Martin Luther King zum Bedingungslosen Grundeinkommen

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  • 8/7/2019 Martin Luther King zum Bedingungslosen Grundeinkommen

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    Martin Luther King zum Bedingungslosen Grundeinkommen

    In seinem letzten Buch, dem 1967 in New York bei Harper & Row erschienenen Titel Where Do

    We Go From Here: Chaos or Community?("Wohin fhrt unser Weg: Chaos oder

    Gemeinschaft?") schreibt Martin Luther King Junior in dem Kapitel Where We Are Going

    (Wohin wir gehen):

    In der Bekmpfung der Armut auf nationalem Niveau sticht eine Tatsache hervor: Es gibt inden Vereinigten Staaten doppelt so viele arme Weie wie arme Schwarze. Daher will ich nichtnher auf die Erfahrungen mit der Armut eingehen, die aus Rassendiskriminierung herrhrt.

    Bis vor kurzem gingen wir von der Annahme aus, dass Armut eine Folge verschiedener belsei: Mangelnde Ausbildung und in der Folge eingeschrnkten Zugang zum Arbeitsmarkt;aufgrund schlechter Wohnverhltnisse Lhmung des Familienlebens und Verlust an(Eigen-)Initiative; unsichere Familienverhltnisse und daraus resultierend eine gestrtePersnlichkeitsentwicklung. Die Logik dieses Ansatzes legt nahe, dass jede dieser Ursachen

    einzeln angegangen werden msse. Also wurden ein soziales Wohnungsbauprogramm zurVerbesserung der Lebensbedingungen, verbesserte (Aus)Bildungseinrichtungen fr bessereChancen auf dem Arbeitsmarkt und Familienberatung fr eine verbesserte persnlicheAnpassungsfhigkeit konzipiert. In ihrer Kombination sollten diese Manahmen die Ursachenfr Armut beseitigen.

    Whrend keines dieser Hilfsmittel in sich selbst unsolide ist haben alle einen schwerwiegendenNachteil. Die Programme wurden nie in einer koordinierten Form oder auf gleich hohemEntwicklungsniveau durchgefhrt. Die Manahmen des sozialen Wohnungsbaus schwanktennach den Launen der gesetzgebenden Krperschaften. Sie waren zusammengestckelt undminimalistisch. Die Bildungsreformen waren sogar noch schleppender und haben sich noch

    mehr in brokratischer Verzgerungstaktik und wirtschaftlich dominierten Entscheidungenverfangen. Die Untersttzung der Familien wurde vollstndig missachtet um dann pltzlichaufgrund voreiliger und oberflchlicher Studien als zentrales Problem entdeckt zu werden. Zukeinem Zeitpunkt wurde ein umfassendes, koordiniertes und vollkommen zufriedenstellendesProgramm konzipiert. In der Konsequenz haben die lckenhaften und krampfhaften Reformennie zu den grundlegenden Problemen und Bedrfnissen der Armen vordringen knnen.

    Zustzlich zu dem Mangel an Koordination und hinreichender Wirkung haben die Programmeder Vergangenheit alle einen gemeinsamen Mangel sie sind indirekt. Ein jedes will Armutbeheben indem zuerst etwas anderes behoben werden soll.

    Ich bin heute davon berzeugt, dass der einfachste Ansatz sich als der effektivste erweisenwird die Behebung der Armut durch ihre direkte Beseitigung mittels einer heute breitdiskutierten Manahme: Dem bedingungslosen Grundeinkommen [wrtl: dem garantiertenEinkommen].

    Frher in diesem [dem 20.] Jahrhundert wre dieser Vorschlag mit Gesptt aufgenommen undals zerstrerisch gegenber Eigeninitiative und -verantwortung verunglimpft worden. Seinerzeitwurde der wirtschaftliche Status als Ma fr die Fhigkeiten und Talente des Individuumsangesehen. Im simplifizierenden Denken jener Tage war das Nichtvorhandensein materiellerGter Kennzeichen fr einen Mangel an Flei und Moral.

    Es war ein weiter Weg bis zu unserem heutigen Verstndnis der menschlichen Motivation undder blinden Ablufe unseres Wirtschaftssystems. Jetzt werden wir gewahr, dassFehlallokationen in unserer Marktwirtschaft und die vorherrschende Ausgrenzung Menschen inUnttigkeit abdrngen und gegen ihren Willen in permanenter oder wiederholter

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    Arbeitslosigkeit festhalten. Die Armen werden heute seltener von unserem Gewissen alsminderwertig und unfhig abgelehnt. Wir wissen auch, dass ganz egal wie dynamisch dieWirtschaft wchst und sich entwickelt, sie keineswegs alle Armut beseitigt.

    Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen wo wir aus dem Nicht-Produzenten einenKonsumenten machen mssen, wollen wir nicht in einem Meer aus Konsumgtern ertrinken.Wir haben die Produktion so tatkrftig gemeistert, dass wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf dieVerteilung richten mssen. Obwohl es eine Zunahme der Kaufkraft gegeben hat, so hinkt siedoch der Zunahme der Produktion hinterher. Jene im untersten konomischen Bereich, diearmen Weien und Schwarzen, die Alten und die chronisch Kranken, sind seit jeherunorganisiert und haben daher wenig Mglichkeit die notwendige Erhhung ihrer Einkommenzu erzwingen. Sie stagnieren oder werden sogar noch rmer in Verhltnis zurGesamtgesellschaft.

    Das Problem lsst erkennen, dass wir mit Nachdruck zwei Ziele verfolgen mssen. Entwedermssen wir Vollbeschftigung schaffen oder Einkommen. Auf die eine oder die andereMethode mssen aus den Leuten Konsumenten gemacht werden. Sind sie einmal in dieserLage, so mssen wir bemht sein, dass die Leistungsfhigkeit des Individuums nicht vergeudet

    wird. Neue Formen von Arbeit, welche das allgemeine Wohl erhhen, werden fr jeneersonnen werden mssen, fr die traditionelle Arbeitspltze nicht vorhanden sind.1879 nahm Henry George diese Situation in Progress and Poverty (Fortschritt und Armut)vorweg indem er schrieb:

    Tatsache ist, dass die Arbeit welche die Lage der Menschheit verbessert, die Arbeit, welche

    Wissen und Fhigkeit vergrert, die Literatur bereichert und das Denken erweitert, nicht zurSicherung des eigenen Lebensunterhaltes getan wird. Das ist keine Sklavenarbeit, angetrieben

    weder durch die Peitsche eines Herrn noch durch tierische Bedrfnisse. Es ist die Arbeit von

    Leuten, die sie um ihrer selbst willen ausfhren und nicht um mehr zu bekommen zum Essen,

    zum Trinken, zum Anziehen oder zur Schau stellen. In einer Gesellschaft in der der Mangel

    abgeschafft ist, knnte Arbeit dieser Art immens zunehmen.

    Wir sind geneigt anzunehmen, dass die Probleme des Wohnens und der Ausbildung, anstattder Beseitigung der Armut vorauszugehen, ihrerseits, wenn die Armut erst einmal abgeschafftist, positiv beeinflusst werden. Sind die Armen einmal in Kunden mit Kaufkraft verwandelt, sowerden sie selbst eine ganze Menge unternehmen, um ihre schlechten Wohnbedingungen zuverndern. Schwarze, die doppelt benachteiligt sind, werden einen greren Einflussgegenber Ausgrenzung haben, wenn sie Geld als zustzliche Waffe in ihrem Kampfeinsetzen knnen.

    ber diese Vorteile hinaus wird sich aus umfassender wirtschaftlicher Sicherheit unvermeidbareine Unzahl von positiven psychologischen Vernderungen ergeben. Die Wrde desIndividuums wird gedeihen wenn die sein eigenes Leben betreffenden Entscheidungen inseinen eigenen Hnden liegen, wenn es die Gewissheit hat, dass sein Einkommen stabil undzuverlssig ist und wenn es die Mittel um nach Selbstverwirklichung zu streben vorhandenwei. Konflikte zwischen Ehemann, Ehefrau und Kindern werden abnehmen wenn dasungerechte Messen des menschlichen Wertes auf einer Dollar-Skala aus der Welt geschafftist.

    Zwei Bedingungen sind unverzichtbar wenn wir sichergehen wollen, dass das BGE alskonsistent fortschrittliche Manahme wirkt. Erstens muss es an den Median des Einkommens

    in der Gesellschaft gekoppelt sein anstatt an das geringste Einkommen.

    Ein Einkommen an der Untergrenze zu garantieren wrde einfach das Sozialhilfeniveauaufrechterhalten und die vorhandene Armut in der Gesellschaft festschreiben. Zweitens muss

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    das BGE dynamisch sein, es muss automatisch zunehmen, wenn das gesamtgesellschaftlicheEinkommen steigt. Wrden wir im erlauben, unter Wachstumsbedingungen statisch zubleiben, so wrden die Empfnger eine relative Abnahme erleiden. Falls regelmigeBewertungen ein Wachstum des gesamten nationalen Einkommens ausweisen, so msste dasBGE um denselben Prozentsatz nach oben angepasst werden. Ohne dieseSchutzmassnahmen wrde eine schleichende Regression auftreten, welche den Nutzten frdie soziale Sicherheit und Stabilitt zunichte machte.

    Dieser Vorschlag ist nicht in dem Sinne ein Brgerrechts-Programm wie der Begriff derzeitgebraucht wird. Das Programm wrde allen Armen ntzen, eingeschlossen die zweidrittel vonihnen, welche wei sind. Ich hoffe, dass sowohl Schwarze wie auch Weie zusammenarbeitenwerden, um diese nderung zu bewirken, weil ihre vereinte Kraft ntig sein wird, um denheftigen Widerstand zu berwinden welchen wir realistischerweise erwarten mssen.

    Es erleichtert unserer Nation die Anpassung an eine neue Art von Denken wenn wir begreifen,dass sich seit bald vierzig Jahren bereits zwei Gruppen in unserer Gesellschaft an einen BGEerfreuen. In der Tat ist dies ein Symptom fr die Verwirrung unserer sozialen Werte, dass diesebeiden Gruppen sich als die Reichsten und die rmsten herausstellen. Die Vermgenden die

    Wertpapiere besitzen verfgten jederzeit ber ein gesichertes Einkommen und deren direktemGegensatz, dem Frsorgeempfnger, wurde ein indessen uerst geringes Einkommendurch die Sozialhilfe garantiert.

    John Kenneth Galbraith veranschlagte, dass 20 Milliarden US-Dollar im Jahr fr ein BGEausreichen wrden, er beschreibt das als nicht viel mehr als wir im nchsten Haushaltsjahrzur Rettung von Freiheit und Demokratie und freier Religionsausbung ausgeben werden, sowie diese von Experten in Vietnam definiert werden.

    Es ist die heute vorherrschende Tendenz in unserer Gesellschaft, die Distribution auf einerKnappheit aufzubauen, welche verschwunden ist, und unseren Reichtum in die berfllten

    Muler der Mittel- und Oberklasse zu pressen bis diese nahezu am berfluss ersticken. WennDemokratie berhaupt eine Bedeutung haben soll, ist es notwendig diese Ungerechtigkeit zukorrigieren. Es ist nicht nur moralisch, sondern es ist auch intelligent. Wir verschwenden undzerstren menschliches Leben indem wir an archaischem Denken festhalten.

    Es gibt keine Rechtfertigung fr den Fluch der Armut in unserem Zeitalter. Es istgesellschaftlich so grausam und blind wie die Praxis des Kannibalismus zu Beginn derZivilisation, als Menschen einander aen, da sie noch nicht gelernt hatten, Nahrung aus derErde oder aus dem reichhaltigen Tierleben um sie herum zu gewinnen. Fr uns ist es an derZeit, uns selbst zu zivilisieren durch die vollstndige, direkte und unverzgliche Abschaffung

    von Armut.

    bersetzung: Eric Manneschmidt, 22.04.09

    Quelle:http://www.progress.org/dividend/cdking.html (Englische Version)

    Dnische Version auf der Seite von BIEN Danmark http://www.borgerloen.dk