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Materialien zu DON QUIXOTE von Lutz Hübner, Mitarbeit Sarah Nemitz nach Cervantes Neufassung. Für Menschen ab 8 Eine Produktion der Stiftung Schloss Neuhardenberg und des GRIPS Theater Berlin

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Materialien zu

DON QUIXOTEvon Lutz Hübner, Mitarbeit Sarah Nemitznach Cervantes

Neufassung. Für Menschen ab 8Eine Produktion der Stiftung Schloss Neuhardenberg und des GRIPS Theater Berlin

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Liebe Leserin, lieber Leser,

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DON QUIXOTE reitet durchs Schloss Neuhardenberg und ins GRIPS Podewil, diese Kombi-nation ist sicher ungewöhnlich – und für alle Beteiligten eine besondere Freude!

Zum ersten Mal koproduzieren GRIPS und die Stiftung Schloss Neuhardenberg ein Stück für junges Publikum. Unser gemeinsames Ziel ist es, hochwertige Inszenierungen für Kin-der und Familien zu präsentieren, im Schloss und im Grips! Für dieses Vorhaben haben wir uns ein Stück klassischer Literatur ausgesucht – den weltberühmten Roman „Don Quixote“ von Spaniens Nationaldichter Cervantes! –, in zeitgemäßer Form und in der lust-vollen und intelligenten Neufassung eines der meistgespielten Dramatiker Deutschlands, Lutz Hübner, der, zusammen mit Sarah Nemitz, den vom Inhalt und Umfang riesenhaften Stoff zusammengefasst und in Szenen gegossen hat. In Hübners Neufassung ist Quixote ein Kind, das zu viele (!) Ritterbücher gelesen hat und sich nun aufmacht, vom Kinder-zimmer in die Stadt, um Abenteuer zu erleben und Heldentaten zu verrichten. Begleitet wird er von seinem Nachbarn Sancho, der davon träumt, vom Ruhm und vom Geld ein we-nig abzubekommen. Tief in dieser amüsanten Abenteuergeschichte treffen Quixote und Sancho auf Grundfragen der menschlichen Existenz: Was ist wahr und was ist wirklich, was ist Traum oder Illusion, was ist eigentlich „Realität“? – Bei genauem Hinsehen fällt die Antwort schwerer als erwartet... Im Original kehrt Quixote reumütig am Ende seines Lebens in sein Dorf zurück – und stirbt. Unser Hugo hingegen, kaum heimgekehrt, öffnet die nächste Spielzeugkiste seiner Fantasie – und spielt weiter bis in alle Ewigkeit!

Wir freuen uns über die wunderbare Zusammenarbeit mit der Stiftung Schloss Neuhar-denberg, wir freuen uns auf unseren besonderen „Quixote“ – und wir freuen uns auf Dich und Sie, die wir herzlich einladen, den Abenteuern des „Ritters von der traurigen Gestalt“ atemlos zu folgen.

Zur Einführung, Vertiefung und Anregung gibt es hier ein paar Materialien. Wir wün-schen viel Spaß beim Eintauchen in einen Klassiker der Weltliteratur!

Olé!

Stefan Fischer-Fels Nora HochKünstlerischer Leiter/ Dramaturg Theaterpädagogin

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Thomas Ahrens, Jonathan Gyles

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InhaltsverzeichnisVorwort 1

Besetzung 4

Kapitel 1: STOFF UND STÜCK 5

21. Szene: Opfer eines Zaubers? 6

Inhaltsangabe nach Szenen 7

Lutz Hübner über seine „Don Quixote“-Fassung 9

Über das Leben von Cervantes 10

Vergleich von Roman und Drama 11

Kapitel 2: MITTELALTER UND RITTERTUM 13

16. Szene: Eine Dulcinea muss her. 14

Ein Ritter-Glossar 15

Sprache im Mittelalter 16

Kapitel 3: ILLUSION UND WIRKLICHKEIT 17

Lasst die Kinder träumen 18

Helden 19

Kapitel 4: SPIELANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT 21

13. Szene: Die ganze Welt verrückt? 22

Fragen zum Stück 23

Einstieg 24

Übungen zu Don Quixote und Sancho Pansa 24

Statusspiele 25

Anleitung für eine Fantasiereise zu Don Quixote 26

Schreibübung 27

Abschluss 27

Don Quixotes Helm 28

Literaturverzeichnis 31

Dank und Impressum 32

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Hugo, später genannt Don Quixote Jonathan GylesSancho Pansa / Enzo Thomas AhrensHelga / Wirtin / Polizistin / Frau / Herzogin Katja HillerNils Hardenberg / Stammgast / Sträfling / Wahrsager / Zauberer /Abgeordneter / Mann / Spiegelritter Roland Wolf

Regie: Barbara HauckBühne und Kostüme: Mara Henni KlimekSounddesign und Musik: Karolin KillingKampftraining und Choreographie: Alfred HartungDramaturgie: Stefan Fischer-FelsTheaterpädagogik: Nora HochRegieassistenz / Dramaturgieassistenz: Anna-Elena MachmerRegiehospitanz: Katharina GrählertStiftung Schloss Neuhardenberg, Techn. Produktionsleitung: Thomas Schröder Bühnenmeister: Matthias Warias Licht: Conrad Neumann Ton: Michael Handschuh Ankleiderin: Ursula Albrecht Maske: Sedija Husak Requisite: Stephanie von Purbeck Kommunikation und Presse: Imke Tramnitz Produktionsleitung: Martin SiebertGRIPS Podewil: GRIPS-Technik Maske: Sedija Husak Requisite: Oliver Rose, Tobi Schmidt, Mani Thomasson

BesetzungDon Quixotevon Lutz Hübner, Mitarbeit Sarah Nemitznach CervantesNeufassung

Thom

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Eines Tages wird man zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Wirklichkeit des Traumes.

Salvador Dali

Kapitel 1

DER STOFF UND DAS STÜCK

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21. Szene: „Opfer eines Zaubers?“

Landstraße.

SANCHO PANSA: Mein Herr, ich kenne nicht viel von der Welt, und viel mehr möchte ich nun auch nicht mehr sehen. Und wenn es mir je ein Rätsel war, was normal und was verrückt ist, so weiß ich nun, dass die Normalen verrückt und die Verrückten normal sind. Und wenn manches sinnlos ist, was wir tun, so lobe ich mir den Unsinn. Sinnlos ist doch nur der Spuk, den die Herzogin mit uns angestellt hat.

DON QUIXOTE: Ich weiß nicht, ob wir das Opfer eines Zaubers waren.

SANCHO PANSA: Ein fauler Zauber war es, der zum Himmel stinkt.

DON QUIXOTE: Sind wir durch die Luft geritten?

SANCHO PANSA: Ich weiß nur, dass wir unsanft gelandet sind, damit kenne ich mich aus.

DON QUIXOTE: Warst du ein Statthalter?

SANCHO PANSA: Ich weiß nur, dass ich geprügelt wurde, damit kenne ich mich aus.

DON QUIXOTE: Habe ich die Herzogin bezaubert?

SANCHO PANSA: Ich weiß nur, dass sie Euch bis aufs Blut gequält hat, damit kenne ich mich aus.

DON QUIXOTE: Aber wenn es alles nur Lug und Trug war, so haben wir keine Abenteuer bestanden, oder?

SANCHO PANSA: Ich fand es schon recht abenteuerlich. Es war eben nur kein Abenteuer für einen Ritter.

DON QUIXOTE: Für wen sonst?

SANCHO PANSA: Ich weiß es nicht. Für jemanden, der böse Späße über sich ergehen lässt.

DON QUIXOTE: Aber ich bin Don Quixote, man spaßt nicht mit mir, ich bin ein Ritter, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen, um Dulcinea zu entzaubern.

SANCHO PANSA: Ich weiß nicht, ob diese Abenteuer uns weitergeholfen haben.

DON QUIXOTE: So glaubst du, sie ist weiterhin verzaubert?

SANCHO PANSA. Sie ist, was sie ist.

DON QUIXOTE: Und was müssen wir tun?

SANCHO PANSA: Ihr seid der Ritter, Don Quixote. Ich bin nur ein Knappe, der kein Statthalter mehr sein will.

DON QUIXOTE: Und was willst du?

SANCHO PANSA: Mit dir Abenteuer erleben, in denen ich nicht allzu viele Schläge einstecken muss. Und was willst du?

DON QUIXOTE: Ein Ritter sein.

SANCHO PANSA: Dann bist du ein Ritter.

DON QUIXOTE: Ja, das bin ich.

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Don Quixote: Inhaltsangabe nach Szenen

1. Szene Hugo spielt am Nachmittag im Kinderzimmer wilde Ritterspiele. Er ist „Don Quixote“. Die Haushälterin, Helga, bringt ihm einen Kakao. Aber Quixote rüstet sich zu größeren Abenteuern – und verlässt die Wohnung!

2. Szene Helga und der Nachhilfelehrer, Nils Hardenberg, entdecken besorgt das leere Kinder-zimmer und machen sich auf den Weg, um Hugo zu finden.

3. Szene Hugo-Quixote lässt sich von dem Friseur Enzo – nach vielerlei Missverständnissen – zum Ritter schlagen.

4. Szene Helga und Hardenberg kommen zu spät: Hugo hat den Friseursalon bereits verlassen. Sie folgen seiner Spur.

5. Szene Quixote kämpft mit seiner Rüstung, sein Nachbar Sancho rettet ihn aus der Notlage. Quixote gewinnt den einfachen, aber gerechtigkeitsliebenden Sancho als „Knappen“ (Diener), weil er ihm neben Geld, Ruhm und Ehre auch die Statthalterschaft einer Insel verspricht. Beide reiten einem „goldenen Zeitalter“ entgegen.

6. Szene Quixote und Sancho treffen auf etwas, das Sancho als „Windmühlen“ bezeichnet – für Quixote hingegen sind es Riesen! Sein erster Kampf gegen „Windmühlenflügel“ wird ein Desaster. Doch Quixote sieht sich als Sieger – und reitet weiter.

7. Szene Sie kommen in eine üble „Kneipe“. Dort umwirbt Quixote die Wirtin als „reizende Jung-frau“ und bittet um ein Nachtlager. Der einzige Stammgast ist skeptisch. In der Nacht träumt Quixote von seiner „Dulcinea“, schleicht sich im Liebeswahn zur Wirtin. Er hält den Stammgast für Dulcinea. Großes Missverständnis – und wird vom Stammgast fürch-terlich verprügelt. Als Quixote die Rechnung nicht bezahlen will und flüchtet, wird auch Sancho verprügelt.

8. Szene Quixote und Sancho, übel zugerichtet, träumen davon, am Hofe eines Königs in Ehren empfangen und für ihre Heldentaten gebührend belohnt zu gehen. Mit neuem Mut bre-chen sie wieder auf.

9. Szene Die beiden Helden begegnen einer Polizistin, die einen Sträfling mit sich führt. Quixote möchte dem armen Hilflosen zur Seite eilen. Er stellt sich der Polizistin in den Weg, besiegt sie und lässt den Sträfling frei. Dieser, undankbar und gegen jede Ritterehre, verprügelt seine Befreier – und flüchtet.

10. Szene Sancho hat genug. Er will nach Hause. Er hat Hunger und versucht, etwas Essebares auf-zutreiben. Quixote bleibt allein zurück und begenet Enzo, dem Friseur. Quixote erringt im Kampf gegen den Überraschten einen goldenen Helm (die Rasierschüssel), den er von nun an trägt.

11. Szene Wir sehen Helga und Hardenberg, die immer verzweifelter versuchen, Hugo wieder zu finden.

12. Szene Quixote hat sich ins „Gebirge“ geflüchtet. Er will allein sein – und still an seine große, unerfüllte Liebe zur schönen „Dulcinea“ denken. Er schickt Sancho fort, um seiner An-gebeteten von seinem „Liebeswahnsinn“ zu berichten.

13. Szene Sancho ist recht verzweifelt, denn er weiß, dass Dulcinea nur ein Fantasiegebilde seines Herrn ist – wo also soll er hin? Was soll er tun? Er trifft Helga und Hardenberg.Harden-berg erfindet eine List, um Quixote wieder zu Verstand zu bringen, wie er hofft: Sancho soll seinem Herrn mitteilen, dass die zarte Prinzessin von Mikomikona vom bösen Zau-

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berer Carambruliambro verfolgt wird und von Quixote befreit werden muss. Während Sancho zu Quixote zurückkehrt, verkleidet sich Hardenberg als Prinzessin („Vielleicht kann man Verrücktheit nur mit Verrücktheit fangen!“) – und folgt ihm zu Quixote.

14. Szene Hardenberg als Prinzessin – und Helga als seine „Zofe“ – fordern Quixote auf, der Prin-zessin zu helfen und ihr Königreich von einem Untier zu befreien..

15. Szene In der üblen „Kneipe“ inszeniert Hardenberg seine List und die Wirtin spielt bei Harden-bergs Täuschungsmanöver mit. In der Nacht glaubt Quixote, das Untier zu sehen und be-ginnt, die Kneipe zu zerschlagen. Hardenberg versucht Quixote mit einem erfundenen Zauber zu ködern und nach Hause zu bringen. Als Sancho den Zauber als einen faulen entlarvt, flieht Hardenberg.

16. Szene Quixote will nun endlich zu seiner „Dulcinea“. Sancho ist verzweifelt und bezeichnet eine zufällig des Weges kommende Frau als „Dulcinea“. Die Frau spielt das Spiel nicht mit, weshalb Quixote denkt, sie sei unglücklich verzaubert und er müsse neue Abenteu-er bestehen, um sie zu erlösen.

17. Szene Ist es Traum oder Wirklichkeit? Ein Wahrsager erfüllt Quixotes Wunsch, einmal die wahre Dulcinea zu sehen, allerdings verschwimmt das Bild des Edelfräuleins, sobald er sich nähert, und er sieht sich selbst. Quixote muss hilflos mitansehen, wie sein Spie-gelbild in Stücke gerissen wird. Er will Dulcinea befreien und zerstört dadurch das Zelt des Wahrsagers, der wütend Entschädigung von Sancho fordert. Eine geheimnisvolle Frau beobachtetet die Szene, sie tritt auf und begleicht den Schaden. Sie lädt Sancho und Quixote zu sich ein.

18. Szene Die geheimnisvolle Frau ist eine „Herzogin“, die Quixote zu ihrer eigenen Unterhaltung mit nach Hause nimmt. Sie spielt Quixotes Ritterspiel mit und behauptet, dass er sie nur retten kann, wenn er auf einem Zauberpferd zum bösen Zauberer reitet und ihn besiegt.

19. Szene Im gemeinen Spiel der „Herzogin“ wird Sancho sein größter Traum erfüllt: er wird zum Statthalter gekürt. Ein „Abgeordneter“ kommt mit einem Koffer voller Geschenke und Spenden. Dafür soll er ohne Prüfung eine Menge Gesetze unterschreiben. Sancho weigert sich, er will „Gerechtigkeit, Unbestechlichkeit und Milde“. Dafür wird er verprügelt. San-cho befreit auch Quixote, und beide flüchten vom unheilbringenden Hof der Herzogin.

20. Szene Hardenberg hat in Ritterbüchern herausgefunden, dass ein Ritter nach verlorener Schlacht das tun muss, was ihm der Sieger befiehlt. Also verkleidet Hardenberg sich als der berühmte „Spiegelritter“ und tritt Quixote in den Weg.

23. Szene Hugo und Sancho sind ernüchtert. Was haben sie da erlebt? Sind sie durch die Luft ge-ritten? War Sancho „Statthalter“? War es Spiel, Traum oder Wirklichkeit? Ist Hugo ein „Ritter“? „Was willst du?“, fragt Sancho. „Ein Ritter sein“, sagt Hugo, unverzagt. „Du bist ein Ritter.“, meint Sancho. „Ja, das bin ich.“, antwortet Hugo-Quixote, mit neuem Mut.

24. Szene Der Spiegelritter fordert Quixote zum Kampf heraus. Quixote verliert nach hartem Kampf. Der Spiegelritter trägt Quixote auf, nach Hause zu gehen. Quixote gibt sein Rit-terwort und verabschiedet sich von seinem Freund Sancho: „Unsere Abenteuer sind zu Ende.“

25. Szene Wieder zuhause. Helga macht Hugo einen Kakao. Es klopft: Sancho steht in der Tür. Er fragt Hugo, ob sie, vielleicht, noch einmal hinausgehen und Abenteuer erleben wöllten?

Hugo zieht ein neues Buch hervor, die beiden stecken sich Indianerfedern ins Haar, und schleichen sich leise aus dem Zimmer…

Ende.

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Kind verlässt sein Zimmer, in dem er bisher völlig passiv Geschichten verschlungen hat und will wis-sen, wie es sich anfühlt, wenn man das lebt. Wobei seine Erfahrungen ja nicht ausschließlich positiv sind. Aber das gehört dazu und Quixote zieht aus jeder Niederlage seine Schlüsse und macht unver-drossen weiter. Es gibt nie den Punkt, wo er sagt: genug, ich will nach Hause. Er möchte diese Erfah-rungen da draußen machen und er hat Ziele für die er kämpft. So kann man Quixote als eine Ermu-tigung für Kinder lesen, mal rauszugehen, um zu sehen, welchen Welten man begegnen kann (oder welche Welten man erschaffen kann)

Die erste Bearbeitung hatte im Jahr 2000 Premiere am Staatsschauspiel Hannover. Wie kam es zur Zu-sammenarbeit mit Grips Theater und der Stiftung Neuhardenberg – und was unterscheidet die Fas-sung von 2000 von der neuen Fassung?Dem Grips Theater sind Sarah Nemitz und ich als Autoren schon lange verbunden, da gibt es eine schöne Tradition gemeinsamer Stückentwicklung. Für Neuhardenberg haben das Grips Theater und ich eine Theaterreihe angedacht, in der Werke der Weltliteratur in Fassungen für Kinder gezeigt werden (das kann vom Simplicissimus, Robinson Crusoe, Anton Reiser bis zu Expeditionsberichten des 19. Jahrhunderts gehen) und als erstes Projekt haben wir die Hannoveraner Fassung des Quixo-te nochmals gründlich überarbeitet. Wir haben aus Quixote ein Kind gemacht (in Hannover war es noch der durchgedrehte Landedelmann), was Konsequenzen hat für den Gesamtblick auf die Reise von Quixote und seinem Kumpel Sancho – es ist nun ein Kind, das erste Welterfahrungen sam-melt und sich behaupten muss, ein Ausreißer, dem besorgte Erwachsene folgen, um es vor der Welt (und seinen eigenen Einfällen) zu bewahren. Dar-über hinaus haben wir die Zahl der Darsteller re-duziert, es sind nun vier Schauspieler, welche die Geschichte erzählen und dass sie Theater spielen, ist immer deutlich. Es ist eine Spielanordnung - wir sehen Spieler, die spielerisch eine Welt erschaffen, in der jemand spielerisch eine Welt erschafft, in dem jemand mit diesem Spieler sein Spiel treibt… so gesehen ist es auch ein Stück über den Zauber, den das Theater erschaffen kann.

Interview: Stefan Fischer-Fels.

Was war dem Autorenteam wichtig bei der Bearbeitung eines 1000 Seiten Romans für ein junges Publikum?Wenn man keinen Theaterabend plant, der sechs Stunden dauert, muss man sich bei einem so umfangreichen Werk für einen Erzählstrang ent-scheiden. Das war für uns die Geschichte eines Landedelmanns, der sich, aufgrund übermäßiger Ritterlektüre irgendwann selbst für einen Ritter hält und zusammen mit seinem Nachbarn loszieht, um ritterliche Pflichten zu erfüllen, also Drachen zu bekämpfen, eine Dame zu verehren und für die Entrechteten zu kämpfen. Der Roman hat viele Sei-tenstränge, Nebenhandlungen und eingeschobene Erzählungen, die sich kritisch mit der spanischen Gesellschaft jener Zeit beschäftigen und sich über die damals grassierende Mode der Ritterromane lustig machen (die zu dieser Zeit schon Geschichte waren und nur als romantischer Topos existier-ten, vergleichbar dem heutigen Fantasygenre) Wenn man diese Seitenwege des Romans außer Acht lässt, bleibt die Geschichte der Freundschaft zwischen Quixote und Sancho und vor allem das Portrait eines Mannes, der versucht, seine Träume in die Tat umzusetzen, der also die Wirklichkeit ausschließlich durch die Brille seiner ritterlichen Weltsicht betrachtet – und da liegt der Zauber der Geschichte: Nüchtern betrachtet ist Quixote ein Verrückter (oder ein Nerd, würde man heute sa-gen) aber wenn man sich auf seine schräge Logik einlässt, ist die Welt plötzlich voller Wunder und Abenteuer.

Cervantes wollte mit seinem Roman vor der Wir-kung unmäßigen Lesens schlechter Romane war-nen. Was war eure Intention?Man könnte spekulieren, dass Cervantes‘ erste In-tention lediglich war, eine Satire auf schwülstige Ritterromane zu schreiben und dann erwischte ihn sein Stoff und begann ein Eigenleben. Heute würde kein Mensch von Verstand ein Buch schrei-ben, in dem er vor dem Lesen (nicht nur schlech-ter Bücher warnt), weil Lesen als gehobene Kul-turtechnik gilt und alle Eltern heilfroh sind, wenn ihre Kinder überhaupt mal ein Buch in die Hand nehmen. Aber man kann die Gesichte auch gegen den Strich lesen: Ein Kind beschäftigt sich mit Phantasiewelten (die heute eher in Computerspie-len und Serien zu finden wären) und beschließt, sein Wissen um diese magische Welt einmal auf die Realität anzuwenden. Insofern kann man das als einen emanzipatorischen Akt begreifen. Ein

Lutz Hübner über seine „Don Quixote“-Fassung(Ein Interview)

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Kind bekam er allerdings während einer Affäre mit Ana Franca de Rojas, eine Tochter mit dem Namen Isabel de Saavedra. Seine Ehe wurde Ende der 1580er getrennt. Ab 1590 arbeitete er unter anderem als „Versor-gungskommissar der Marine-Verwaltung“ und ver-brachte 3 Monate wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern 1597/98 im Gefängnis von Se-villa in Untersuchungshaft. Dort begann er mit der Arbeit an seinem bedeutendsten Werk „El ingenioso Hidalgo Don Quijote de la Mancha“ (Der sinnreiche Junker Don Quijote von La Mancha), dessen erster Teil 1605 erschien. Den zweiten Teil veröffentlichte er 1615. Don Quijote brachte zwar den ersehnten Erfolg, doch verlor Cervantes das dadurch gewon-nene Geld wieder. Er starb verarmt am 23. April 1616 in Madrid und wurde auf dem Gelände des Klosters der unbeschuhten Trinitarierinnen im Li-teratenviertel der Stadt begraben.

Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Miguel_de_Cervantes (letzter Zugriff 17.Sep.2015)

Miguel de Cervantes Saavedra wurde vermutlich am 29. September 1547 in Alcalá de Henares, als viertes von sieben Kindern einer verarmten adeli-gen Familie geboren.Der Nationaldichter Spaniens hatte ein sehr be-wegtes Leben. Allerdings gibt es in seiner Bio-grafie wenig völlig gesicherte Informationen. Nach seinem Studien der Theologie zog es ihn 1969 (angeblich auf der Flucht) nach Rom, wo er als Kammerdiener in die Dienste von Kardinal Giulio Acquaviva eintrat. Im selben Jahr trat er in die spanische Marine ein. Während der Schlacht von Lepanto zog er sich 3 Schusswunden zu. Erst 1575 trat er seine Heimreise an, wurde aber von algerischen Korsaren überfallen und als Sklave verschleppt. Erst nach fünf Jahren und vier er-folglosen Fluchtversuchen konnte Cervantes 1580 durch den Trinitarier-Orden freigekauft werden und kehrte am 19. September nach Spanien zu-rück. Worauf der sich gleich wieder für zwei Jahre als Soldat für die Kriegszüge Spaniens verpflich-tete. 1584 erschien sein erster Roman, in dem er die Erfahrungen der Gefangenschaft verarbeite. Im selben Jahr heiratete er Salazar y Palacios. Ein

Über das Leben von Cervantes

Roland Wolf, Thomas Ahrens

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Vergleich von Roman und DramaWir stellen hier die bekannteste Szene des weltberühmten Romans mit der Szene gegenüber, die in Hübners Fassung daraus geworden ist.

Auszug aus dem Roman DON QUIJOTEvon Cervantes

Kapitel VIII

Wie trefflich es dem tapferen Don Quijote bei dem ungeheuerlichen, unerdenklichen Abenteuer mit den Windmühlen erging.

Da sahen sie dreißig oder vierzig Windmühlen auf dem Feld vor ihnen, und kaum hatte Don Quijote sie erblickt, sagte er zu seinem Knappen:

„Das Glück lenkt unsere Geschäfte besser, als wir hätten hoffen können, denn vor dir, Sancho Pan-za, mein Freund, siehst du wenigstens dreißig grimmige Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu schlagen gedenke, bei der mir alle über die Klinge springen sollen. Und mit der Beute legen wir den Grundstein unseres Reichtums, da es ein gerech-ter Krieg ist und eine wahrlich gottgefällige Tat, derlei Schandgezücht vom Erdboden zu tilgen.“

„Was für Riesen?“ fragte Sancho Panza.

„Die du da vor dir siehst“, erwiderte sein Herr, „die Arme so lang, dass sie bei manchen fast zwei Mei-len messen.“

„Aber seht doch, Herr“, antwortete Sancho, „was erscheint, sind keine Riesen, sondern Windmüh-len, und was wie Arme erscheint, sind ihre Flügel, die im Wind wirbeln und den Mahlstein bewegen.“

„Man merkt wohl“, sagte darauf Don Quijote, „dass du in Abenteuern nicht bewandert bist: Riesen sind es, und wenn du Angst hast, geh mir aus dem Weg und bete, solang ich diesen erbitterten Kampf mit ihnen fechte.“

Nach diesen Worten gab er seinem Pferd Rocinan-te die Sporen, ohne auf die Rufe zu achten, die ihm sein Knappe Sancho als Warnung hinterherschick-te, dass er gewiss gegen Windmühlen und nicht gegen Riesen stürme. Doch war er von den Riesen nicht abzubringen, so dass er weder die Rufe seines Knappen hörte noch begriff, so nah er auch schon war, was er da vor sich hatte, sondern laut rief:

„Entfleucht mir nicht, ihr feigen, schändlichen Kre-aturen, ein einzelner Ritter greift euch an.“

Da kam etwas Wind auf, und die großen Mühlen-flügel setzten sich in Bewegung, worauf Don Qui-jote sagte:

„Lasst nur mehr Arme wirbeln als der Riese Bria-reos, eurer Strafe entgeht ihr nicht.“

Sogleich empfahl er sich aus tiefster Seele sei-ner Herrin Dulcinea, mit der Bitte ihm in dieser Schicksalsstunde beizustehen, und in vollem Ga-lopp sprengte er auf Rocinante, gewappnet mit seinem Rundschild und eingelegter Lanze, gegen die ersten Windmühlen an. Ein Flügel bekam ei-nen Lanzen hieb ab, doch der Wind trieb so heftig an, dass die Lanze in Stücken davonflog und Ross und Reiter hinterher, der übel zugerichtet über das Feld rollte. Sancho Panza eilte ihm zur Seite, so schnell sein Esel trabte, und sah, dass er sich nicht rühren konnte, so heftig war Rocinante mit ihm gestürzt.

„Allmächtiger!“ rief Sancho. „Habe ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt achtgeben, es sind nichts als Wind-mühlen, was nur einer in den Wind schlagen kann, dem sich selbst eine Mühle im Kopf dreht?“

„Still, Sancho, mein Freund“, antwortete Don Qui-jote, „das Kriegsglück ist, mehr denn jedes ande-re, stetem Wandel unterworfen, und erst recht, weil ich denke, und so ist es auch, dass der weise Zauberer Frestón, der mir das Zimmer samt den Büchern raubte, die Riesen in Mühlen verwandelt hat, um mir den Ruhm des Sieges zu nehmen, so sehr ist er mir feind. Doch schließlich und endlich werden seine bösen Künste wenig ausrichten ge-gen das gute Werk meines Schwertes.“

„Lassen wir Gott walten“, antwortete Sancho Panza.

Er half ihm auf die Beine und wieder auf Rocinan-te, dessen Bug ganz aus den Fugen schien. Und im Gespräch über das erlebte Abenteuer, setzten sie ihren Weg in Richtung Puerto Lápice fort, eine Strasse, wie Don Quijote sagte, so belebt, dass sie dort unweigerlich auf zahllose und vielfältige Abenteuer stoßen würden.

Aus: Cervantes: Don Quijote von der Mancha. Neu übersetzt von Susanne Lange. München 2011.

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Auszug aus dem StückDON QUIXOTE

6. Szene

Wolken ziehen auf.

DON QUIXOTE: Jetzt leitet das Glück gleich zu Beginn unsere Angelegenheiten, wie es besser nicht kommen könnte. Denn dort, Freund Sancho, siehst du, wie dreißig Riesen oder noch etliche mehr zum Vorschein kommen.

SANCHO PANSA: Riesen, Riesen, was für Riesen? Von Riesen habt Ihr nichts gesagt. Ich bin noch gar nicht richtig vorbereitet.

DON QUIXOTE: Mit diesen Riesen denke ich einen blutigen Kampf zu fechten und ihnen allen das Le-ben zu nehmen.

SANCHO PANSA: Wo denn? Hilfe! Wo sind die Riesen?

DON QUIXOTE: Dort kommen sie auf uns zu, die mit riesigen Armen, die bei manchen wohl gar zwei Meilen lang sind.

SANCHO PANSA: Gott sei Dank Herr Ritter, die dort sind keine Riesen, sondern Windmühlen. Windmühlen mit Flügeln. Flügel, die sich drehen, wenn es windig ist. Das ist so, wirklich, Herr Quixote.

DON QUIXOTE: Ich sehe schon, dass du in Sachen der Abenteuer nicht kundig bist. Es sind Riesen, und wenn du Angst hast, mach dich fort von hier.

SANCHO PANSA: Aber Herr Quixote!

DON QUIXOTE: Flieht nicht, feige, niederträchtige Geschöpfe, ein Ritter ist es der euch angreift. Dulci-nea, diesen Kampf für dich!

Er rennt los, wird von einem Windmühlen�lügel erfasst und fällt aus großer Höhe bewußtlos zu Boden.

SANCHO PANSA: Das fängt ja gut an, besser gesagt, das hört ja gut auf. He! Was ist jetzt mit meiner Grafschaft? Den Säcken voll Gold? Ruhm und Ehre? Ihr könnt mich doch nicht alleine lassen! Was werde ich bloß zu Hause erzählen. Ich kann ihn doch nicht mit nehmen, wie soll ich denn das erklären. Ich lass ihn liegen. Nachher lande ich noch im Gefängnis, wer glaubt mir denn, dass er von der Windmühle gefallen ist. Hugo!

DON QUIXOTE erwacht.

DON QUIXOTE: Hab ich die Riesen besiegt?

SANCHO PANSA: Was Riesen, Ihr habt euch mit einer Windmühle angelegt.

DON QUIXOTE: Trau nicht deinem Augenschein, ein böser Zauber ist hier am Werk gewesen.

SANCHO PANSA: Auf meine Augen lasse ich nichts kommen. Wenn ich Windmühlen sehe, sind es Wind-mühlen.

DON QUIXOTE: Nun sprich, sind die Riesen weg?

SANCHO PANSA: Wenn da je Riesen waren, sind es jetzt nur noch Windmühlen.

DON QUIXOTE: So geh ich als Sieger aus diesem Kampf.

SANCHO PANSA: Wenn Ihr gehen könnt. Aber die Insel bekomme ich doch, oder?

DON QUIXOTE: Du hast doch gesehen, wie ich die Riesen schlug.

SANCHO PANSA: Eben.

DON QUIXOTE: Also.

DON QUIXOTE wird wieder ohnmächtig. (…)

Ein Held ist ein gewöhnlicher Mensch, der die Kraft findet, sich mit Ausdauer und Beharrlichkeit in einer ausweglos scheinenden Lage zurechtzufinden.

Christopher Reeve

Kapitel 2

MITTELALTER UND RITTERTUM

Thom

as Ahren

s, Jonath

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yles, Roland W

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16. Szene: „Eine Dulcinea muss her.“

SANCHO PANSA: Jetzt hab ich den Salat. Ich soll nach Toboso, um eine Frau zu suchen, die ich nicht ken-ne, die es wahrscheinlich überhaupt nicht gibt, um ihr den Besuch eines Ritters anzu-kündigen, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hat. Die Sache ist faul! Oberfaul! Das stinkt doch zum Himmel! Und was springt für mich dabei raus! Was bringt dir das ein! Haue, Dresche, Prügel. Wie immer! Dafür habe ich inzwischen nen Richer! Wenn ich nicht gehe, bricht meinem Herrn das Herz. Wenn ich sage, ich hab sie nicht gefunden, bricht meinem Herrn das Herz. Wenn ich sage, ich hab sie gefunden, aber sie will ihn nicht sehen, bricht meinem Herrn das Herz. Wenn ich sage, sie ist ver-reist, oder krank oder...das bringt alles nichts. Ja klar, eine Dulcinea muss her, so schnell wie möglich. Und wenn sie nicht auf seine Träume passt, dann mache ich sie ihm passend. Die Tussi da hinten die rede ich ihm schön, ich schwatze ihr ein neues Gesicht auf. Zu irgendwas muss die Zauberei ja auch gut sein.

Jonathan Gyles, Thomas Ahrens

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Ein Ritter-Glossar zu unserem Don Quixote

Kastilien – la Mancha: Eine spanische Gemein-schaft mit der Hauptstadt Toledo.

Don: Im Spanischen ist Don eine respektvolle An-rede, die auch als Titel getragen wird.

Ritter: Bezeichnung für berittene und bewaffnete Krieger des Mittelalters. Mit dem Ideal der Ritter-lichkeit meint man meistens Tapferkeit und Treue.

Knecht und Magd: Einfacher Arbeiter und Arbei-terin. Meist gab es gleich mehrere auf jeder Burg und jedem Bauernhof.

Schildknappe: Jemand aus einer Ritterfamilie, der gerade zum Ritter ausgebildet wird und bis dahin einem anderen Ritter dessen Schild trägt.

Statthalter: Verwaltet stellvertretend für den Kö-nig eine bestimmte Region.

Graf: Vertreter des Königs in der Grafschaft, einem kleinen Gebiet, in dem die Grafen herrschten und die Vorsitzenden der Gerichte waren.

Herzog / Herzogin: Herzöge waren im Mittelal-ter die wichtigsten Herrscherfiguren direkt nach dem König.

Kastellan: Verwalter von Burgen oder Schlössern

Wappen: Ein Zeichen, das meist wie ein Schutz-schild geformt ist (daher stammt auch der Begriff) und symbolisch für ein Land, eine Stadt, eine Per-son oder Familie stehen kann.

Brustpanzer: Eine körpergerecht geformte Rüs-tung zum Schutz vor Waffen.

Gral: Der Legende nach ein heiliges Gefäß, dass ewige Jugend und ewiges Glück spendet.

Orden: Eine religiöse Vereinigung mit gemeinsa-men Zielen und Regeln (Ordensregeln)

Alabaster: Eine Art Gips, ähnlich wie Marmor.

Ränke: Ein Plan, einem anderen zu schaden.

Duell: Freiwilliger Zweikampf mit gleichen Waf-fen und festen Regeln.

Zunft: Zusammenschluss von Angehörigen eines Handwerks, wie Bäcker oder Schreiner.

Riesen und Drachen:

Vielleicht kommt es Dir seltsam vor, dass Don Quixote von Drachen und Riesen spricht, aber im Mittelalter, als die Leute noch keine weiten Reisen machten und das Internet noch nicht erfunden war, glaubten viele Leute an Drachen und andere Fabelwesen und hofften sehr auf mutige Ritter, die sie davor beschützen sollten.

Redewendung „Je größere Unbill der Ritter er-leiden muss, desto reicher der Lorbeer.“

Diese Redewendung bedeutet so viel wie: Je ge-fährlicher und unangenehmer das Abenteuer wel-ches der Ritter bestehen muss, desto größer die Belohnung und der Ruhm.

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noch nicht erfunden). Und überhaupt haben die Bauern und die einfachen Leute auch alle Du zu-einander gesagt, die Erwachsenen und die Kinder, das war praktisch – heute musst du ja immer auf-passen, ob du zu jemandem vielleicht Sie sagen musst, weil er erwachsen ist, und das ist gar nicht immer so einfach. (Zu manchen Erwachsenen darfst du schließlich trotzdem Du sagen. Wenn du sie gut kennst nämlich.) Da hatten es die Bauern im Mittelalter wenigstens mal leichter.Aber so war das nur bei den Bauern und einfachen Leuten! Bei Rittern oder Fürsten oder Geistlichen oder überhaupt hochgestellten Personen (so nennt man die vornehmen Leute ja) war es wirklich noch viel komplizierter als bei uns:Zu ihren Brüdern und Schwestern sagten alle immer Du, auch die Adeligen, und das taten sie auch noch, wenn sie schon erwachsen waren. Das war einfach.Auch alle Eltern sagten zu ihren Kindern Du. (Na, das wäre ja auch noch schöner!) Zum Vater mussten die Kinder alle Herr Vater und Ihr sagen, also zum Beispiel: Herr Vater, wann habt Ihr Zeit für mich?Zur Mutter sagte der Sohn Frau Mutter und auch Ihr, also: Frau Mutter, wann habt ihr Zeit für mich? Aber die Tochter sagte zur Mutter Du: Mutter, wann hast du Zeit für mich? Puh, das war wirklich kompliziert!Der Vater sagte zur Mutter Ihr, und die Mutter sag-te zum Vater auch Ihr. Das sollten deine Eltern mal ausprobieren! „Lieber Mann, gebt Ihr mir bitte mal das Kartoffelgratin?“„Liebe Frau, wenn Ihr mir da-für den Obstsalat reicht?“ Wenn man mit jemandem sprach, der vornehmer war als man selbst, musste man ihn immer ihrzen. (So nennt man das, wenn man Ihr sagt. Sie gab es noch gar nicht.) Wenn man mit jemanden sprach, der nicht so vornehm war wie man selbst, durfte man ihn aber dutzen. (...)Manche Menschen glauben übrigens, dass vorneh-me Leute im Mittelalter zu Untergebene nicht Du gesagt haben, sondern er oder sie: Kerl, hat er mir wieder nicht die Stiefel geputzt? Jungfer, spüle sie mir Tassen und Teller! Aber das ist überhaupt nicht wahr. Dass die Leute so komisch sprechen, kam erst vierhundert Jahre (...) später in Mode, also keine Sorge, damit musst du dich nicht rumplagen.

Aus: Boie, Kirsten. Der kleine Ritter Trenk und fast das ganze Leben im Mittelalter - Ein Ritterabenteuer mit ziemlich viel Sach-

wissen; Freidich Oetinger Verlag, Hamburg 2012 (S.167-169).

Für all diejenigen die sich gefragt haben warum Hugo als Don Quixote so seltsam spricht, haben wir eine sehr schöne Erklärung von Kirsten Boie zur Sprache im Mittelalter gefunden – also zu der Zeit, in der es Ritter gab.

„Mittelhochdeutsch“ heißt die Sprache, die die Menschen damals gesprochen haben. Du denkst vielleicht, dass es Mittelhochdeutsch heißt, weil die Menschen es im Mittelalter gesprochen haben, aber das stimmt nicht. Mittelhochdeutsch haben sie nämlich nur dreihundert Jahre lang gespro-chen, von 1050 bis 1350, und es heißt so, weil es in der Mitte zwischen dem Althochdeutschen (so ungefähr von 750 - 1050) und dem Neuhochdeut-schen (was wir heute sprechen) liegt. Und damit du mal ein bisschen siehst, wie Mittelhochdeutsch so geklungen hat, (...) schreibe ich hier den Anfang des Nibelungenliedes auf (das ist die Geschichte von Siegfried und dem Drachen):

Uns ist in alten mæren wunders vil geseitvon helden lobebæren, von grôzer arebeit,von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,von küener recken strîten muget ir nu wun-der hören sagen

Und das heißt so ungefähr:

Uns ist in alten Geschichten viel Wunderba-res gesagtVon lobsamen Helden und Mühen,Von Freuden, Festen, von Weinen und vom Klagen, Von den Kämpfen kühner Helden mögt ihr nun erzählen hören.

Aber nicht nur die Sprache war im Mittelalter anders, sondern auch die Art, wie die Menschen miteinander geredet haben. (...) Zu einem Ritter und vornehmen Herrn durfte man damals nämlich nicht so einfach Onkel Hans sagen. Da musste man Herr Onkel sagen, wie wir heute Herr Schmidt sa-gen, und Frau Tante musste man auch sagen und sogar Herr Vater und Frau Mutter, nicht einfach Mama und Papa.So war das aber nur bei den vornehmen Leuten, also bei den Rittern und Adeligen und ein bisschen später auch bei den reichen Bürgern in der Stadt, die mussten den Adeligen ja alles nachmachen. Wenn man ein Bauernkind war, durfte man ganz normal Onkel Hans sagen oder Vater und Mutter (die Wörter Papa und Mama waren, glaube ich,

Sprache im Mittelalteroder Weshalb spricht der denn so komisch?

Kapitel 3

ILLUSION UND WIRKLICHKEIT

Fantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon.

Immanuel Kant

Thom

as Ahren

s, Jonath

an G

yles, Katja H

iller

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Lasst die Kinder träumen

Phantasie – was ist das?Das Wort Phantasie leitet sich aus dem Lateini-schen und dem Griechischen ab. Laiteinisch wird mit Phantasia der Gedanke, der Einfall bezeichnet, und auf Griechisch ist es der Ausdruck für Vorstel-lung, Einbildung, Erscheinung. Für C. G. Jung, den Begründer der Psychologie, ist es auch die Phantasie die die Wirklichkeit erschafft. Er schreibt dazu:„Die Psyche erschafft täglich die Wirklichkeit. Ich kann diese Tätigkeit mit keinem anderen Aus-druck als Phantasie bezeichnen. Die Phantasie ist ebenso sehr Gefühl wie Gedanke, sie ist ebenso intuitiv wie empfindend. Es gibt keine psychische Funktion, die in ihr nicht ununterscheidbar mit den anderen Funktionen zusammenhinge. Sie er-scheint bald als uranfänglich, bald als letztes und kühnstes Produkt der Zusammenfassung alles Könnens.“ (…)

Heldinnen und Helden machen kreativIntuition und Phantasie kann man auch dadurch fördern, dass man die Kinder mit Stoffen in Berüh-rung bringt, die Muster und Beispiele anbieten für Handlungsmodelle, die die natürlichen Grenzen der Realität sprengen, die so Räume öffnen in un-bekannte Universen, in denen man auf Lösungssu-che gehen kann. Märchen und phantastische Geschichten öffnen solche Räume. Durch ihre archetypischen Bilder, die direkt das Unbewusste ansprechen, füttern sie es mit Material. Und aus diesem Material kann das Kind später schöpfen, kann es zu immer neuen Ideen kombinieren. Aber wenn es nicht gefüttert wurde, verkümmert es. „Fehlen uns diese natür-lichen Hilfsmittel, dann bleibt unser Leben ein-geschränkt.“, stellt Bruno Bettelheim fest. „Ohne Phantasien, die uns Hoffnung einflößen, haben wir nicht die Kraft, den Widrigkeiten des Lebens zu begegnen. Die Kindheit ist die Zeit, in der die Phantasien genährt werden müssen.“ Und die Kin-der dazu anzuregen zu malen, oder sich selber Geschichten auszudenken, fördert die Kreativität zwar auch. Aber es geht vor allem auch darum, beim Kind den Speicher an innerem Stoff zu fül-len. (…)

Kein Angriff auf die Phantasie?Alle, die mit Vorliebe alles schwarz malen und den Untergang der Kultur heraufbeschwören, werden diese Frage wahrscheinlich mit „Ja“ beantworten. Und damit reihen sie sich ein in die Liste all derer, die zu allen Zeiten vor den Folgen gewarnt haben, wenn etwas Neues auf die Bildfläche trat. Im 18. Jahrhundert warnte man vor der „Lesesucht“. So wird der Pädagoge Karl G. Bauer in einem Ar-tikel auf welt.de zitiert, wie er über die „verderb-lichen Konsequenzen des Buchgenusses“ spricht: „Der Mangel aller körperlichen Bewegung beym Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Ab-wechslung von Vorstellungen und Empfindungen führt zu Schlaffheit, Verschleimungen, Blähun-gen und Verstopfung in den Eingeweiden, die be-kanntermaaßen bey beyden, namentlich bey dem weiblichen Geschlecht, recht eigentlich auf die Geschlechtsheile wirkt.“ Da fällt einem doch vor Schreck jedes Buch aus der Hand. (…)

Aus: Rogge, Jan-Uwe und Bartram Angelika. Lasst die Kinder träumen; Warum Phantasie wichtiger ist als Wissen. Rowohlt

Taschenbuch Verlag. Reinbek bei Hamburg, 2015.

Von Jan-Uwe Rogge und Angelika Bartram

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Nichtwissen zum Wissen. Nichts kann bleiben, wie es am Anfang war, es gibt ein ständiges Hinundher, Aufundab, die Chancen wechseln, der Erfolg neigt sich mal hier-, mal dahin, bis die einen alles ver-lieren, die anderen alles gewinnen. Keine Figur be-hält das, was sie am Anfang hatte: entweder sie hat deutlich mehr oder deutlich weniger. Die Umkehr der Verhältnisse erzeugt Spannung, Mitleid, Sorge, aber auch Schadenfreude, Bosheit, Lachen.

Aus: Batz, Michael und Schroth, Horst. Theater grenzenlos. Helden. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg 1985.

Der Held ist die Personifizierung des Nichtwissens. Er ist nicht dumm, aber nicht die Intelligenz zeich-net ihn aus und macht ihn zur Identifikationsfigur, sondern sein Charakter, seine Bereitschaft zum Kampf. Er weiß nicht, in was für Gefahren er sich begibt, aber er tut es mutig und mit der Kraft seines Herzens. Der eigentliche Grund liegt darin, dass der Held kein Individuum ist, keine Einzelperson mit einem zufälligen Einzelschicksal. Als Protago-nist unterliegt er einem allgemeinen Interesse und einer allgemeinen Beweisführung. Er verkörpert etwas: Vitalität, Aufbruch, Jugend, Kraft, Schönheit und Erneuerung. Er vereinigt alle Wünsche, aber auch alle Fehler der Zuschauer in sich, so dass sie ihn lieben können. Er besteht alle Gefahren, aber er macht alles verkehrt; er kämpft alles nieder, wird aber blind vorangetrieben; er erreicht sein Ziel, aber nicht wissentlich und oft nicht einmal willentlich. Ihm wird etwas zuteil, was nicht im Bereich menschlicher Macht liegt: Glück und Lie-be. Oder – beim tragischen Helden – das Gegenteil: der Verlust.Der Held ist insofern Ausdruck einer kollektiven Lebenssehnsucht, ein Akteur, ein Handelnder, ein Leidender. Je mehr er herumgestoßen wird, je mehr ihm misslingt, desto größer die Anteilnah-me. Sobald er anfängt, sein Leben zu meistern auf-grund bewusster, berechnender Entscheidungen, verliert er an innerer Sympathie. Helden sind Helden, weil sie gehandelt werden, weil sie das Leben von der harten, elementaren Seite her erfahren, die traurig, ungerecht und vor allem unvernünftig ist. Weil sie lachen und grinsen und spotten, auch wenn sie untergehen. Wenn der Held einen direkten Gegenspieler hat, wie es die Machtfrage nahelegt, so muss dieser natürlich ebenbürtig sein. Während der Held aber in der Diskrepanz von Wissen und Handeln, Wol-len und Sein lebt, arbeitet der Gegenspieler ge-zielt und bewusst. Er weiß, was er tut, sein Pech allerdings, dass ihm alles nichts hilft, weil er nun mal nicht der Held ist, der die positiven Kräfte auf seiner Seite hat. Für das Spiel jedenfalls bleibt ihm der Part des Fallenstellers und Intrigenmeisters, bzw. des bisherigen Machthabers, dessen Stunde zugunsten eines jüngeren geschlagen hat. Die Existenz eines Helden wäre nicht weiter inte-ressant, wenn ihm nicht allerlei passieren würde. Aristoteles stellt die Forderung auf, in jedem Stück müsse es einen generellen Umschwung geben, vom Glück zum Unglück bzw. umgekehrt, oder vom

Heldenvon Michael Batz und Horst Schroth

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Jonathan Gyles, Katja Hiller

Ohne Phantasie hätte die Menschheit den Mut zum Weiterexistieren längst verloren.

Christian Morgenstern

SPIELANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT

Kapitel 4

Jonath

an G

yles, Thom

as Ahren

s, Roland W

olf

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13. Szene: „Die ganze Welt verrückt?“

SANCHO PANSA: Ich weiß nicht, ist Hugo ein wirklicher Ritter, ein kluger Junge oder einfach nur ver-rückt. Zuweilen zeigt er so viel Verstand wie kein anderer, dann wieder kann man an ihm verzweifeln. Ich könnte jetzt hübsch nach Hause traben und die Sache vergessen, dann habe ich meine Ruhe. Und Hugo geht in der Wildnis zu Grunde, dann habe ich ihn auf dem Gewissen und mit der Insel ist es endgültig Essig. Vielleicht müssen Ritter ja so sein, vielleicht waren alle so. Ich weiß es nicht, ich kenne ja keinen anderen. Nein, Hugo ist nicht verrückt, sondern nur anders, als ich es kenne. Denn es kann ja nicht al-les, was ich nicht kenne, verrückt sein, denn dann wäre ja fast die ganze Welt verrückt. Dulcinea wird mir den Buckel krumm schlagen, wenn ich ihr den Brief aufsage, den ich schon längst wieder vergessen habe. Irgendwas mit ‚fürderhin‘ und ‚Gunst‘, aber das kann man keinem Edelfräulein sagen, vor allem, wenn man das Edelfräulein nicht kennt, wohl auch nicht findet, denn ich weiß nichts über sie, außer dass sie Dulcinea heißt und in Toboso wohnt, das keine kleine Stadt ist. Falls es die Dame überhaupt gibt. In meinem Kopf geht ein Mühlrad herum.

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Welche brennenden Fragen habt Ihr?

Was habt Ihr gesehen?

Lasst uns sammeln: welche Figuren habt Ihr auf der Bühne gesehen?

Wie würdet ihr anderen beschreiben, was für eine Geschichte ihr auf der Bühne gesehen habt?

Was hat Hugo dazu gebracht Ritter zu werden?

Welche Vorteile hat es Ritter zu sein und nicht ‚nur’ ein Junge?

Was kann ein Ritter, was ein Kind nicht kann?

Was ist für ein Kind schöner als für einen Ritter?

Was verbindet Ihr mit Ritter-Idealen?

Was hat Sancho dazu veranlasst, sich Don Quixote anzuschließen?

Was macht einen Knappen aus?

Sehr Ihr Hugo und Sancho als Freunde?

Was macht Freunde aus? / Was macht jemanden zum Freund?

Wozu braucht man Freunde?

Ist Hugo wirklich ein Ritter oder ist er das nur in seiner Fantasie?

Was ist Fantasie überhaupt?

Woran erkennt man, ob etwas wirklich / real ist oder ob man es sich nur vorstellt?

Erlebt Hugo die Abenteuer wirklich oder ist alles nur Illusion? Und welchen Unterschied macht das?

Ist es möglich, dass für den einen etwas anderes real ist als für den anderen?

Wer entscheidet, was echt ist und was eine Träumerei?

Was würdet ihr machen, wenn ihr einem Jungen wir Hugo begegnen würdet? Würdet ihr ihn bei seinem Abenteuer begleiten?

Welche Abenteuer würdet ihr selbst gern mal erleben?

Habt ihr euch auch schon gefühlt wie Hugo?

Ist Hugo ein Held?

Welche Helden kennt ihr? / Wen bewundert ihr?

Wozu braucht man Helden?

Was glaubt ihr wie Helga Hugos Verhalten einschätzt?

Wie schätzt der Nachhilfelehrer Hardenberg Hugos Verhalten ein?

Was hat euch im Stück besonders gut gefallen?

Was hat euch gar nicht gefallen?

Was glaubt ihr, wie es mit Hugo und Sancho weitergeht?

Was wird aus Herrn Hardenberg (dem Spiegelritter)?

Fragen zum Stück

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Einstieg

BlickrundenAlle sitzen im Kreis. Die Spielleitung sieht ihrem Nachbarn in die Augen und versucht wahrzunehmen, wie es ihm geht. Dabei wird nicht gesprochen. Dann wird der Blick von einer Person zur nächsten weiter gege-ben, bis er wieder bei der Spielleitung ankommt.

BlickwechselAlle Kinder sitzen im Kreis und jeder schaut offen in die Runde. Wenn sich zwei Blicke begegnen, wechseln die Spieler die Plätze, dies geschieht ganz leise.Variante für Don Quixote:Die Spielleitung kann ansagen, dass die nächsten Spieler_innen die wechseln sich dabei bewegen sollen wie Drachen (und dann wie Ritter, wie Prinzessinnen, wie Zauberer...)

An was erinnert ihr euch?Alle Kinder sitzen im Kreis. Nun darf jedes Kind nacheinander in die Mitte treten und einen Moment/ eine Szene aus dem Stück spielen, die ihm am stärksten in Erinnerung geblieben ist. Die anderen Kinder dürfen nun raten, welcher Moment im Stück dargestellt wurde. Diese Aufgabe sollte absolut freiwillig sein.

Glorreiches Vorstellen/ Mein Freund kann…Die Kinder setzen oder stellen sich in einen Kreis. Einer beginnt und stellt seinen linken Nachbarn vor, sagt, wie er heißt und was er besonders gut kann. Hierbei ist es nicht wichtig, dass tatsächliche Eigenschaften ge-nannt werden, sondern möglichst wunderliche, phantasievolle, geradezu unmögliche Super-Eigenschaften. Einzige Bedingung: Sie müssen positiv sein. Zum Beispiel: „Das ist meine Freundin Delia. Delia ist ganz be-sonders, denn sie hat superelastische Arme und Beine wie Gummi. Wenn sie zum Beispiel im Bett liegt und gerne etwas zu essen aus der Küche möchte, muss sie gar nicht aufstehen, sondern fährt einfach die Arme aus und nimmt sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank.“ Je verrückter die Eigenschaften, desto besser!

Übungen zu Don Quixote und Sancho Pansa

Schattengehen (Zu zweit)Immer zwei Spieler_innen gehen hintereinander durch den Raum. Der/die hintere Spieler_in ahmt den/die vordere/n Mitspieler_in nach und achtet genau auf Bewegungen, Stimme und Gang. Nach einer Weile wird auf einen Zeichen der Spielleitung hin gewechselt.

Konvex – konkav (Zu zweit)Zwei Spieler_innen stehen sich gegenüber. Wenn der/die eine Spieler_in die Hand ausstreckt, zieht der/die andere Mitspieler_in seine Hand zurück. Wenn der/die Spieler_in den Bauch vorwölbt, zieht der/die Mitspieler_in ihn ein und so weiter. Zu jeder Bewegung der einen Spielerin versucht der/die andere die passende Gegenbewegung zu machen. Beispiele für Aussagen können sein: Ich fühle mich hier in Berlin zuhause. Ich habe Verwandtschaft im Aus-land. Ich bin Deutsche(r).

Spiegelübung (Zu zweit)Zwei Spieler_innen stehen sich gegenüber. A hält die Hand vor B in die Luft. Von nun an muss B dieser Hand immer im gleichen Abstand folgen. A macht keine abrupten Bewegungen, bewegt sich am Anfang eher lang-sam, um dann das Tempo zu variieren. Auf ein Zeichen der Spielleitung hin wird gewechselt.

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Bildhauer: Ritter und Knappe (Zu viert)Zwei Spieler_innen „modellieren“ ein Kunstwerk zu dem Thema „Ritter und Knappe“, zwei andere Spie-ler_innen sind das „Material“ und lassen sich formen. Die Künstler denken sich also zunächst aus, welche Si-tuation sie zeigen wollen, damit Ritter und Knappe zu erkennen sind. Wenn das Kunstwerk fertig ist muss es von den Künstlern noch einen Titel, bzw. einen Namen erhalten und friert in der modellierten Pose ein, steif wie eine Staue. In einer „Gruppenausstellung“ zeigen sich alle Kunstwerke. Dann wechseln Künstler und Material die Rollen. Achtung: Das Material ist zerbrechlich, es verträgt keine groben Berührungen und keine unbequemen Posen. Nach Möglichkeit sollten sie Spieler_innen in dieser Übung während des „Formens“ nicht sprechen, sondern einander durch vorsichtige Berührungen in die gewünschte Position bringen.

Statusspiele

Grundelemente der StatusarbeitHoch- und Tiefstatus kann mit einfachen körperlichen Haltungen gezeigt werden.Folgende Merkmale sind Beispiele.

1. Blickkontakt Dominant /Hochstatus: Blickkontakt halten / möglichst wenig zwinkern / betont langsame Kopfbewegungen.

Unterwürfig / Tiefstatus: Blickkontakt abbrechen und nachher schnell zurück schielen / Oft zwin-kern / unruhige und nervöse Kopfbewegungen

2. Raumanspruch Dominant / Hochstatus: Wer den meisten Raum beansprucht und am Entspanntesten ist, signali-siert Hochstatus.

Unterwürfig / Tiefstatus: Will keinen Raum einnehmen, hält sich eher an der Wand oder in der Ecke auf, Arme sind fest verschränkt, Körper ist steif und symmetrisch.

3. Fuß- und Beinstellung Dominant / Hochstatus: Einen Fuß leicht nach außen drehen / breitbeinig sitzen und stehen.

Unterwürfig / Tiefstatus: Fuß leicht nach innen drehen. Im Sitzen spürt man das gut.

4. Oberkörper & Brustkorb Dominant / Hochstatus: Nach vorne dehnen / beinahe einen hohlen Rücken machen/ sich aufrichten.

Unterwürfig / Tiefstatus: Nach hinten drängen / einen Buckel machen / Schultern sehr hoch zie-hen oder nach vorn fallen lassen.

Weitere mögliche Merkmale sind zum Beispiel die Haltung des Kopfes, das Tempo beim Sprechen und die Wortwahl.

Status 1 – 3Alle Spieler_innen stehen in einem Kreis. Die Spielleitung verteilt 3 Zettel die jeweils eine der Ziffern 1 -3 tragen. Wer welche Ziffer gezogen hat muss geheim bleiben. Nun sollen die Spieler_innen mit den Ziffern nacheinander (in beliebiger Reihenfolge) in die Mitte treten und den Satz sagen: „Dieser Raum gehört mir.“ Ziel ist es, den Satz so zu sagen und sich so zu gebärden, wie die jeweilige Spielerin es für die Ziffer ange-messen hält, die sie selbst gezogen hat. Die Ziffer 1 steht hierbei für den Tiefstatus, die 3 für den Hochstatus und die 2 liegt dazwischen. Natürlich sollte vorab mit den Kindern besprochen werden was Status bedeutet und wie man ihn darstellen kann. Wenn alle Spieler_innen dran waren dürfen die anderen Kinder raten wer welche Zahl gezogen hatte / bzw. wer welchen Status zeigen wollte und woran man das erkennen konnte.

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Statusspiel: Ritter und KnappenDer Ritter sitzt auf einem Stuhl. Sein Knappe muss ihn umsorgen. Der Ritter darf sich Befehle für seinen Knappen ausdenken und verschiedene Dinge von ihm verlangen. Der Knappe darf auf einen Befehl nur mit „Aha“ antworten. Er muss die Befehle möglichst schnell ausführen. Dieses Spiel sollte in hohem Tempo ge-spielt werden. Nach einer Weile sagt die Spielleitung einen Wechsel an.Variante: Der Knappe darf dem Ritter Grimassen schneiden, aber nur solange der nicht guckt. Er muss dar-auf achten dabei nicht erwischt zu werden.

Anleitung für eine Fantasiereise zu Don Quixote

Einleitungsphase:Unsere heutige Fantasiereise führt uns zurück ins Mittelalter. In die Zeit der Prinzessinnen, Könige und Ritter. Dazu mache es dir nun bequem. Wenn du möchtest recke und strecke dich noch mal und mache es dir so gemütlich wie möglich. Nun schließe deine Augen und höre nur auf meine Stimme, alle anderen Geräusche sind unwichtig, werden immer leiser und unwichtiger. Höre nur auf meine Stimme. Fühle nun wie es deinen Füßen und Beinen geht. Stell dir vor sie sind ganz müde, schwer und warm. Nun spüre deinen Bauch und auch deine Brust. Auch sie werden ganz müde, schwer und warm. Deine Arme werden auch ganz müde, schwer und warm. Und nun fühle deinen Kopf. Deine Wangen..., deine Nase..., dein Mund..., deine Augen, deine Ohren..., werden ganz müde, schwer und warm.

Reisephase:In deiner Fantasie stehst du jetzt in einem großen Schloss, mitten in einem prachtvollen Saal. Schau dich et-was um. In einer Ecke entdeckst du eine Ritterrüstung. Schau genauer hin wie sie aussieht und aus welchem Material ist sie ist. Du darfst sie anziehen. Das Kettenhemd, den Helm, den Brustpanzer, die Handschuhe und auch das Beinzeug. Nun darfst du Dir auch den Schild nehmen und das Schwert. Schau mal, wie du dich jetzt in der Rüstung fühlst. Vielleicht fühlst du dich ganz stark und mutig. Vielleicht ist die Rüstung ganz warm, vielleicht auch kalt. Wenn du so weit bist, kannst du durch eine Tür gehen. Draußen steht dein Knappe und wartet auf dich. Er hält ein Pferd und einen Esel an den Zügeln. Das Pferd ist für dich. Es schaut dich ganz lieb an und du weißt, dass es dich sicher überall hinbringen wird. Deshalb steigst du jetzt auf. Dein Freund steigt auf den Esel. Gemeinsam reitet ihr los. Schau dich noch einmal um. Das Gebäude in dem du zuvor warst ist ein großes Schloss. Seite an Seite reitest du mit deinem Freund durch eine schöne Landschaft. Schau genau wie sie aussieht. Die Bäume sehen interessant aus, genau wie die Pflanzen und Blumen.Bald kommst du an einen Platz auf dem ein Abenteuer auf dich wartet. Viele große Riesen erwarten dich zum Kampf. Du zückst dein Schwert und reitest direkt auf sie zu. Immer schneller. Du nimmst all deinen Mut zusammen und greifst an. Deine Arme wirbeln durch die Luft und mit schnellen Hieben besiegst du alle Riesen. Erschöpft vom Kampf steigst du vom Pferd und legst du dich einen Moment ins Gras. Dein Knappe sorgt sich um dein Wohl nach diesem großen Kampf. Er gibt dir kühles Wasser zu trinken und hält deinen Kopf bis du bereit bist für die Heimreise.

Rückführungsphase:Und jetzt wird es langsam Zeit zum großen Schloss zurückzukehren. Auf dem Weg zurück bemerkst du das du dich ganz entspannt fühlst und je näher du dem Schloss kommst, desto mehr Energie tankst du. Du fühlst dich völlig entspannt und gestärkt.Am Schloss angekommen steigst du vom Pferd. Du verabschiedest dich von deinem Knappen und gehst hinüber zum Schloss. Du öffnest die Tür und trittst in den Saal. Schau dich noch einmal gut und spüre wie wunderbar erfrischt und ruhig du dich fühlst. Dann verabschiede dich auch von dem Raum und komme nun langsam zurück in die Wirklichkeit. Nun bist du wieder in unserem Klassenraum. Du spürst wie du liegst, spürst deine Beine, deinen ganzen Oberkörper, deine Arme und auch dein Gesicht. Fühle noch einmal die Kraft und Ruhe, die du von deiner Reise mitgenommen hast. Wenn du soweit bist, dann recke und strecke dich und öffne deine Augen.Herzlich Willkommen zurück!

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Wichtiger Hinweis für die Spielleitung: Um erfolgreich Phantasiereisen durchführen zu können braucht es eine passende Umgebung und viel Übung. Hilfreich ist es, wenn man die Geschichte vorher ausprobiert und sich gegebenenfalls an den geeig-neten Stellen Pausen markiert. Vielleicht sollten Sie die Reise selber einmal erleben, dann können sie besser Einschätzen was vielleicht noch für Ihre Klasse geändert werden sollte. Außerdem macht eine solche Reise nicht nur Kindern Spaß! Sie werden vermutlich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist sich so lange auf die eigene Phantasie zu konzentrieren. Auch das Ausblenden von Ablenkungsfaktoren fällt leichter, wenn man eine gewisse Routine entwickelt hat. Ein Nachgespräch ist in jedem Fall sinnvoll. Wahrscheinlich brennen die Kinder aber auch schon darauf von ihren Erlebnissen zu erzählen. Planen sie also diese Zeit mit ein und legen sie ggf. Gesprächsregeln fest, falls diese nicht sowieso schon in ihrer Klasse existieren. Eine wichtige Regel könnte sein, auf jeden Fall mit dem Gesagten der Kinder wertfrei umzugehen und sich gegenseitig aussprechen zu lassen. Diese Phantasiereisen eignen sich auch sehr, um mit den Kinder auf philosophische Art noch einmal auf Don Quixote zu sprechen zu kommen.

Schreib-Übung

Für dieses Abenteuer nehme man…Die Aufgabe besteht darin, die Geschichte eines Ritters oder eines anderen Helden in Form eines Kochre-zepts zu verfassen.Die Schüler beginnen mit einer knappen Ankündigung des zu erwartenden (Dies ist eine Geschichte von einem verliebten Helden / von einem Missgeschick eines Helden / von einem Widersehen…) und fortfahren mit einer Liste, in der die Komponenten der Erzählung wie Zutaten untereinander stehen – Namen der Prot-agonistin und des Antagonisten / des Helden und des Bösewichtes und aller anderer Figuren, Jahreszeit, Ta-geszeit, Wetterlage, Ort, besondere Objekte / Requisiten der Geschichte – dann, als Fußnoten stichpunktar-tig gesammelt am Ende, die Zubereitung, bzw. die Erläuterungen zu den einzelnen Aufzählungspunkten: Beziehungen (A ist mit B verwandt / C ist in A verliebt…), Motive, Gefühle, Konflikte, auf Wunsch auch die grobe Handlung. Die eigentliche Geschichte findet im Kleingedruckten statt und wird vorerst nicht beschrieben. Bei jüngeren Schülern können alle „Zutaten“ auch mündlich gesammelt, und z.B. von der Spielleiterin an der Tafel notiert werden. Variante: Jedes Kind notiert still für sich die „Zutaten“ für eine Geschichte. Anschließend wird diese Liste an den Sitz-nachbarn/ die Sitznachbarin weitergegeben und der/ die schreibt eine Kurzgeschichte daraus.

In Anlehnung an die Übung „Man nehme“. Aus: Gruber, Carola. Alles an seinem Platz. Poetenladen. Leipzig 2008.

Abschluss

Zauber-KnotenDie Kinder stehen im Kreis und strecken die Hände aus. Auf ein Zeichen des_der Spielleiter_in gehen sie langsam und mit geschlossenen Augen in die Mitte zusammen, fassen blind nach anderen Händen. Es ent-steht ein großes Menschenknäuel. Dieses muss entwirrt werden, ohne dass die Kinder einander loslassen, d.h. es wird über Arme gestiegen und umeinander geklettert, bis alle (diesmal Hand in Hand) wieder in einem Kreis beieinander stehen.

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Don Quixotes Helm zum Selbermachen

Benötigtes Material:• Flexible Pappe• Cuttermesser/ Schere• Starker Kleber• Tape/ Klebeband• 2 Versandtaschenklammern für das Visier Bastelanleitung:Schnittvorlage vom Helm vergrößern auf A3 oder A2 (je nach Größe des Kopfes) und auf eine flexible Pappe übertragen. Dann entlang der Linien ausschneiden. Der Helm muss dann erst in Form einer Röhre zu-sammengeklebt oder getackert werden. Anschließend die einzelnen Lamellen erst auf der linken, dann auf der rechten Seite von vorn nach hinten zusammenkleben, wobei immer auf die schraffierte Fläche geklebt werden sollte. Die verbleibende Öffnung an der Oberseite des Helms kann abschließend mit Tape zugeklebt werden.Nun das Visier auf Pappe übertragen, ausschneiden und mit Versandtaschenklammern am Helm befestigen. Achtung: Die Klammern von innen nach außen durch den Helm stecken.

Fertig ist der Ritterhelm!

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Vorlage von Mara Henni Klimek

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Vorlage von Mara Henni Klimek

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• Cervantes. Don Quijote von der Mancha. Neu übersetzt von Susanne Lange. München 2011.

• Batz, Michael und Schroth, Horst. Theater grenzenlos. Helden. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg 1985. • Boie, Kirsten. Der kleine Ritter Trenk und fast das ganze Leben im Mittelalter - Ein Ritterabenteuer mit

ziemlich viel Sachwissen; Friedrich Oetinger Verlag, Hamburg 2012. • Gruber, Carola. Man nehme. In: Alles an seinem Platz. 66 mögliche Geschichten. Poetenladen. Leipzig

2008. • Rogge, Jan-Uwe und Bartram Angelika. Lasst die Kinder träumen.Warum Phantasie wichtiger ist als

Wissen. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbek bei Hamburg 2015. • https://de.wikipedia.org/wiki/Miguel_de_Cervantes (letzter Zugriff 17.Sep.2015)

Literaturverzeichnis

Jonathan Gyles

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Herausgegeben von:

GRIPS Theater GmbHAltonaer Straße 2210557 Berlinwww.grips-theater.de

Spielzeit: 2015/2016Künstlerischer Leiter: Stefan Fischer-FelsGeschäftsführer: Volker LudwigRedaktion: Stefan Fischer-Fels, Nora Hoch, Anne StrickFotos: David Baltzer / www.bildbuehne.de Satz: artkrise kommunikation]s[designArt Direktion: anschlaege.deTitelbild: Henrik Miers/ anschlaege.deDruck: Trigger CopyAufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher, Köln Premiere am 03. Oktober 2015 im Schloss NeuhardenbergBerlinpremiere am 07. Januar 2016 GRIPS Podewil

Impressum

DankWir danken Dr. Heike Kramer, Martin Siebert, Imke Tramnitz und allen Kolleginnen und Kollegen der Stif-tung Schloss Neuhardenberg, ohne die unser Don Quixote nie über die Bühne des Schlosses geritten wäre.

Und wir danken der 3. Klasse der Mendel Grundschule mit ihrer Lehrerin Frau Djerbba und der 3. Klasse der Herman-Nohl-Schule mit ihrer Lehrerin Frau Zahavi für die Probenbesuche und die Gespräche. Wir dan-ken auch den 3. Klassen der Grundschule Neuhardenberg und der Grundschule Seelow für die gemeinsame Zeit und die Gespräche im Klassenzimmer.

Übrigens!Das Begleitmaterial ist ab Januar 2016 auch als kostenloser DOWNLOAD erhältlich unter: grips-theater.de