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Martina Peitz 13.11.08 1 Thailand und der Kolonialismus

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1) Einleitung2) Siam vor 18553) Der Bowring- Vertrag von 18554) Territoriale Verluste 5) Der Weg zur Garantie der Unabhängigkeit6) Die Chulalongkorn- Reformen 7) Ökonomische Konsequenzen des Bowring- Vertrages8) Welche langfristigen Strukturmerkmale hinterliess der

im politischen Sinn „nicht- koloniale“ und im ökonomischen Sinn „semi -koloniale“ Status Siams?

9) Fazit

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• These: Auch wenn Thailand viele Strukturmerkmale seiner kolonialisierten Nachbarn aufwies, war die Vermeidung einer formalen Kolonialherrschaft keineswegs indifferent und hatte insgesamt positive Konsequenzen.

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Siam vor dem Bowring- Vertrag von 1855• 13.-15. Jahrhundert: Königreich Sukhothai• 15.-18. Jahrhundert : Königreich Ayutthaya diese Reiche wurden zu Vorgängerstaaten des modernen Thailand

deklariert• 1767: vollkommene Zerstörung Ayutthayas durch die Burmesen• 1782: Entstehung des neuen Bangkok- Reiches unter der Chakri- Dynastie Aufstieg Siams zur führenden Macht in der Region; lebhafter Handel mit

China• 1826: Burney- Vertrag: Reduktion und Vereinfachung der Steuern auf

britischen Handel Ende der 1830er Jahre kam es zu erneuten Handelsbeschränkungen für

Ausländer• 1850: erfolglose Missionen seitens der Briten (Sir James Brooke) und

Amerikaner (John Balestier), um Handelsbeschränkungen aufzuheben.

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Der Bowring- Vertrag von 1855:

• Aufhebung königlicher Handelsmonopole• Festlegung einer Höchstgrenze von 3% für alle

Importzölle• Unterstellung der Ausländer unter die

Konsulargerichtsbarkeit (Exterritorialitätsrechte) der Bowring- Vertrag mit Grossbritannien schränkte die

fiskale und rechtliche Autonomie des siamesischen Staates erheblich ein und kann auch als „ungleicher Vertrag“ qualifiziert werden. Es folgten ähnliche Verträge mit anderen Staaten. 1925 erfolgte die schrittweise Aufhebung der Bestimmungen des Bowringvertrages.

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Gebietsabtretungen Siams an die Kolonialmächte:• 1867: Abtretung der zuvor erworbenen kambodschanischen

Gebiete an Frankreich• 1893: Abtretung der laotischen Staaten an Frankreich• 1907: Abtretung der kambodschanischen Provinzen Siem Reap und

Battambang an Frankreich• 1909: Abtretung der malaiischen Staaten Kelantan, Terengganu,

Kedah und Perlis an Grossbritannien Insgesamt verlor Siam etwa die Hälfte seines ursprünglichen

Territoriums an die Kolonialmächte. Doch paradoxerweise trugen die Gebietsverluste zur Homogenisierung des verbliebenen Gebietes bei und erleichterten damit das Nation Building.

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Wichtige Verträge auf dem Wege zur Garantie von Siams Unabhängigkeit

• 1896: Frankreich und Grossbritannien einigen sich darauf, den Mekong als Grenze zwischen dem französischen Laos und British Burma zu akzeptieren. Das Kerngebiet Siams sollte als neutrale Pufferzone zwischen beiden Einflusssphären fungieren und keine der Kolonialmächte sollte hier Exklusivrechte geltend machen können (was jedoch beide Kolonialmächte in der Folge unterliefen)

• 1897: Geheimabkommen Siams mit Grossbritannien: Siam sollte für zukünftige Gebietsabtretungen zuvor konsultiert werden. Im Gegenzug erhielten die Briten Exklusivrechte auf der Halbinsel im Süden.

• 1904: Entente Cordiale zwischen Frankreich und Grossbritannien und damit Ende der Rivalitäten zwischen beiden Grossmächten. Der Menam (Chaophraya) wurde als Grenze zwischen beiden Einfusssphären festgelegt und die zukünftige Unabhängigkeit der Kerngebiete Siams als neutrale Pufferzone garantiert.

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Ursachen für Siams Unabhängigkeit• Geostrategische Bedeutung als neutrale

Pufferzone zwischen britischer und französischer Einflusssphäre

• Dipolomatisches Geschick der damaligen siamesischen Herrscherelite, die Rivalitätskämpfe der europäischen Grossmächte untereinander richtig einschätzte und eine „Realpolitik“ betrieb

• Politische Reformen

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Die Reformen unter König Chulalongkorn (r. 1868-1909)• Zentralisierung des Verwaltungs- und Finanzsystems • Modernisierung des Justizsystems• Einführung eines einheitlichen Bildungssytems und der allgemeinen

Primarschulpflicht• Einführung der allgemeinen Wehrpflicht• Zentralisierung der buddhistischen Mönchsgemeinde • Abschaffung von erzwungenen Arbeitsdiensten und der Sklaverei Die Reformen Chulalongkorns verwandelten ein traditionelles

südostasiatisches Königreich, in dem die Macht bei einem König sowie in den Händen einer kleinen Herrscherschicht adliger Familien lag, in einen „modernen Nationalstaat“.

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Folgen der Chulalongkorn- Reformen• Aufbau einer starken, zentralisierten, von

Bangkok aus agierenden Bürokratie• Schwächung der Macht traditioneller lokaler

Herrscherfamilien • Teilweise gewaltsame Inkorporierung sowie

„Thaiifizierung“ der Randregionen vor allem des Nordens und Nordostens („interne Kolonialisierung“)

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Ökonomische Transformationen nach dem Bowring- Vertrag

• Niedergang lokaler Industrien, die vor allem Textilien (Baumwolle, Seide) und Kunsthandwerkprodukte (Töpferei, Korbflechtwaren) umfassten

• Siam wurde zum Rohstofflieferanten für die Kolonialökonomie und galt als „verlängerter Arm der in Malaysia errichteten kolonialen ökonomischen Struktur der Briten“. Es produzierte in erster Linie Reis, jedoch auch Teak, Zinn und Kautschuk.

• Zunehmende ausländische Dominanz

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Durchschnittlich jährliches Volumen der Reisexporte (in Tausend Piculs; 1 Picul = ca. 60 kg)

Quelle: Ingram, James C. (1971): Economic Change in Thailand, 1850-1970, Kuala Lumpur: Oxford:

Oxford University Press: 38

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Besonderheiten des nicht- kolonialisierten Siams beim Reisanbau • Extensiver Reisanbau (stetige Möglichkeit der Erschliessung fruchtbaren

Neulandes): „land surplus society“; „Frontiergesellschaft“• Bewässerung blieb weiterhin von der Niederschlagsmenge abhängig,

Regierung investierte nicht in grosse Kanalprojekte• Anbaumethoden blieben auf niedrigem technologischen Niveau (Dominanz

der Breitwurfsaat anstatt Transplantationstechnik)• Geringere Produktivität (im Vergleich zu den kolonialisierten

Nachbarländern)• Erhalt einer freien Kleinbauernstruktur mit Subsistenzneigung (geringer

Verpachtungsgrad) • Keine Massenimmigration von ausländischen Arbeitskräften wie in den

Kolonien dennoch wurde Siam zu einem der führenden Reisproduzenten auf dem

Weltmarkt!

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Technologieerwerb durch lokale chinesische Kapitalisten am Beispiel der dampfangetriebenen Reismühle:

• “The stakes were so high that the Chinese had every incentive to learn fast. The superiority of steam mills was obvious, and so the Chinese bought them, small ones at first, and hired Western (usually Scottish) engineers to run them. The mechanical genius of the Cantonese engineers eventually obviated direct Western help. By the turn of the century several Chinese mills employed Cantonese engineers. (…) During the first decade of the twentieth century, Cantonese machinists manufactured a complete set of rice milling machinery, including castings, from their own patterns and crude hand sketches taken from British equipment in a local mill.” *

*Quelle: Skinner, William (1957): Chinese Society in Thailand: An Analytical History, Ithaca NY: Cornell University Press: 104

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Ohne Zugang zur politischen Macht waren westliche Firmen unfähig, die Ökonomie Siams gemäss den kolonialen Interessen zu strukturieren. Es existierten keine Steuersysteme und Arbeitsregulierungen wie bei den Plantagenökonomien in Südasien oder wie bei der Zuckerindustrie auf Java. Die siamesische Regierung regulierte die Konzessionen der Teak- Industrie, weigerte sich, grosse Kautschuk- Plantagen zuzulassen und unterliess die Errichtung einer Infrastruktur für den Zinnbergbau. Das europäische Kapital blieb mehr oder weniger auf die Hauptstadt beschränkt, wo es die Schifffahrt sowie das Banken- und Versicherungswesen dominierte.

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Langfristige Strukturmerkmale als Hinterlassenschaft des im politischen Sinn „nicht- kolonialen“ bzw. im ökonomischen Sinn „semikolonialen“ Status von Thailand

• Bis in die 1980er Jahre im Vergleich zu Malaysia geringere Bedeutung ausländischer Direktinvestionen

• Vermeidung von Disruptionen • Enge Allianz des chinesischen Kapitals mit der thailändischen

politischen Elite• Finanzieller Konservatismus• Agrarregime, welches durch den individuellen Kleinbauern dominiert

wird• Rivalisierende Herrschaft bürokratischer und militärischer Cliquen

(„Bureaucratic Polity“)• Starke Rolle der Monarchie („Nation, Monarchie, Buddhismus)

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Beschäftigungsstruktur (in Prozentangaben)

1960 1970 1980 1990 1994•Agriculture 82,3 79,3 71,9 63,5 60,8 •Industry 4,2 5,8 7,9 14,2 15,8•Service 13,5 14,9 20,2 22,3 23,4•Total 100 100 100 100 100

*Source: National Statistical Office (NSO) Thailand: (hier wiedergegenen aus: Dixon, Chris (1999): The Thai Economy. Uneven Development and Internationalisation, London and New York: Routledge.

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Aktuelle politische Krise…

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Fazit• Trotz der gegenwärtigen politischen Krise bleibt

festzuhalten, dass die formale Unabhängigkeit Thailand viele Vorteile gegenüber den kolonialisierten Nachbarn brachte: weniger disruptive Prozesse wie Kriege und Bürgerkriege; eine Agrarstruktur, welche Landflucht und die Verarmung breiter Massen im Ausmass anderer Entwicklungsländer verhinderte; die Assimilation der chinesischen Bourgeosie, um die wichtigsten zu nennen. Die starke Rolle der Monarchie könnte jedoch auf Dauer zum Belastungsfaktor werden – die Zukunft wird es zeigen, ob es Thailand gelingt, ein demokratisches System aufzubauen, welches seinen Namen auch verdient.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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