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Massenanfall von Verletzten (MANV)
nach schweren Unfällen, Amoklagen oder Terroranschlägen
- nur im Team zu bewältigen –
Teil 10Zusammenarbeit bei Terroranschlägen
Unterlagen für eine Unterrichtseinheit von ein bis zwei StundenStand: 06.11.2010
Gerd Gräff, Bad Sobernheim Hermann-Josef Gundlach, BingenLeitender Ministerialrat im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Rettungsdienstreferent im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz
www.neckar-verlag.de
Hinweise des Verlags
© Neckar-Verlag, Villingen-SchwenningenDiese Powerpoint-Präsentation ist für Ausbildungszwecke bestimmt und darf von den Beziehern des nebenstehenden Kommentars genutzt werden. Innerhalb ihrer Einheit (z.B. Feuerwehreinheit, Ortsverein der Hilfsorganisation), Behörde (z.B. Verbandsgemeindeverwaltung, Polizeidienststelle) oder Einrichtung darf die Präsentation kopiert werden. Eine Weitergabe an Dritte ist nicht zulässig und kann urheberrechtlich verfolgt werden.
Für Nicht-Abonnenten sind im Download-Bereich des Verlags nur die Inhaltsangaben und Kurzfassungen freigeschaltet. Diese dürfen uneingeschränkt kopiert und weitergegeben werden.
Alle Personenbezeichnungen gelten sowohl in weiblicher als auch in männlicher Form. Wegen der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird aber nur die männliche Form verwendet.
Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Beratung vor allem bei Herrn Peter Schüssler (Feuerwehr- und Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz), Herrn Rettungsingenieur Mirko Temmler (DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz), bei der Arbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz Rheinland-Pfalz (HiK), in der alle privaten Hilfsorganisationen mitwirken (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD), bei der ADAC-Luftrettung GmbH und bei der Luxembourg Air Rescue
Die Ausbildungsunterlage wird nach bestem Wissen auf dem Laufenden gehalten. Auch wenn keine Gewähr für die Richtigkeit aller Angaben übernommen werden kann, „lebt“ die Ausbildungsunterlage von ihrer ständigen Aktualität. Anregungen zum Inhalt nimmt der Verlag deshalb gerne entgegen. Sie können z.B. per E-Mail an folgende Adressen gesandt werden:[email protected] [email protected] (Tel.: 015112216697)
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Unverzichtbarer Ratgeber für die Einsatzpraxis
Inhalt3
• MANV PowerPoint Teil 1: Kommunale Einsatzleitung • MANV PowerPoint Teil 2: Führungsstruktur bei Großschadensereignissen, zivil-militärische Zusammenarbeit• MANV PowerPoint Teil 3: Abschnittsleitung Gesundheit (Zusammenarbeit LNA/OrgL mit dem Einsatzleiter)• MANV PowerPoint Teil 4: Abschnittsleitung Gesundheit (Registrierung, PSNV, besondere Lagen)• MANV PowerPoint Teil 5: Zusammenarbeit der Fachdienste, Rettungsdienst mit Sonderalarm• MANV PowerPoint Teil 6: Koordination der Luftrettung, Alarm- und Einsatzpläne der Krankenhäuser• MANV PowerPoint Teil 7: Zusammenarbeit mit der Polizei bei der Gefahrenabwehr• MANV PowerPoint Teil 8: Repressive Polizeiaufgaben und Medienarbeit, Berührungspunkte zur nicht-
polizeilichen Gefahrenabwehr • MANV PowerPoint Teil 9: Zusammenarbeit bei Amoklagen und Geiselnahmen
MANV PowerPoint Teil 10: Zusammenarbeit bei Terroranschlägen10.Besonderheiten bei Terroranschlägen10.1 Deutschland ist weiterhin als Teil eines weltweiten Gefahrenraums
anzusehen10.2 Beispiele für Terroranschläge mit MANV10.3 Neue Gefahren auch für Einsatzkräfte10.4 Wie können Terroranschläge erkannt werden?10.5 Sensibilisierung der Einsatzkräfte für ungewöhnliche Situationen
erforderlich10.6 Gefahren durch Brief- und Paketbomben10.7 Auf verdächtige Personen achten10.8 Besonders heimtückisch: Terroranschläge mit CBRN-Mitteln10.9 Schmutzige Bombe10.10 Einsatzhinweise bei Terroranschlägen10.11 Meldewege, Kommunikation, Probleme des Cyber-Terrorismus10.12 Besonders wichtig bei Terroranschlägen: Enge Zusammenarbeit aller
Beteiligten10.13 Besonderheiten bei Anschlägen in Militäranlagen
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10.1 Deutschland ist weiterhin als Teil eines weltweiten Bedrohungsraumes anzusehen
Asymmetrische Bedrohung (spätestens seit 9/11 = Terroranschläge vom 9.11.2001 in den USA), also statt klassischer Kriegsszenarien hinterhältige Guerilla-Taktik durch Terrorgruppen ohne Rücksicht auf nationales Recht oder Kriegsvölkerrecht Bundesministerium des Innern im April 2007:
„Im Zusammenhang mit der Erwähnung Deutschlands im Rahmen von islamistischen Verlautbarungen gelangten Bundessicherheitsbehörden zu der Einschätzung, dass die Bundesrepublik Deutschland weiterhin als Teil eines weltweiten Gefahrenraums anzusehen ist und somit auch im Zielspektrum terroristischer Gruppierungen liegt. Gegenwärtig ist auch in Deutschland von einer hohen, besonderen Gefährdung für US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Interessen auszugehen.“
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10.2 Beispiele für Terroranschläge mit MANV
Madrid, 11. März 2004 Innerhalb von zehn Minuten explodierten in vier Pendlerzügen
insgesamt zehn Bomben Mindestens vier Bomben explodierten nicht bzw. wurden nicht sofort
gezündet Möglicherweise waren die vier verbliebenen Sprengsätze für einen
Angriff auf die Einsatzkräfte vorgesehen Insgesamt 191 Tote und rund 1.800 Verletzte, von denen viele mit
Privatfahrzeugen in Kliniken transportiert wurden London, 7. Juli 2005 Innerhalb kürzester Zeit explodierten Sprengsätze in drei U-Bahn-
Zügen und einem Bus Insgesamt 56 Tote und rund 700 Verletzte Evakuierung und Stilllegung des gesamten öffentlichen Nahverkehrs
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10.3.1 Neue Gefahren auch für Einsatzkräfte
Auch heute dürfte noch kein Anlass zur Entwarnung bestehen Beispiele für geplante oder bereits durchgeführte Terroranschläge
politischer und religiöser Fanatiker in Deutschland:o Gescheiterter Kofferbombenanschlag in zwei Zügen in der Region
Köln/Koblenzo Massenmord-Planungen der „Sauerland-Gruppe“o Briefbomben (u.a. in Flugzeugen und im Bundeskanzleramt)
Neue Gefahren auch für Einsatzkräfteo Moderner weltweiter Terrorismus setzt mehr als die meisten historischen
Vorbilder auf zivile, so genannte weiche Zieleo Dabei wird keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen (im
Gegenteil: Möglichst viele Leichen sollen gezählt werden - Body Counting medienwirksam inszeniert)
o Teuflisches Kalkül des Terrors: Mehrfachanschläge sollen auch Helfer treffen und demoralisieren
o Sehr wirkungsvolle Sprengsätze sind recht einfach herzustellen („Bastelanleitungen“ im Internet)
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10.3.2 Vermarktung des Terrors
Märtyrer-Terroranschläge sind weltweit Gegenstand, aber auch Zweck der medialen Präsentation
Die Brutalität, mit der beispielsweise Selbstmordattentäter Unbeteiligte mit in den Tod reißen, sollen nicht nur in Israel, sondern auch in Russland (z.B. tschetschenische „schwarze Witwen“), im IRAK, in Afghanistan, aber auch in den USA und in Europa
o unter der Bevölkerung oder unter betroffenen Militär- oder Polizeieinheiten Angst und Schrecken verbreiten
o auf möglichst aufsehenerregende Weise den unbedingten Willen zum Widerstand gegen Feinde und Ungläubige unterstreichen und
o Nachahmungstäter - auch unter Konvertiten - rekrutieren Bilder zerfetzter Körper und blutverschmierter Straßen haben eine
hohe emotionale Wirkung und werden deshalb insbesondere übers Internet vermarktet (vgl. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen: Märtyrertum und Bombenterror www.im.nrw.de/sch/doks/VS/maertyrertum.pdf)
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10.4.1 Wie können Terroranschläge erkannt werden?
Terroristische Anschläge sind nicht immer von Anfang an als solche zu erkennen:
Deswegen muss vor allem bei Notrufen im Zusammenhang mito Schießereien und o nicht eindeutig bewertbaren Explosionen vor allem in der Nähe
sensibler Einrichtungen (z.B. Militäranlagen, Jüdische Einrichtungen, Diskotheken)
die Möglichkeit eines Terroranschlags in Betracht gezogen werden
Bereits bei der Abfrage in der Leitstelle sowie bei der Erkundung an der Einsatzstelle muss ein besonderes Augenmerk insbesondere auf folgende Aspekte gelegt werden:
o Gibt es Hinweise auf einen Anschlag sowie auf Folgeanschläge?o Hat die Polizei entsprechende Erkenntnisse?
(Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein „Rettungsdienstliche Taktik bei terroristischen Schadens- und Bedrohungslagen – Einsatzbeginn und Zusammenarbeit mit ausländischen Militärkräften“, Notfall + Rettungsmedizin 2 /2010 S. 148)
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10.4.2.1 Auf Instinkt, Erfahrung und Ausbildung verlassen
Die Einsatztaktik muss sich den neuen Gefahren anpassen
Beim Erkennen möglicher terroristischer Anschläge ist der Instinkt mindestens so stark gefragt wie der Verstand, auch wenn dem Instinkt in der Zivilisation oftmals keine so große Bedeutung mehr beigemessen wird:
Wenn ein Terroranschlag nicht als solcher erkannt wird, ist im Extremfall mit dem Verlust der zuerst eintreffenden Einheiten zu rechnen (Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein a.a.O.)
Einen „ja/nein-Algorithmus“ gibt es für die Gefahr von Terroranschlägen nicht. Wichtig für das Erkennen von Hinweisen auf einen Terroranschlag sind:
o Erfahrung
o Ausbildung
o klares Erfassen und Beurteilen von Situationen
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10.4.2.2 Verdächtige Wahrnehmungen sofort weitermelden!
Deshalb sind verdächtige Wahrnehmungen sofort weiter zu melden:
Erkenntnisse und Vermutungen melden!
Ggf. auch andere Kräfte auf Verdacht hinweisen!
Verdächtige Personen und Gegenstände an Polizei melden (notfalls ohne Umweg über die Einsatzleitung)!
Ungewöhnliche Eindrücke, Gerüche, Geräusche an die Einsatzleitung und an die Polizei melden!
Gesundheitliche Einschränkungen (Übelkeit, Sehstörung, Schwindel) an die Einsatzleitung melden!
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10.4.3 Erkennungsmerkmale für einen möglichen Terroranschlag
Folgende Faktoren können für die Bewertung, ob es sich um einen Terroranschlag handeln kann, wichtig sein:
Politische Situation Allgemeine Warnungen Konkrete Erkenntnisse der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden Gefährdungsindikatoren
o Einsatzort, Einsatzzeit, Schadenereigniso hohe Personendichteo hoher Symbolwert (z.B. „westlicher Lebensstil“, „Partyszene“)o weiches, öffentlich zugängliches Zielo Explosion unbekannter Ursacheo hohe Anzahl Verletzter, Erkrankter (Grund möglicherweise unklar)o Ungewöhnlicher Zusammenhang zwischen diesen Indikatoren
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10.5.1 Sensibilisierung der Einsatzkräfte für ungewöhnliche Situationen erforderlich
Wegen der abstrakten, aber latenten Bedrohungslage ist eine Sensibilisierung der Einsatzkräfte vor allem für ungewöhnliche Situationen erforderlich, wie
lebensfremde Anordnung von Fahrzeugen und Gegenständen, z.B.o außergewöhnlich abgestellte Fahrzeuge (z.B. Tankwagen, Lkw,
Lieferwagen, aber auch Pkw)o nicht zuordenbare Koffer oder Rucksäcke auf Bahnsteigen oder in
Zügeno Gegenstände, die an einem Ort „falsch“ wirken
mögliche Sprengvorrichtungen, z.B.o sichtbare Zündvorrichtungen (Drähte, Flüssigkeiten, kompakt
geschnürte/verpackte Gegenstände)o auffällige Gegenstände oder Substanzen, die nicht gefährlich aussehen
müssen, aber nicht eindeutig zu identifizieren sind (z.B. Selbstlaborate nach Internet-Bauanleitung)
Achtung: Moderne Sprengstoffe und Sprengkörper können sehr klein sein, harmlos wirken und gut getarnt sein (z.B. in Druckerpatronen)
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10.5.2 Auf Sprengfallen usw. achten!
Im Zusammenhang mit nicht auszuschließenden Terroranschlägen auch auf Sprengfallen* achten, z.B.
mechanische, optische, akustische, thermische Auslöser versetzte Zeitzünder (z.B. drahtgebunden, via SMS, Handy, per Hand)
o Achtung: Sprengvorrichtungen können sich auch an Menschen befinden (z.B. verletzte oder tote Terroristen)
Blindgänger sowie teilweise gezündete Sprengsätze Selbstschussanlagen (insbesondere zum Schutz konspirativer Wohnungen) Die Feuerwehr könnte bereits vor einem Terroranschlag mit
solchen Gefahren konfrontiert werden, z.B. beim Brand in einer Bombenbauer-Werkstatt, die durchaus in einer Wohnung sein könnte
Deshalb beim „Innenangriff“ auch in harmlos wirkenden Wohnungen immer auf verdächtige Auffälligkeiten achten
Bei Verdacht sofort zurückziehen und weiträumig absperren
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* Vgl. hierzu auch HEIKAT, Handlungsempfehlungen zur Eigensicherung für Einsatzkräfte der Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen bei einem Einsatz nach einem Anschlag http://www.feuerwehrverband.de/fileadmin/dfv/Dateien/Fachthemen/FB_Einsatz__Loeschmittel_und_Umweltschutz/Infofaltblatt_HEIKAT.pdf
10.5.3 Weitere mögliche Hinweise auf einen Terroranschlag
Auf einen Terroranschlag können auch folgende Indikatoren hindeuten:
Bizarres Schadensausmaß ohne zunächst erkennbare plausible Erklärung (wie bei den Anschlägen auf das World Trade Center)
Hinweise auf Schusswaffeneinsatz (der nicht immer hörbar sein muss, etwa wenn Heckenschützen beteiligt sind), z.B.
o pfeifende Geräusche
o Einschusslöcher am Ort
o Schussverletzungen
Vgl. hierzu auch HEIKAT a.a.O
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10.6.1 Gefahren durch Brief- oder Paketbomben
In jüngster Zeit wurden weltweit Brief- und Paketbomben versandt:
Solche Spreng- und Brandvorrichtungen werden nicht nur von Terroristen, sondern auch von anderen Kriminellen benutzt, um Menschen gezielt anzugreifen
Höhere Wahrscheinlichkeit für einen Anschlag mit solchen Mitteln besteht
o bei vorausgegangener Drohungo bei politischer Tätigkeito bei ausländischer Staatsangehörigkeito in jüdischen Einrichtungeno im Flugverkehr (z.B. Luftfracht)
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10.6.2 Gefahren durch Brief- oder Paketbomben
Hinweise auf mögliche Brief- oder Paketbomben (Quelle: Flyer des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz für Poststellen):
Post aus dem Ausland, Luftpost oder erkennbar nicht durch Post zugestellt (ohne Briefmarken, ohne Poststempel)
Unbekannter oder fehlender Absender Hinweise auf Umschlag wie „Vertraulich“, „Privat“, „Persönlich“
usw. Handgeschriebene oder schlecht leserliche Adressen Adressangaben sind nicht am üblichen Platz Unkorrekte Titel oder Dienstgrade Auffallende Rechtsschreibfehler
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10.6.3 Gefahren durch Brief- oder Paketbomben
Weitere Hinweise auf Brief- oder Paketbombe: Sendung ist über das übliche Maß frankiert Ölige Flecken, Verfärbungen, pulvrige Substanzen,
herausragende Drähte oder Metallfolie Ungewöhnlich hohes Gewicht der Postsendung in Bezug
auf ihr Format Fester Umschlag oder ungewöhnlich stabile Verpackung Unebener Umschlag bzw. fühlbare Gegenstände im Innern
des Umschlags Übertriebene Versiegelung der Postsendung, Sicherung mit
Klebeband und Schnur
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10.6.4 Verhaltenshinweise beim Auffinden verdächtiger Briefe oder Pakete
Gefahren für sich und andere verhindern, deshalb: Sofort Polizei verständigen Keinerlei Manipulationen am Gegenstand vornehmen Gegenstand nicht mehr berühren, anfassen oder öffnen Nichts auf den Gegenstand legen, werfen oder schütten Gefahrenbereich räumen und von Personen freihalten Sicherheitsabstand einhalten Nicht rauchen Keine Mobiltelefone oder Funkgeräte in den Bereich der
sprengstoffverdächtigen Gegenstände bringen Vermutete Sprengstoffe immer als „scharf“ behandeln Nicht von der Größe des Gegenstandes auf seine Ungefährlichkeit
schließen! Selbst geringe Sprengstoffmengen im Grammbereich können Menschen töten oder schwer verletzen
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10.7.1 Auf verdächtige Personen achten!
Besonders gefährlich sind Selbstmordanschläge aufgrund der großen Präzision und Zielgenauigkeit, mit der sie meistens „nach Plan“ und ohne Gegenwehr gegenüber den meist ahnungslosen Opfern durchgeführt werden können. Um ein Gespür für Art und Umfang der Gefahr zu erhalten, sind einige psychologische Hintergründe hilfreich:
Schutzmaßnahmen für den Attentäter entfallen, da er – ähnlich wie ein Amokläufer – sterben will (Märtyrertod)
Ein einheitliches Täterprofil gibt es nicht, Ursachen und Beweggründe, die Menschen zu Selbstmordattentätern werden lassen, sind oft vielfältig (meist eine Mischung unterschiedlicher Faktoren)
Es sind keineswegs vor allem Geisteskranke oder ohnehin selbstmordgefährdete Personen, die zum Selbstmordattentat bereit sind (vgl. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen a.a.O.)
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10.7.2 Lange Entwicklung zur „Entmenschlichung“
Die Entschlossenheit, mit der Selbstmordattentäter zu Massenmördern werden, ist in der Regel das Produkt einer langen Entwicklung zur „Entmenschlichung“:
Dschihadistische Selbstmordattentäter glauben - bestärkt durch Propagandisten und Hassprediger -, durch ihren Tod für „ihre Gemeinschaft“ im Jihad („Heiliger Krieg gegen Feinde und Ungläubige“) als Märtyrer eine Identität zu erhalten, die sie unsterblich macht und sie direkt ins Paradies übergehen lässt
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10.7.3 Lange Entwicklung zur „Entmenschlichung“
Die Mystifizierung des Paradieses kann bei bestimmten Personen die Sehnsucht nach dem Märtyrertod fördern (vgl. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen a.a.O.):
Er entgeht dem Verhör durch die beiden Todesengel Munkar und Nakir und braucht das Fegefeuer (bazarkh) nicht zu durchlaufen
Da Märtyrer von jeder Sünde befreit sind, bedürfen sie auch nicht der Fürsprache des Propheten Muhammad
Das Paradies wird in islamischen Schriften als Ort unvorstellbarer Freuden beschrieben. So soll es im muslimischen Garten (dschanna) Flüsse aus Milch und Honig geben, die Auserwählten tragen kostbare Kleider und Schmuck. Die Freuden des Paradieses vervollkommnen 72 wunderschöne Paradiesjungfrauen (Huris), die sich den Seligen als Gattinnen anempfehlen
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10.7.3 Dschihadistische Selbstmordattentäter können lächelnd in den Tod gehen
Deshalb ist es im Zusammenhang mit befürchteten oder tatsächlichen Terroranschlägen wichtig, auf Personen zu achten, die sich auffällig, ungewöhnlich oder auf sonstige Weise verdächtig verhalten:
Die Verdächtigen können sich durch besondere Nervosität auszeichnen, müssen es aber nicht
Verklärte Gesichtszüge oder gebetsartige Gesten im Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Lage, die Menschen normalerweise beunruhigt, können verdächtig sein
Selbstmordattentäter sind von der jeweiligen Extremistenorganisation in der Regel bereits Jahre vor ihrem Einsatz ausgewählt und über einen langen Zeitraum auf ihre Aufgabe vorbereitet worden (z.B. durch Indoktrination bzw. „Abrichtung“ zum Töten)
Als eine Art Vertragsschluss gilt ein auf Video aufgenommenes Bekenntnis, das vom späteren Attentäter häufig kurz vor dem tödlichen Einsatz aufgenommen wird, um später in der medialen Inszenierung der Tat verwendet zu werden
Durch laute Gebete und Gesänge wird eine Art tranceartiger mentaler Glückszustand angestrebt, der bis zum Tatzeitpunkt anhalten soll
Das Lächeln der Selbstmordattentäter kurz vor ihrer Tat wird deshalb auch als „Lächeln der Freude“ (basmat al-farah) bezeichnet (vgl. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen a.a.O.)
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10.7.4 Angreifer könnten paramilitärisch ausgebildet sein
Bei Terroranschlägen ist deshalb besondere Vorsicht geboten: Die so mental vorbereiteten und verrohten Angreifer könnten in Terrorcamps
paramilitärisch ausgebildet worden sein und hinterhältige Guerilla-Taktiken anwenden, die in unserer Zivilgesellschaft nicht mehr geläufig sind!
Angreifer könnten über Kriegswaffen, militärische Sprengvorrichtungen und Kampfstoffe verfügen! Ähnlich wie Amokläufer stellen sie in der Regel die Angriffe erst nach ihrem Tod ein!
Angreifer könnten ohne Rücksicht auf sich selbst und andere mit unvorstellbarer Brutalität vorgehen und dabei den eigenen Tod als Märtyrer anstreben, wie bei den Terrorangriffen von Mumbai in Indien im November 2008, die sich wie ein kollektiver Amoklauf darstellten; innerhalb kürzester Zeit kam es
o an zehn verschiedenen Stellen der Stadt o zu 17 Explosionen, Angriffen mit Schnellfeuerwaffen und zu Geiselnahmen o durch ca. 10 Angreifer, die sich in verschiedene Gruppen aufgeteilt hatteno mit insgesamt ca. 166 Toten und 239 Verletzten (Quelle: WIKIPEDIA)
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10.8.1 Besonders heimtückisch: Anschläge mit CBRN-Mitteln
Folgende Anzeichen können auf einen CBRN-Angriff (z.B. Nervenkampfstoffe, ätzende Stoffe) hindeuten:
Fremdartige Gerüche und Geräusche können, müssen aber nicht auf einen Terroranschlag hindeuten (vgl. HEIKAT a.a.O.)
o Denkbare Merkmale:Stechende, beißende oder „ungewöhnliche“ Gerüche für den Einsatzort (z.B. frisches oder faules Heu in der Stadt)
o Unklare und ungewöhnliche Symptome (z.B. Hautödeme, schaumiger Auswurf, extremer Reizhusten, Zyanose usw.)
o Verhaltensauffälligkeiten von Menschen und Tiereno Tote Tiere, Abwesenheit von Tieren (z.B. Insekten)o Unklare Verfärbung am Orto Zersetzung von Gegenständen
Verwendete Agenzien können flüchtig, nicht sichtbar, farb- und geruchlos sein
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10.8.2 Besonders heimtückisch: Anschläge mit CBRN-Mitteln
Wegen nicht auszuschließender CBRN-Gefahren bei Terrorangriffen folgendes beachten:
Besonders bei Explosionen kann es zu einer unbemerkten Kotamination mit Schadstoffen aller Art kommen
Enge Abstimmung aller Maßnahmen zwischen Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und anderen Hilfsorganisationen auch in Bezug auf CBRN-Gefahrenlagen
Weisungen und Hinweise der Feuerwehr-Facheinheiten beachten (z.B. Gefahrstoffeinheiten)
Nach Explosionen verdächtigen Ursprungs durch Messungen nachprüfen, ob radioaktives Material oder chemische Schadstoffe verteilt wurden
Dekontamination/Notdekontamination durch Facheinheiteno Grundsatz: Rettung geht vor Dekontaminationo Kontaminationsverschleppung möglichst verhindern
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10.9.1 Schmutzige Bombe
Schmutzige Bomben sind radiologische Waffen, mit denen radioaktive Substanzen in krimineller
Absicht ausgebracht und großflächig verteilt werden können (z.B. mittels eines Sprengsatzes, der die gefährliche Substanz verteilt)
Eine Bombenexplosion ist aber beim Einsatz einer radiologischen Waffe nicht zwingend erforderlich (z.B. radiologische Dispersionsvorrichtung)
Eine radiologische Waffe darf aber nicht mit einer Kernwaffe verwechselt werden (kein nuklearer Kettenprozess, der eine enorme Energie freisetzt):
Die Effekte einer Kernwaffe, z.B. Hitzeblitz, Druckwelle, Initialstrahlung, treten bei einer schmutzigen Bombe nicht auf, die Wirkungsreichweiten sind ungleich geringer
Schmutzige Bomben sind aber leichter zu bauen als Kernwaffen
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10.9.2 Wirkungen einer schmutzigen Bombe
Denkbare Wirkungen einer schmutzigen Bombe: Explosionswirkung Die von einer radiologischen Bombe ausgehende Gefahr für die
Bevölkerung ist - von der eigentlichen Explosionswirkung abgesehen – als gering anzusehen
Eine hohe Dosisleistung (Strahlenbelastung) und damit eine gesundheitsgefährliche Folgedosis für die Bevölkerung ist mit diesen Waffen nur schwer zu erreichen
Die Hauptgefahr liegt in der psychologischen Wirkung auf die Bevölkerung (z.B. Massenpanik). Die mit einem konventionellen Sprengsatz möglicherweise verteilten radioaktiven Stoffe können mit den menschlichen Sinnesorganen grundsätzlich nicht wahrgenommen werden, was zu einer erheblichen Verunsicherung der Betroffenen führt
Wirtschaftliche Schäden (z.B. durch Absperrung und notwendige Dekontamination)
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10.9.3 Zur Festlegung des Gefahrenbereichs sind Messtrupps zu alarmieren
Falls der Einsatz einer schmutzigen Bombe befürchtet wird oder nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist,
müssen sofort Gefahrstoffeinheiten der Feuerwehr alarmiert werden, die das Ausmaß der Kontamination feststellen können, z.B. durch den Einsatz von ABC-Erkundungskraftwagen und ggf. anderen Messfahrzeugen und -geräten
ist im Normalfall der Aufenthalt in Häusern besser als die unkontrollierte Flucht aus dem betroffenen Bereich, vor allem in der Zeit, in der noch radioaktives Material in der Luft ist und sich noch nicht abgesetzt hat
können die für den Betrieb von Notfallstationen vorgesehen Einheiten oder modular gegliederten Teileinheiten unterstützend tätig werden (z.B. auch zur Betreuung der Bevölkerung)
Regeln zum Verhalten bei CBRN-Ereignissen finden sich vor allem in dem Faltblatt des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe „CBRN-Gefahren“ und in der BBK-Broschüre „Für den Notfall vorgesorgt“ (vgl. www.bbk.bund.de)
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10.10.1 Einsatzhinweise bei Terroranschlägen
Bei Hinweisen auf einen Terroranschlag sollten die Einsatzkräfte neben den bereits bei Amoklagen dargestellten Maßnahmen vor allem Folgendes beachten:
Doppelanschläge (zeitlich versetzte Anschläge am gleichen Ort) sind nicht auszuschließen
Bei allen Einsatzmaßnahmen – auch bereits bei der Annäherung an eine Einsatzstelle – ist besondere Vorsicht geboten:
o Keine ängstliche Reaktion, aber Augen aufhalten!o Sofortige Kontaktaufnahme der Führungskräfte mit der Polizei,
um die Einsatzmaßnahmen abzustimmen o Klären, ob polizeiliche Gefahrenabwehr- und
Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind
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10.10.2 Auch bei Terroranschlägen gilt die Gefahrenmatrix AAAACEEEE
Auch bei Terroranschlägen immer an Gefahrenmatrix denken: AAAACEEEE = 9 Gefahren der Einsatzstelle
A Ausbreitung A Atemgifte A Atomare Strahlung A Angst- und Panikreaktion C Chemische und Biologische Gefahren E Explosion E Einsturz E Erkrankung und Verletzung E Elektrizität
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10.10.3 GAMS-Regel beachten
Die GAMS-Regel gilt auch für Terroranschläge:
G = Gefahr erkennen
A = Absperren (z.B. Gefahrenbereich festlegen und kennzeichnen)
M = Menschenrettung durchführen (z.B. Rettung von immobilen Verletzten unter Schutzkleidung, lebensrettende Sofortmaßnahmen)
S = Spezialkräfte alarmieren (z.B. Gefahrstoffzug und Spezialkräfte zur Dekontamination Verletzter)Besonders wichtig: Absolute Disziplin, Befolgen der Befehle
Kein eigenmächtiger Einsatz! Am Bereitstellungsraum warten, bis Einsatzauftrag erteilt
wird! Wer eigenmächtig handelt, muss dies möglicherweise mit
seinem Leben bezahlen!
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10.10.4 An Gefahren von Anschlägen mit gestohlenen Einsatzfahrzeugen denken
Aus Presseberichten über Terroranschläge z.B. im IRAK und in Afghanistan ist bekannt, dass Terroristen zur Tarnung auch gestohlene Einsatzfahrzeuge benutzten, ebenso wie unbefugt getragene Uniformen (z.B. Militär, Polizei, Rettungskräfte). Daher muss auch in anderen Ländern mit einer ähnlichen Vorgehensweise gerechnet werden
Deshalb: Einsatzfahrzeuge nicht unbeaufsichtigt lassen ggf. abschließen Polizei auf verdächtige Einsatzfahrzeuge hinweisen,
o die z.B. in der Erstphase nicht zu dieser Einsatzstelle passeno die auch nicht klar zuordenbar sind (z.B. erkennbar nicht zu
alarmierten auswärtigen Katastrophenschutzeinheiten oder Einsatzeinheiten des Rettungsdienstes gehören können)
o die fremde Fahrzeugkennzeichen habeno deren Insassen sich auffällig oder verdächtig verhalten
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10.10.5 Abstand halten, langsam vortasten
Beim Verdacht auf einen Terroranschlag ist eine besondere Einsatztaktik erforderlich:
Bei der Anfahrt:o wenn möglich, bereits während der Anfahrt Information der
Einsatzkräfte über die vermutete Schadensursache „Terroranschlag“
Zunächst Abstand halten:o Bei Verdacht auf Terroranschlag nicht sofort nah an die
Schadensstelle heranfahreno Ersthilfe für Verletzte abgesetzt von der Schadensstelle leisteno Ggf. in Abstimmung mit der Polizei langsam vortasten, aber
kein Einsatz im „Gefechtsbereich“o Immer auf die Sicherheit der Einsatzkräfte achten!
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10.10.6.1 Sicherheitsabstand und beschränkter Kräfteeinsatz
Da es am Anschlagsort zu Feuergefechten kommen kann und Folgeanschläge nach den Erfahrungen aus Israel, dem IRAK und Afghanistan nicht auszuschließen sind, muss der Kräfteeinsatz am Anschlagsort auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden:
Bei Verdacht auf weitere Explosionen möglichst Sicherheitsabstand einhalten
Deckungsmöglichkeiten und Rückzugwege erkundeno Schnellen Rückzug sicherstelleno Rückzugswege offen halteno Kürzest mögliche Verweildauer mit der geringsten
Anzahl von Kräften im Schadensgebiet wählen Einsatzleitung soll an einem geschützten und sicheren Ort
zusammenkommen
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10.10.6.2 Sicherheitsabstand und beschränkter Kräfteeinsatz
Ggf. Abweichung von bisheriger Taktik der Ressourcenbündelung und entfernt gelegene Ressourcenbündelung
Möglichst dezentrale Ordnung des Raumes (mehrere kleinere Einrichtungen)
o Kräftesammelstellen oder Bereitstellungsräume für Feuerwehren und Rettungskräfte nicht in der Nähe des Anschlagsorts einrichten
o Keine Konzentration von Einsatzfahrzeugen und -kräften im Umfeld des Anschlagsorts
o Sammelstellen, Patientenablagen, Behandlungs- und Betreuungsplätze nicht im Umfeld des Anschlagsorts aufbauen
o Einheiten sollten sich möglichst verstreut und ggf. versteckt verteileno Hubschrauberlandeplätze in ausreichender Entfernung festlegen (Gefahr des
Abschusses von Hubschraubern, entsprechende Erfahrungen liegen u.a. aus Mogadishu/Somalia - 1993 - und aus Kämpfen der Polizei mit Drogenbanden in Rio de Janeiro/Brasilien - Oktober 2009 - vor)
o ggf. um Absicherung durch bewaffnete Polizeikräfte bitten
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10.10.7 Eigensicherung bei Terrorlagen
Wegen möglicher Gefahr von Folgeanschlägen auf Eigensicherung achten:
Vollständige Schutzbekleidung tragen (mit Helm) Immer im Trupp bleiben Verdächtige oder ungewöhnliche Gegenstände nicht berühren,
anfassen, öffnen oder bewegen Keine Mobiltelefone oder Funkgeräte in den Bereich eines
sprengstoffverdächtigen Gegenstandes bringen Maßnahmen zur Gewährleistung der Selbst- und Kameradenhilfe
treffen Bei Gefahrstoffverdacht:
o Angriff: Mit dem Wind geheno Rückzug: Quer zum Windo Zur Feststellung der Windrichtung Bäume und Sträucher beobachten
oder Fingertest (hoch gehaltenen Finger anfeuchten und Wind spüren)
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10.10.8 Bis zur Entwarnung im Gefahrenbereich nur Crash-Rettung
Solange keine Entwarnung gegeben wird, ist zum Schutz der Einsatzkräfte vor Verlusten im Gefahrenbereich nur eine „Crash-Rettung“ vertretbar:
Schnellstmöglich Verletzte aus dem Gefahrenbereich retten (in Abstimmung mit der Polizei) und in rückwärtige Einrichtungen verbringen
Dezentrale und vom Anschlagsort abgesetzte Erstversorgung nach dem load-and-go-Prinzip durchführen (ggf. hinter ausreichender Deckung)
„Unbeteiligte“ müssen schnellstmöglich aus dem Schadensgebiet entfernt werden (z.B. durch Polizei, die dabei auch auf potenzielle Täter achtet)
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10.11.1 Meldewege, Kommunikation
Bei Terroranschlägen extrem brutaler und menschenverachtender Täterkreise ist höchste Sensibilität gefragt. Unverzichtbar für den Einsatzerfolg: Einhalten der Führungsorganisation
Sofortige Unterrichtung aller Beteiligten über Erkenntnisse oder Vermutungen (nicht abwarten bis zur endgültigen Bestätigung)
Grundsätzlich Meldewege einhalten! Ausnahme: Verdächtige Personen, Vorgänge usw. können
sofort an die Polizei weitergemeldet werden (Einsatzleitung parallel dazu unterrichten)
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10.11.2 Meldewege, Kommunikation
Kommunikation an der Einsatzstelle sicherstellen. Hierzu gehören auch Behelfsmethoden:
Megaphon, Trillerpfeife, notfalls auch die „guten alten“, oft belächelten Feldfernsprecher, die als Rückfallebene noch bei verschiedenen Fernmeldeeinheiten vorgehalten werden
Als weitere Rückfallebene ein Personen-Melder-Systems vorhalten (ggf. auch motorisierte Melder, z.B. Kradmelder); das mag zwar unmodern erscheinen, funktioniert aber auch in außergewöhnlichen Lagen beim Ausfall aller sonstigen Kommunikationsmittel immer noch!
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10.11.3 Künftig auch Cyber-Terrorismus nicht ganz „ausblenden“
Die redundante Einplanung altbewährter, „einfacher“ Kommunikationsformen insbesondere an der Einsatzstelle macht weniger anfällig für neuere Entwicklungen des Cyber-Terrorismus:
Bei künftigen Terrorwellen könnten Terroristen mit Hilfe der Computertechnologie Attentate unterstützen und im Extremfall auch Tatmittel einsetzen, die elektronische Systeme stören oder ganz ausschalten (z.B. elektronische Kampfmaßnahmen – EloKa –, auf englisch auch „Jamming“ genannt)
Entsprechende Verfahren werden in vielen Staaten entwickelt Wenn es Terrorgruppen eines Tages gelingt, Zugang zu staatlichen, insbesondere
militärischen Stellen zu erhalten (z.B. mit Hilfe von Korruption oder über Überzeugungstäter), wird diese Gefahr zunehmen
Deshalb Grundsatz beachten: Wer sich gegen moderne elektronische Mittel sperrt, verliert den Anschluss, wer aber allein auf solche Mittel vertraut, wird eines Tages ein böses Erwachen erleben („elektronische Maginot-Linie“)
Bei Gefahrenabwehrbehörden problematisch: Ausschließliches Verlassen auf „papierloses Büro“. Es muss immer Rückfallebenen geben, auch bei völligen Systemausfällen
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10.12 Besonders wichtig bei Terroranschlägen: Enge Zusammenarbeit aller Beteiligten
Besonders wichtig bei vermuteten oder tatsächlichen Terroranschlägen ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten:
Vertrauensvolle Zusammenarbeit und hohe Informationsdichte zwischen den Leitstellen
Alle wesentlichen Maßnahmen an der Einsatzstelle, vor allem zur Eigensicherung, eng mit der Polizei abstimmen
Wenn militärische Einrichtungen, Flugzeuge oder Fahrzeuge betroffen sind, ist auch eine enge Abstimmung mit den Militärdienststellen erforderlich
Auch wenn Einrichtungen oder Einheiten einer ausländischen Gastnation betroffen sind, ist sofort die Bundeswehr zu benachrichtigen
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10.13.1 Besonderheiten bei Anschlägen in Militäranlagen
Bei der Zusammenarbeit insbesondere mit alliierten Streitkräften ist vor allem zu beachten:
Bereits vor einem möglichen Ereignis mit den Militärdienststellen die objektspezifische Zusammenarbeit und Planung abstimmen, z.B.
o Standardisierte Kommunikationsstrategie mit ergänzenden, nicht öffentlich gemachten
Kommunikationsmöglichkeiten, die eine direkte Kommunikation auch auf dem Militärgelände ermöglichen soll (dort würde z.B. bei Ausfall der ersten Einheiten oder fehlendem Lagebild eine Kommunikationsaufnahme erfolgen)*
mit Redundanzen, falls Telefonverbindungen ausfallen sollten oder überlastet sind
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* Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein „Rettungsdienstliche Taktik bei terroristischen Schadens- und Bedrohungslagen – Einsatzbeginn und Zusammenarbeit mit ausländischen Militärkräften“, Notfall + Rettungsmedizin 2/2010 S. 148
10.13.2.1 Besondere Ablauforganisation
Bei Terroranschlägen sollte von Anfang an nach einer mit allen Beteiligten abgestimmten Besonderen Ablauforganisation verfahren werden, von der hier aus einsatztaktischen Gründen nur einige wenige in der Fachliteratur veröffentlichte Grundsätze angesprochen werden:
Leitstelle und Einsatzkräften gehen von Anfang an nach einer speziellen Ablauforganisation vor
o Möglichst vertrauliche Kommunikation über die Anfahrt*o Annäherung an die Einsatzstelle, Einlassstellen und das
Zugangsverfahren im Ereignisfall allgemein und ggf. im Einsatzfall modifiziert absprechen*
o Einweisung und ggf. Begleitung durch Militärkräfte absprecheno Kein eigenmächtiger Einsatz!*o Je nach Lage findet keine sofortige Anfahrt zum Schadensort statt*o Nicht ohne vorherige Abstimmung auf möglicherweise nervöse
Wachsoldaten zurasen!
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* Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein a.a.O.
10.13.2.2 Besondere Ablauforganisation
Weitere Module der besonderen Ablauforganisation:o Haupt-und ehrenamtliches Personal in die erforderlichen
besonderen Maßnahmen einweisen, soweit dies notwendig und aus Sicherheitsgründen vertretbar ist (mindestens die Ehrenbeamten müssen als mögliche Einsatz- und Abschnittsleiter die groben Absprachen kennen, wenn der Einsatz erfolgreich ablaufen soll)
o Alle verfügbaren Einheiten alarmieren!
o Großräumige Bereitstellungszonen definieren, in denen sich Einheiten verstreut und möglichst verdeckt verteilen*
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* Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein a.a.O.
10.13.3 Freigabe abwarten
Aus Sicherheitsgründen gewisse Zeitverzögerungen beim Einsatz innerhalb der Militäreinrichtung in Kauf nehmen
Die Freigabe für zivile Einsatzkräfte muss im Einsatzfall zuerst abgewartet werden
Potenziellen Schadensort bei Terroranschlägen nur nach militärischer und polizeilicher Freigabe betreten (Verfahren möglichst vorher vereinbaren)
Vor Freigabe:o Abstand halteno Zeit zur Formierung der zivilen Kräfte nutzeno Umfeld beobachten (Zweitschlag?)o Flüchtende betreuen, aber Vorsicht:
Unter ihnen könnten Terroristen sein! Sprengfallen könnten auch an liegenden Verletzten angebracht sein!
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10.13.4.1 Gemeinsame Einsatzleitung
Das Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz hat am 23. August 1989 mit den US-Streitkräften (US Army und US Air Force) ein Übereinkommen zu der Mustervereinbarung über gegenseitige Hilfeleistung im Brandschutz, in der Allgemeinen Hilfe und im Katastrophenschutz abgeschlossen
Dieses Übereinkommen wurde allen kommunalen Aufgabenträgern in Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt und ist auch heute noch aktuell
Es sollte allen kommunalen Dienststellen, wegen der Bezüge zur Polizei und Militärpolizei aber auch allen Polizeidienststellen bekannt sein und ist deshalb auch im Kommentar „Brand- und Katastrophenschutzrecht, Rettungsdienst mit Unfallverhütung und Unfallversicherung Rheinland-Pfalz“, dem Standardwerk für die nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr, unter 6-100-1 abgedruckt *
* www.neckar-verlag.de, ISBN: 978-3-7883-0975-6
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10.13.4.2 Gemeinsame Einsatzleitung
Nach Nr. 1.4.1 der Mustervereinbarung ist für die Zusammenarbeit folgendes geregelt:
Beim Einsatz deutscher Hilfseinheiten in einer US-Liegenschaft wird eine Gemeinsame Einsatzleitung gebildet
Der Einsatz der deutschen Hilfseinheiten richtet sich auch innerhalb der US-Liegenschaft nach deutschem Recht
Die Gemeinsame Einsatzleitung ist deutlich zu kennzeichnen Die Gemeinsame Einsatzleitung stellt eine enge Verbindung mit
anderen Einsatzleitungen sicher (z.B. der deutschen Polizei) Die Gemeinsame Einsatzleitung ist für die Koordination und
Herausgabe von Informationen an die Öffentlichkeit zuständig Die US-Dienststellen stellen sicher, dass ausreichend Personal mit
deutschen Sprachkenntnissen zur Einweisung der deutschen Hilfskräfte und für die Gemeinsame Einsatzleitung zur Verfügung steht
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10.13.5.1 Grundsätze für die Zusammenarbeit
Grundsätze für die Zusammenarbeit nach der Mustervereinbarung:
Bei der Zusammenarbeit ist alles zu unterlassen, was deutsche Hilfseinheiten als Bedrohung ansehen könnten
Es ist sicherzustellen, dass auch die zivilen Hilfskräfte militärische Sicherheitsbelange beachten
Der ranghöchste US-Vertreter ist ermächtigt, in Übereinstimmung mit US-Vorschriften und einschlägigen internationalen Vereinbarungen zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Einsatzes Informationen an den deutschen Einsatzleiter weiterzugeben, soweit es die Gefahrenlage erfordert
Sollte es zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, wird dies im Verhandlungsweg, notfalls auf der jeweils höheren Ebene, beigelegt
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10.13.5.2 Grundsätze für die Zusammenarbeit
Darüber hinaus haben sich in der Praxis weitere Verfahren für eine abgestimmte Zusammenarbeit eingespielt:
Sicheren Platz für den Aufbau einer Befehlsstelle („incident command“) festlegen, zu der die deutschen Kräfte, falls möglich, hinzustoßen*
Wenn die vertrauliche Kommunikation mit den Militärstellen scheitert, Redundanzstrategie mit Bildung einer autarken gemeinsamen Einsatzleitung der deutschen Kräfte, die möglichst bald mit den Militärstellen Verbindung aufnimmt
Einsatzleitung und Abschnittsleitung Gesundheit von der Schadensstelle abgesetzt bilden
Lagebild aus den bei den Leitstellen eingehenden Meldungen und über Erkundung im Schadensgebiet erstellen
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* Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein a.a.O.
10.13.5.3 Enge Abstimmung aller Maßnahmen
Bei der Zusammenarbeit mit alliierten Streitkräften ist vor allem zu beachten:
Alle wesentlichen Maßnahmen o mit der deutschen Polizei und o auf allen Ebenen möglichst auch mit der Bundeswehr (z.B.
Landeskommando Rheinland-Pfalz, Kreisverbindungskommandos, Feldjäger)
abstimmen Die militärischen und zivilen Kräfte sollten sich kennen
(gemeinsame Dienstbesprechungen, runde Tische) Auch in Militäranlagen werden Anschläge zunächst
möglicherweise nicht als solche erkannt Allerdings ist in solchen Anlagen von einer höheren Sensibilität
und Aufmerksamkeit gegenüber Anschlagszeichen auszugehen*
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* Vgl. T. Birkholz, E. Gräml, B. Lödel, J. Büttner, D. Hauenstein a.a.O.
10.13.6.1 Gemeinsame Alarm- und Einsatzpläne
Nach der Mustervereinbarung Rheinland-Pfalz/US-Streitkräfte sind die Vertragspartner zur Erstellung gemeinsamer zweisprachiger Alarm- und Einsatzpläne verpflichtet, in denen vor allem folgendes enthalten sein soll:
Alarmierungs- und Meldeschemata Meldewege Meldeinhalt mit Anforderungsstichworten Führungsschemata Kommunikationsschemata Karten mit Markierung der Zuständigkeitsbereiche (z.B. Militärischer
Sicherheitsbereich) Einsatzhinweise Hinweise auf interne Alarm- und Einsatzpläne der US-Streitkräfte und
der zivilen Aufgabenträger Unterrichts- und sonstiges Informationsmaterial
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10.13.6.2 Gemeinsame Alarm- und Einsatzpläne
Die Gemeinsamen Alarm- und Einsatzpläne werden – vor allem für US-Liegenschaften ohne US-Feuerwehr – bei Bedarf möglichst ergänzt durch
Feuerwehrpläne Konkrete anlagenbezogene Hinweise auf
o Anfahrto Risikeno Wasserversorgungo Spezielle Alarmanschrifteno Bei Bedarf Hinweise über die Aufnahme von kontaminiertem
Löschwasser Die Gemeinsamen Alarm- und Einsatzpläne sind nach der
Mustervereinbarung regelmäßig fortzuschreiben
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10.13.7 Gemeinsame Übungen, Informationsveranstaltungen
Nach der Mustervereinbarung ist mindestens halbjährlich eine gemeinsame Meldeübung
durchzuführen soll mindestens alle zwei Jahre eine gemeinsame Einsatzübung
durchgeführt werden, die der Erprobung der in den Alarm- und Einsatzplänen festgelegten Maßnahmen dient
haben sich die Vertragspartner daneben gegenseitig in regelmäßigen Abständen insbesondere zu unterrichten über
o den Einsatzwert ihrer Einheiten (nicht nur Feuerwehr, auch andere Hilfsorganisationen)
o ihre Hilfeleistungskonzepte (z.B. bei Flugzeugabstürzen, Massenanfall von Verletzten)
o die Abwehr besonderer Gefahren (auch CBRN) Die federführenden Dienststellen sorgen darüber hinaus
mindestens alle zwei Jahre für einen Erfahrungsaustausch unter Beteiligung aller betroffenen Stellen
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Nähere Informationen im Handbuch Brand- und Katastrophenschutzrecht, Rettungsdienst mit Unfallverhütung und Unfallversicherung
Das Handbuch bietet sofort konkrete und verlässliche Antworten auf dringende Fragen vor allem in folgenden Bereichen:•Einsatzrecht im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr mit Befugnissen der Einsatzleitung•Rechte und Pflichten ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger sowie Leitender Notärzte und Organisatorischer Leiter•Kostenersatz für Feuerwehreinsätze (auch für Haftpflichtversicherungen wichtig)•Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst, der Polizei, der Bundeswehr, den Wasser-, Gesundheits-, Gewerbeaufsichtsbehörden und anderen Fachbehörden•Sicherheitsmaßnahmen bei Terroranschlägen•Schutz kritischer Infrastrukturen, Checkliste für Stromausfälle•Unfallversicherung und Unfallverhütungsvorschriften einschließlich technischer Sicherheitshinweise•Verkehrsrecht
Praktiker aus dem Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz sowie die Unfallkasse Rheinland-Pfalz bieten die Gewähr für laufende Aktualität unter Berücksichtigung der neuesten Entwicklung. Wer über dieses Handbuch verfügt, hat nicht nur einen Wissensvorsprung, er kann auch sicher sein, dass er alle wichtigen Informationen aus dem Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr schnell, übersichtlich und leicht verständlich abrufen kann.
Neu: Angebot von Ausbildungsunterlagen zum Download für die Kunden, auch für andere Länder interessant, z.B.•Gerichtsfeste Organisation der Ölspurbeseitigung•Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei und Feldjägern bei Flugzeugabstürzen•Zusammenarbeit des Einsatzleiters mit der Abschnittsleitung Gesundheit, mit Krankenhäusern und der Polizei beim Massenanfall von Verletzten (z.B. Amoklagen, Geiselnahmen, Terroranschläge)
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Bestellmöglichkeiten
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www.neckar-verlag.de
ISBN 978-3-7883-0975-6
Grundwerk: Loseblattsammlung mit ca. 1600 Seiten, DIN A5, einsortiert in drei Ordner
Best.-Nr. 975
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