darüber, ob ihre Kunden ihr Produkt bezie-hungsweise ihre Dienst leistung überhaupt brauchen. Das hat eine Untersuchung der Deutschen Industrie- und Handelskammer vor Kurzem ergeben. Schuld daran sei die Euphorie über das eigene Produkt, heißt es.

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