11
Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung Unser Ziel ist, die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung zu be- stimmen, um festzustellen, inwieweit der Beweis, den Kant davon gibt, mit den kopemikanischen Grunds âtzen der transzendentalen Méthode ubereinstimmt. I Einleitend wollen wir die Bedeutung des Ausdrucks Analogie der Erfahrung nâher angeben und dieser Analogie selbst ihre Stellung zuweisen. Zunâdist hat dieser Ausdruck nidits zu tun mit dem, was Hume in den Dialogues concerning Natural Religion als Analogie bezeidinet, wenn er die Kausalfolgerung auf der Ahnlidikeit mit der Analogie einer gewissen Ersdiei- nung, deren Ursache man nidit kennt, mit einer anderen Ersdieinung, deren Ursadie bekannt ist, aufbaut (Hume, Dialogues, 2. Aufl., London 1779, 2. Teil, S. 49—50 u. 57—58). Nadi Riehl kâme dièse Bezeichnung daher, dafi die Kenntnis des Verhâlt- nisses von Ursache zu Wirkung zwischen den phânomenalen Existenzen, ebenso wie dasjenige von Substanz und Accidenz oder der Gemeinsdiaft, nidits weiteres ist als eine Analogie mit einem logisdien Verhâltnis (in diesem Fall, dasjenige von Prinzip zu Konsequenz). Zwar triffl: es zu, dafi fiir Kant eine Analogie zwisdien beiden besteht, und Riehl vermag es, 5eine Auslegung auf folgende Stelle zu stiitzen: „Wir werden durch dièse Grundsatze die Erscheinungen nur nach einer Analogie mit der logi- schen und allgemeinen Einheit der Begriffe zusammenzusetzen bereditigt werden, und daher uns in dem Grundsatz selbst zwar der Kategorie bedienen, in der Ausfûhrung aber (der Anwendung auf Erscheinungen) das Schéma derselben . . . , als restringierende Bedingung, unter dem Namen einer Formel des ersteren, zur Seite setzen." (Ak. B. III, 161 — Riehl, Der philosophische Kritizismus, B. I, 544—545). Doch leitet die Analogie ihren Namen nidit daher ab. Zu Beginn driickt nâmlidi Kant deutlich aus, dafi von allen Grundsâtzen (den mathematisdien wie den dynamischen) das gilt, was von den Analogien der Erfahrung geâufiert wird: „Was aber bei allen synthetischen Grundsâtzen erinnert ward, u. s. w. . (Ak. B. III, 161). Ferner hat er dièse Bezeichnung selbst sehr klar gereditfertigt

Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung

Unser Ziel ist, die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung zu be-stimmen, um festzustellen, inwieweit der Beweis, den Kant davon gibt, mit den kopemikanischen Grundsâtzen der transzendentalen Méthode ubereinstimmt.

I

Einleitend wollen wir die Bedeutung des Ausdrucks Analogie der Erfahrung nâher angeben und dieser Analogie selbst ihre Stellung zuweisen.

Zunâdist hat dieser Ausdruck nidits zu tun mit dem, was Hume in den Dialogues concerning Natural Religion als Analogie bezeidinet, wenn er die Kausalfolgerung auf der Ahnlidikeit mit der Analogie einer gewissen Ersdiei-nung, deren Ursache man nidit kennt, mit einer anderen Ersdieinung, deren Ursadie bekannt ist, aufbaut (Hume, Dialogues, 2. Aufl., London 1779, 2. Teil, S. 49—50 u. 57—58).

Nadi Riehl kâme dièse Bezeichnung daher, dafi die Kenntnis des Verhâlt-nisses von Ursache zu Wirkung zwischen den phânomenalen Existenzen, ebenso wie dasjenige von Substanz und Accidenz oder der Gemeinsdiaft, nidits weiteres ist als eine Analogie mit einem logisdien Verhâltnis (in diesem Fall, dasjenige von Prinzip zu Konsequenz).

Zwar triffl: es zu, dafi fiir Kant eine Analogie zwisdien beiden besteht, und Riehl vermag es, 5eine Auslegung auf folgende Stelle zu stiitzen: „Wir werden durch dièse Grundsatze die Erscheinungen nur nach einer Analogie mit der logi-schen und allgemeinen Einheit der Begriffe zusammenzusetzen bereditigt werden, und daher uns in dem Grundsatz selbst zwar der Kategorie bedienen, in der Ausfûhrung aber (der Anwendung auf Erscheinungen) das Schéma derselben . . . , als restringierende Bedingung, unter dem Namen einer Formel des ersteren, zur Seite setzen." (Ak. B. III, 161 — Riehl, Der philosophische Kritizismus, B. I, 544—545).

Doch leitet die Analogie ihren Namen nidit daher ab. Zu Beginn driickt nâmlidi Kant deutlich aus, dafi von allen Grundsâtzen (den mathematisdien wie den dynamischen) das gilt, was von den Analogien der Erfahrung geâufiert wird: „Was aber bei allen synthetischen Grundsâtzen erinnert ward, u. s. w. . (Ak. B. III, 161). Ferner hat er dièse Bezeichnung selbst sehr klar gereditfertigt

Page 2: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung 11

und erlautert, als er, weiter oben, die konstitutive Funktion des mathematisdien Grundsatzes mit der regulativen Funktion des dynamisdien Grundsatzes ver-gleidiend, die Analogie in der Mathematik der Analogie in der Philosophie, d. h. hier in der Physik, entgegenstellte (die Worte Philosophie und Philosoph haben hier ihren hergebrachten Sinn von Physik und Physiker, wenn er z. B. am Ende der ersten Analogie schreibt: „ein Philosoph wurde gefragt: wieviel wiegt der Raoïdi?"). Wo es in der mathematisdien Analogie geniigt, dafi drei Glieder gegeben seien, damit man daraus auf das vierte schliefien kônne, so gestatten es uns in der physischen Analogie dièse drei Glieder (vorausgesetzt dal5 sie gegeben sind) nidit, das vierte selbst zu bestimmen, sondern blofi, es mit Hilfe einer Regel in der Erfahrung zu suchen und es, dank eines gewissen Merkmals, aufzufînden. Infolgedessen stellt die Analogie derKausalitât folgende Proportion auf: die Ursache verhâlt sidi zur Wirkung wie das Antezedenz zur Konsequenz. Wenn b gegeben ist/miifite ich also erforschen, weldie Erscheinung x in der Er­fahrung vorhanden ist, und, wenn ich das Dasein einer Erscheinung, das diesen Charakter besitzt, entdecke, werde ich daraus schliefien, dafi es die Ursache von b ist. Daher die Formel der Analogie, die eine Regel ausdriickt, d. h. die Notwen-digkeit der Beziehung: «Allés was geschieht, setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt" (1. Aufl.), und somit die Regel der Forschung liefert, sowie das Merkmal oder Kriterium, das es ermôglicht, dasjenige zu finden, was man sudit, namlidi die Erscheinung, die durch das Merkmal des notwendigen Antezedenz gekennzeichnet ist. „Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung in Beziehung auf die Kausalitât der Ursache die vorher-geht"; und die verschiedenen experimentellen Verfahren des Physikers kennen keinen anderen Zweck als, inmitten aller bestehenden Erscheinungen, diejenige, die unzweifelhaft das Merkmal des notwendigen Vorhergehens aufweist, her-auszustellen.

Dièse Regel driickt also eine notwendige Ordnung in der Folge der Erschei­nungen in der Zeit aus. Fur Kant heifit es, ihren Ursprung festzusetzen, sie rechtmâfiig als Grundsatz der Môglichkeit der Erfahrung zu begriinden und sdiliefilidi zu zeigen, wie es ihr tatsâchlicfa gelingt, dièse Funktion auszuiiben.

Prûfen wir nun, welches die Struktur der kantischen Beweisfiihrung ist, und welche Schwierigkeiten ihr innezuwohnen scheinen.

Dièse Beweisfiihrung enthâlt zwei Momente: 1. die Aufstellung einer den Grundsâtzen der transzendentalen Méthode

entsprechenden Lôsung; 2. die Besdireibung des Medianismus, durdi welchen dièse Lôsung tatsadilidi

stattfîndet. ,

II

Page 3: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

12 Martial Gueroult

1. — Da ail unsere Vorstellungen durdi den inneren Sinn bedingt sind, liegen sie in der Zeit und aufeinanderfolgend; jede Appréhension einer Ersdieinung ist successiv. Besteht aber dièse Aufeinanderfolge auch im Objekt? Es mussen zwei Fâlle auseinandergehalten werden: im ersten ist die Folge nur subjektiv, im zweiten findet sie auch im Objekt statt.

Die Appréhension eines Hauses vom Gipfel bis zu den Grundmauern besteht aus einer blofi subjektiven Folge, die Wahrnehmung eines den Flufi hinab-treibenden Schiffes aus einer objektiven Folge. Was begriindet dièse Scheidung? Es ist die Anwesenheit in der objektiven Folge der Notwendigkeit einer be-stimmten Ordnung, die Abwesenheit dieser Notwendigkeit in der subjektiven Folge. Bei der Appréhension des den Flul? hinabtreibenden Schiffes ist es mir nicht moglidi, die Einordnung der Folge umzukehren; im Fall der Appréhension des Hauses kann idi die Ordnung der Folge beliebig umkehren, von unten nadi oben wie von oben nach unten gehen. Also ist die Unumkehrbarkeit das Krite­rium der objektiven Folge, die Umkehrbarkeit das Kriterium der subjektiven Folge.

Wo làfit sich die Begriindung der Notwendigkeit, die einer Succession ihren objektiven Charakter verleiht, finden? Es kann lediglich im Verstand sein. Vom Verstand allein riihrt namlidi die Notwendigkeit her, und eben dièse Notwen­digkeit begrûndet die Objektivitât der Vorstellungen. Der Ursprung der Not­wendigkeit, welche die Folge objektiv gestaltet, wird demnadi ein Begriff des Verstandes sein, weldier die Ordnung der Ersdieinungen in der Zeit a priori notwendig bestimmt, dergestalt dafi die eine jeweils der anderen, nach der Regel der Folge von Ursache und Wirkung, vorangeht. Da der Grundsatz der Kausa-litât, der aus dem reinen a priori Begriff der Ursache hervorgeht, eine Folge der Ersdieinungen notwendig macht, begrûndet er also die Objektivitât dieser Folge. Wenn wir also der notwendigen Ursache der Ersdieinung in der Erfahrung nadiforschen, dann sudien wir nidits anderes als die Notwendigkeit, die der Verstand in dièse hineingelegt hat. Der Grundsatz der transzendentalen Mé­thode, welche vom Subjekt zum Objekt geht und, nach dem kopernikanisdien Schéma, dièses von jenem abhangig macht, wird also hier genau beachtet und angewandt.

2. — Wir kommen nun zum Medianismus, welcher in diesem Falle die An-wendung des Prinzips leitet. Kurz, wie soU man die Art und Weise verstehen, wie dièse Synthèse a priori nadi der Kausalitât durch den Verstand ausgefiihrt wird. Dariiber belehrt uns eine sehr wichtige Stelle, die — wie ersiditlidi sein wird — Problème aufwirft (Ak. B. III, 173).

Der Verstand macht „die Vorstellung eines Gegenstandes ûberhaupt mog­lidi. Dièses gesdiieht nun dadurdi, dafi er die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Dasein iibertrâgt, indem er jeder derselben als Folge eine, in Anse-hung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen

Page 4: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung 13

a priori ihre Stella bestimmt, ubereinkommen wiirde. Dièse Bestimmung der Stella kann nun nicht von dem Verhâltnis der Ersdieinungen gegen die absolute Zait entlehnt warden( denn die ist kain Gegenstand der Wahrnehmung), son-dern umgakehrt, die Erscheinungen miissen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen, und dieselbe in der Zeitordnung notwendig machen, d. i. das-jeniga, was da folgt, oder gesdiieht, mufi nadi einer allgamainen Regel auf das, "was im vorigen Zustande erhalten war, folgen, woraus eina Raihe der Ersdiei­nungen wird, die vermittelst des Verstandes eben dieselbe Ordnung und stetigen Zusammenhang in der Raihe môglidiar Wahrnahmungen hervorbringt, und not­wendig madit, als sia in der Form dar inneran Anschauung (der Zeit), darin aile Wahrnahmungen ihre Stelle haben miifiten, a priori angetrofïen werden." (Ak. B. III, 173—174).

Der Auszug ist von grofiter Bedeutung. — Um dièse Bestimmung a priori der Ordnung dar Existenzen in der Zeit begraiflidi zu madien, nimmt Kant an, daK sidi dar Verstand a priori das Ganze diesar Existenzen in der Zeit selbst, wie in ainar sia alla enthaltenden Sphâra, gibt, und so durdi ihre gegenseitiga Bestimmung innerhalb diasar Sphâra die jaweiligen Stellen erhâlt, die sie not­wendigerweise einnahmen. Da dièse Sphâre die Zeit ist, d. h. eine Form, in dar sidi ailes notwendigerweise aneinanderreiht, kônnen die Stellen, die so notwen­digerweise bestimmt sind, nur Stellen in einer Folge sein. Dies gibt Kant zu verstahen, wenn er erklârt: „Dieses gesdiieht nun dadurdi, dafi er die Zeitord­nung auf die Ersdieinungen und deren Dasein iibertrâgt, indem ar jeder der-salben als Folge eine, in Ansehung der vorhergahenden Ersdieinungen, a priori bestimmte Stalle in dar Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihran Teilen a priori ihre Stelle bestimmt, ubereinkommen wiirde." Um mit dam Wesen der Zeit iibereinstimmen zu kônnen, mufi die gagenseitige Bestimmung der Ersdieinungen ihre Verteilung an gewissen Stellen einer Folge sein, da die Bestimmung dieser Stellen in einer Form stattfindet, die, da sie die Zeit ist, blofi aufeinanderfolgande Stellen enthâlt. So bestimmt der Verstand notwendigarwaisa aine notwendige Ordnung der Ersdieinungen, die aine not­wendige Ordnung ihrer Folge ist. Kurz, die raine Form des innaran Sinnes for-dert, dafi alla Dinga einander folgen, und der Verstand verlangt, kraft des Begrifîes a priori der Ursadie, dafi sie in dieser bestimmten Ordnung (nadi der-jenigen der Ursadia und Wirkung) und nidit in einar anderen folgen.

Diesa Beweisfiihrung bietet eine gewisse Anzahl Sdiwierigkeiten: 1. — Ob-sdion behauptet wird, dafi as der Verstand ist, der durdi den Kausalgrundsatz den Existenzen in der Zeit eine notwendige Ordnung ihrer Folge vorsdireibt, so sdiaint sidi aus der Beweisfiihrung zu ergaban, dafi in Wirklidikeit nidit der Verstand selbst in diesem Falle wirkt, da as die Erscheinungen selbst sind, welche sich einander ihre Stelle in der Zeit bestimmen und dadurdi die objaktive Folge der Dinge, der Kausalitât gemâfi, hervorbringan. Daraus entsteht ein doppelter Einwand: 1.) in Wirklichkeit sdieint dar Verstand passiv zu sein, da die Ord­nung, von der angenommen wird, dafi er sie den Erscheinungen in der Zeit, nach

Page 5: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

14 Martial Gueroult

dem Verhdltnis von Ursache zu Wirkung, vorschreibt, von der gegenseitigen Bestimmung der Erscheinungen herriihrt; 1.) da andererseits dièse Ordnung von der gegenseitigen Bestimmung der Erscheinungen, d. h. hier der Objekte, her-kommt, so sind es dièse Objekte (die Erscheinungen), die sie dem Subjekt auf-zwingen, im Gegensatz zum kopernikanischen Grundsatz der Kritik, welcher verlangt, dafi die Objekte durch das Subjekt bestimmt sind und nidit das Sub­jekt durdi das Objekt.

Auf diesen ersten Einwand lafit sich aber leicht antworten. Da die Dinge, um die es hier geht, in der Tat Erscheinungen und nicht Dinge an sich sind, schliefit ihre Beziehung zueinander, die im Gemiit ihre objektive Folge aufstellt, keineswegs eine Unterordnung des Subjektes unter die zwischen den Objekten festgesetzten Verbindungen in sich ein, da sich Objekte hier innerhalb des transzendentalen Subjektes befinden. Es handelt sich in diesem Falle darum, wie sich das Subjekt selbst zum Objekte erkennenden Subjekt macht, mittels der not-wendigen Beziehung der Dinge zueinander, der Kausalitat der Erscheinungen entsprechend, deren Môglichkeit es bedingt.

Die gegenseitige Bestimmung der phanomenalen Gegenstânde in Hinsicht auf ihre notwendige Stelle in der Zeit findet andererseits nicht kraft des inneren Wesens dieser Dinge statt und ergibt sich nicht aus dem Begriff dieser Dinge, wie im inteUigiblen monadologischen Mechanismus, wo sich die Substanzen, vermôge ihrer eigenen Natur, gegenseitig, ihrer logischen Unvereinbarkeit zufolge, vom Dasein ausschlieCen, und sich daher notwendigerweise nach einer Ordnung der Succession, die Leibniz mit der Zeit selbst identifîziert, einordnen; sie wird nur kraft der Synthesis eingefuhrt, die der Verstand in Hinsicht auf die Môglichkeit der Erfahrung den Dingen (d. i. den Erscheinungen) in der Zeit vorschreiben mu8, und durch welche sie mit dem Wesen der Zeit Ubereinstimmen miissen, — wobei jede die Erfahrung konstituierende Synthèse eine Synthèse der Einbil-dungskrafl sein mu8, die der Verstand in der sinnlichen Anschauung und dem Wesen dieser Anschauung entsprechend bewirkt. Nicht also die den Erscheinun­gen eigene Wirkung zwingt den Verstand, sie gemâfi einer bestimmten Ordnung der Folge aufzustellen; vielmehr zwingt sie der Verstand mit seinem Kausal-begriff zu dieser gegenseitigen Bestimmung.

Dies erhellt sofort ein Vergleich mit der dritten Analogie. Dieselbe begriindet nâmlich das objektive Zugleichsein der Erscheinungen, nicht ihre objektive Folge. Dodi berufl sie sich auf dieselbe Bedingung wie die zweite Analogie: die Erscheinungen miissen einander ihre Stelle in der Zeit bestimmen. Fiihrt aber derselbe Prozefi zu einem anderen Ergebnis, nâmlich dem Zugleichsein und nicht der Folge, so geschieht dies, weil der Begriff, der die Synthesis beherrscht, in beiden Fallen versdiieden und hier nicht mehr die Kausalitat, sondern die wech-selseitige Kausalitat oder Gemeinschaft ist. Infolgedessen, wâhrend die Kausalitat vorschreibt, dafi sich die Erscheinungen derart einander bestimmen, dal5 das Ein-nehmen einer bestimmten Stelle aile anderen von dieser Stelle verweist, u. s. w., so schreibt im Gegenteil die Gemeinschaft vor, dafi ihre gegenseitige Bestimmung

Page 6: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung 15

sie aile in dieselbe Stelle der Zeit einsdiliefit und daf5 sie demnadi gleidizeitig sind.

Der Medianismus, wodurdi die Erscheinungen sidi einander ihre Stelle hin-siditlidi der Zeit bestimmen, entzieht also keineswegs dem Verstand seine aktive synthetisdie Funktion, und es ist wirklidi „die Regel des Verstandes, durdi weldie allein das Dasein der Ersdieinungen synthetisdie Einheit nadi Zeit-verhâltnissen bekommen kann", die „jeder derselben ihre Stelle in der Zeit, mithin a priori, und giiltig fiir aile und jede Zeit" bestimmt (Ak. B. III, 184).

2. — Ist dièse Sdiwierigkeit aber aufgehoben, so enthiillt sidi sofort eine andere. Damit dièse gegenseitige Bestimmung der Ersdieinungen nadi der Zeitordnung, so wie sie durdi die synthetisdie Regel der Kausalitât angeordnet ist, stattfinden kann, mufi man die Ersdieinungen als innerhalb einer Sphâre, die ihre Ganzheit einschliefit, zusammengegeben betraditen, denn die Verteilung ihrer Stellen in der Zeit fiihrt ihre gegenseitige Bestimmung innerhalb ihrer Gesamtheit aus. Es mufi also der nctwendige Zusammenhang der Ersdieinungen in seiner Gesamtheit vorausgesetzt werden. Dies ist aber eine Voraussetzung des Verstandes, weldie dem Wesen der Sinnesansdiauung widerstrebt, die for-dert, dafi die Reihe der phânomenalen Existenzen nadi der notwendigen Kausal-ordnung niemals abgesdilossen ist. Zu behaupten, dafi es eine soldie gegebene und abgesdilossene Gesamtheit gâbe, ist die Sadie der in der dritten Antinomie durdi den dogmatisdien Verstand aufgestellten Thèse.

Es ist dies aber eine unannehmbare Thèse, da sie die Verwandlung, in wirk­lidi vorhandene Dinge, vornimmt, von Ersdieinungen, die dies nidit sind, es aber nur, je nadidem wir eine Ansdiauung davon haben, sein kônnen, d. h. innerhalb einer unbegrenzten Reihe. Nun ist aber die Gesamtheit der Glieder nie gegeben, wenn sie immer nur, je nadidem ihre Ansdiauung stattfindet, ge-geben sind. Wie soU man es also begreifen, dafi sie sidi gegenseitig ihre Stelle in der Zeit bestimmen kônnen? „Aller Zuwadis der empirischen Erkenntnis", sagt Kant, „ . . . ist nidits als . . . ein Fortgang in der Zeit . . . die Telle desselben sind nur in der Zeit und durdi die Synthesis derselben, sie aber nidit vor ihr gegeben. Um deswillen ist ein jeder Ubergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Bestimmung der Zeit durdi die Erzeugung dieser Wahrnehmung" (Ak. B. III, 179—180). So werden Voraussetzungen, die nur die Dinge an sidi betrefïen konnten, auf die Ersdieinungen iibertragen. Handelt es sidi um Ersdiei­nungen und nidit um Dinge an sidi, so „ist die empirisdie Synthesis und die Reihe der Bedingungen in der Ersdieinung notwendig successiv und nur in der Zeit nadieinander gegeben; folglidi konnte idi die absolute Totalitat der Syn­thesis und der dadurdi vorgestellten Reihe hier nidit eben so wohl als dort [wie im Falle der Dinge an sidi] voraussetzen, weil dort aile Glieder der Reihe an sidi gegeben sind, aber nur durdi den successiven Regressus môglidi sind, der nur dadurdi gegeben ist, dafi man ihn wirklidi voUfiihrt" (Ak. B. III, 344).

Page 7: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

16 Martial Gueroult

3. — Eine dritte Sdiwierigkeit hângt mit der vorigen zusammen. Damit die Ersdieinungen sich einander ihre notwendige Stalle in der Form der Zeit be-stimmen, in der Art, dafi der Verstand sie nadi der Kausalitât in einer gewissen notwendigen Ordnung der Folge einordnen kônne, miissen dièse Ersdieinungen sdion in irgendeiner Weise, bevor sie sich einander bestimmen, vorhanden sein. Wenn nâmlich ihre notwendige Ordnung in der Zeit sidi aus der gegenseitigen Bestimmung ihrer Existenzen ergibt, so miissen letztere nofwendigerweise vor dieser Bestimmung erkannt werden, d. h. vor der Ordnung, die daraus entsteht.

Wie soUte man aber begreifen, dafi dièse Dinge bestehen kônnten, bevor sie eine Stella in der Zeit einnâhmen, und dafi dièse Stella sich aus ihrer gegenseitigen Bestimmung ergdhe, wo sie dodi nur Erscheinungen sind, die blofi in der Erfah­rung bestehen kônnen, d. h. unter der vorhergehenden Bedingung ihres notwen­digen Zusammenhângens in der Zait?

Da ja das Dasain dar Erscheinungen selbst in der Erfahrung von ihrem not­wendigen Zusammenhang in der Zeit abhangt, kann man sich nicht vorstellen, dafi dieser Zusammenhang von ihrem Dasein und dar Wirkung, die sie auf-ainander ausiiben, abhangt.

Darauf wird man antworten, dafi es sidi hier nicht um den Verstand, der die Realitât der Ersdieinungen bestimmt, handelt, sondern um den Verstand, der Existenzen, die er nidit ausmadit und die in ebendamsalben Mafia ohne ihn vorhanden sain kônnten, eine Regel vorsdireibt. Dodi sind dièse Existenzen nidit Dinge an sich, sie sind nur Erscheinungen und kônnan als solcha blofi in einer sdion konstituierten Erfahrung gegeben werdan, d. h. dafi, wann sie den Gesetzen, die die Erfahrung ermôglichen, unterworfen sind, man auf keinen Fall aus ihnen die Bedingung dieser Gasetze machen kann. Dies aber wird gerade aus ihnen gemacht, sobald man aus ihrer gegenseitigen Bestimmung ihrer Stellen in der Form der Zeit die notwendige Bedingung der môglidien Erfah­rung der aufeinander dar Kausalordnung gemâfi in dar Zeit folgenden Dinga herleitet.

Wâran dagagen die in Frage kommenden Existenzen Dinge an sidi, so wiirde die Sdiwierigkeit wegfallen, denn dièse Dinge wâren an und fiir sidi von der notwendigen, sidi aus ihrer gegenseitigen Bestimmung ergebanden Ordnung voU-stândig unabhângig. Dies ist genau Leibnizens Standpunkt. Da die miteinander unvereinbaren Substanzen nidit zugleich sein kônnen und sich gegenseitig von der Existenz ausschliefian, kônnen sie nur nachainander bestehen. Ihre Stelle in dar Folge ergibt sidi also aus ihrem gegenseitigen Bestimmungsverhâltnis, und die Zeit kann objektiv als ,,1'ordre des possibles inconsistants qui ont néanmoins da la connexion" definiert werden. Wie aber soll man erklâren, dafi eine soldie logische Ordnung sich als zeitliche Ordnung darstellt? Dadurch, wie Leibniz annimmt, dafi wir, aus der Unkanntnis der inneren Griinde heraus, welche aus den einzalnen Dingen ihre notwendige Folge erklâren, von dieser Ordnung ein unklares Bild haban, das die Zeit selbst als ein ens imaginarium konstituiert.

Page 8: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung 17

III

Dank dieser Zusammenstellung begreifen wir den Ursprung der kantischen Beweisfiihrung, die Erlâuterung ihrer Gliederung und die Sdiwierigkeiten, die sie enthâlt.

Sie besteht in der Anpassung an den Rahmen der transzendentalen Philo­sophie eines in der leibnizischen Monadologie verwendeten modus explicandi, wodurdb die gegenseitige Bestimmung der Dinge zur Verteilung ihrer Existenzen in eine successive Reihe, in der jedes seine bestimmte Stelle ein-nimmt, flihrt. Doch sind bei Kant dièse Dinge nidit mehr die Substanzen oder Monaden des Leibniz, wenn sie Kant audi weiterhin Substanzen nennt, es sind Erscheinungen, deren Dasein vollstândig in der Sprache der empirisdien An-schauung definiert wird. Somit tritt die leibnizische Welt und ihr monadolo-gisdier Medianismus der gegenseitigen Bestimmung der Dinge in eine Newton-sdie Welt ein, in der Zeit (wie der Raum) ein sensorium commune sui generis ist, nicht mehr zwar ein sensorium Dei, sondern sensorium des allgemeinen trans­zendentalen Subjekts. Infolgedessen bestimmen die Erscheinungen, so wie die leibnizisdien Monaden, einander ihre Existenz nach einer notwendigen Ordnung. Da jedoch die Zeit ein auf die logisdien Verhâltnisse der Begrifîe unreduzierbares sensorium ist, und die sidh in dieser Weise ihre Existenzordnung bestimmenden Erscheinungen nur durch die Zeit selbst moglidi sind, so kann die Reihe, die sich daraus ergibt, nicht, wie bei Leibniz, die Reihe der successiven Teile der Zeit selbst sein, sondern blofi eine Ordnung der Dinge in der Zeit, dem Wesen der Zeit entsprechend, welche Folge der Teile ist, und folglich mit sich bringt, dafi die durch den Begriff bestimmte Ordnung eine Folge der Existenzen in der Zeit ist. An und fiir sich ist der Begriff der Ursache soweit davon entfernt, die Folge einzusdiliefien, dafi er sie sogar ausschliefit, da die Ursache, falls sie der Wirkung ganz und gar vorausginge, in dem Augenblick aufhoren wiirde, eine Ursache zu sein, der dem Erscheinen der Wirkung vorangeht. Ursache und Wirkung bestehen also gleichzeitig (daher ihre Kontinuitât). Aber die Beziehung der einen zur anderen bleibt immer in der Zeit bestimmbar, denn die Verknupfung der Er­scheinungen durch den Verstand findet hier nur in Anbetracht der Zeit statt.

Es wird daraus ersichtlich, dal5 die Gemeinschaft (commercium) der Sub­stanzen, welche ihr Zugleichsein begriindet, als Môglichkeitsbedingung der Kau-salverkniipfung zwisdien den Existenzen ersdieint —, was bestàtigt, dafi das Ganze der Erscheinungen zur Griindung der Deduktion ihres Zusammenhanges nadi der Kausalordnung erforderlidi ist. Desgleichen begriindet, bei Leibniz, die Gemeinschaft der Substanzen im Verstand Gottes ihre gegenseitige Bestim­mung der Stelle ihrer Existenz in der Folge, so wie sie die gegenseitige Bestim­mung der Stelle ihrer Existenz im Raum als „ordre des coexistants" begrûndet.

Schliefilich ergibt sich, dafi der Begriff des Zugleichseins, der die Synthèse der Beharrlidikeit und der Folge mit sich bringt, zusammen mit der Natur

Page 9: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

18 Martial Gueroult

des Ganzen der Welt, den letzten Grund der Analogien ausmadit; und Kant gibt dies sehr deutlich in einer Anmerkung zu den Analogien zu, indem er er-klart: „Die Einheit des Weltganzen, in weldiem aile Ersdieinungen verkniipft sein soUen, ist ofFenbar eine blofie Folgerung des insgeheim angenommenen Grundsatzes der Gemeinsdiaft aller Substanzen, die zugleidi seien: denn, wàren sie isoliert, so wiirden sie nidit als Teile ein Ganzes ausmadien, und -wâre ihre Verkniipfung (Wediselwirkung des Mannigfaltigen) nidit sdion um des Zu-gleidiseins willen notwendig, so kônnte man aus diesem, als einem blofi idealen Verhâltnis, auf jene, als ein reaies, nidit schliefien" (Ak. B. III, 185).

Da jedenfalls die Ordnung der Dinge nadi der Kausalitât, die der Verstand griindet, auf die Zeitfolge, die die reine Form der Sinnesansdiauung griindet, unreduzierbar ist, so verlangt die Anordnung der Erfahrung durdi die Kausalitât die Synthesis der gegenseitigen Bestimmung der phânomenalen Existenzen nach der Kausalitât mit der Folge der Zeitteile. In dieser Weise stimmt die durdi dièse Bestimmung mittels des Begriffs erzeugte Ordnung mit dem Wesen der Zeit iiberein, und dièse Ordnung wird zur notwendigen Verteilung der Dinge (oder Ersdieinungen) auf die successiven Teile der Zeitform.

Daher riihrt die aufierordentlidie Bedeutung der zweiten Analogie, obgleidi sie unzertrennlidi mit den zwei anderen verbunden und in einem gewissen Sinne durdi die dritte bedingt ist, denn sie vereint die Existenzen mit dem Wesen der Zeit. Das Wesen der Zeit ist nâmlidi, einzig und allein, die Folge, weil die Mannigfaltigkeit der Zeit nur aus der Folge ihrer Teile besteht. In ihr allein liegt also ihr bestimmbarer Inhalt und sie allein madit demnadi ihre formale Ansdiauung aus, sowie die partes extra partes die formale Ansdiauung des Raumes ausmadien. Zwar hat Kant gesdirieben, die Zeit bestehe aus drei modi: Beharrlichkeit, Folge, Zugleichsein, denen die drei Analogien entspredien; dodi wenn er aufhort, die gewohnlidie Spradie zu gebraudien, um die Dinge nâher zu betraditen, so erklârt er, die Folge sei der einzige wirklidie modus der Zeit, da das Bestândige nidits anderes sei als die Zeit selbst, insofern sie sidi nidit verândert und jede Appréhension der Verânderung ermôglidit, und das Gleidi-zeitige audi kein modus der Zeit selbst sei, weil es in der Zeit keine gleidizeitigen Teile gâbe.

Das Zugleidisein bezieht sidi auf die Zeit, nidit insofern es zum Mannig­faltigen der Zeit gehôrt, sondern insofern es in einem bestimmten Augenblidt der Zeit ein Mannigfaltiges der der Mannigfaltigkeit der Zeit fremden Ersdieinungen setzt. Was in der dritten Analogie abgeleitet wird, ist dièse Ordnung der Koexi-stenz, die, bei Leibniz, die Realitât des Raumes ausmadit, die aber, bei Kant, nur die Verteilung der im Raum bestehenden Ersdieinungen ist, gemâfi einer Oberein-stimmung mit dem Wesen dieser reinen Form der Sinnlidikeit, die als formale Ansdiauung partes extra partes ist. Man versteht daher die Bedeutung des Kausalitâtsbegriffs und korrelativ der Analogie, die er bestimmt, da sie allein die vom Verstand gedaditen Existenzen dem Wesen der Zeit anpafit.

Die Verwandlung der leibnizisdien Substanzen in Ersdieinungen hat hier

Page 10: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

Die Struktur der zweiten Analogie der Erfahrung 19

nodi weitere Folgen. Da die Dinge, die sich einander nadi der Kausalfolge an-ordnen, phânomenale, in der Ansdiauung gegebene Existenzen sind, und nidit aus inneren Krâften bestehende Substanzen (Monaden), so kann die gegenseitige Bestimmung der Existenzen keineswegs auf Grund des Konfliktes zwisdien ihren inneren Expansionskrâflen gesdiehen —, ein Konflikt, der sidi durdi iiire jeweilige Befôrderung zum Dasein auflôst — sondern durdi die Krafl des kon-stitutiven Verstandes, der notwendigerweise die Synthèse der Ersdieinungen mit der sinnlidien Form der Zeit herstellt, insofern dièse Synthèse durdi die Môg-lichkeit der Erfahrung gefordert wird. Die gegenseitige Bestimmung der Existen­zen entspringt also nidit dem inneren Wesen der Dinge, sie ist ihnen vielmehr von aufien durdi ein fremdes Prinzip aufgezwungen. Wo fiir Leibniz der Grund-satz des Besseren dasjenige war, was die Substanzen dazu bringt, ihre Wider-spriidie in einer Folge aufzuheben, wodurdi ihre Existenzen sidi nadieinander entfalten, so dafi die Fiille der Vollstandigkeit in der von Gott auserwâhiten Welt gesidiert ist, ist es der Grundsatz der môglidien Erfahrung, der die gegen­seitige Bestimmung der phânomenalen Existenzen vorsdireibt. So setzt sidi, in diesem Fall, ein gnoseologisdies und transzendentales Prinzip an die Stelle des kosmologischen und metaphysisdien. Es geht hier nidit mehr darum, den Grund der Dinge verstândlidi zu madien, sondern einzig, dem Wunsdie Newtons gemâl?, Grundsâtze zu entdecken, die fahig wâren, die Ersdieinungen zu retten, wobei die Ersdieinung die Erfahrung ist.

Dièses Obertragen der leibnizisdien Begrifïe in das Register der trans-zendentalen Philosophie erklârt zum grofien Teil die Sdiwierigkeiten, denen wir begegnet sind.

Zumal erklârt die Ubertragung der monadisdien Substanzen in phâno­menale Existenzen, dafi die Ersdieinungen, die nur in der Erfahrung bestehen und bestehen kônnen, als Dinge betraditet werden, deren gegenseitige Bestim­mung eben dièse Erfahrung selbst ermôglicht. Und dafi der konstitutive Kausa-litâtsbegriff dièse Bestimmung vorsdireibt, ândert nidits an der Sadie, da die Ersdieinungen an sidi niditsdestoweniger eine bedingende und konstitutive Rolle ûbernehmen. Dadurdi erklârt es sidi ebenfalls, dal5 der Begriff der Ge-samtheit der Ersdieinungen stillsdiweigend, dodi unzweifelhafl, in der Struktur der Beweisfiihrung einbegrifFen ist.

Absdiliefiend môditen wir nodi erwâhnen, dafi, wenn Kant in der Beweis­fiihrung seiner Analogie von einem von der Monadologie geerbten Sdiema beeinflufit wird, es selbstverstândlidi gesdiieht, um dièses von Grund auf zu zerstôren. Wie es J. Vuillemin, in seinem sdiônen Budie „Physique et Méta­physique Kantiennes" treffend aufgewiesen hat, kommt Kant die Anregung, hier mehr denn je, von der zeitgenossisdien Physik, vor allem derjenigen New­tons, her. Daher ist die systematisdie Ubersetzung leibnizisdier in kantisdie Begrifïe blofi ihre systematisdie Widerlegung. So verwandeln sidi die Sub­stanzen, indem sie substantiae phaenomenon werden, in reine Relationen, im Raum erkennbar durdi die Krâfte, die in gewissen Punkten dièses Raumes wir-

Page 11: Martial Gueroult Die Struktur der zweiten Analogie der

20 Martial Gueroult

ken (Anziehung — Zuriickstofiung) ; sie verlieren jene wesentliche Realitât, die sie, ohne Fenster aufs Aufiere, absondert; die Gemeinschaft (commercium) der Substanzen wird eine empirische Gemeinschaft, in der sich der gegenseitige Ein-flufi der Ersdieinungen fortdauernd im Raum auswirkt. Anstatt dafi die Krâfte die Kausalitât durdi das unterirdische Spiel ihrer harmonischen Ausgleichung begriinden, kommen sie als Prâdikabilien von der Kausalitât her —, indem die Kausalitât der urspriingliche Grundsatz der Môglichkeit der Erfahrung Ist. Also geht man nicht mehr von den Krâften zur Kausalitât, sondern von der Kausalitât zu den wirklichen Krâften, die die Erfahrung als iiber die Wirkung der Ursache Rechenschaft ablegend a -priori enthullt.

Dies ailes hindert aber nidit, dafi, in dem Falle, die leibnizische Kosmologie der kantischen Beweisfiihrung ihr leitendes Schéma liefert. Daraus entstehen einige Verzerrungen in der Struktur der transzendentalen Philosophie und eine gewisse Schwierigkeit, sich genau an das kopernikanische Prinzip der Bestim-mung des Objektes durch das Subjekt, das den Grund zu seiner Festsetzung ergibt, zu halten.