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„Von der Corporate Governance zur Foundation Governance” Eine Untersuchung zur Frage, ob Prinzipien der Corporate Governance als Foundation Governance für die liechtensteinische Familienstiftung anwendbar sind. Master Thesis zur Erlangung des LL.M. in Vermögensrecht vorgelegt der UFL Universität für Humanwissenschaften im Fürs- tentum Liechtenstein von Christoph Bruckschweiger aus Feldkirch, Österreich begutachtet von RA Dr. Harald Bösch ao.Univ.Prof. Dr. Wolfgang Zankl Vaduz, den 11.02.2008

Master Thesis Erlangung des LL.M. in Vermögensrecht · 4 Vorwort Im Rahmen des Studienplanes für den nunmehr zu Ende gehenden LLM-Lehrgang "Vermögensrecht", fand vom 22.03. bis

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„Von der Corporate Governance zur Foundation Governance”

Eine Untersuchung zur Frage, ob Prinzipien der Corporate Governance als

Foundation Governance für die liechtensteinische Familienstiftung anwendbar

sind.

Master Thesis

zur

Erlangung des LL.M. in Vermögensrecht

vorgelegt der

UFL Universität für Humanwissenschaften im Fürs-tentum Liechtenstein

von

Christoph Bruckschweiger

aus

Feldkirch, Österreich

begutachtet von

RA Dr. Harald Bösch ao.Univ.Prof. Dr. Wolfgang Zankl

Vaduz, den 11.02.2008

2

Die vorliegende Arbeit wurde von der UFL auf Antrag von Dr. Harald Bösch und ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl als Master Thesis angenommen.

3

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig

angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen

Gedanken wurden als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde bisher

weder in gleicher, noch in ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde

vorgelegt.

Vaduz, am 11.02.2008 …………………………………………..

4

Vorwort

Im Rahmen des Studienplanes für den nunmehr zu Ende gehenden LLM-

Lehrgang "Vermögensrecht", fand vom 22.03. bis 24.03.2007 das Modul Nr. 6

("Stiftungen") statt. Dabei wurde sowohl die österreichische Privatstiftung als

auch die liechtensteinische Stiftung behandelt. Dozent für das liechtensteini-

sche Stiftungsrecht war Dr. Harald Bösch, der nun auch als Betreuer dieser

Arbeit fungiert. Des Gleichen fand im Rahmen des vorliegenden Lehrganges

zwischen 31.05. und 02.06.2007 das Modul Nr. 8 statt, das "finanzmarktrecht-

liche Sorgfalt" zum Thema hatte. Im Rahmen einer Diskussion mit RA Dr.

Bösch, ergab sich sodann der Umstand, dass es von Interesse sein könnte, in

wie weit die Aspekte der "Corporate Governance" auch für die liechtensteini-

sche Stiftung allgemein und die liechtensteinische Familienstiftung im Speziel-

len relevant seien. Obwohl der Namen "Corporate Governance" ja schon aus

sich heraus klar macht, dass es sich beim Adressaten dieser Regelungen je-

weils um eine Korporation (Unternehmen in Form einer juristischen Person)

handelt, stellt sich gleichwohl die Frage, ob Prinzipien der Corporate Gover-

nance nicht auch für die Rechtsform der Stiftung als "Foundation Governance"

beachtlich sind. Das Thema ist daher in einem "Querschnittsbereich" zwi-

schen dem Gesellschaftsrecht der Kapitalgesellschaften und dem Stiftungs-

recht an sich angesiedelt. Aufgrund der Tatsache, dass sich schweizerische

Förderstiftungen einen "Swiss Foundation Code" gegeben haben, stellt sich

auch deshalb die Frage, inwieweit Foundation Governance in Liechtenstein

ein Thema ist.

Für die Betreuung möchte ich meinem Kollegen, Herrn RA Dr. Harald Bösch

herzlich danken.

Vaduz, im Februar 2008

5

Aufgabenstellung

Der Gang der Untersuchung soll daher derjenige sein, das eingangs darge-

stellt wird, was unter Corporate Governance überhaupt zu verstehen ist, wo

die Wurzeln dieses Regelungskonvoluts liegen und weshalb die Notwendig-

keit besteht, zusätzlich zu den gesetzlichen Vorschriften, wie eine Kapitalge-

sellschaft zu führen ist, noch quasi "aussergesetzliche" Vorschriften zu schaf-

fen. In weiterer Folge sollen die Grundprinzipien der Corporate Governance

isoliert werden und es wird die Frage gestellt, in wie weit diese grundsätzli-

chen Regelungsschwerpunkte auf Stiftungen generell bzw. im Besonderen auf

die liechtensteinische Familienstiftung anwendbar sind. Vorweg zu nehmen

ist, dass sich diesbezüglich in der Schweiz eine Arbeitsgruppe namens

"SwissFoundations" bereits Gedanken gemacht hat, inwieweit Prinzipien der

Corporate Governance für sog. "Förderstiftungen" (gemeinnützige Stiftungen)

anwendbar sind. Da offensichtlich in der Schweiz diesem Stiftungstyp eine

zentrale Rolle zukommt, bleibt die Frage, ob die dort erarbeiteten Ideen auch

für die liechtensteinische Familienstiftung von Bedeutung sind.

Für den in Liechtenstein tätigen Rechtsanwender spielt die liechtensteinische

Familienstiftung im Rechtsalltag eine grosse Rolle. Nach Art. 553 PGR wird

zwischen reinen und gemischten Familienstiftungen unterschieden. Bei der

reinen Familienstiftung wird das "Stiftungsvermögen dauernd zum Zwecke der

Bestreitung der Kosten der Erziehung und Bildung, der Ausstattung oder Un-

terstützung von Angehörigen einer oder mehrere bestimmter Familien, oder

zu ähnlichen Zwecken verbunden ist." Bei der gemischten Familienstiftung soll

"derart gewidmetes Vermögen ausserdem oder ergänzend auch ausserhalb

der Familie liegenden, kirchlichen oder sonstigen Zwecken dienen."

Üblicherweise ist es bei Familienstiftungen so, dass es einen bestimmten

Kreis von Begünstigten gibt, welcher in den sogenannten "Beistatuten" defi-

niert ist. Ziel dieser Untersuchung soll es daher sein, eine Aussage darüber zu

6

treffen, ob und in wie weit die Prinzipien der Corporate Governance bzw.

Foundation Governance für den Falltypus der liechtensteinischen reinen bzw.

gemischten Familienstiftung anwendbar gemacht werden können. Damit soll

eine Beurteilung einhergehen, die die Frage behandelt, ob es überhaupt

zweckmässig und sinnvoll ist, die erarbeiteten Prinzipien dem liechtensteini-

schen Stiftungsrecht quasi "überzustülpen". Hier besteht die Absicht, ein kla-

res Statement dazu abzugeben.

7

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................ 4

Aufgabenstellung ............................................................................................... 5

Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. 7

Zusammenfassung ............................................................................................. 9

1. Was ist Corporate Governance? .............................................................. 11

1.1. Geschichtlicher Rückblick; Entwicklung der Corporate Governance ... 11

1.2. Begriff und Zweck der "Corporate Governance" .................................. 15

1.3. Länderübersicht ................................................................................... 17

1.3.1. Deutschland: ........................................................................................ 17

1.3.2. Österreich: ........................................................................................... 18

1.3.3. Schweiz: .............................................................................................. 19

1.3.4. Liechtenstein: ....................................................................................... 20

1.3.5. Europäische Union .............................................................................. 21

1.3.6. "Corporate Social Responsibility"......................................................... 21

1.4. Ergebnisse: Grundstrukturen der Coporate Governance ..................... 23

1.4.1. Funktionsfähige (effiziente) Unternehmensleitung (Kompetenzentrennung) ...................................................................... 23

1.4.2 Verpflichtungen gegenüber den Aktionären bzw. den "Stakeholdern" . 24

1.4.3. Transparenz ......................................................................................... 25

2. Sind die Prinzipien der Corporate Governance als "Foundation Governance" auf Stiftungen im Allgemeinen anwendbar? ........................... 27

2.1. Historische Entwicklung der Stiftung .................................................... 27

2.2. Begriffsmerkmale der Stiftung .............................................................. 31

2.3. Anwendung der Corporate Governance Prinzipien auf die Rechtsform Stiftung im Allgemeinen; Frage nach der Existenz von "Foundation Governance" .................................................................... 34

2.3.1. Anwendung des Prinzips der funktionsfähigen [Unternehmens-] Führung auf gemeinnützige Stiftungen ................................................ 35

8

2.3.2. Wahrnehmung der Verpflichtungen gegenüber Aktionären bzw. Stakeholdern ........................................................................................ 38

2.3.3. Transparenz .......................................................................................... 39

2.4. Ergebnis ................................................................................................... 41

3. Foundation Governance und Liechtensteinische Familienstiftung ...... 42

3.1. Phänomen "Hinterlegte Stiftung" ......................................................... 42

3.2. Liechtensteinische Familienstiftung ..................................................... 49

3.3. Anwendung der Foundation Governance Prinzipien auf die ...................

liechtensteinische Familienstiftung ...................................................... 52

3.3.1. Transparenz ......................................................................................... 53

3.3.2. Checks & Balances .............................................................................. 55

3.3.2.1. Die Rolle des wirtschaftlichen Stifters zu seinen Lebzeiten ............... 55

3.3.2.2 Das Kuratorium als statutarisches Kontrollorgan ................................ 58

3.3.2.3. Die Situation nach dem Ableben des wirtschaftlichen Stifters ............ 61

3.3.2.4. Sonderfall: Vom wirtschaftlichen Stifter gewollte Nichtinformation

der Begünstigten .................................................................................. 63

3.3.3. Wirksame Umsetzung des Stiftungszweckes ........................................ 65

3.3.3.1. Auswirkung des Widerrufs- und Änderungsvorbehalts gem. Art. 559 Abs. 4 PGR auf die wirksame Umsetzung des Stiftungszweckes ................................................................................. 66

4. Schlussfolgerungen und Diskussion ...................................................... 69

Literaturverzeichnis.......................................................................................... 73

Anhang .............................................................................................................. 77

9

Zusammenfassung

Ausgehend von den Ideen der Corporate Governance, die sich im Wesentli-

chen im Bereich des Gesellschaftsrechts der Kapitalgesellschaften entwickelt

haben, ergibt die vorliegende Untersuchung, dass diese Grundprinzipien die

im Rahmen der Corporate Governance definiert wurden, grundsätzlich auch

für Stiftungen und im vorliegenden Fall auch für liechtensteinische Familien-

stiftungen anwendbar sind.

In der Arbeit wird auf die dogmatischen Unterschiede zwischen Korporationen

und Stiftungen (Anstalten) hingewiesen und die sich daraus ergebenden Un-

terschiede für die Governance entsprechend diskutiert. Das liechtensteinische

Stiftungsrecht befindet sich seit mehreren Jahren in einer Umbruchphase,

welche im Wesentlichen durch die Zunahme von Publikationen bzw. die Ab-

kehr des Obersten Gerichtshofes von einer Rechtssprechungslinie, welche

vom Vorgängersenat noch vertreten wurde, bewirkt wird. In dieser Umorientie-

rungsphase ist es daher notwendig, allgemeine Leitlinien zu entwickeln, die

sowohl in der Beratungspraxis als auch in der gerichtlichen Entscheidungs-

praxis allgemeine Prinzipien definieren, die in Zweifelsfällen zur Auslegung

herangezogen werden können. Bei der Foundation Governance, die ihre Wur-

zeln in der Corporate Governance (diesbezüglich wird die Entwicklung der

Corporate Governance in der Arbeit dargestellt) handelt es sich aber nicht um

völlig neue Ideen.

Ganz im Gegenteil ist das Governance Prinzip der Gewaltentrennung (checks

& balances) eine Idee der Aufklärung, die in der Staatstheorie (Montesquieu,

Locke) entwickelt wurde, um der Machtfülle der absolutistischen Herrscher zu

begegnen. Ob man die montesquieuschen Ideen nun als checks & balances

(amerikanische Verfassung) oder als Gewaltentrennung oder Gewaltenteilung

bezeichnet, das Ergebnis ist immer das Selbe: Es läuft darauf hinaus, dass es

insgesamt nachteilig ist, wenn Macht an einer Stelle konzentriert wird, maW.:

10

Exekutive Macht braucht Überwachung. Ob dies nun in Unternehmen in der

Form einer börsenkotierten Kapitalgesellschaft der Fall ist, oder ob dies für

eine liechtensteinische Familienstiftung gelten soll, die grundsätzliche Interes-

senslage ist immer die Gleiche.

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass eine wirkungsvolle Umsetzung der

Foundation Governance Prinzipien im Wesentlichen dann bewerkstelligt wer-

den kann, wenn im Rahmen der Errichtung einer liechtensteinischen Famili-

enstiftung ein ausreichendes Beratungsgespräch stattfindet, in welchem der

Berater angehalten ist, seinen Klienten und wirtschaftlichen Stifter über die

Wichtigkeit der Foundation Governance Prinzipien entsprechend aufzuklären.

Das liechtensteinische Stiftungsrecht sieht Möglichkeiten vor, um so eine Kon-

trolle effektiv auszuüben. Einerseits räumt es den Begünstigten eine relative

starke Position ein (die allerdings dispositiver Natur ist), andererseits ist es

möglich, durch die Errichtung eines statutarischen Zusatzorgans Gedanken

der Foundation Governance zu berücksichtigen.

Dabei soll Foundation Governance jedoch keinem Selbstzweck dienen, son-

dern eine sinnvolle Hilfestellung sowohl für die Beratungspraxis, als auch für

die Gerichtspraxis bieten.

11

1. Was ist Corporate Governance?

In diesem einleitenden Kapitel soll den Fragen nachgegangen werden,

woher der Begriff Corporate Governance eigentlich kommt, welche histo-

rischen Entwicklungen dazu geführt haben, dass überhaupt ein Bedarf

nach Corporate Governance entstanden ist, weshalb wir uns heute mit

dem Begriff " Corporate Governance" auseinanderzusetzen haben. Die-

ses Einleitungskapitel soll daher der Anfang der Untersuchung sein, in-

dem die Rahmenbedingungen der Corporate Governance abgesteckt

werden, um den Ausgangspunkt für die Untersuchung zu setzen.

1.1. Geschichtlicher Rückblick; Entwicklung der Corporate Governance

Geht man zu den Anfängen der Entwicklung, die heute unter dem Stich-

wort Corporate Governance zusammengefasst wird, so gelangt man ganz

offensichtlich in einen philosophischen Bereich, wo sich die Menschheit

offensichtlich seit Anbeginn die Frage stellt, was gutes und ethisches

Handeln ist. Stellt man diese Frage im Rahmen der Unternehmensfüh-

rung, so wird relativ schnell klar, dass eine Person, die ein Unternehmen

zu führen hat, zwischen zwei Antithesen Equidistanz zu halten hat: Einer-

seits handelt es sich dabei um das unternehmerische Streben nach Ge-

winn und andererseits um das menschliche Streben nach einer guten und

ausgewogenen (und damit "ethischen") Handlungsweise bei der Unter-

nehmensführung1.

Eine weitere Determinante, die offensichtlich für die Entwicklung der Cor-

porate Governance von wegweisender Bedeutung war, ist der Umstand,

1 siehe zu diesem Problembereich: Giger, Unternehmerische Ethik, Gradwanderung

zwischen Ethik und Gewinnstreben, SJZ 103 (2007), Nr. 24, Seite 597 ff.

12

dass insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine rasan-

te Zunahme von der Gründung von Kapitalgesellschaften, besonders im

angloamerikanischen Raum, zu verzeichnen war. Damit erging die Not-

wendigkeit einen gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen, dass Kapitalge-

sellschaften gegründet werden konnten.

In weiterer Folge setzte eine Entwicklung ein, die sich weg vom Familien-

unternehmen (bei dem idealtypischer Weise der Eigentümer gleichzeitig

das oberste Leitorgan des Unternehmens ist) hin, zu einem Unternehmen

bei dem Eigentümer und Unternehmensleitung auseinander fallen.

Gleichzeitig entstand somit die Notwendigkeit, der Unternehmensleitung

gesetzlich zu ermöglichen, Kapitalgesellschaften ohne die die jeweils ein-

stimmige Zustimmung der Aktionäre zu führen2. Ebenso war man bemüht,

den Aktionären, als eigentlichen Eigentümern, die weitestgehenden Rech-

te einzuräumen, um das Unternehmen entsprechend kontrollieren zu kön-

nen. Diese Entwicklung setzte sich dann in den Vereinigten Staaten ins-

besondere nach dem 2. Weltkrieg rasant fort, als aufgrund der amerikani-

schen Wirtschaftsmacht (und der Tatsache, dass man den 2. Weltkrieg

gewonnen hatte) es möglich wurde, Konzerne zu schaffen, die weltweit

am Wirtschaftsleben teilnahmen. Gerade dieser Umstand, welcher ein ei-

gentümergeführtes Unternehmen immer weniger praktikabel erscheinen

lies, förderte die Entstehung des sogenannten "Managerkapitalismus". Die

aktuelle Diskussion über die Managerlöhne, muss im Zusammenhang mit

dieser historischen Entwicklung gesehen werden und es liegt auf der

Hand, dass diese aktuelle Diskussion in ganz engem Zusammenhang mit

dem Thema Corporate Governance steht.

Historisch gesehen sind auch die Arbeiten von Eugene Fama und Michael

Jensen zu nennen, die sich mit der Frage der Auswirkungen der Trennung

von Eigentümerschaft und Kontrolle im Bereich der Unternehmen be-

2 http://en.wikipedia.org/wiki/Corporate_governance

13

schäftigen. Wegweisend in diesem Zusammenhang war die Publikation

eines Artikels3 zum Thema "The Separation of Ownership and Control"

(1983). In dieser Veröffentlichung vertreten diese beiden Autoren zum ers-

ten Mal die sogenannte "Agency Theorie", diese wirtschaftswissenschaft-

liche Theorie beschäftigt sich mit dem Versuch der optimalen institutionel-

len Ausgestaltung der Beziehung Prinzipal (z.B. Aktionäre) und Agent

(z.B. Vorstand) einer AG. Ziel ist es die Anreize für den Agent so auszu-

gestalten, dass seine Interessen, denen des Prinzipals entsprechen, Inte-

ressenskonflikte daher möglichst nicht entstehen zu lassen. Dies bedingt

ein ausgeprägtes System entsprechend effizienter Anreize und Kontroll-

mechanismen.4

In der jüngeren Wirtschaftsgeschichte sind insbesondere zwei Ereignisse

für die Weiterentwicklung der Corporate Governance von besonderer

Wichtigkeit: Einerseits die asiatische Finanzkrise des Jahres 1997, die

insbesondere Thailand, Indonesien, Südkorea, Malaysia und die Philip-

pinnen massiv traf, nachdem es zu einer Kapitalflucht aufgrund verfallen-

der Immobilienpreise kam.5 Als zweites wegweisendes Ereignis im Hin-

blick auf die Geschichte der Corporate Governance die US-

Unternehmenskrise in den Jahren 2002-2003 gesehen, in denen man den

Zusammenbruch von zwei sehr grossen Unternehmen sah, Enron and

Worldcom. Danach kam es noch zu weiteren Skandalen und Zusammen-

brüchen z.B. bei Arthur Anderson, Global Crossing und Tyco. All diese -

für die Wirtschaftsteilnehmer - leidvollen Erfahrungen führten nach einem

Ruf zu besserer Regulierung, insbesondere in den angelsächsischen

Ländern, die traditionellerer Weise ein geringes Niveau aufweisen.

3 Journal of Law and Economics, Vol. 26, Juni 1983 4 http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/agency-theorie.htm 5 Weisbrot, Ten years after: The Lasting Impact of the Asian Financial crisis, Center of

Economic and Policy Research, Washington, August 2007 (www.cepr.net/documents/publications/asia-crises-2007-08.pdf)

14

Durch diese Vorfälle wurde vor allem in den Vereinigten Staaten der Ge-

setzgeber auf den Plan gerufen. In Folge der spektakulären vorerwähnten

Pleiten kam es Mitte 2002 dazu, dass der amerikanische Kongress den

sogenannten "Sarbanes-Oxley Act" verabschiedete. Durch diese sehr

schnelle Reaktion sollte das Vertrauen der Kapitalanlegenden in einen gut

funktionierenden amerikanischen Kapitalmarkt zurückgewonnen werden6.

Insbesondere dieses Gesetz trug zu einer intensiven Diskussion einer ef-

fizienten und verantwortungsvollen Unternehmensführung und -kontrolle

kapitalmarktorientierte Gesellschaft im In- und Ausland bei. Der "Sarba-

nes-Oxley Act" kann rückblickend als Ausgangspunkt einer wahren Regu-

lierungsflut in den westlichen Industriestaaten gesehen werden, dessen

Auswirkungen u.a. im Vereinigten Königreich7, Schweiz8, Deutschland9

und Österreich10 nachvollzogen werden können.

Als Vorgriff sei erwähnt, dass man nicht zuletzt auf Grund dieser Entwick-

lungen begann, sich auch über "Foundation Governance" Gedanken zu

machen.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass der Grund für

die Entwicklung von Regelwerken zur guten Unternehmensführung

("Good Corporate Governance") aus dem Bedürfnis heraus entstanden

ist, die an sich divergierenden Interessen von Eigentümern und Unter-

nehmensführern (vgl. oben "Agency Theorie") soweit wie möglich korelie-

ren zu lassen, um dadurch zu verhindern, dass durch ein Nichtfunktionie-

ren dieses Verhältnisses, andere sogenannte "Stakeholder" (Arbeitneh-

mer, Lieferanten, Öffentlichkeit an sich) Schaden aus dem Nichtfunktionie-

ren dieses Verhältnisses erleiden können.

6 Temmel, Finanzmarktrechtliche Sorgfalt, Skriptum zum LLM Studiengang Vermö-

gensrecht an der UFL (Modul 8), 2007, Seite 8f. 7 The Combined Code on Corporate Governance, July 2003 8 economiesuisse, Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, 2007;

www.economiesuisse.ch 9 Deutscher Corporate Governance Kodex, Februar 2002 10 Österreichischer Corporate Governance Kodex, Oktober 2002

15

1.2. Begriff und Zweck der "Corporate Governance"

Bei der Auseinandersetzung mit dem "Corporate Governance" wird relativ

schnell klar, dass es keine stehende fixe Definition gibt. Der Begriff Corpo-

rate Governance an sich kommt aus dem Englischen. Corporate Gover-

nance umfasst Methoden und Instrumente zur Leitung und Überwachung

von Unternehmen. "Corporate" bezeichnet ein Unternehmen; "Gover-

nance" bedeutet regieren, führen, leiten. Grundsätzlich hat der Begriff

Corporate Governance zwei Bedeutungen:

a) Der Prozess, durch welchen alle Unternehmen geführt und kontrolliert

werden.

b) Eine ökonomische Disziplin, die sich mit den vielfältigen Problemen be-

schäftigt, die sich aus einer Unterteilung von Eigentümerschaft und

Kontrolle ergeben11.

Corporate Governance umfasst allgemein die Gesamtheit aller internatio-

nalen und nationalen Werte und Grundsätze für eine gute und verantwor-

tungsvolle Unternehmensführung, welche sowohl für die Mitarbeiter, als

auch für die Unternehmensführung von Unternehmen gelten. Corporate

Governance ist kein international einheitliches Regelwerk, sondern bis auf

einige wenige international anerkannte gemeinsame Grundsätze ein län-

derspezifisches Verständnis verantwortungsbewusster Unternehmensfüh-

rung.12

Aus diesen sehr allgemein erhaltenden Erklärungen wird klar, dass Cor-

porate Governance im Wesentlichen im Sinn hat, dass sichergestellt wird,

dass die Unternehmensführung bei grundsätzlicher Verpflichtung nach

11 vgl. FN 2 12 http://de.wikipedia.org/wiki/Corporate_Governance

16

Gewinnstreben, ethnisch handeln soll.13 Nach Ansicht Gigers lässt sich

ethnisches Handeln im Wesentlichen zusammenfassen wie folgt: Was "Du

nicht willst das man Dir tu', füge auch keinem Anderen zu". Dieser von

Martin Luther aus dem Buch Tobit übersetzte Spruch, ist als "goldene Re-

gel" in allen wesentlichen Weltreligionen verankert. Für das Christentum

sei in diesem Zusammenhang auf Matthäus 7, 12 und Lukas 6, 31 ver-

wiesen.

Wie Eingangs also bereits erwähnt, hat sich derjenige, der sich mit dem

Begriff der Corporate Governance beschäftigt, es auch immer mit grund-

sätzlich menschlichen Verhaltensweisen zu tun und der Frage, inwieweit

Menschen bereit sind den Gemeinnutz vor den Eigennutz zu stellen.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema "Corporate Governance" fällt auf,

dass die Idee, die in der Staatslehre als "Gewaltentrennung" bekannt ist

auch hier auftaucht. Es ist eines der Grundprinzipien der Corporate

Governance, dass die Leitung eines Unternehmens von der Überwachung

der Unternehmensleitung getrennt sein muss. Dies entspricht dem staats-

rechtlichen Gedanken, dass ein Staatswesen nur dann funktionieren

kann, wenn die Legislative von der Exekutive und der richterlichen Befug-

nis getrennt ist.14 Angesicht der Gleichgelagerung der Probleme der Ge-

waltentrennung im Rahmen eines Staatswesens und eines Unternehmens

wird klar, dass diejenigen, die behaupten, dass die grossen multinationa-

13 Giger, a.a.O, Seite 601, definiert für die Zwecke in diesem Zusammenhang den Be-

griff Ethik wie folgt: "Ewige, Zeit und Kultur unabhängige, absolute Werte, die schon im römischen Recht überzeugend formuliert wurden. Ehrenhaft leben, den Anderen nicht verletzen und jedem das Seine gewähren. Die Vagheit dieser Begriffe hat auf dem langen Weg aus der Vergangenheit in die Gegenwart Profil gewonnen, weil der Mensch im Laufe der Zeit ein Zensorium für Recht und Unrecht, Moral und Unmoral, die "guten Sitten" sowie Gut und Böse entwickelt hat. Bekannt ist der kategorische Imperativ von Kant, der die Ethik in einem Verhalten nach einer Maxime erblickt, "welche zu gleich als ein allgemeines Gesetzt gelten kann".

14 Montesquieu, Oeuvres completes, Esprit des Lois, Paris 1816, 11. Buch, 6. Kapitel; der pikanter Weise die damalige Türkei (das ottomanische Reich) als Beispiel für ein Land anführt, in dem die drei Staatsgewalten nicht getrennt sind, sondern in der Hand des Sultans zusammenkommen. ("… Il règne un affreux despotisme")

17

len Unternehmen im geschäftlichen und politischen Alltag bereits wie

Staaten auftreten, wohl nicht ganz falsch liegen.

Nachdem der grundsätzliche Zweck der Corporate Governance nun so-

weit erläutert ist, soll nun untersucht werden, wie in den einzelnen Län-

dern die diversen Corporate Governance Codes sicherstellen, dass "ethi-

sches" Verhalten der Unternehmensführung im Hinblick auf alle involvier-

ten Parteien (Stakeholders) sichergestellt wird.

1.3. Länderübersicht

1.3.1. Deutschland:

In Deutschland wurde eine Regierungskommission unter dem Vorsitz von

Herrn Dr. Gerhard Cromme eingesetzt, welche im Februar 2002 einen

deutschen Corporate Governance Kodex erarbeitet hat. Dieses Regel-

werk richtet sich im Wesentlichen an börsenkotierte deutsche Publikums-

gesellschaften und gilt derzeit in der Fassung vom 14.06.2007. Empfeh-

lungen des Kodex sind im Text durch die Verwendung des Wortes "soll"

gekennzeichnet. Die gesellschaften können hiervon abweichen, sind aber

dann verpflichtet, dies jährlich offen zu legen. Ferner enthält der Kodex

Anregungen, von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann. Als

Besonderheit dieses deutschen Corporate Governance Kodex ist zu be-

merken, dass § 161 dAktG festlegt, dass der Vorstand und der Aufsichts-

rat einer börsenkotierten Gesellschaft jährlich erklären müssen, den Emp-

fehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance

Kodex entsprochen wurde und wird bzw. welche Empfehlungen nicht an-

gewendet wurden oder werden. Insofern kommt über die Pflicht zur Abga-

be einer "Entsprechenserklärung" nach § 161 Leg. Cit. der Corporate

18

Governance bei deutschen börsendotierten Gesellschaften eine gewisse

Verbindlichkeit zu.

1.3.2. Österreich15:

Österreich ist dem internationalen Beispiel ebenfalls gefolgt und hat einen

Arbeitskreis für Corporate Governance eingesetzt, welcher in der Folge

gleich dem deutschen Vorbild einen österreichischen Corporate Gover-

nance Kodex geschaffen hat. Bei der Entstehung dieses Kodex waren die

wichtigsten österreichischen Interessengruppen eingebunden. Der Kodex

wurde am 01.10.2002 der Öffentlichkeit vorgestellt und erlangte damit

seine Gültigkeit. Festzuhalten ist, dass es sich beim österreichischen Cor-

porate Governance Kodex um eine rein freiwillige Selbstregulierungs-

massnahme handelt, die das Vertrauen der Aktionäre durch noch mehr

Transparenz, durch eine Qualitätsverbesserung und Zusammenwirken

zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und den Aktionären und durch die Aus-

richtung durch langfristige Wertschaffung gefördert werden. In der Folge

kam es dann dazu, dass im Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005

zahlreiche Bestimmungen des österreichischen Corporate Governance

Codes in das österreichische Aktiengesetz übernommen wurden. Festzu-

halten ist jedoch, dass der österreichische Corporate Governance Kodex

keinerlei rechtsverbindlichen Charakter hat. Der Kodex umfasst folgende

Regelungskategorien:

a.) Legal Requirement (L): Gesetzliche Regelung

b.) Comply or Explain (C): Regel soll eingehalten werden; Abweichung muss er klärt und

begründet werden, um kodexkonformes Verhalten zu erreichen

c.) Recommandation (R): Regel mit Empfehlungscharakter; Nichteinhaltung ist weder of-

fenzulegen noch zu begründen

15 Temmel, a.a.O., Seite 10

19

1.3.3. Schweiz16:

Wie in den beiden anderen deutschsprachigen Ländern hat auch die Ent-

wicklung in der Schweiz parallel zur Entwicklung in Deutschland und Ös-

terreich eingesetzt. Auch in der Schweiz wurde eine Expertengruppe ein-

gesetzt, die mit der Erschaffung von Richtlinien im Sinne der Corporate

Governance in der Schweiz beauftragt wurde. Im Verlauf der Recherchen

zu diesem Expertenbericht zeigte sich aufgrund der besonderen Gege-

benheiten der schweizerischen Unternehmenslandschaft, dass ein Hand-

lungsbedarf für den Erlass von Best Practise Empfehlungen besteht. Dar-

aus resultierte der sogenannte "Swiss Code of Best Practise" vom

25.03.2002. Parallel dazu hat sich die Schweizer Börse (SWX Swiss

Exchange) entschieden, eine Richtlinie betreffend Information zu Corpora-

te Governance zu erlassen. Aufgrund der Kürze und Prägnanz der Prä-

ambel des Swiss Code of Best Practise of Corporate Governance, sei de-

ren Wortlaut an dieser Stelle wiedergegeben:

Corporate Governance als Leitidee:

"Corporate Governance ist die Gesamtheit, der auf das Aktionärsinteresse ausgerichte-

ten Grundsätze, die Unterwahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effiziens auf der

obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Füh-

rung und Kontrolle anstreben."

Wie in den anderen Ländern auch, richtet sich der Swiss Code im We-

sentlichen an Publikumsgesellschaften (börsenkotierte Gesellschaften)

bei denen das Aktionariat im Wesentlichen der Unternehmensleitung nicht

bekannt ist und die Aktien hauptsächlich im Streubesitz liegen.

Gerade hier ist es wichtig, die Aktionärsinteressen (die eben gerade nicht

durch einen dominanten Aktionär verkörpert werden) entsprechend zu be-

rücksichtigen.

16 Ochsner, Finanzmarktrechtliche Sorgfalt, Skriptum zum LLM Studiengang Vermö-

20

1.3.4. Liechtenstein:

Liechtenstein verfügt aktuell noch über keinen eigenen Code of Best Prac-

tise for Corporate Governance. Regierung und Wirtschaftsvertreter sind

sich jedoch über die Bedeutung eines eigenen Codes für Liechtenstein

bewusst, weshalb Anfang 2007 eine Arbeitsgruppe von der Regierung

eingesetzt wurde. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, verschiedene Lösungs-

varianten aufzuzeigen und darauf aufbauend in eine Evaluation für das

Land effektivsten Lösung anzubieten. Ob sich die liechtensteinische Re-

gierung entsprechend diesem Expertenbericht zur Schaffung eines eige-

nen Codes durchringen wird, kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht

vorhergesagt werden.

Aufgrund der allgemeinen Hinwendung zu Corporate Governance finden

diese Prinzipien auf dem Umweg über das von Liechtenstein überneh-

mende EWR-Recht Eingang in die liechtensteinische Rechtsordnung.

Exemplarisch sei die Transparenzrichtlinie 2004/109/EG zu erwähnen,

welche insoweit Hinweise auf Corporate Governance enthält, als dass

Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einen EWR gelegenen

oder dort betriebenen geregelten Markt zugelassen sind, diverse Informa-

tionspflichten einzuhalten haben, die dem Anleger eine Beurteilung der

Geschäftsergebnisse und der Vermögenslage ermöglichen soll. Die dies-

bezügliche Umsetzung soll bis Ende 2008 erfolgen, welche aller Wahr-

scheinlichkeit nach in Form eines eigenen Gesetzes in Liechtenstein

durchgeführt wird. Trotz des Umstandes, dass sich in Liechtenstein kein

Code for Best Practise of Corporate Governance existiert, ist festzustel-

len, dass immer mehr Unternehmen sich mit den Fragen der Corporate

Governance auseinandersetzen und die diesbezüglichen Regeln (vor al-

lem den Swisscode) von sich aus beachten. Im Übrigen sei der Vollstän-

gensrecht an der UFL (Modul 8), 2007, Seite 5

21

digkeit halber erwähnt, dass für die beiden an der SWX (Swiss Exchange)

notierten Publikumsgesellschaften, Liechtensteinische Landesbank AG

und Verwaltungs- und Privatbank AG die erwähnte Corporate Governance

Richtlinie der Schweizer Börse Anwendung findet.

1.3.5. Europäische Union

Auf europäischer Ebene ist festzustellen, dass sich die Kommission eben-

falls der Wichtigkeit der Corporate Governance bewusst geworden ist.

Diesbezüglich wurde von der Europäischen Kommission eine Mitteilung

an den Rat und das Europäische Parlament erstellt, die die Modernisie-

rung des Gesellschaftsrechtes und die Verbesserung der Corporate

Governance in der Europäischen Union zum Ziel hat17. Jüngstes Ergebnis

dieses Vorhabens ist die am 11.07.2007 verabschiedete und am

03.08.2007 in Kraft getretene Aktionärsrichtlinie18, die bis 03.08.2009 in

den Mitgliedsstaaten umzusetzen ist. Wesentliches Regelungsziel dabei

ist die Stärkung der Rechte der Aktionäre von börsenkotierten Gesell-

schaften. Dies soll im Wesentlichen durch eine Gleichbehandlungspflicht

der Aktionäre und stärkere Rechte vor und während der Hauptversamm-

lungen erreicht werden. Besonders interessant erscheint dabei die Ant-

wortpflicht der Gesellschaft19.

1.3.6. "Corporate Social Responsibility"

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Entwicklung im Be-

reich der Corporate Governance für Unternehmen bereits soweit geht,

dass mit dem reinen Beachten von Corporate Governance Richtlinien

17 KOM (2003), 284 endg. 18 RL 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über

die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (Abl L 184/17)

22

nicht mehr das Auslangen gefunden wird. Die Entwicklung scheint derzeit

in die Richtung zu gehen, dass jedes Unternehmen sich zusätzlich noch

fragen muss, in wie weit es sicherstellt, dass auch Prinzipien der "Corpo-

rate Social Responsibility" (CSR) beachtet werden. CSR umschreibt den

Beitrag der Wirtschaft zu einer nachthaltigen Entwicklung und stehe für

verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Ge-

schäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt), bis

hin zu den Beziehungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Arbeitsplatz)

und dem Austausch mit dem Umfeld im Gemeinwesen20.

Dieser offensichtlichen Weiterentwicklung bzw. Spezifizierung der Corpo-

rate Governance mag man mit Misstrauen begegnen und es für das Er-

gebnis einer übertriebenen angloamerikanischen Regelungswut halten.

Tatsache ist jedoch, dass das diesbezügliche Bewusstsein der Anleger

und Investoren auf dem Kapitalmarkt scheinbar massiv im Zunehmen be-

griffen ist. Man kann in diesem Zusammenhang auf die Vorkommnisse

rund um die Sportartikel- bzw. Bekleidungshersteller Nike und GAP ver-

weisen.

Als durch die Nachforschungen diverser Aktivistengruppen öffentlich be-

kannt wurde, dass beide Unternehmen zu Sklavenlöhnen in Entwicklungs-

ländern von Kindern ihre Produkte herstellen liessen, wirkte sich dies

massiv negativ auf die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen aus21.

Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass § 25 a des öPensionskas-

sengesetzes in seinem Abs. 1 Z 6 festhält, dass in der schriftlichen Erklä-

rung über die Grundsätze der Veranlagerungspolitik einer Pensionskasse

auch eine Erklärung im Hinblick auf die allfällige Auswahl der Vermö-

genswerten nach ethischen, ökologischen und/oder sozialen Kriterien zu

19 Putzer, Die EU-Richtlinie über Aktionärsrechte, ecolex 2007, 861f 20 Temmel, a.a.O., Seite 28 f. 21 Corporate Social Responsability, Financial Times Deutschland, 31.05.2006,

23

berücksichtigen ist. Man sieht also auch hier, dass die Entwicklung offen-

sichtlich unaufhaltsam weitergeht.

1.4. Ergebnisse: Grundstrukturen der Coporate Governance

Im Hinblick auf den Gang der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit soll

an dieser Stelle festgehalten werden, welche Grundprinzipien der Corpo-

rate Governance aus dem Vorgesagten abgeleitet werden können.

Hauptaugenmerk dabei soll insbesondere darauf gerichtet werden, welche

Gemeinsamkeiten aus dem besprochenen Corporate Governance Kodi-

zes auffällig sind.

1.4.1. Funktionsfähige (effiziente) Unternehmensleitung (Kompetenzen-

trennung)

Die Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand (dualistisches

System) und die Aufgabenverteilung innerhalb des Verwaltungsrates

(monistisches System) sollte genau abgegrenzt sein. Je nachdem, ob die

jeweiligen Staaten dem monistischen (Schweiz, Liechtenstein) oder dem

dualistischen (Österreich, Deutschland) System angehören, muss sicher-

gestellt werden, dass die ursprüngliche - vom Gesetzgeber beabsichtigte -

Kontrollfunktion z.B. beim Aufsichtsrat dadurch unterlaufen wird, dass der

Aufsichtsrat ausschliesslich mit Personen besetzt wird, die in einem

Naheverhältnis zur Gesellschaft oder dem Vorstand stehen (z.B. ehemali-

ge Vorstandsmitglieder) und sich - streng gesehen - quasi permanent in

einem Interessenskonflikt befinden, und somit von einer wirksamen Kon-

trolle nicht die Rede sein kann22. Dasselbe gilt im monistischen System,

das ja wiederum das Institut der Geschäftsleitung kennt. Beim Vorhan-

24

densein von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat muss sichergestellt

werden, dass der Verwaltungsrat die Oberaufsicht über die Geschäftslei-

tung wirksam ausüben kann. Für beide Organisationsmöglichkeiten wird

gefordert, dass ein ausreichend konkretisiertes und sinnvolles Organisati-

onsreglement innerhalb der Gesellschaft erstellt wird, das sowohl die Or-

ganisation innerhalb der Organe regelt, als auch das Zusammenwirken

der Organe untereinander. Dabei ist auch auf die Ausgewogenheit der

Zusammensetzung dieser Organe Bedacht zu nehmen. Grundprinzip

hierbei ist jedenfalls der Umstand, dass eine ausreichende Kompetenzen-

trennung sichergestellt sein muss, sodass die Kontrollfunktionen der sta-

tutarisch vorgesehenen Kontrollorgane entsprechend ausgeübt werden

können und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Führung und Kontrol-

le besteht.

1.4.2 Verpflichtungen gegenüber den Aktionären bzw. den "Stakeholdern"

Aufgrund des oben bereits besprochenen Umstandes, dass die modernen

Unternehmen jeweils eine Trennung zwischen der Eigentümerschaft und

der Unternehmensleitung kennen, versuchen sämtliche Corporate Gover-

nance Kodizes darauf hinzuwirken, dass den Aktionären als Unterneh-

menseigentümern die ihnen gebührende Stellung eingeräumt wird. Im

Hinblick auf die Aktionäre ist dabei festzuhalten, dass den Aktionären oh-

nehin unentziehbare Rechte zukommen, die sich aus den nationalen

Rechtsordnungen ergeben. Um diese Rechte zu verbessern hat auch die

Europäische Union die oben erwähnte "Aktionärsrichtlinie" erlassen.

Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Interessen der Aktionäre

mehr als bisher in den Mittelpunkt gestellt werden. Diesbezüglich sind

insbesondere die Kontrollrechte des Aktionärs zu nennen, die im Wesent-

lichen bei Haupt- bzw. Generalversammlungen ausgeübt werden können.

22 vgl. Pkt. 5.4.2. des Deutschen Corporate Governance Kodex, der postuliert, dass

nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat angehören sol-

25

Die referierten Corporate Governance Kodizes sehen vor, dass sich die

Unternehmen besonders im Umgang mit den Aktionären vorbildlich zu

verhalten haben und alles daran setzen sollen, die Kommunikation mit

den Eigentümern (Aktionären) so effizient als möglich zu gestalten und si-

cherzustellen, dass sie ihre Rechte tatsächlich wahrnehmen können. In

diesem Zusammenhang kann man sogar davon sprechen, dass Aktionäre

geradezu ermuntert werden sollen, an Generalversammlungen teilzuneh-

men. Corporate Governance geht aber jedoch über die Interessen der Ak-

tionäre hinaus und definiert den "Stakeholder" so, dass es sich bei dieser

Personengruppe um sonstige Anspruchsberechtigte gegenüber einem

Unternehmen handelt. Darunter werden Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden,

Investoren und die Allgemeinheit überhaupt verstanden. Hier geht es da-

rum, dass Unternehmen anerkennen, dass sie auch gegenüber den "Sta-

keholdern" Verpflichtungen haben und diese wahrzunehmen sind23. Die-

ser Bereich führt dann in die oben erwähnte Corporate Social Responsibi-

lity.

1.4.3. Transparenz

Ein roter Faden, der sich durch sämtliche betrachtete Corporate Gover-

nance Kodizes zieht ist, das allgemeine Transparenzgebot. Transparenz

kann also quasi als "Querschnittsmaterie" angesehen werden, da sie die

beiden zuvor besprochenen Grundprinzipien mitbestimmt. Dennoch

kommt der Transparenz so grosses Gewicht zu, dass sie auch als eige-

nes Grundprinzip angesehen werden kann. Transparenz hat im vorliegen-

den Fall zwei Bedeutungen:

a) Transparenz in der Ausgestaltung der Zusammenarbeit der verschie-

denen Organe eines Unternehmens (i.e. interne Transparenz)

len. 23 vgl. FN 2

26

b) Transparenz nach Aussen gegenüber Aktionären, "Stakeholdern" und

der Allgemeinheit

Die Transparenz nach innen beinhaltet die Struktierung der Zusammenar-

beit der verschiedenen Organe eines Unternehmens, sodass diese für

Mitglieder dieser Organe und sonstige Mitarbeiter klar vorhersehbar und

auch nachvollziehbar ist. Dies wurde bereits im Rahmen des Prinzips der

effizienten Unternehmensleitung dargestellt, hat aber auch wesentlich mit

Transparenz zu tun.

Im Verhalten gegenüber "Aussenstehenden"24 ist Transparenz von noch

grösserer Bedeutung. So soll nach Aussen klar kommuniziert werden, wie

die führenden Organe des Unternehmens z.B. mit Interessenskonflikten

umgehen, mit Insiderwissen, mit Wissensvorsprüngen oder sonstigen

Spezialkenntnissen, die zu Gunsten bzw. zu Ungunsten des Unterneh-

mens / der Aktionäre / der Stakeholder verwendet werden können. Ein

weiterer Aspekt der Transparenz ist der Umstand, dass Informationen ge-

schäftlicher bzw. finanzieller Natur umgehend jeweils veröffentlicht wer-

den sollen. Unternehmen sollen sich dazu durchaus des Internets bedie-

nen und in der Bundesrepublik Deutschland wird auch gefordert, dass

solche Informationen auf Englisch veröffentlicht werden sollen. Weiters

kommt der Transparenz grosse Bedeutung im Hinblick auf die Informati-

onsweitergabe an Aktionäre zu. Da sie es letztendlich sind, die anlässlich

von General- bzw. Hauptversammlungen über das Unternehmensschick-

sal zu entscheiden haben, müssen sie in die Lage versetzt werden, vor

den jeweiligen Generalversammlungen über ausreichend Information zu

den einzelnen Tagesordnungspunkten zu verfügen. Die wirksame Aus-

übung der Kontrollrechte des Aktionärs setzt also schon eine transparente

Haltung beim Unternehmen voraus. Einerseits soll der Aktionär in die La-

24 Als "Aussenstehende" erachte ich auch Aktionäre, da sie üblicherweise mit dem Ta-

gesgeschäft eines Unternehmens nichts zu tun haben und daher auch keine Kennt-nisse der einzelnen Geschäftsvorfälle haben (können).

27

ge versetzt werden, das nötige Wissen zu erlangen, das für unterneh-

mensrelevante Entscheidungen vorhanden sein muss. Andererseits ver-

langt die wirksame Ausübung der Kontrollrechte, dass Informationen ohne

Säumnis oder anderen Hürden zur Verfügung gestellt werden.

In der Folge soll anhand dieser drei Grundprinzipien untersucht werden, in

wie weit diese sich auf eine Stiftung an sich bzw. in weiterer Folge in den

Spezialtypus der liechtensteinischen Familienstiftung anwenden lassen.

2. Sind die Prinzipien der Corporate Governance als "Foundation Governance" auf Stiftungen im Allge-meinen anwendbar?

In diesem Kapitel soll untersucht werden, was unter einer "Stiftung" im

kontinentaleuropäischen Recht zu verstehen ist und ob für eine Stiftung

Corporate Governance überhaupt ein Thema sein kann25. Weiters sollen

die Grundstrukturen von Stiftungen herausgearbeitet werden und ihre we-

sentlichen Unterschiede zu den sogenannten "Körperschaften" (Korpora-

tionen), welche gemeinhin als Unternehmensträger fungieren.

2.1. Historische Entwicklung der Stiftung26

Die Anfänge von Stiftungen werden üblicherweise im römischen Recht

gesucht. Zwar kannte das römische Recht noch keinerlei "selbständige

Stiftungen", jedoch sind aus dem römischen Recht unselbständige Stif-

25 Schiltknecht, Corporate Governance und Stiftung - Ist das überhaupt ein Thema? in:

[Hrsg. Riemer/ Schiltknecht] Aktuelle Fragen zum Stiftungsrecht, unter Einbezug der geplanten Gesetzesrevision, Bern 2002, Seite 41f

26 Hepberger, Die liechtensteinische Stiftung - unter besondere Berücksichtigung der Rechte des Stifters nach deren Errichtung, Schaan 2003,Seite 45 ff; Frick-Tabarelli, Die besondere Bedeutung der Treuhänderschaft gemäss Art. 897ff PGR für die pri-vatrechtliche Stiftung nach liechtensteinischem Recht, Schaan 1993, Seite 31ff.

28

tungen für wohltätige Zwecke und zur Sicherung des Totenkultes bekannt.

Bei diesen unselbständigen Stiftungen der Antike handelt es sich um Zu-

wendungen an Privatpersonen, Verbände oder Gemeinden mit der Aufla-

ge, das Empfangene für bestimmte wohltätige Zwecke zu verwenden.

Schon damals waren die "Stifter" von dem Gedanken beseelt, durch die

Errichtung eines rechtlichen Konstruktes dafür zu sorgen, dass ihr Name

"unsterblich" werde. Daher standen die unselbständigen Stiftungen der

Antike oft im Zusammenhang mit dem Totenkult. Auf Basis dieser soge-

nannten "milden" Stiftungen des römischen Rechts, haben sich dann in

der Folge die Wohltätigkeits- und Kirchenstiftungen des Früh- und Hoch-

mittelalters entwickelt. Zu dieser Epoche waren insbesondere Landesfürs-

ten und Herrscher bestrebt, sich ihr Seelenheil durch die Errichtung einer

"frommen Stiftung" zu erkaufen. Auch aus dem Mittelalter sind sogenann-

te Memorialstiftungen bekannt, die dazu dienten, das Andenken an den

Stifter aufrecht zu erhalten. Zahlreiche dieser Stiftungen bestanden bis in

die Zeit des 30-jährigen Krieges, manche auch bis zur Säkularisation, ei-

nige bis heute. Mildtätige Überlegungen führten zu sozialen Stiftungen,

wie Hospitälern, Waisenhäusern und anderen gemeinnützigen Einrichtun-

gen. Eine der ältesten und bekanntesten Stiftungen von Einzelpersonen

des Mittelalters ist die "Fuggerei" (gegründet 1516), die als Sozialsiedlung

bis heute ihren Stiftungszweck erfüllt. Zu nennen ist noch die bis heute

bestehende Bürgerspitalstiftung in Wending in Bayern, welche auf das 10.

Jahrhundert zurückgeht.

Ebenfalls nennenswert ist die Stiftung Bürgerspital zum heiligen Geist in

Würzburg welche 1316 gegründet wurde und nur eines von rund 250 Bei-

spielen für Stiftungen ist, welche älter als 500 Jahre sind und heute noch

bestehen.27

27 http://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung

29

In der Dogmatik der juristischen Person im 19 Jhdt. hat sich dann auch

das Verständnis entwickelt, dass die Stiftung als selbstständige, von der

Person des Stifters losgelöste Rechtspersönlichkeit anzusehen ist28.

Wegbereiter für das Aufkommen der Lehre von der juristischen Person

sind die beiden Vertreter der klassischen Schule Carl Friedrich von

Savigny und Otto von Gierke mit ihrer Lehre von der "realen Verbands-

person" gewesen, die eine Einteilung der juristischen Person in Körper-

schaften und in Stiftungen und Anstalten vorsieht29.

Mit dem Ende der europäischen Monarchien und der Abschaffung der

Vorrechte des Adels nach dem 1. Weltkrieg ging auch ein zunehmendes

Verbot von Familienfideikommissen bzw. reinen Unterhaltsstiftungen ein-

her. Während in sämtlichen deutschsprachigen Rechtsordnungen die Stif-

tung als Institut der Gemeinnützigkeit durchwegs anerkannt blieb, erfolgte

in Deutschland im Jahre 1938 (damit auch in Österreich) die Abschaffung

der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen. In der

Schweiz sieht Art. 335 Abs. 2 ZGB vor, dass die Errichtung von Familien-

fideikommissen nicht mehr gestattet ist. Obwohl das schweizerische Stif-

tungsrecht dem liechtensteinischen als Rezeptionsvorlage gedient hat, ist

es bemerkenswert, dass im Gegensatz zur Stiftung des ZGB, die Stiftung

nach PGR die voraussetzungslose Unterhaltsstiftung kennt (die ja den Fi-

deikommissgedanken in sich trägt). Gleichwohl sehen die Art. 80-89 ZGB

die Möglichkeit vor, Stiftungen in der Schweiz zu errichten. Dabei handelt

es sich im Wesentlichen aber um gemeinnützige, sowie kulturelle Instituti-

onen und Personalvorsorgeeinrichtungen30.

In der Bundesrepublik Deutschland sehen die §§ 80 ff. BGB ebenfalls die

Möglichkeit vor, Stiftungen nach deutschem Recht zu errichten. Das nati-

onale Recht des BGB wird jedoch noch durch eigene Stiftungsgesetze der

28 Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9.Auflage, Bern 2004, Seite

52 29 Hepberger, a.a.O., Seite 46

30

Bundesländer ergänzt. In der deutschen Rechtswirklichkeit sind aufgrund

steuerrechtlicher Privilegierungen die gemeinnützigen Stiftungen vorherr-

schend31.

In Österreich ist zu beachten, dass bis zum in Kraft treten des Privatstif-

tungsgesetzes (PSG) im Jahre 1993 im Rahmen des Bundes-, Stiftungs-

und Fondgesetzes (BStFG), Stiftungen nur für gemeinnützige oder mildtä-

tige Zwecke errichtet werden konnten. Kennzeichen des österreichischen

Privatstiftungsrechtes ist es, dass es sich hier um einen Rechtsträger

handelt, "dem vom Stifter ein Vermögen gewidmet ist, um durch dessen

Nutzung, Verwaltung und Verwertung der Erfüllung eines vom Stifter er-

laubten bestimmten Zweckes zu dienen."32 Mit anderen Worten setzt der

österreichische Stiftungsgesetzgeber dem Stifter lediglich dahingehend

eine Schranke, dass der Zweck erlaubt sein muss. E contrario gilt daher,

dass die Errichtung einer Familienstiftung in Österreich seit in Kraft treten

des Privatstiftungsgesetzes wieder möglich ist. Aufgrund diverser steuer-

rechtlicher Anreize erfreut sich die Privatstiftung grosser Beliebtheit in Ös-

terreich.

Im Gegensatz zu den übrigen deutschsprachigen Ländern wählte das

Fürstentum Liechtenstein nach dem 1. Weltkrieg einen anderen Weg.

Während die erwähnten Staaten alle samt daran gingen, den Familienfi-

deikommiss bzw. die Familienstiftung abzuschaffen, schuf der liechten-

steinische Zivilgesetzgeber im liechtensteinischen Personen- und Gesell-

schaftsrecht (PGR) vom 20.01.1926 in den Art. 552-570 die gesetzliche

Grundlage für die allgemein bekannte liechtensteinische Stiftung. Zentra-

ler Beweggrund, so ein liberales Stiftungsrecht zum damaligen Zeitpunkt

zu schaffen, war wohl derjenige, dass das Fürstentum Liechtenstein auf

ausländisches Kapital angewiesen war und auch mit diesem Rechtsinsti-

30 BSK ZGB I-Grüninger, Art. 80 N 1 31 siehe FN 26 32 § 1 PSG BGBl 1993/694 idF BGBl I 2001/98 und I 2005/120

31

tut ausländisches Kapital verstärkt anziehen wollte33. Die gesetzlichen

Grundlage der liechtensteinischen Stiftung soll an anderer Stiftung vertieft

werden (siehe unten). Bei der Kodifikation des liechtensteinischen Stif-

tungsrechtes haben die Art. 80-89 ZGB als Rezeptionsgrundlage ge-

dient34, obwohl letztendlich zwischen der Stiftung des ZGB und derjenigen

des PGR wesentliche Unterschiede bestehen. Exemplarisch sei erwähnt,

dass die liechtensteinische Stiftung "voraussetzungslose" Stiftungsleis-

tungen kennt, während nach schweizerischem Recht Stiftungen, deren

Statuten solche Ausschüttungen vorsehen oder tatsächlich gewähren, un-

zulässig sind35.

2.2. Begriffsmerkmale der Stiftung36

Im Folgenden soll dargestellt werden, worin das Wesen der Stiftung be-

steht bzw. welche grundlegenden Unterschiede zu sogenannten "Körper-

schaften" (Aktiengesellschaft, Verein, GesmbH, Genossenschaft etc.) be-

stehen. Wie bereits erwähnt, sollen die Besonderheiten von Stiftungen

dadurch herausgearbeitet werden, in dem man sie mit ihrem dogmati-

schen Gegenkonzept, den Körperschaften vergleicht.

Grundsätzlich ist die Stiftung eine Rechtsform, die mit Hilfe eines Vermö-

gens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Dabei wird in der Re-

gel das Vermögen auf Dauer erhalten und es werden nur die Erträge für

den Zweck verwendet37.

33 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Wien, Bern 2005, Seite 367, m.W.N. 34 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht., Seite 77 ff 35 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 114 36 Die Ausführungen dieses Kapitels beruhen im Wesentlichen auf der sehr prägnanten

Darstellung von Riemer im Berner Kommentar, Die Stiftungen, Systematischer Teil und Kommentar zu Art. 80-89 ZGB, Bern 1975; Seite 35 ff

37 siehe FN 26

32

Das wesentlichste Kriterium im Hinblick auf die Unterscheidung von Kör-

perschaften und Stiftungen liegt darin, dass Körperschaften personenbe-

zogen sind und Stiftungen sich im Wesentlichen auf ein Vermögenssub-

strat beziehen. Körperschaften basieren daher auf einer Vereinigung von

Personen, während die Stiftung auf einem Vermögenssubstrat basiert. Als

personifiziertes Zweckvermögen hat die Stiftung per Definition keine Teil-

haber bzw. Mitglieder, Gesellschafter, Genossenschafter etc. Für die Er-

gebnisse dieser Arbeit ist der Umstand ausschlaggebend, dass sich an-

statt von Mitgliedern, bei Stiftungen lediglich "Destinatäre" ausmachen

lassen, die Personen sind, zu deren Gunsten der Stiftungszweck verwirk-

licht wird. Dieses Fehlen von Teilhabern bei Stiftungen bedeutet einer-

seits, dass es, anders als unter Umständen bei gewissen Körperschaften,

auch keine entsprechenden Haftungssubjekte neben der Stiftung geben

kann. Andererseits ist das Subjekt des Körperschaftsvermögens die Kör-

perschaft, Subjekt des Stiftungsvermögens die Stiftung; während aber die

Körperschaft ihrerseits - eben in Form von Teilhabern - Mitglieder besitzt,

sind solche der Stiftung unbekannt. Im Vorgriff auf die liechtensteinische

Stiftung sei in dieser Stelle allerdings erwähnt, dass Art. 559 Abs. 4 PGR

es ermöglicht, sich sog. "Stifterrechte" vorzubehalten. Dabei handelt es

sich um Rechte, mit denen die Stiftung widerrufen werden kann, bzw. die

Statuten abgeändert werden können. Diese Rechte räumen demjenigen,

zu dessen Gunsten sie vorbehalten wurden eine, eigentümerähnliche

Stellung ein38.

38 vgl. dazu als Konsequenz die E des öOGH vom 05.06.2007, 10 Ob 45/07a; mit dieser

Entscheidung folgt der öOGH der sog. Vermögensopfertheorie, wonach das von § 785 ABGB geforderte "Vermögensopfer" so lange nicht gegeben sei, als der Stifter die Möglichkeit habe, die Stiftung nach § 34öPSG zu seinen Gunsten zu widerrufen. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass man wohl auch für das liechtensteinische Stiftungsrecht annehmen kann, dass diese Vermögensopfertheorie anwendbar sein wird: Art. 559 Abs.4 PGR läuft ja ebenfalls darauf hinaus, dass sich der Stifter vorbe-halten kann, sein - ursprünglich der Stiftung gewidmetes - Vermögen wieder "zurück-zuholen", was ebenfalls kein Vermögensopfer im obigen Sinn darstellt. Da es für die Beurteilung der Frage, ob eine Schenkung lange genug vor dem Ableben des Stifters stattfand, auf das Erbstatut ankommt, ist einem Stifter uU. von einem Vorbehalt nach

33

Abgesehen von dieser Ausnahme lässt sich also zusammenfassen, dass

die Körperschaften ihren Teilhabern gehören, Stiftungen dagegen gehö-

ren sich selbst.

Fragt man nach der Willensbildung bei der Körperschaft, so zeigt sich,

dass dort die Körperschaftsteilhaber in ihrer Eigenschaft als Träger von

Organfunktionen den Willen der Körperschaft bilden, sodass von einem

eigenen Willen der Körperschaft gesprochen werden muss. Bei der Stif-

tung hingegen ist es so, dass diese vom Willen des Stifters - so wie er an-

lässlich der Stiftungserrichtung zum Ausdruck gekommen bzw. der Stif-

tung "eingepflanzt" worden ist - beherrscht wird. Für die Körperschaften

charakteristisch ist daher das Selbstbestimmungsrecht, welches bei den

Stiftungen prinzipiell fehlt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken,

dass die einzelnen nationalen Stiftungskodifikationen hier Unterschiede

vorsehen, in wie weit der Zweck der Stiftung zur Disposition stehen soll

bzw. der Willen des Stifters im Nachhinein noch abgeändert werden kön-

nen soll39. Hinsichtlich der Willensbildung bei der Stiftung ist also festzu-

halten, dass diese im Wesentlichen auf der Fokussierung auf den ur-

sprünglichen Willen des Stifters besteht. Prinzipiell kann daher nach Fest-

legung des Stifterwillens nicht mehr von einer Willensbildung bei der Stif-

tung gesprochen werden. Deshalb gibt es bei Stiftungen lediglich Ge-

schäftsführungs-, Vertretungs- und Aufsichtsorgane. Diese habe im We-

sentlichen die Ausführung des Stifterwillens umzusetzen. Dies ist jedoch

in soweit zu relativieren, als es prinzipiell auch die Möglichkeit gibt, soge-

nannte Ermessensstiftungen zu errichten, bei denen dem Stiftungsrat ein

gewisses Ermessen zukommt.40

Art. 559 Abs. 4 PGR abzuraten, wenn sein Heimatrecht solche Anfechtungsfristen wie § 785 ABGB kennt.

39 Für die Schweiz: Riemer, a.a.O, Seite 39f; für Österreich: § 34 PSG; für Liechtenstein: Art. 559 Abs.4 PGR

40 Hepberger, a.a.O., Seite 95 ff

34

2.3. Anwendung der Corporate Governance Prinzipien auf die Rechts-

form Stiftung im Allgemeinen; Frage nach der Existenz von "Founda-

tion Governance"

Im Kapitel 1.3. wurden drei Grundprinzipien der Corporate Governance

definiert. Es handelt sich dabei um die (i) effiziente Unternehmensleitung,

(ii) die Wahrnehmung der Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber

Aktionären / Stakeholdern und (iii) dem generellen Prinzip der Transpa-

renz. In der Folge soll untersucht werden, wie sich der Umstand auf deren

Anwendbarkeit für Stiftungen auswirkt, wonach - wie oben festgestellt -

Stiftungen grundsätzlich so strukturiert sind, dass sie keine Mitglieder (im

körperschaftlichen Sinn) haben und darauf ausgerichtet sind, den Willen

ihres Stifters umzusetzen. Dabei wird als Betrachtungsobjekt "die ge-

meinnützige Stiftung" herangezogen, weil die Rechtsordnungen der hier

untersuchten Länder (D, A, CH, FL) alle die gemeinnützige Stiftung ken-

nen. Eine gesonderte Betrachtung soll für den Bereich der Liechtensteini-

schen Familienstiftung im Kapitel 3.2. erfolgen.

Da hier zum ersten Mal die Frage nach der "Foundation Governance" re-

leviert wird, ist der Umstand zu erwähnen, dass sich die Schweizer För-

derstiftungen im Jahre 2005 einen sogenannten "Swiss Foundation Code"

gegeben haben.41 Erarbeitet wurde dieser Swiss Foundation Code von ei-

nem Zusammenschluss der Schweizer Förderstiftungen42 namens

"SwissFoundations", der sich zum Ziel setzt, ein aktives und innovatives

Netzwerk zu sein, das den Erfahrungsaustausch, die Transparenz und die

Professionalität erhöht. Im Rahmen der Erarbeitung des Swiss Foundation

41 Hofstetter / Sprecher, Swiss Foundation Code, Empfehlungen zur Gründung und Füh-

rung von Förderstiftungen, Basel, 2005 42 Hofstetter/Sprecher, a.a.O., Seite 42 definieren den Begriff "Förderstiftung" wie folgt:

Stiftung, welche über ein eigenes Vermögen verfügt und die mit diesem Vermögen oder Erträgen daraus Förderaktivitäten entfaltet; im herkömmlichen Begriff "Vergabe-stiftung" schwingt ein statisches Stiftungsverständnis mit, das sich weniger an Wir-kung und Entwicklung orientiert als vielmehr den philanthropischen Akt des Gebens ins Zentrum stellt.

35

Codes lies sich die Arbeitsgruppe von drei Grundsätzen leiten, die im We-

sentlichen denjenigen entsprechen, die oben unter 1.3. als Grundprinzi-

pien der Coporate Governance festgehalten wurden43. Den SwissFounda-

tions war klar, dass es notwendig ist, die Verwaltung von schweizerischen

Förderstiftungen zu professionalisieren und dafür zu sorgen, dass diese

Leitlinien zu beachten haben, die dazu beitragen, die Stiftungsmittel mög-

lichst effizient einzusetzen. Bei der unten folgenden Betrachtung sollen

daher auch die Überlegungen der SwissFoundations bzw. die Prinzipien

des Swiss Foundation Codes berücksichtigt werden.

Allgemein zeigt diese Entwicklung - zumindest für den Bereich der ge-

meinnützigen bzw. Förderstiftungen, dass ein Bedarf vorhanden ist, sich

über Foundation Governance Gedanken zu machen. Dabei wird insbe-

sondere vertreten, dass gerade Förderstiftungen durch den zunehmenden

Rückzug des Staates aus gewissen sozialen Aufgaben immer mehr ge-

sellschaftliche Verantwortung trifft, was den Ruf nach einer weitergehen-

den Professionalisierung dieses Sektors auslöst44.

2.3.1. Anwendung des Prinzips der funktionsfähigen [Unternehmens-]

Führung auf gemeinnützige Stiftungen

Hier fällt zu allererst auf, dass Stiftungen schlechterdings keinerlei Unter-

nehmen betreiben. Zwar kennen sämtliche hier referierten Rechtsordnun-

gen die Unternehmensstiftung bzw. Unternehmensträgerstiftung. Diese

soll hier aber nicht näher behandelt werden. Geht man also von einer

Förderstiftung aus, so liegt es auf der Hand, dass man hier nicht von ei-

43 Purtschert/von Schnurbein/Beccarelli, Gemeinnützige Stiftungen in der Schweiz -

Zwischen Aufbruch und Bewahrung, in Egger, Helmig, Purtschert (Hrsg.), Stiftung und Gesellschaft, Eine komparative Analyse des Stiftungsstandortes Schweiz, Deutsch-land, Liechtenstein, Österreich, USA, Basel, 2006, Seite 106

44 Anheier, Stiftungen in Europa, Resultate eines Ländervergleichs in Egger, Helmig, Purtschert (Hrsg.), Stiftung und Gesellschaft, Eine komparative Analyse des Stif-

36

nem Unternehmen im herkömmlichen Sinn sprechen kann. Gemeinnützi-

ge- bzw. Förderstiftungen sind überlicherweise nicht auf Gewinnerzie-

lungsabsicht ausgerichtet. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die übliche

statutarische Verfassung einer Stiftung so aussieht, dass es im Wesentli-

chen ein Exekutivorgan gibt, das die Stiftung nach aussen vertritt und letz-

tere durch ihre Handlungen berechtigt und verpflichtet.

In der Schweiz und in Liechtenstein spricht man diesbezüglich vom Stif-

tungsrat und in Österreich vom Stiftungsvorstand. Üblicherweise kennen

die referierten Rechtsordnungen die Möglichkeit, weitere Stiftungsorgane

statutarisch vorzusehen45, eine diesbezügliche Verpflichtung ist jedoch

nur hinsichtlich des Stiftungsaufsichtsrates gemäss § 22 öPSG ersichtlich,

der im Wesentlichen dann verpflichtend zu bestellen ist, wenn die Privat-

stiftung entweder direkt oder indirekt eine gewisse Zahl von Mitarbeitern

beschäftigt (300), also direkt oder indirekt unternehmerisch tätig ist. Inso-

fern kann festgehalten werden, dass Stiftungen gesetzlich im Normalfall

bloss über ein Exekutivorgan verfügen, während korporativ ausgestaltete

juristische Personen schon gesetzliche Kontrollorgane haben müssen.

Art. 561 Abs.2 PGR kann ebenfalls in diesem Zusammenhang erwähnt

werden: Dort wird von der Möglichkeit gesprochen, dass die Verleihung

des Stiftungsgenusses einem besonderen Organ übertragen werden

kann. Dies ist ein klarer Hinweis im liechtensteinischen Stiftungsrecht,

dass Stiftungen neben dem Stiftungsrat noch weitere Organe haben kön-

nen.

Dennoch erscheint der Grundgedanke einer funktionsfähigen Führung ei-

ner juristischen Person - sei diese nun korporativ oder stiftungsmässig

ausgestaltet - verallgemeinerungsfähig. Es ist generell wünschenswert,

tungsstandortes Schweiz, Deutschland, Liechtenstein, Österreich, USA, Basel, 2006, Seite 84

37

dass eine juristische Person von einer Führungsebene geleitet wird, die

effizient arbeitet, und deren Handeln von einer möglichst vom Exekutivor-

gan unabhängigen "Stelle" kontrolliert wird. Insofern lässt sich auch hier

der Gedanken der Gewaltenteilung vertreten.

Es ist daher anzustreben, dass Stiftungen zusätzlich zu den gesetzlich

vorgeschriebenen Exekutivorganen auch über zusätzliche Organe (Beirä-

te, Ausschüsse, etc.) verfügen sollen, die sicherstellen, dass das Handeln

des Exekutivorganes überwacht wird. Dieses Prinzip ist m.E. so verallge-

meinerungsfähig, dass es grundsätzlich auf alle Stiftungstypen anwendbar

ist. Gerade durch das Fehlen von Mitgliedern bei Stiftungen (siehe oben

Kap. 2.2), denen bei Korporationen Mitgliedschaftsrechte zukommen, ist

mit den gesetzlichen Vorschriften alleine ein gewisses Kontrollvakuum

verbunden. Wenn bestimmte oder bestimmbare Begünstigte vorhanden

sind, kommt diesen auch ein gewichtiges Interesse zu, das Handeln des

Stiftungsrates zu überwachen.

Wie die konkrete sachgerechte Ausgestaltung dann aussieht, muss im

Einzelfall vom Stifter entschieden werden. Dennoch ist es gerade für ge-

meinnützige Stiftungen (Förderstiftungen) wünschenswert, dass es neben

der behördlichen Aufsicht46 noch ein internes Kontrollorgan gibt, das die

Tätigkeit des Exekutivorganes beaufsichtigt. Einem Stifter muss aber auch

klar sein, dass ein solches Kontrollorgan zusätzliche Kosten verursacht,

die aus den Stiftungsmitteln zu bezahlen sind und diese daher schmälern.

Wenn sich der Stifter bei Ausgestaltung der Stiftungsstatuten mit für die

Installierung eines Kontrollorganes entscheidet, sollte auch die Erstellung

eines Organisationsreglementes bedacht werden, das die Zusammenar-

beit dieser Organe regelt47.

45 Art. 561 PGR iVm. Art. 192 Abs.8 PGR; für Stiftungen, die ein kaufmännisches Ge-

werbe betreiben ist eine Revisionsstelle zwingend vorgesehen. 46 Art. 84 ZGB; Art. 564 PGR

38

Hinsichtlich des Grundprinzips der effizienten Leitung eines Unterneh-

mens aus der Corporate Governance ist somit festzuhalten, dass diese

Idee,

die im Wesentlichen auf der Idee der Ausübung von effizienter Führung

verbunden mit wirksamer Kontrolle beruht, grundsätzlich auch für Stiftun-

gen Anwendung finden kann. Es stell sich jedoch in der konkreten Ausge-

staltung der Stiftung dann die Frage, ob der Stifter die Stiftung mit zusätz-

lichen Kosten belasten will, die mit der Erschaffung eines Aufsichtsorga-

nes zweifellos verbunden sind. Gerade für den Bereich der gemeinnützi-

gen Stiftungen, die unter Umständen einen unbestimmten Destinatärs-

kreis haben, erscheint es jedoch sinnvoll, eine Regelung zu finden, die die

Handlungen des Exekutivorganes überwachen.

Auch der Swiss Foundation Code kommt zu diesem Ergebnis und formu-

liert, unter dem Stichwort "Checks & Balances", dass "die Stiftung sorgt

durch geeignet organisatorische Massnahmen dafür, dass für alle wichti-

gen Entscheidungen und Abläufe der Stiftung ein ausgewogenes Verhält-

nis zwischen Führung und Kontrolle besteht"48. Im Code selber finden sich

dazu Empfehlungen, dass mit der operativen Leitung der Stiftung im We-

sentlichen eine Geschäftsführung betraut werden solle, die ihrerseits wie-

der vom Stiftungsrat beaufsichtigt werden solle.

2.3.2. Wahrnehmung der Verpflichtungen gegenüber Aktionären bzw.

Stakeholdern

Als wesentliches Ergebnis der Analyse des Wesens einer Stiftung wurde

bereits gesagt, dass dieses darin besteht, dass die Stiftung nicht über

Mitglieder verfügt. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass die diesbezüg-

47 siehe Empfehlung 1 des Swiss Foundation Code 48 Hofstetter/Sprecher, a.a.O., Seite 4

39

lichen Ausführungen im Rahmen der Coporate Governance hier prinzipiell

nicht anwendbar sind.

Im Hinblick auf das zweite definierte Grundprinzip der CG, wonach Unter-

nehmen Verpflichtungen insbesondere Verpflichtungen gegenüber ihren

Aktionären bzw. sonstigen Interessensgruppen haben, ist für den Anwen-

dungsbereich der Stiftung festzuhalten, dass die Stiftung prinzipiell vom

Stifterwillen dominiert wird. Das Rechtsinstitut der Stiftung dient ja gerade

dazu, den Willen des Stifters über seinen Tod hinaus umzusetzen. Aus

dem Umstand, dass Stiftungen über keine Mitglieder verfügen, ist abzulei-

ten, dass die Rechte der Mitglieder primär durch den Stifterwillen ersetzt

werden. Insofern kann im Hinblick auf die Foundation Governance festge-

halten werden, dass diejenigen Verpflichtungen, die im Rahmen der Cor-

porate Governance einem Unternehmen gegenüber seinen Aktionären

zukommt, im Bereich der Foundation Governance denjenigen Verpflich-

tungen entsprechen, die das Stiftungsexekutivorgan durch die Übernahme

dieses Amtes gegenüber dem Stiftungszweck und somit gegenüber dem

Stifterwillen hat.

Auch der Swiss Foundation Code kommt zu diesem Ergebnis und nennt

die wirksame Umsetzung des Stifterwillens als einen der drei zentralen

Grundsätze der Foundation Governance, wobei die das Hauptaugenmerk

auf die Verwendung der Stiftungsmittel im Rahmen der Fördertätigkeit ge-

legt wird.

2.3.3. Transparenz

Legt man die Erfordernisse nach Transparenz bei Unternehmen auf Stif-

tungen um, so fällt wiederum auf, dass ein Teil der für Korporationen ge-

forderten Transparenz gegenüber "Mitgliedern" bei Stiftungen aus dogma-

tischen Gründen nicht anwendbar sein kann. Mangels "Mitgliedern" kann

40

man sich die Frage stellen, ob es Interessensgruppen gibt, die ein ver-

gleichbares Interesse nach Transparenz haben. Bei gemeinnützigen Stif-

tungen kommen insbesondere diejenigen Personen bzw. Institutionen in

Betracht, welche potentielle Zuwendungsempfänger sind. Ihnen ist ein

Mass an Transparenz zuzubilligen, das sie in die Lage versetzt, alles zu

tun, um sich für Zuwendungen der Stiftung zu qualifizieren.

Die Transparenz, die von einer Stiftung verlangt werden darf, hängt eng

mit ihrer Aufgabenstellung, also ihrem Zweck, zusammen. Für den hier

betrachteten Bereich der gemeinnützigen Stiftung wird man davon auszu-

gehen haben, dass prinzipiell eine höhere Transparenzstufe gilt, als dies

bei der (z.B. liechtensteinischen) Familienstiftung der Fall sein wird. ME ist

von einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für bestimmte Förderthemen

engagiert, ein gewisses Mass an Transparenz zu fordern. Dies ergibt sich

daraus, dass gerade gemeinnützigen Stiftungen eine zunehmende gesell-

schaftliche Relevanz zukommt. Man könnte daher sagen, dass es so et-

was wie ein "öffentliches Interesse" daran gibt, dass Förderstiftungen ih-

rem statutarischen Zweck nachkommen, insbesondere wenn sie sich an

einen nicht genau umschriebenen Destinatärskreis wenden. Dazu kommt

das potentielle Interesse der Öffentlichkeit, zu erfahren, was die Ziele und

Tätigkeiten solcher Stiftungen sind. Nicht zuletzt aus dem Umstand, dass

gemeinnützige Stiftungen oft Steuervorteile geniessen, lässt sich eine ge-

wisse Verpflichtung ableiten, transparent zu sein.

Was die interne Transparenz betrifft, so wurde oben bereits erwähnt, dass

eine Kompetenzteilung zwischen verschiedenen Organen auch bei der

Stiftung wünschenswert ist. Hat die Stiftung Mitarbeiter49, was bei grösse-

ren Förderstiftungen durchaus der Fall sein kann, so sollten diese ausrei-

chend über die internen Strukturen, Kompetenzaufteilungen und die Funk-

tionsweise der Stiftung informiert sein.

49 So zum Beispiel der World Wild Life Fund, eine Stiftung nach schweizerischem Recht

mit Sitz in Gland, VD

41

Insgesamt kann also festgehalten werden, dass das Prinzip "Transpa-

renz" aus der Corporate Governance jedenfalls für die Foundation Gover-

nance übernommen werden kann. Allerdings wird man zu unterscheiden

haben, für welchen Stiftungstypus wie viel Transparenz notwendig ist.

Im Rahmen des Swiss Foundation Code wird zum Thema Transparenz

vorgeschlagen, dass der Stiftungsrat für eine dem Stiftungszweck ange-

messene, möglichst grosse Transparenz über die Ziele, Tätigkeiten und

Strukturen der Stiftung sorgt50. Was die Transparenz nach aussen betrifft,

so sind die Empfehlungen51 17 und 19 des Swiss Foundation Code ein-

schlägig: Einerseits wird empfohlen, Verfahren, Kompetenzen und Ver-

antwortlichkeiten für die Bearbeitung von externen und stiftungseigenen

Projekten festzulegen. Andererseits soll die Stiftung die Öffentlichkeit über

ihre Fördertätigkeit informieren.

2.4. Ergebnis

Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass alle drei Grundprinzipien der

Corporate Governance sich im Wesentlichen auf den hier untersuchten

Stiftungstypus der gemeinnützigen bzw. Förderstiftung übertragen lassen.

Der wesentliche Unterschied zum Wirtschaftsunternehmen besteht aller-

dings darin, dass man bei der Stiftung mit einer - prinzipiell - erstarrten

Willensbildung zu tun hat. Dabei handelt es sich um den Stifterwillen, der

Ausgangspunkt für den Stiftungszweck ist, an dem sich das Handeln der

Stiftung immer messen lassen muss. Daher ist das Prinzip der Beachtung

der Aktionärsinteressen insoweit zu adaptieren, als für Stiftungen primär

die Umsetzung und Verwirklichung des Stifterwillens die oberste Leitlinie

bei der Willensbildung darstellt.

50 Hofstetter/Sprecher, a.a.O., Seite 17 51 ebenda, Seite 28

42

3. Foundation Governance und Liechtensteinische

Familienstiftung

3.1. Phänomen "Hinterlegte Stiftung"

In diesem Teil der Arbeit soll nun die Aufmerksamkeit auf das Liechten-

steinische Stiftungsrecht gelenkt werden. Wie auch in den sonstigen bis-

her betrachteten Rechtsordnungen gibt es in Liechtenstein verschiedene

Stiftungstypen. Art. 552 Abs. 1 PGR spricht von kirchlichen, Familien-

und gemeinnützigen Stiftungen. Bösch52 hat nachgewiesen, dass dem

liechtensteinischen Stiftungsgesetzgeber die eintragungspflichtige und

unter Aufsicht stehende Stiftung als gesetzlicher Regelfall diente. Als

Beispiel für den Regelfall können die sogenannten gemeinnützigen Stif-

tungen erwähnt werden. Nachdem bisher die gemeinnützigen Stiftungen

im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, soll nun jedoch der Blick auf

diejenigen Stiftungen liechtensteinischen Rechts gewendet werden, die

weder der Aufsichts- noch einer Registrierungspflicht unterstehen. Ge-

mäss Art. 557 Abs. 2 PGR sind dies die kirchlichen Stiftungen, die reinen

und gemischten Familienstiftungen, sowie Stiftungen deren Genussbe-

rechtigte bestimmt oder bestimmbar sind. Diese Stiftungen entstehen be-

reits dadurch, dass der Stifter die Stiftungsurkunde unterfertigt und somit

die sogenannten drei essentialia negotii erfüllt sind: (i) der Wille des Stif-

ters, eine selbstständige Stiftung zu errichten, (ii) die Bezeichnung des

der Stiftung zu widmenden Vermögens, und (iii) die Umschreibung des

Zwecks der Stiftung. 53 Als Besonderheit des liechtensteinischen Stif-

tungsrechtes kann daher festgehalten werden, dass die in Art. 557 Abs.

52 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 254 53 Quaderer, Die Rechtstellung der Anwaltschaftsberechtigten bei der liechtensteini-

schen Familienstiftung, Seite 68

43

2 PGR erwähnten Stiftungen durch die Erfüllung dieser drei essentialia

negotii des Stiftungserrichtungsgeschäftes bereits entstehen. Konse-

quenter Weise hat daher auch der liechtensteinische Stiftungsgesetzge-

ber in Art. 564 festgelegt, dass die dort erwähnten Stiftungstypen (dazu

zählen auch die in Art. 557 Abs. 2 PGR aufgezählten Typen) nicht der

Aufsicht der Regierung unterstehen. Es wird also schnell klar, dass der

liechtensteinische Stiftungsgesetzgeber diejenigen Stiftungstypen von

der Registrierungspflicht bzw. von der Aufsicht der Regierung ausge-

nommen hat, bei denen ein wohl bloss sehr eingeschränktes öffentliches

Interesse an deren Funktionsfähigkeit besteht.54 Offensichtlich haben ge-

rade diese gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür gesorgt, dass insbe-

sondere die reine bzw. gemischte Familienstiftung im liechtensteinischen

Rechtsalltag, diejenige juristische Person ist, die am häufigsten vor-

kommt.55 Gemäss Bösch56 sind 97 % aller liechtensteinischen Stiftungen

nicht im Öffentlichkeitsregister eingetragen, sondern nur hinterlegt. Man

sieht also, dass denjenigen Stiftungstypen im liechtensteinischen Recht

offensichtlich eminente Bedeutung zukommt, die man gemeinsam als

"unbeaufsichtigte Stiftungen" bzw. "hinterlegte Stiftungen" bezeichnen

kann.

Aufgrund der Tatsache, dass eine Familienstiftung grundsätzlich die

Rechtspersönlichkeit dadurch erlangt, dass sie in der gesetzlich vorge-

schriebenen Form errichtet wurde, bedarf es daher keiner konstitutiven

Eintragung ins Öffentlichkeitsregister als Stiftungsregister57.

54 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 370 ff.; er verweist auf die den Um-

stand, dass die Familienstiftungen wegen ihrer "Intimität, der mangelnden Teilnah-me am Rechtsverkehr und der Beschränkung der Leistungen an Familienmitglieder" von der Stiftungaufsicht ausgenommen seien.

55 Kohlegger, Liechtenstein - Steueroase oder Wirtschaftszentrum? Rechtsfälle aus der Praxis des fürstlich liechtensteinischen Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1990, Sei-te 581

56 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht ,Seite 303 57 Quaderer, a.a.O., Seite 71

44

Allerdings bestimmt Art. 554 PGR, dass dem Öffentlichkeitsregister eine

gewisse Mindestkontrollpflicht zukommt, so sollen insbesondere wider-

rechtliche oder unsittliche Zwecke hintangehalten werden bzw. soll die

Umgehung der grundsätzlichen Aufsichtspflicht verhindert werden.

Zu diesem Zweck sieht Art. 554 PGR vor, dass die Stiftungsurkunde

bzw. eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung oder des Erb-

vertrages im Öffentlichkeitsregisteramt zu hinterlegen sei. In der Praxis

werden regelmässig nur die Stiftungsstatuten beim Öffentlichkeitsregister

hinterlegt. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist mit "dem Stifter"

der wirtschaftliche Stifter gemeint, wenn es sich nicht anders ergibt.

Quaderer58 fordert diesbezüglich, dass der Begriff "Stiftungsurkunde" ex-

tensiv ausgelegt werden müsse. Es seien daher alle Dokumente einzu-

reichen, die Angaben enthalten, die bei einer eintragungspflichtigen Stif-

tung ins Öffentlichkeitsregister einzutragen sind. Erachtet das Register-

amt die Hinterlegung der geprüften Stiftungsdokumente für zulässig, wird

die Stiftung in einem Verzeichnis der hinterlegten Stiftungen eingetragen.

Üblicherweise wird danach eine sogenannte "Amtsbestätigung" über die

erfolgte Hinterlegung ausgestellt59. Aufgrund des beabsichtigten Praxis-

bezuges der vorliegenden Arbeit soll daher an dieser Stelle auch darauf

hingewiesen werden, wie liechtensteinische Stiftungen, die keiner Auf-

sicht unterstehen, üblicher Weise errichtet werden. In der Praxis ge-

schieht dies regelmässig so, dass der Klient, der eine Stiftung in Liech-

tenstein zu errichten beabsichtigt, einen liechtensteinischen Berufstreu-

händer oder Rechtsanwalt aufsucht, der für ihn als direkter Stellvertreter

58 Quaderer, a.a.O., Seite 76 59 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 313 f. Bösch bringt hier fundamen-

tale Kritik an der Praxis des Öffentlichkeitsregisters bei den Hinterlegungen an. Er spricht davon, dass die in Art. 554 PGR vorgesehene Überwachung der Eintra-gungspflicht und Vermeidung der Umgebung der Stiftungsaufsicht "in der Praxis weitgehend zur Makulatur geworden sei". Des Weiteren ist er der Ansicht, dass das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt aufgrund der vorgelegten Unterlagen gewöhnlich gar nicht beurteilen könne, ob die fragliche Stiftung hinterlegungsfähig sei oder nicht.

45

(gemäss üblicher Diktion "treuhänderisch")60 diese Stiftungserrichtung

vornimmt. Von der Rechtssprechung bzw. der Praxis wurde daher die

Begriffe "wirtschaftlicher" Stifter bzw. "rechtlicher" Stifter entwickelt, wo-

von sich die Rechtsprechung aber wieder distanziert hat61. Bösch möch-

te jedoch dieses Begriffspaar beibehalten62. Mit dem "rechtlichen" Stifter

bezeichnet man üblicherweise denjenigen, der aufgrund des Auftrags-

verhältnisses die Stiftung tatsächlich gründet. Beim sogenannten "wirt-

schaftlichen" Stifter handelt es sich jeweils um diejenige Person, die für

die finanzielle Ausstattung der Stiftung sorgt bzw. in deren Interesse die

Stiftung errichtet wurde.

Für den grossen Erfolg der liechtensteinischen Stiftung in der Praxis hat

wohl der Umstand gesorgt, dass durch die sogenannte "Hinterlegung" für

grösstmögliche Anonymität des wirtschaftlichen Stifters gesorgt werden

kann. Dazu zählt nicht bloss der Umstand, dass dem Öffentlichkeitsre-

gister regelmässig nicht bekannt ist, wer als Stifter fungiert hat bzw. wer

die Begünstigten der entsprechenden Stiftung sind, sondern auch die

Tatsache, dass gem. Art. 955 a PGR die Einsichtnahme, die Erstellung

von Auszügen und Abschriften von nicht im Öffentlichkeitsregister einge-

tragenen Stiftungen nur vom Hinterleger bzw. demjenigen, der hierzu

ermächtigt ist, sowie vom Gesamtsrechtsnachfolger verlangt werden

können. Daneben gibt es nur die Möglichkeit, vom Grundbuch- und Öf-

fentlichkeitsregisteramt eine Bestätigung zu verlangen, ob eine nicht im

Öffentlichkeitsregister eingetragene Stiftung besteht oder nicht.

Mit anderen Worten bedeutet dies, dass es faktisch unmöglich ist, an

den Namen einer hinterlegten Stiftung zu gelangen, wenn dieser nicht

vorneherein bekannt ist. Selbst wenn der Name jedoch bekannt ist, setzt

es denjenigen, der Kontakt mit der Stiftung aufnehmen will, noch nicht in

60 Hepberger, a.a.O., Seite 61f 61 LES 2002, Seite 41 62 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 737 (mE mit guten Gründen).

46

die Position, tatsächlich Adresse bzw. Repräsentanz dieser Stiftung zu

kennen.

Um jedoch tatsächlich mit einer solchen hinterlegten Stiftung in Kontakt

treten zu können, hat die Praxis insofern Abhilfe geschaffen, als das Öf-

fentlichkeitsregister- und Öffentlichkeitsamt Zustellungen an hinterlegte

Stiftungen an deren Repräsentanz weiterleitet.

Gerade diese konsequent durchgehaltene Anonymisierung von Vermö-

genswerten, stellt einen Grund für die Nachfrage63 nach solchen Stiftun-

gen dar. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Rahmen eines

Strafverfahrens die Anonymität jedoch in keiner Weise gewährleistet ist.

Dazu kommt, dass die Einführung der Sorgfaltspflicht-Gesetzgebung je-

den liechtensteinischen Finanzintermediär verpflichtet, Dokumente zur

Verfügung zu haben, aus denen sich die Identität der jeweiligen Klienten

bzw. "wirtschaftlichen Stifter" ergibt64.

Des Weiteren ist es üblicherweise so, dass bei der Hinterlegung (wie

oben erwähnt) lediglich die Statuten der Stiftung beim Öffentlichkeits-

und Grundbuchregister übergeben werden. Die sensiblen Daten über die

Identität der Begünstigten bzw. Anwartschaftsberechtigten einer Famili-

enstiftung werden jeweils in einem sogenannten "Beistatut" zusammen-

gefasst.

63 An dieser Stelle soll auch erwähnt werden, dass sich das liechtensteinische Gesell-

schaftsrecht, insbesondere das Stiftungsrecht ja im Wettbewerb mit anderen "offs-hore" Jurisdiktionen befindet. Immer mehr Staaten folgen dem Beispiel Liechten-steins und entwickeln ihr eigenes Stiftungsrecht, das oft aus Liechtenstein rezipiert wird. Als Beispiel sei nur Panama erwähnt, wo es seit 1995 die "private interest foundation" gibt. Bei aller Besinnung auf ein dogmatisch gut fundiertes Stiftungs-recht bzw. eine solche Rechtssprechung sollte nicht ausser Acht gelassen werden, dass es am Ende ums "Geschäft" geht. Es bringt nichts, wenn man dogmatisch per-fekte Konzepte hat, die niemand interessieren. Insofern muss im Stiftungsrecht der "business approach" zulässig sein, zumal die Dogmatik ja kein Selbstzweck sein kann.

64 Sorgfaltspflichtgesetz (SPG), LGBl. 2005/5, LR 952.1

47

Die Statuten enthalten regelmässig die Zweckumschreibung nur in

Grundzügen, während die Beistatuten insbesondere im Hinblick auf die

Identität der Begünstigten und Anwartschaftsberechtigten von zentraler

Bedeutung sind65.

An dieser Praxis hat sich in den letzten Jahren heftige Kritik entwickelt.

Einerseits setzt sich Bösch sehr kritisch damit auseinander, andererseits

sorgte ein Gerichtsverfahren für Aufregung, im Rahmen dessen der

Fürstliche Oberste Gerichtshof zum Ergebnis kam, dass die Statuten ei-

ner im Öffentlichkeitsregister hinterlegten Stiftung keine ausreichende

Zweckumschreibung beinhalteten, weshalb er diese Stiftung als nicht

rechtsgültig entstanden ansah66.

Nach vorgängiger Beschwerde der betreffenden Stiftung beim Staatsge-

richtshof entschied67 letzterer, dass aus dem Verfassungsprinzip der

Fairness davon auszugehen sei, dass die Stiftung rechtsgültig entstan-

den ist, da durch die Ausfertigung einer Amtsbestätigung nach erfolgter

Hinterlegung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, dass diese

Stiftung rechtsgültig entstanden sei. Darauf dürfe man sich verlassen.

65 Auch an dieser Praxis wird von Bösch massive Kritik geübt (Bösch, a.a.O., Seite

269); er verlangt diesbezüglich, dass bereits aus den Statuten die Identität des Stif-ters, bzw. bei der Familienstiftung derjenigen Familie hervorgehen müsse, zu deren Gunsten die Familienstiftung errichtet wurde. Insbesondere wird von ihm vertreten, dass bei einer Familienstiftung der Name der begünstigten Familie nicht in ein Bei-statut verlagert werden könne. Dem scheint auch die Rechtssprechung folgen zu wollen. Der Verfasser vertritt in einem hängigen Rechtsstreit (derzeit vor fürstlichen Obersten Gerichtshof) eine bereits aufgehobene (gemischte) Familienstiftung, ge-gen eine ehemalige Begünstigte, die u.a. auf Feststellung klagt, dass sie noch Be-günstigte sei. Das Erstgericht (Abteilung 1) gab diesem Klagebegehren im Wesentli-chen statt (mit Hinweis auf die von Bösch vertretene Meinung), weil es zur Ansicht gelangte, dass der Zweck in den Statuten nicht ausreichend umschrieben sei, wes-halb man zur Erfassung desselben auf die Beistatuten zurückgreifen müsse. Damit komme den Beistatuten Zweckcharakter zu, weshalb sie mit deren Erlassung (durch den Stiftungsrat) unabänderlich geworden seien (!!). Ein späteres Beistatut (worin die Klägerin nicht mehr begünstigt wurde) sei deshalb nicht rechtswirksam zu Stan-de gekommen. Das Obergericht gab einer Berufung der Stiftung statt (wenn auch mit einer eigenartigen Begründung). Dagegen erhob die Klägerin Revision. Eine Entscheidung steht noch aus.

66 OGH, 17.07.2003, 1 Cg. 2002.265 - 55 67 STGH 2003/65

48

Ohne hier auf Details eingehen zu wollen, ist diese Auseinandersetzung

zwischen einem wirtschaftlich orientierten Ansatz ("business ap-

proach")und einem dogmatisch korrekten Ansatz symptomatisch für die

derzeitigen Themenstellungen im liechtensteinischen Stiftungsrecht.

Meines Erachtens sollte hier ein Mittelweg beschritten werden, der ei-

nerseits den sicherlich gewichtigen geschäftlichen Interessen des Treu-

handwesens Rechnung trägt und gleichzeitig sicherstellt, dass eine funk-

tionsfähige gesetzliche Grundlage für das Stiftungswesens in Liechten-

stein zur Verfügung steht. Eine Judikatur, wie sie unter FN 61 dargestellt

wurde, ist mE nicht geeignet, den Interessen des "Finanzplatzes" ge-

recht zu werden. Von der Judikatur muss insbesondere für die Bera-

tungspraxis ein gewisses Mass an Vorhersehbarkeit verlangt werden.

Auch sollten sich die Gerichte nicht in den "Elfenbeinturm" der Dogmatik

zurückziehen, wenn sie Lebenssachverhalte beurteilen.

Allerdings muss auch gesagt werden, dass man in der Beratungspraxis

bei der Stiftungserrichtung zu einem höheren Qualitätsmassstab kom-

men muss. Dies ist sowohl im Interesse des Klienten als auch im Inte-

resse des Treuhandsektors. Als Ziel sollte hier definiert werden, dass je-

der Stiftungsgründung eine hochstehende Beratung vorausgehen muss,

bei der man sich mit den Bedürfnissen des Klienten auseinanderzuset-

zen hat. Dies bedeutet vor allem, direkten Klientenkontakt zu bekom-

men, was in der Praxis wohl die wesentliche Hürde darstellt.

Eine typische Fallkonstellation stellt die, die in der Praxis nach wie vor

häufig vorkommende "Bankkontostiftung" bei der dem wirtschaftlichen

Stifter üblicherweise von einem dritten Intermediär (Bank, etc.) nahege-

legt wird, aus v.a. erbrechtlichen Überlegungen eine Stiftung zu errich-

ten, die dann das bisher auf den Stifter lautende Bankkonto halten solle.

In so einer Konstellation ist es üblicherweise so, dass der wirtschaftliche

Stifter denjenigen, der dann die Stiftung tatsächlich errichtet (also den

49

rechtlichen Stifter) gar nicht zu Gesicht bekommt. Es ist in diesen Kons-

tellationen gar nicht möglich, mit dem wirtschaftlichen Stifter ein ausführ-

liches Gründungsgespräch zu führen, da er meist gar nicht weiss, dass

dies nötig wäre. Dazu kommt die Tatsache, dass der (üblicherweise)

ausländischen Intermediär (mE aus falsch verstandenem Konkurrenz-

denken) gar kein Interesse daran hat, dass der liechtensteinsche Treu-

händer direkten Kundenkontakt bekommt. Da es sich bei diesen Inter-

mediären regelmässig um Personen handelt, die vom liechtensteini-

schen Stiftungsrecht wenig Ahnung haben, setzen sie sich hier auch ei-

nem nicht zu unterschätzendem Haftungsrisiko68 aus, was mE gar nicht

notwendig ist. Kein liechtensteinischer Treuhänder wird sich im Normal-

fall trauen, dem ausländischen Intermediär seinen Klienten in irgendeiner

Weise abzuwerben. ME sollte der ausländische Intermediär sogar selbst

ein Interesse daran haben, dass durch ein ausführliches Gründungsge-

spräch eine möglichst nachhaltige Stiftungsstruktur geschaffen wird.

Kommt es dann zu Problemen im Rahmen der Stiftungsverwaltung, ist

es oft so, dass sich der Intermediär rasch (zB. als (Co-) Stiftungsrat) zu-

rückzieht und der liechtensteinsche Treuhänder die Situation alleine be-

reinigen muss.

3.2. Liechtensteinische Familienstiftung

Nachdem im Kapitel 3.1. im Wesentlichen darauf eingegangen wurde,

welche Stiftungstypen nicht eintragungspflichtig bzw. nicht der Regie-

rungsaufsicht unterstehen, soll nun - wie angekündigt - das prominentes-

te Beispiel für einen solchen Stiftungstypus kurz näher betrachtet wer-

den. Es handelt sich dabei um die reine bzw. gemischte Familienstiftung

liechtensteinischen Rechts.

68 In der Praxis finden sich bei solchen Bankkontostiftungen der ausländische Inter-

mediär bzw. einer oder mehrere seiner Mitarbeiter als Stiftungsrat.

50

Eine Familienstiftung ist eine Stiftung, die Familienzwecke verfolgt. Art.

553 Abs. 2 PGR bestimmt: "Eine Familienstiftung ist eine reine, wenn

das Stiftungsvermögen dauernd zum Zwecke der Bestreitung der Kosten

der Erziehung und Bildung, der Ausstattung oder Unterstützung von An-

gehörigen einer oder mehrerer bestimmter Familien, oder zu ähnlichen

Zwecken verbunden ist."

Bei der Familienstiftung steht also die Sicherung, Erhaltung und Vermeh-

rung des Familienvermögens zur finanziellen Absicherung des Stifters

und seiner Angehörigen im Fordergrund. Der Familienstiftung kommt

daher in der praktischen Anwendung, insbesondere im Bereich der Erb-

schaftsplanung (sog. Family Estate Planning69) eine wichtige Rolle zu.

Sieht man sich die Tatbestandsmerkmale von Art. 553 Abs. 2 PGR nä-

her an, so fällt einerseits auf, dass das Stiftungsvermögen "dauernd", al-

so für die Dauer der Stiftungsexistenz für familiäre Zwecke verwendet

werden muss. Quaderer70 interpretiert die Bedeutung des Begriffes

"dauernd" in diesem Zusammenhang dahingehend, dass der Gesetzge-

ber damit einer Umgehung der prinzipiellen Registrierungs- bzw. Auf-

sichtspflicht entgegenwirken wollte.

Unter "Bestreitung der Kosten der Erziehung und Bildung" lassen sich all

jene Aufwendungen subsumieren, die im Interesse des gedeihlichen

Heranwachsens eines Menschen entstehen71. Mit dem Begriff "Unter-

stützung" können Zuwendungen an finanziell notleidende Familienange-

hörige verstanden werden72. Quaderer und Bösch sind sich darin einig,

dass bei Familienstiftungen der Begünstigtenkreis zur Zweckumschrei-

bung gehört. Daher müsse in den Statuten neben der Aufgabe auch

69 Santo-Passo, Family Estate Planning, Verselbstständigte Vermögensmassen als

Zweckvermögen - eine liechtensteinische Spezialität?, LJZ 2004, 16f 70 Quaderer, a.a.O., Seite 63 71 Bösch, Liechtenstinisches Stiftungsrecht, Seite 260, mwN. 72 Quaderer, a.a.O., Seite 64

51

mindestens enthalten sein, welche Angehörigen welcher Familie(n) Be-

günstigte sein können.

Bösch73 vertritt die Ansicht, dass die reine Familienstiftung nur zur För-

derung der Interessen von Familienangehörigen errichtet werden kann.

Durch Interpretation des Begriffes "Familienangehörige" verweist er auf

Art. 25 und 26 (Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft) PGR. Weiters wird

auf das gesetzliche Verwandtenerbrecht des ABGB verwiesen.

Unter den Familienbegriff des Art. 553 Abs.2 PGR kann auch der Stifter

selbst subsumiert werden, wenn er zum Angehörigenkreis einer begüns-

tigten Familie zählt74. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung

kann daher festgehalten werden, dass die reine Familienstiftung als Be-

günstigte Familienmitglieder einer bestimmten Familie vorsieht, die Vor-

teile aus dem Stiftungsvermögen erhalten sollen.

Art. 553 Abs. 3 PGR beschreibt die gemischte Familienstiftung so, dass

ein primär einer bestimmten Familie gewidmetes Vermögen ausserdem

oder ergänzend auch noch ausserhalb der Familie liegenden, kirchlichen

oder sonstigen Zwecken dienen kann. Die gemischte Familienstiftung

untersteht in Liechtenstein denselben Vorschriften wie die reine Famili-

enstiftung. Sie entsteht daher gemäss Art. 557 Abs. 2 PGR grundsätzlich

ohne Eintragung ins Öffentlichkeitsregister und untersteht gemäss Art.

564 Abs. 1 PGR keiner behördlichen Aufsicht.

Gemeinhin wird vertreten, dass sich aus der Wendung "ausserdem oder

ergänzend" ergebe, dass eine gemischte Familienstiftung einen aus-

serhalb der Familie liegenden Zweck nur in Form eines Nebenzweckes

verfolgen dürfe. Da eine Familienstiftung Familienzwecke verfolge, müs-

73 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 262 74 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 263

52

sen diese den überwiegenden Hauptzweck der Stiftung darstellen. Ande-

re Zwecke können daher nur ergänzend dazukommen75.

3.3. Anwendung der Foundation Governance Prinzipien auf die liech-

tensteinische Familienstiftung

Nachdem nun die Besonderheiten des liechtensteinischen Stiftungswe-

sens insbesondere im Hinblick auf die Familienstiftung umrissen wurden,

ist nun die Frage zu stellen, in wie weit die erwähnten Prinzipien (Gewal-

tentrennung bzw. Checks and Balances, wirksame Umsetzung des Stif-

tungszweckes und Transparenz) auf den Sonderfall der liechtensteini-

schen Familienstiftung übertragbar sind. Aufgrund der Tatsache, dass

die Familienstiftung von der Regierungsaufsicht ausgenommen ist,

kommt der Foundation Governance hier auch eine besondere Bedeu-

tung zu, da sie - im Vergleich zur beaufsichtigten Stiftung - besonders

schutzwürdig ist.

Aus dem Vorgesagten wird klar, dass sich die liechtensteinische Famili-

enstiftung in wesentlichen Punkten von der oben besprochenen schwei-

zerischen Förderstiftung unterscheidet. Daher liegt es auf der Hand,

dass die Bedürfnisse im Hinblick auf eine Foundation Governance bei

einer schweizerischen Förderstiftung anders sind, als dies bei der liech-

tensteinischen Familienstiftung der Fall ist. Dies wird mE am besten bei

der Betrachtung des Prinzips der Transparenz klar: Personen, die in

Liechtenstein eine Familienstiftung gründen (lassen) wollen, wählen die-

sen Stiftungstyp oft wegen der zugesicherten Anonymität und der Tatsa-

che, dass solche Stiftungen nicht im Öffentlichkeitsregister eingetragen

sind. Wegen der mE zentralen Bedeutung dieser Frage soll das Prinzip

der Transparenz an den Beginn gestellt werden.

75 Quaderer, a.a.O., Seite 64

53

3.3.1. Transparenz

Der gesetzliche Rahmen und die Praxis zeigen, dass es bei der Famili-

enstiftung liechtensteinschen Rechts nicht um Transparenz sondern

vielmehr um gewollte Intransparenz (insbesondere im Aussenverhältnis)

geht. ME ist dies grundsätzlich nicht verwerflich, da die liechtensteinsche

Rechtsordnung diese Gestaltungsvariante anbietet und wohl auch Be-

darf vorhanden ist, solche Vehikel zu nützen. Sieht man von kriminellen

Absichten ab, so ist es nachvollziehbar, dass vermögende Personen ein

legitimes Interesse haben, ihr Vermögen diskret und möglichst anonym

zu strukturieren und verwalten zu lassen76.

Nachdem der Familienstiftung die Intransparenz quasi "in die Wiege ge-

legt ist", stellt sich die Frage, ob und falls ja, welches Mindestmass an

Transparenz von einer solchen Stiftung verlangt werden kann.

Während bei Förderstiftungen Transparenz gegenüber "der Öffentlich-

keit" verlangt wird, stellt sich die Frage, wem gegenüber die Familienstif-

tung transparent sein kann bzw. soll. Aufgrund der typischen Ausgestal-

tung der Familienstiftung kommen mE eigentlich nur die Personen in

Frage, die in irgendeiner Weise einen gegenwärtigen oder zukünftigen

Vorteil aus der Stiftung erhalten, maW. die Begünstigten und Anwart-

schaftsberechtigten im Sinne von § 78 TruG. Sie sind ja die Adressaten

des Stiftungszweckes und haben folglich das grösste Interesse daran, zu

wissen bzw. überhaupt zu erfahren, ob Ihnen so eine Position gegenüber

der Stiftung zukommt und falls ja, welche.

Grundsätzlich teile ich daher die Ansicht Böschs77, der fordert, dass eine

Anonymisierung der Stiftung gegenüber ihren Zweckadressaten mit ei-

76 Es würde zu weit führen, sich darüber Gedanken zu machen, weshalb Vermögende

an Diskretion und Anonymität sehr interessiert sind. 77 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 745

54

nem Foundation Governance Ansatz schlechterdings nicht vereinbar sei.

Mit anderen Worten wäre es ein unzulässiges Mass an Intransparenz,

wenn eine Familienstiftung über Begünstigte bzw. Anwärter verfügt, die

ihrerseits gar nicht wissen, dass sie Begünstigte bzw. Anwärter sind.

Was aber, wenn beim Gründungsgespräch der Stifter ausdrücklich

wünscht, dass den Begünstigten regelmässige Vorteile aus dem Stif-

tungsvermögen zukommen sollen, sie aber nicht erfahren dürften, dass

diese Vorteile aus einer Familienstiftung stammten, deren Begünstigte

sie sind bzw. nicht den Eindruck gewinnen sollten, dass sie "vermögen-

de Menschen"78 seien. In der Praxis kommen solche Konstellationen

durchaus vor, auch wenn es sich dabei nicht um den Standardfall han-

delt. Dazu ist zu sagen, dass man früher in der Auswahl der Vermögens-

träger wohl zu sehr auf die Stiftung fixiert war. Sollte so ein Ansinnen bei

einem Gründungsgespräch heutzutage vorgetragen werden, wäre der

liechtensteinische Berater seinerseits gut beraten, auf die Möglichkeit ei-

ner Lebensversicherung bzw. eines für die Bedürfnisse des Klienten zu-

geschnittenen Investmentfonds79 hinzuweisen. Auch die liechtensteini-

sche Anstalt mit ihren vererbbaren Gründerrechten und ihrer Ausgestal-

tungsmöglichkeit als körperschaftliche Struktur sollte hier erwähnt wer-

den80.

78 Summer, "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" die Auskunftsrechte von Begüns-

tigten im liechtensteinischen Stiftungs- und Treuhandrecht, LJZ 2005, 36ff (38); Summer nennt dies den "Vermögende Kinder Fall" und bezieht sich auf eine Ent-scheidung des OGH in seiner vorhergehenden Besetzung (OGH 29.04.1996, 3 C 452/92), worin der OGH ausführte, dass Kinder aus wohlhabenden Haus - wenn sie wüssten - dass sie auch ohne Arbeit leben könnten, nicht mehr einem ordentlichen Studium mit dem Ziel nachgingen, eine selbstständige Existenz aufzubauen.

79 Mayer in Konrad, Jahrbuch der Vermögensverwaltung 2007, Seite 147; insbesonde-re der Fonds für "qualifizierte" Anleger (Wertpapierportfolio über CHF 1 Mio.) mit seinen geringeren regulatorischen Anforderungen bietet hier eine Variante.

80 Nicht zuletzt bietet auch das registrierte Treuunternehmen (Trust reg.) gem. § 1 TruG weitreichende Flexibilität und somit umfassende Gestaltungsmöglichkeiten. Al-lerdings dürfte die Eintragungspflicht beider Gesellschaftsformen in das Öffentlich-keitsregister uU. für unattraktiv angesehen werden.

55

Zur Transparenz kann auch ein weiteres statutarisches Organ beitragen;

bereits an dieser Stelle sei auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es ge-

setzlich möglich ist, eine liechtensteinische Familienstiftung neben dem

zwingend vorgesehenen Stiftungsrat auch noch mit einem sog. Kuratori-

um auszustatten. Dem Kuratorium können insbesondere Überwa-

chungsaufgaben zukommen.

Hier zeigt sich wieder der Umstand, dass das Foundation Governance

Prinzip der Transparenz in engem Zusammenhang mit dem Prinzip der

Checks und Balances bzw. interner Kompetenztrennung steht. Wenn

nämlich die Begünstigten gar nicht wissen sollen, dass sie Begünstigte

sind, wer soll dann eine effektive Kontrolle bei einer Stiftung ausüben,

die nicht der öffentlichen Aufsicht untersteht. Hier steht also die Frage

nach dem Funktionsschutz im Vordergrund. Dies leitet nun zum nächs-

ten Foundation Governance Prinzip über.

3.3.2. Checks & Balances

3.3.2.1. Die Rolle des wirtschaftlichen Stifters zu seinen Lebzeiten

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, bei Familienstiftungen

trotz deren Ausnahme von der Aufsichtspflicht ein gewisses Mass an

Kontrolle (insbesondere des Stiftungsrates) sicherzustellen. Die Praxis

lehrt, dass zu Lebzeiten des wirtschaftlichen Stifters von diesem übli-

cherweise versucht wird, Einflussnahme auf die Stiftungsverwaltung zu

nehmen. Von den vielfältigen Einflussmöglichkeiten des wirtschaftlichen

auf den rechtlichen Stifter sei hier kurz auf den sogenannten Mandats-

vertrag81 hingewiesen.

81 Hepberger, a.a.O., Seite 108; wesentliches Ziel des Mandatsvertrages ist es, den

liechtensteinischen Treuhänder an die Weisungen des wirtschaftlichen Stifters zu binden. Durch den Mandatsvertrag wird ein obligatorisches Verhältnis zwischen dem Stiftungsrat und dem wirtschaftlichen Stifter begründet.

56

Während es früher geradezu üblich war, dass sich der wirtschaftliche

Stifter mittels eines sogenannten "Mandatsvertrages" den Einfluss auf

den Stiftungsrat und dessen Handeln sicherte82, scheint diese Rechtsfi-

gur zunehmend unpopulärer zu werden83. Dies mE zu Recht, da er nicht

nur den Stiftungsrat regelmässig in einen Interessenskonflikt bringt, weil

die Interessen der Stiftung von denjenigen des Stifters in der Praxis di-

vergieren können, sondern auch die rechtsgültige Entstehung der Stif-

tung als vom Stifter abgetrenntes Rechtssubjekt in Frage gestellt werden

kann.

Dies kann dann soweit führen, dass einer Stiftung, bei der sich der Stifter

statutarische Interventionsrechte gem. Art. 559 Abs.4 PGR vorbehalten

hat und es ihm mittels eines Mandatsvertrages möglich ist, über das Stif-

tungsvermögen im eigenen Interesse zu verfügen, die eigene Rechts-

persönlichkeit aberkannt wird84,85.

82 Bösch (Liechtensteinisches Stiftungsrecht, S.670) nennt diese Art der Stiftung "kör-

perschaftlich beherrschbare Stiftung", weil es in der Person des Stifters jemand ge-be, der - gleich den Mitgliedern eines Verbandes - berechtigt ist, den ursprünglich angestrebten Zweck immer wieder abzuändern, ihn zu erweitern oder einzuschrän-ken oder seine Verfolgung überhaupt aufzugeben.

83 Hepberger, a.a.O., Seite 109; eigene Wahrnehmung des Autors in der beruflichen Praxis.

84 So OGH, 07.05.1998 (LES 1998, 322); "Eine Durchbrechung des die juristische Persönlichkeit gewöhnlichen kennzeichnenden Trennungsprinzips kann dann ange-zeigt sein, wenn sich der Stifter in den Statuten weitgehende Interventions- und Ge-staltungsrechte vorbehält und es ihm im Wege eines über einen Mandatsvertrag weisungsgebundenen Stiftungsrates möglich ist, über das Stiftungsvermögen bzw. dessen Erträgnisse im eigenen Interesse und losgelöst vom Stiftungszweck zu ver-fügen". Dass eine Durchbrechung des zivilrechtlichen Trennungsprinzips auch wie-der vorteilhaft sein kann, zeigt allerdings die Entscheidung des dBFH vom 28.06.2007 (II R 21/05): In dieser Steuerstreitigkeit wehrte sich der wirtschaftliche Stifter einer treuhänderisch errichteten liechtensteinischen Familienstiftung gegen die Vorschreibung von Schenkungssteuer für die der Stiftung gewidmeten Vermö-genswerte mit dem Argument, dass es an einer freiwilligen Zuwendung gem. § 7 Abs.1 Nr.1 dErbStG gefehlt habe. Aufgrund der Regelungen im Mandatsvertrag und im Beistatut (worin er zum Alleinbegünstigten auf Lebenszeit mit Interventionsrech-ten bestellt worden war) habe die beschenkte Stiftung über das auf sie übertragene Vermögen nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen können. Der dBFH gab dem Kläger (wirtschaftlicher Stifter) mit dem Argument recht, dass der Steuerbarkeit die im Gründungsauftrag, im Mandatsvertrag und im Beistatut getroffenen Regelungen entgegenstehen, da sie so umfassende Herrschaftsbefugnisse des Klägers bewirk-ten, dass kein Schenkungstatbestand gesetzt wurde.

57

ME ist dem wirtschaftlichen Stifter ein gewichtiges Interesse daran zuzu-

billigen, dass der Stiftungsrat den Stiftungszweck effektiv umsetzt. Daher

hat der Stifter auch ein Interesse an der Kontrolle der Stiftungsgebarung.

In der Praxis gibt es jedoch geeignetere Möglichkeiten als den Mandats-

vertrag, um diesem Bedürfnis des Stifters nachzukommen. Zum Beispiel

wäre eine Statutenbestimmung möglich, die dem Stifter ein jederzeitiges

Einsichts- und Kontrollrecht einräumt86. Wenn der Stifter auch Erstbe-

günstigter der Stiftung ist, kommen ihm ohnehin auch diese Rechte aus

seiner Begünstigtenstellung zu. Als solcher kommt ihm auch die Mög-

lichkeit zu, den Stiftungsrat zur zweckgemässen Verwendung bzw. Ver-

waltung des Stiftungsvermögens zu zwingen87.

Für die Praxis ist festzuhalten, dass solange der wirtschaftliche Stifter

lebt, er aufgrund der faktischen Nahebeziehung zum liechtensteinischen

Treuhänder ein ausreichendes Mass an Kontrolle ausüben kann. In der

Praxis spielt sich dies oft so ab, dass der wirtschaftliche Stifter ca. ein bis

zweimal pro Jahr bei "seinem" Treuhänder erscheint, um die Stiftungs-

gebarung selbst zu überprüfen. Einzuräumen ist aber, dass diese Kon-

trolle auf einer faktischen Ebene stattfindet. Aus Sicht einer effektiven

Foundation Governance wäre es zu begrüssen, wenn diese Kontrollrech-

te auch statutarisch verankert wären.

Aus Foundation Governance Überlegungen heraus ebenfalls abzulehnen

ist die Gestaltungsvariante, dass der Stifter selbst Mitglied des Stiftungs-

rates sein soll. Dies ist zwar gesetzlich möglich88 jedoch nicht wün-

schenswert: Nach der hier vertretenen Rechtsansicht kommt dem Stifter

Zeit seines Lebens im Hinblick auf die von ihm errichtete Familienstiftung

85 Kulms, Ist das liechtensteinische Personen- und Gesellschaftsrecht kapitalmarktfä-hig? LJZ 2004, Seite 6 [11]

86 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 666 87 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 537ff 88 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 642; Hepberger, a.a.O, Seite 65

58

eine nicht zu unterschätzende Kontrollfunktion zu, die wohl am besten

ausgeübt werden kann, wenn ihm keine Exekutivfunktion als Mitglied des

Stiftungsrates zukommt (Gewaltentrennung!).

Zusätzlich können sich aus einer solchen Fallgestaltung Situationen er-

geben, die insbesondere für die übrigen Stiftungsräte kaum wünschens-

wert sind: Vor allem haftungsrechtliche Überlegungen sollten hier zum

Tragen kommen: Da der Stifter ja dann vertretungsberechtigter Stiftungs-

rat wäre und im Fall eines Einzelzeichnungsrechtes nach seinem eige-

nen Gutdünken die Stiftung verpflichten könnte, besteht diesbezüglich

auch ein Schadenspotenzial.

Verursacht er nämlich durch seine Handlungen Schaden, wären die rest-

lichen Stiftungsräte (die aus faktischen Gründen wohl kaum in der Lage

sein werden, den Stifter und Mitstiftungsrat regelmässig und ausreichend

zu kontrollieren) unter Umständen auch haftbar, wenn ihnen ein Über-

wachungsverschulden vorgeworfen werden kann. In der Beratungspraxis

wäre es daher empfehlenswert einem solchen Ansinnen eines wirtschaft-

lichen Stifters von Anfang an nachdrücklich entgegenzutreten.

Es gibt auch Fälle, wo sich ausländische Stifter (die im entfernten Aus-

land leben) einen inländischen Rechtsanwalt als Vertrauensperson su-

chen, der für den wirtschaftlichen Stifter die Stiftungsgebarung kontrol-

liert. Dies leitet zur nächsten Möglichkeit über, für die Kontrolle des Stif-

tungsrates zu sorgen:

3.3.2.2 Das Kuratorium als statutarisches Kontrollorgan

Art. 561 PGR sieht vor, dass neben dem Stiftungsrat auch noch weitere

Stiftungsorgane errichtet werden können. Während die im Gesetz er-

wähnte Kontrollstelle bei Familienstiftungen kaum statutarisch vorgese-

59

hen wird89, stösst man in der liechtensteinischen Praxis öfters auf solche

Organe, die üblicherweise "Protektoren" oder "Kuratoren" genannt wer-

den. Oftmals werden solche zusätzlichen Organe neben dem Stiftungs-

rat mit Vertrauensleuten des wirtschaftlichen Stifters besetzt, der auch so

sichergestellt haben will, dass sein Wille vom Stiftungsrat befolgt wird.

Zulässig ist ebenfalls, dass der Stifter selbst als Kurator fungiert. Im Fol-

genden soll daher der Begriff "Kuratorium" für ein statutarisches Kon-

trollorgan verwendet werden.

Die Kompetenzen eines solchen Kuratoriums müssen in den Statuten

entsprechend festgelegt werden. Zentrale Aufgabe sollte jeweils die Kon-

trolle des Stiftungsrates dahingehend sein, dass er den Stiftungszweck

dem Stifterwillen entsprechend umsetzt. Üblicherweise kommen dem

Kuratorium Zustimmungs- und/oder Vetorechte gegenüber dem Stif-

tungsrat zu.

Exemplarisch sei auf das in der Praxis immer wieder vorkommende

Recht des Kurators hingewiesen, Stiftungsräte zu entlassen. Da darin

wiederum der Gedanke der Gewaltentrennung zum Ausdruck kommt,

kann man aus Foundation Governance Gesichtspunkten (checks und

balances) eine solche Regelung gutheissen. Um hier eine Vorherseh-

barkeit bzw. Rechtssicherheit zu haben, ist es notwendig, im Reglement

des Kuratoriums entsprechend festzulegen, unter welchen Vorausset-

zungen eine Abberufung des Stiftungsrates bzw. eines Mitgliedes des

Stiftungsrates möglich sein soll. Die Ausübung dieses Rechts sollte je-

doch nur für grobe Pflichtverletzungen vorbehalten werden. Wenn also

im Sinne eines wichtigen Grundes die weitere Beibehaltung eines Stif-

tungsrates nicht mehr zumutbar erscheint, sollte das Kuratorium die

89 Da Familienstiftungen typischerweise eben kein nach kaufmännischer Art geführtes

Gewerbe betreiben (vgl. Art. 192 Abs.8 PGR). Wohl scheut man auch aus Kosten-gründen die Bestellung einer Revisionsstelle. Hepberger, a.a.O., Seite 71, ist der Ansicht, dass die Bestellung einer Revisionsstelle empfehlenswert sei, da sie den Stiftungsrat kontrollieren und entlasten könne.

60

Möglichkeit haben, den Stiftungsrat abzuberufen. Dagegen gibt es mE

nichts einzuwenden, da in Rechtssprechung90 und Lehre91 anerkannt ist,

dass bei nicht beaufsichtigten Stiftungen der Richter im Rechtsfürsorge-

verfahren den Stiftungsrat aus wichtigem Grund abberufen kann. Um

sich unter Umständen langwieriges und kostspieliges Abberufungsver-

fahren zu ersparen, muss es zulässig sein, entsprechende Vorausset-

zungen in den Statuten bzw. einem entsprechenden Reglement festzu-

legen. Auch die präventiven Aspekte einer solchen Kompetenz des Ku-

ratoriums auf das Gebahren des Stiftungsrates sind nicht zu unterschät-

zen.

Gleich wie bei der Förderstiftung müsste man im Falle der statutarischen

Vorgabe eines Kuratoriums auch sicherstellen, dass die Zusammenar-

beit zwischen dem Kuratorium und dem Stiftungsrat auf einer ordentli-

chen Grundlage steht. Wie bei der Förderstiftung ist es daher empfeh-

lenswert, ein entsprechendes Reglement zu verfassen, das die Zusam-

menarbeit zwischen dem Stiftungsrat und dem Kuratorium festlegt.

Festzuhalten ist, dass die Einrichtung eines zusätzlichen statutarischen

Organs mit höheren Kosten der Stiftung verbunden ist. In der Praxis sind

es daher auch oft diejenigen Stiftungen, die sehr gut dotiert sind, die

über solche zusätzlichen Organe verfügen.

ME muss sich ein Stifter, der beabsichtigt, eine Familienstiftung zu er-

richten die Frage stellen, ob eine Standardlösung, wie sie üblicherweise

von liechtensteinischen Treuhändern zu bekommen ist, für seine Zwecke

ausreichend ist, oder ob er bereit ist, Zeit und Geld zu investieren, um

eine Stiftung errichten zu lassen, die seinen individuellen Ansprüchen

gerecht wird. Regelmässig wird ein Stifter besser beraten sein, vor Er-

90 Fürstliches Obergericht, Beschluss vom 15.05.2003 zu 10 Hg.2002.42 (unveröffent-

licht) 91 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 579

61

richtung der Stiftung mit seinem Berater all dasjenige zu diskutieren, was

in Zukunft als Stifterwille für die Verwaltung der Stiftung die oberste

Richtschnur sein soll. Für das Funktionieren der Stiftung und deren

nachhaltigen Erfolg kann gar nicht genug betont werden, dass es um-

gänglich ist, sich bei Errichtung der Stiftung eingehend mit allen Themen

zu beschäftigen, die im Laufe des Lebens der Stiftung von Bedeutung

werden können. Der nachhaltige Erfolg einer Stiftung ist mE direkt davon

abhängig, wie viel Zeit investiert wurde, um die Stiftung nach den Be-

dürfnissen des Stifters auszugestalten.

3.3.2.3. Die Situation nach dem Ableben des wirtschaftlichen Stifters

Das Ableben des ursprünglichen Stifters geht meistens mit einer Ände-

rung in der Begünstigtenstruktur der Stiftung einher. Solange der wirt-

schaftliche Stifter lebt, kommt ihm - wie oben gezeigt - eine wichtige Rol-

le bei der Kontrolle des Stiftungsrates zu, die aber durch sein Ableben

(faktisch) wegfällt. Im Normalfall wissen die Nachfolgebegünstigten, dass

ihnen im Falle des Ablebens des Stifters eine "bessere"92 Position ge-

genüber der Stiftung zukommt, weil der Stifter sie entsprechend infor-

miert hat oder weil sie selbst in die Errichtung der Stiftung involviert wa-

ren. Eine weitere Variante - dies kommt in der Praxis häufig vor - besteht

darin, dass die Nachfolgebegünstigten vom Stiftungsrat entsprechend in-

formiert werden. Wenn also die "neuen" Erstbegünstigten93 über ihre

Stellung gegenüber der Stiftung Bescheid wissen, stehen Ihnen umfang-

reiche Rechte94 zu, eine effektive Kontrolle des Stiftungsrates zu ge-

währleisten.

92 Dieser Begriff wurde bewusst untechnisch gewählt. 93 Davon spricht man üblicherweise, wenn nach ihnen noch weitere Anwartschaftsbe-

rechtigte vorhanden sind. 94 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 535 ff

62

Summer95 spricht zutreffender Weise davon, dass bei nicht beaufsichtig-

ten Stiftungen "die Kontrolle des Stiftungsrates vorwiegend in den Hän-

den der Begünstigten liegt". Sieht man von der erwähnten Möglichkeit

der Bestellung eines Kuratoriums ab, so ist diese Aussage mE richtig,

weil es schlicht sonst niemand gibt, der Interesse bzw. die rechtliche

Möglichkeit hat, die Kontrolle wahrzunehmen - wenn man von den sog.

Anwartschaftsberechtigten einmal absieht. Bösch96 räumt den Anwart-

schaftsberechtigten (also denjenigen, deren Genussberechtigung nicht

durch ein Auswahlermessen der Stiftungsorgane verhindert werden

könnte) einen Anspruch auf Einhaltung der ordentlichen Geschäftsfüh-

rung ein, der nur dann ausgeübt werden könne, wenn ihnen entspre-

chende Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Einsichtnahme

zustehen. Dies wird im Wesentlichen mit § 68 TruG begründet.

ME sollte hier aber ein differenzierter Ansatz gewählt werden. Wenn der

wirtschaftliche Stifter ausdrücklich wünscht, dass den Anwaltschaftsbe-

rechtigten die Rechte des § 68 TruG zukommen sollen, so ist dies in den

Statuten festzulegen und zu respektieren. Im Sinne der Foundation

Governance ist dies ein probates Mittel, statutarisch checks und balan-

ces vorzusehen. Sollte diese jedoch nicht gewünscht werden (was in der

Praxis wohl der Normalfall sein wird, zumal sich der Stifter die Möglich-

keit vorbehalten will, Begünstigungen bzw. Anwartschaften abzuändern),

so ist mE die Ansicht Summers97 richtig, wonach es auf Grund der dis-

positiven Natur des § 68 TruG möglich sein muss, den Anwartschaftsbe-

rechtigten erst dann die Rechte des § 68 TruG einzuräumen, wenn sie

tatsächlich Genussberechtigte werden. Die ex-post Kontrolle ist mE hier

ausreichend, zumal dann, wenn die Anwartschaftsberechtigten tatsäch-

lich zu Genussberechtigten werden, ihnen der Stiftungsrat jedenfalls für

eine zweckwidrige Mittelverwendung verantwortlich wäre. Was die Stel-

95 Summer, a.a.O., Seite 36 96 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 529 97 Summer, a.a.O., Seite 46

63

lung der sog. "Ermessensbegünstigten" und ihre Rolle für die Foundation

Governance betrifft, so unterbleiben Ausführungen dazu, da dies den

Rahmen der vorliegenden Arbeit „sprengen“ würde.

3.3.2.4. Sonderfall: Vom wirtschaftlichen Stifter gewollte Nichtinforma-

tion der Begünstigten

Sollen die Begünstigten jedoch nichts von ihrer Position gegenüber der

Stiftung erfahren, sei es, weil es vom Stifter so gewünscht wurde (um

etwaige Verwöhnungseffekte zu vermeiden) oder weil der Stiftungsrat es

von sich aus (aus welchen Gründen auch immer) unterlässt (beide Fälle

sind wohl eher die Ausnahme), so droht zwangsläufig ein Kontrollvaku-

um, wenn nicht ein anderes Kontrollorgan statutarisch vorgesehen ist.

Während es in der Variante "Verhinderung vom Verwöhnungseffekten"

ausdrücklicher Wunsch des wirtschaftlichen Stifters ist, eine Information

an die Begünstigten zu unterlassen98, ist dies bei Eigenmächtigkeit des

Stiftungsrates nicht im Sinne des wirtschaftlichen Stifters. Auch wenn ei-

nem solchen Ansinnen (Intransparenz gegenüber den Begünstigten) des

wirtschaftlichen Stifters mit dem Vorschlag anderer Strukturierungsvari-

anten entgegengetreten werden sollte, ist so eine Stiftungsausgestaltung

mE wenn überhaupt, nur dann vertretbar, wenn statutarisch ein Kuratori-

um vorgesehen ist, das mit umfangreichen Kontrollbefugnissen ausge-

stattet ist. Diese Befugnisse müssten mE alle Rechte umfassen, die an-

sonsten den Begünstigten zukommen.

Wenn der wirtschaftliche Stifter befürchtet, dass der Stiftungsrat die

Nachfolgebegünstigten nach seinem Ableben pflichtwidrig nicht infor-

98 Es stellt sich dann aber mE die Frage, wie die Begünstigten überhaupt die Vorteile

aus der Stiftung erhalten sollen. Will man dem Begünstigten seine Vorteile zukom-men lassen, wird der Stiftungsrat wohl nicht umhinkommen, in irgendeiner Weise an den Begünstigten heranzutreten. Denkbar wäre hier die Variante, dass sich die Stif-tung eines Rechtsvertreters bedient, der die Auszahlung vornimmt. Bei Fragen des begünstigten könnte sich dieser auf seine anwaltliche Verschwiegenheit berufen.

64

miert, so kann auch diese Kompetenz einem Kuratorium eingeräumt

werden bzw. sollte sich der Stifter überlegen den Treuhänder zu wech-

seln.

In diesem Zusammenhang sind Fälle aus der Praxis bekannt99, wo die

Einsichtsrechte der Begünstigten mit dem Argument eingeschränkt wur-

den, dass von der statutarischen Revisionsstelle ein jährlicher Bericht

vorgelegt wurde, welcher den Begünstigten zur Kenntnis gebracht wur-

de. Der OGH stellte sich hier auf den Standpunkt, dass eine vom Stif-

tungsrat bestellten Revisionsstelle und deren Berichte keinen adäquaten

Ersatz für das Aufsichts-, Kontroll-, und Rechtsschutzsystem des Stif-

tungsrechtes seien.

Derartige Massnahmen würden keine Gewähr für eine zweckentspre-

chende Verwaltung bzw. Verwendung des Stiftungsvermögens beiden.

Diese Meinung teilt grundsätzlich auch Bösch100, der im Wesentlichen

zum Ergebnis kommt, dass die Revisionsstelle gesetzlich nicht dazu

vorgesehen sei, Destinatärsinteressen zu wahren. Dennoch sei eine Re-

visionsstelle grundsätzlich als Kontrollinstrument zu begrüssen. Damit

spricht Bösch der Revisionsstelle jedenfalls die Fähigkeit zu, zur founda-

tion governance beizutragen.

Wenn man also so wie der OGH und Bösch der Ansicht ist, dass das

Vorhandensein einer Revisionsstelle keine ausreichende Gewähr für ei-

ne dem Stiftungszweck entsprechende Verwaltung und Verwendung des

Stiftungsvermögens bietet, so spricht mE nichts dagegen, diese Kon-

trollbefugnisse an ein mit entsprechenden Kompetenzen und mit ent-

99 OGH, 29.04.1996, 3 C 452/92; OGH, 04.11.2004, 10 HG 2003.57-23 100 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 406 ff; seine Kritik setzt insbeson-

dere an der Tatsache an, dass die Revisionsstelle bei der körperschaftlich be-herrschten Stiftung eine "Marionette" des wirtschaftlichen Stifters sein könne, dies-falls ihre "Kontrollfunktion" von zweifelhaftem Wert sei.

65

sprechend qualifizierten Personen101 ausgestattetes Kuratorium zu dele-

gieren. Zu denken wäre also an einen mit dem liechtensteinischen Stif-

tungsrecht vertrauten Rechtsanwalt (der die stiftungsrechtliche Seite ab-

deckt) sowie einen Wirtschaftsprüfer (der für die buchhalterische Seite

zuständig sein soll).

3.3.3. Wirksame Umsetzung des Stiftungszweckes

Dieses Prinzip, das bereits bei der Förderstiftung als wesentliches Foun-

dation Governance Prinzip abgeleitet wurde, erfährt bei der liechtenstei-

nischen Familienstiftung eine besondere Ausprägung.

Das liechtensteinische Stiftungsrecht sieht die Familienstiftung als eige-

nen Stiftungstyp vor, was bedeutet, dass das Gesetz bereits im Wesent-

lichen vorschreibt, welche Zwecke bei der Familienstiftung verfolgt wer-

den können. Daher muss das Stiftungserrichtungsgeschäft neben den

erwähnten essentialia negotii zusätzlich diesen Zweckerfordernissen

entsprechen, andernfalls die gesetzlichen Privilegierungen (keine Auf-

sicht, keine Registrierung) nicht zum Tragen kommen können102.

Grundsätzlich kann für die liechtensteinische Familienstiftung die wirk-

same Umsetzung ihres Zeckes als anwendbares Foundation Gover-

nance Prinzip definiert werden. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass

der OGH103 in stRsp judiziert, dass der Zweck der Stiftung auf die Perpe-

tuierung des Stifterwillens ausgerichtet sei, "was seinen plastischen

Ausdruck im sog. "Erstarrungsprinzip" finde. Die Stiftung ist also auf

dauerhaften Vollzug der vom Stifter vorgegebenen Zwecke angelegt".

Weiters spricht der OGH beim Stiftungszweck vom "Herzstück" der Stif-

101 Bösch fordert hier, dass dieselben Fachkenntnisse des Stiftungsrechtes vorhanden

sein müssten, wie dies bei Organen der Stiftungsaufsicht der Fall sei. 102 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 609 103 OGH, 06.09.2001, LES 2002, 100

66

tung, der von ihren Organen zu erfüllen sei. Das diesbezügliche Schrift-

tum104 stimmt dieser Ansicht des OGH im Wesentlichen zu, so dass das

Erstarrungsprinzip herrschende Ansicht ist.

3.3.3.1. Auswirkung des Widerrufs- und Änderungsvorbehalts gemäss

Art. 559 Abs. 4 PGR auf die wirksame Umsetzung des Stiftungs-

zweckes

Um die Anwendbarkeit dieses Foundation Governance Prinzips auf die

liechtensteinische Familienstiftung tatsächlich beurteilen zu können,

muss auf eine (doch bedeutende) Besonderheit des liechtensteinischen

Stiftungsrechtes hingewiesen werden:

Die gesetzliche Möglichkeit, dass sich der Stifter den Einfluss auf die

Stiftung dadurch sichert, indem er sich einen sogenannten Widerrufs-

und Änderungsvorbehalt gemäss Art. 559 Abs. 4 PGR (auch Stifterrech-

te genannt) statutarisch vorbehält. Das ansonsten im liechtensteinischen

Stiftungsrecht gültige "Erstarrungsprinzip"105 erfährt hier eine wesentliche

Einschränkung durch den Vorbehalt sog. "Stifterrechte".

Zu den Hintergründen dieser doch im Hinblick auf die sonstigen Bestim-

mungen des liechtensteinischen Stiftungsrechts überraschenden Stim-

mung weist Bösch106 daraufhin, dass der PGR-Gesetzgeber des Jahres

1925 mit der Zulässigkeit eines statutarisch vorbehaltenen Widerrufs-

und Urkundenabänderungsrechtes, deshalb von der schweizerischen

Rezeptionsvorlage abgewichen sei, um dadurch die Attraktivität einer

Stiftungsgründung für potenzielle ausländische Stifter zu erhöhen. Dem

104 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 202f; Quaderer, a.a.O., Seite 57,

Hepberger, a.a.O, Seite 66, 105 vgl. dazu jüngst die E des OGH vom 07.02.2007 zu 3 CG.2004.342, worin der OGH

die Umsetzung des perpetuierten Stifterwillens ("Erstarrungsprinzip") als zentrale Aufgabe des Stiftungsrates betont.

106 Bösch Stiftungsrecht, Seite 624

67

dürfte der Gedanke zu Grunde gelegen sein, dass derjenige, der seinen

Kapitaltransfer gegebenenfalls wieder rückgängig machen konnte, viel

eher bereit sein würde, in Liechtenstein eine Stiftung zu errichten. Wäh-

rend also für orthodoxe schweizer Stiftungsrechtler Art. 559 Abs.4 PGR

geradezu den stiftungsrechtlichen Sündenfall darstellt107, ist diese Be-

stimmung im liechtensteinischen Stiftungsrecht gültig und somit anzu-

wenden.

Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist insbesondere die

Frage bedeutsam, ob die vorbehaltenen Stifterrechte auch die Abände-

rung des Stiftungszweckes umfassen. Ist dies der Fall, so hat dies für die

wirksame Umsetzung des Stifterwillens Konsequenzen.

Aus dem Wortlaut von Art. 559 Abs.4 PGR selbst ergibt sich keinerlei

Einschränkung des Urkundenabänderungsrechtes, was dafür spricht,

dass auch eine Abänderung des Zweckes von Art. 559 Abs. 4 PGR mit-

umfasst ist108. Man wird daher mit Bösch109 davon auszugehen haben,

dass selbst der Stiftungszweck bei vorbehaltenen Stifterrechten zur

(freien) Disposition des Stifters steht. Dies bedeutet aber mit anderen

Worten, dass man - entgegen dem oben definierten Stiftungsbild - bei

der liechtensteinischen Stiftung mit vorbehaltenen Stifterrechten eigent-

lich wieder zum Ausgangspunkt der Untersuchung zurückkehrt: Bei die-

sem Stiftungstypus hat man es letztendlich mit einem juristischen Gebil-

de zu tun hat, "das zwar das formelle Rechtskleid einer Stiftung trägt,

faktisch wirtschaftlich aber einer Körperschaft gleichkommt"110. In der

Konsequenz, muss man die körperschaftlich beherrschbare Stiftung aus

Governance Gesichtspunkten als das nehmen, was sie ist: Eine AG mit

einem Aktionär oder eine GmbH mit einem einzigen Gesellschafter.

107 Riemer, a.a.O. Seite 39f; er sieht im nicht mehr einer laufenden Willensbildung un-

terworfenen Stiftungszweck die wesentliche Trennlinie zwischen Korporation und Anstalt.

108 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 626 109 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 670

68

Wenn für das Idealbild der Stiftung noch ausgeführt wurde, dass der

Zweck den erstarrten Stifterwillen darstellt, der zu vollziehen ist und so-

mit keinerlei Willensbildung nach der Zweckfestsetzung mehr denkbar

sei, so gilt das für die Stiftung mit vorbehaltenem Änderungs- und Wider-

rufsrecht nicht mehr. Man hat hier von einer fortlaufenden Willensbildung

auszugehen, wobei der Stifter das alleinige Organ der Willensbildung ist

(wenn er sich die entsprechenden Rechte vorbehalten hat; da das Ge-

setz nicht festlegt, wer sich diese Rechte vorbehalten kann, wären auch

andere Personen denkbar).

Wenn also dem Stifter im Rahmen der Stifterrechte eine Möglichkeit zur

fortlaufenden Willensbildung zukommt, bedeutet dies für das Prinzip der

wirksamen Umsetzung des Stiftungszwecks, dass sich dieser ändern

kann. Wenn eine Änderung eintritt, hat der Stiftungsrat eben den neuen

Stiftungszweck entsprechend umzusetzen. Man muss hier konsequen-

terweise von der wirksamen Umsetzung des "jeweiligen" Stiftungszwe-

ckes sprechen.

In der Beratungspraxis sollten aber schon bei der Errichtung der Stiftung

entsprechende Statutenbestimmungen vorgesehen werden, nach denen

eine Statutenänderung durchzuführen ist. Auch wenn dazu grundsätzlich

keine richterliche Aufsicht111 vorgesehen ist, muss der Stiftungsrat im

Sinne der Foundation Governance sicherstellen, dass die Zweckände-

rung ordnungsgemäss durchgeführt wird und auch danach nachvollzieh-

bar bleibt, weshalb diese vorgenommen wurde. Sollte eine bisherige

Familienstiftung in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt werden, so

wäre der Stiftungsrat verpflichtet, eine entsprechende Mitteilung an die

Stiftungsaufsicht vorzunehmen, bzw. müsste der Stiftungsrat sicherstel-

len, dass die Stiftung im Öffentlichkeitsregister eingetragen wird.

110 Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Seite 616 111 OGH, 05.02.2004, 10 HG 2002.26 (LES 2005, 41)

69

4. Schlussfolgerungen und Diskussion

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Prinzipien der Corporate Gover-

nance als Foundation Governance auf Stiftungen an sich und im We-

sentlichen auch auf die liechtensteinische Familienstiftung anwendbar

sind. Gerade weil die Familienstiftung keiner (ständigen) behördlichen

Aufsicht unterliegt, ist sie besonders schutzbedürftig und für ihr Funktio-

nieren darauf angewiesen, dass ihre innere Ausgestaltung ausreichende

Kontrollmechanismen vorsieht.

Im Hinblick auf das Prinzip der Transparenz ist für die liechtensteinische

Familienstiftung anzumerken, dass es aus Foundation Governance

Überlegungen her nicht zulässig sein kann, Begünstigten bzw. Anwart-

schaftsberechtigten die Information vorzuenthalten, dass sie Begünstigte

bzw. Anwartschaftsberechtigte sind. Aus Foundation Governance Ge-

sichtspunkten, wäre das Ergebnis höchst unerwünscht, dass nach Able-

ben des ursprünglichen Stifters eine Stiftung vorliegt, die ihren Zweckad-

ressaten unbekannt ist. Dies würde auch dem Grundprinzip der wirksa-

men Umsetzung des Stiftungszweckes widersprechen. Da der Stiftungs-

zweck bei der Familienstiftung schon gesetzlich vorgegeben ist, ist dem

Stifter bei der Gestaltung des Stiftungszweckes ein gesetzlicher Rahmen

vorgegeben, an den er sich halten muss. Folglich muss dem Stifter klar

sein, dass er sich im Falle der Errichtung einer Familienstiftung dafür

entscheidet, Mitglieder seiner oder einer bestimmten anderen Familie als

begünstigt einzusetzen. Diesen Personen die entsprechende Information

vorzuenthalten ist nicht zulässig.

Auch das Grundprinzip der Gewaltentrennung bzw. die Einrichtung von

ausreichenden Checks and Balances ist für den Stiftungstypus der liech-

70

tensteinischen Familienstiftung anwendbar, ja sogar wünschenswert.

Aufgrund der besonderen aufsichtsrechtlichen Situation der liechtenstei-

nischen Familienstiftung ist aus Foundation Governance Gründen zu fol-

gern, dass sich der Stifter vor Errichtung der Stiftung Gedanken über ei-

nen ausreichenden internen Kontrollmechanismus machen sollte. Wie

dargestellt, kann diesbezüglich mit einem Kuratorium viel zur Foundation

Governance beigetragen werden.

Was die wirksame Umsetzung des Stiftungszweckes anlangt, so hat die

Untersuchung gezeigt, dass selbst die Gestaltungsvariante Familienstif-

tung mit vorbehaltenden Stifterrechten der Anwendung dieses Prinzips

nicht im Wege steht. Da es sich bei diesem Prinzip um eine so grund-

sätzliche Idee des Stiftungsrechtes handelt, kommt es im Ergebnis nicht

darauf an, ob der Zweck unabänderlich oder eben flexibel ist.

Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Foundation

Governance für die liechtensteinische Familienstiftung ein geeignetes

Mittel ist, die ihre Funktionsfähigkeit zu gewährleisten bzw. zu wahren.

Letztendlich wird es aber immer auf den Einzelfall ankommen bzw. auf

die Bedürfnisse des jeweiligen Stifters. Hier sollte es daher Ziel der Bera-

tungspraxis sein, den Stifter im Beratungsgespräch insoweit für die Fra-

gen der Foundation Governance zu sensibilisieren.

Als weiteres Ergebnis der Untersuchung kann festgehalten werden, dass

insbesondere das Prinzip der Transparenz und dasjenige der Checks

and Balances zwei Seiten derselben Medaille darstellen. Dies bedeutet,

dass Transparenz eine notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit

von Checks and Balances darstellt. Dieser Umstand wird besonders

dadurch gut illustriert, dass Begünstigte ihre entsprechenden Kontroll-

rechte gegenüber dem Stiftungsrat nur dann wirksam ausüben können,

wenn sie aufgrund des (wenn auch eingeschränkten) Transparenzgebo-

tes überhaupt wissen, dass ihnen diese Rechte zukommen. Was die in-

71

terne Transparenz einer Familienstiftung anlangt, so stellt die statutari-

sche Einrichtung eines zusätzlichen Organs der Stiftung sicher, dass es

ein Aufsichtsorgan gibt, das den Stiftungsrat (Exekutive) beaufsichtigt.

Meines Erachtens handelt es sich bei dem Foundation Governance Prin-

zip der Checks and Balances (Gewaltentrennung) um das zentrale Prin-

zip der Foundation Governance.

Für die Beratungspraxis bedeutet die Bejahung der Anwendbarkeit der

Foundation Governance Prinzipien für die liechtensteinische Familienstif-

tung, dass Personen, die beabsichtigten, eine solche Stiftung errichten

zu lassen, im Beratungsgespräch hingewiesen werden sollen, dass das

gedeihliche Funktionieren einer solchen Stiftung im Wesentlichen davon

abhängt, dass Foundation Governance Prinzipien beachtet werden. Für

die Rechtssprechung sollte die Foundation Governance ebenfalls eine

Richtschnur sein, an der sich gerichtlichen Entscheidungen orientieren

sollten. Es wäre wünschenswert, wenn sich die liechtensteinischen Ge-

richte den Foundation Governance Ansatz insoweit zu Eigen machen

könnten, als in Zweifelsfällen der Auslegung von Stiftungsdokumenten

auf die Grundprinzipien der Foundation Governance zurückgegriffen

werden sollte.

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass nicht davon gesprochen werden kann,

dass die Prinzipien der Foundation Governance dem liechtensteinischen

Stiftungsrecht bzw. dem Stiftungstypus der liechtensteinischen Familien-

stiftung quasi übergestülpt werden. Wie die Untersuchung gezeigt hat,

gibt es im liechtensteinischen Stiftungsrecht bzw. auch in der diesbezüg-

lichen Praxis sehr wohl ein Instrumentarium, eine Stiftung nach Ge-

sichtspunkten der Foundation Governance zu gestalten. Es geht also

hier nicht darum neue Aspekte in das Stiftungsrecht einzuführen, son-

dern unter dem Stichwort "Foundation Governance" die Ideen zusam-

menzufassen, die Funktionsfähig einer Stiftung gewährleisten sollen.

72

Letztlich sollte jedoch das Prinzip der Foundation Governance nicht zum

Selbstzweck erhoben werden, sondern dazu beitragen, dass die Funkti-

onsfähigkeit der liechtensteinischen Familienstiftung in "allen Lebensla-

gen" sichergestellt bleibt, also insbesondere auch nach dem Ableben

des ursprünglichen Stifters.

73

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77

Anhang

Tabellarischer Lebenslauf

Titel: Mag.iur.

Vorname(n): Christoph

Familienname: Bruckschweiger

Geburtsdatum: 10.01.1973

Nationalität: Österreich

Ausbildung / Titel

2003 Ablegung der liechtensteinischen Rechtsanwaltsprüfung

1991-1998 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten

Linz, Innsbruck und Paris XII

Anstellung und berufliche Aktivitäten

Seit 2005 Partner im Advokaturbureau Ritter & Wohlwend, Vaduz

2000-2004 Konzipient im Advokaturbureau Ritter-Wohlwend-Wolff,

Vaduz