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Rezensionen 333 Max Caspar: Johannes Kepler. Hrsg. von der Kepler-Gesellschaft, Weil der Stadt. Vierte Auflage. Nachdruck der Dritten Auflage, erganzt urn ein vollstandiges Quellenverzeichnis. Stuttgart (jetzt Bassum) : Verlag fur Geschichte der Naturwis- senschaften und der Technik 1995. 591 Seiten, ISBN 3-928186-28-0, DM 75. Caspars Johannes Kepler war mit seinem ersten Erscheinen im lese- und kulturhungrigen Nach- kriegsdeutschland von 1948 sogleich ein ,Klassi- ker' gewesen, der bereits 1958 in Dritter Auflage ebenfalls bei Kohlhammer in Stuttgart erscheinen mufite und immer noch die Standardbiographie Keplers ist. Das Werk zeichnet sich aus durch die gliickliche Verbindung von Werk- und Lebens- analyse, wobei die Darstellung natiirlich von den profunden Kenntnissen profitierte, die der Autor sich als Herausgeber der bis zu seinem Tode (1956) erschienenen Bande von Keplers Gesam- melten Werken (vor allem der astronomischen Werke), die er mit ausfiihrlich kommentierenden Nachberichten und erlauternden Anmerkungen versehen hatte, mit seinen mit ausfiihrlichen Ein- leitungen und Kommentaren versehenen Uberset- zungen (Mysterium cosmographicum 1923, Astro- nomia nova 1929, Harmonice mundi 1939; Johan- nes Kepler in seinen Briefen 2 Bde, 1930) sowie durch seine die Primar- und Sekundarliteratur umfassende Bibliogruphia Kepleriana (1936, er- weitert bis 1966/67 von Martha List 1968) erwor- ben hatte. Es war dann auch die von Clarisse Do- ris Hellman, die insbesondere durch ihre Arbeiten iiber Tycho Brahe hervorgetreten war, angefer- tigte, bereits 1959 bei Abelard-Schuman in Lon- don erschienene englische Ubersetzung dieses Werkes, die den von den politischen und gesell- schaftlichen Verhaltnissen im Deutschland der Glaubensspaltung vor dem Dreigigjahrigen Krieg gepragten, eigentlich so ,typisch deutschen' Na- turforscher und Denker, dessen theologisches Werk (fast im Gegensatz zu Isaac Newton) auch sein naturwissenschaftliches Denken gepragt hatte, erstmals auch dem englischsprachigen Pu- blikum naher brachte - und mit nochmaliger Ver- zogerung dann auch englische Ubersetzungen der Keplerschen Schriften veranlat3te, deren (,deut- sches') Latein ja auch von darin ungeiibten Hu- manisten nicht vie1 einfacher zu lesen ist als das mit lateinischen Sentenzen durchsetzte barocke Deutsch der volkssprachigen Schriften Keplers. Es war stets bedauerlich und ein groges Arger- nis, bei der Lektiire von Caspars Biographie im Gedachtnis und in den Schriften und Briefen auf die Suche gehen zu miissen, wo denn Kepler das Zitierte gesagt haben konnte, wobei zitiertes handschriftliches Material sogar zur Zeit der Ab- fassung und lange danach nur dem Autor und sei- ner Mitarbeiterin bekannt war; denn alles ist zwar gut recherchiert und in den Einzelfakten er- staunlich fehlerfrei berichtet, aber kein Zitat und keine Nachricht ist belegt - trotz der intensiven Beteiligung von Martha List, ,,Mitarbeiterin bei der Gesamtausgabe der Werke Keplers", die ,,mit ihrer ausgezeichneten Kenntnis des handschrift- lichen Materials [ihm] bei der Auswahl, Sichtung und Zusammenstellung des zu verarbeitenden Stoffes wertvolle Dienste geleistet" hatte (S. 11). Diesem Manko hatte immerhin C. D. Hellman mit einigen ,,Bibliographical References" als An- hang und wenigen erlauternden Fuanoten abzu- helfen versucht, ohne allerdings bereits alles bele- gen zu konnen. Dieses ist erst Owen Gingerich aus Anlag eines Neudrucks der Caspar-Hellman- schen Biographie innerhalb der Reihe ,Dover Books' (New York 1993) gelungen, wozu er ne- ben dem auf dem Titelblatt genannten Alain Se- gonds eine Reihe von Spezialisten fur einzelne Themen zu Rate zog (siehe S. 477 des vorliegen- den Neudrucks). Das veranlagte dann die Kepler- Gesellschaft in Weil der Stadt, diese Nachweise in einen Neudruck der Casparschen Biographie, wozu sich der Verlag schnell bereit erklarte, zu iibernehmen - natiirlich nicht unverandert, son- dern auf den unverandert photomechanisch iiber- nommenen Text der deutschen Ausgabe bezogen und unter Beriicksichtigung der vorliegenden deutschen Ubersetzungen. Fur diese Arbeiten konnte die Gesellschaft ihr Mitglied Andrea Himmelsbach M.A. gewinnen; und sie hat sich dieser Aufgabe im grogen und ganzen auch bra- vouros entledigt, so dai3 Caspars Darstellung des Lebens- und Leidensweges von Kepler jetzt auch fur den deutschen Leser an seinen Quellen nach- vollzogen werden kann. Auch jeder Besitzer einer der drei friiheren Auflagen kommt nicht ohne diese neue Bearbeitung aus; und das Werk wird viele neue Leser finden, die ebenfalls vom Le- bensweg dieser Gestalt deutscher Kultur gefesselt sein werden. Dem Verdienst des Verlages und der Kepler- Gesellschaft um die Neuausgabe tut es nur wenig Abbruch, wenn auch auf deren Mange1 hingewie- sen wird: Vollig unsinnig ist natiirlich der Ab- druck der drei Seiten ,Literaturhinweise' von Ca- spar aus dem Jahre 1947, die hoffnungslos veraltet und grogtenteils auch iiberholt sind (S. 467-469), zumal S. 577-588 Gingerichs ,Bibliographical Re- ferences' von 1993 (S. 391-397) mit wortlicher Ubersetzung seiner einleitenden Bemerkungen Ber.Wissenschaftsgesch. 20 (1997) 333-335

Max Caspar: Johannes Kepler. Hrsg. von der Kepler-Gesellschaft, Weil der Stadt. Vierte Auflage. Nachdruck der Dritten Auflage, ergänzt um ein vollständiges Quellenverzeichnis. Stuttgart

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Rezensionen 333

Max Caspar: Johannes Kepler. Hrsg. von der Kepler-Gesellschaft, Weil der Stadt. Vierte Auflage. Nachdruck der Dritten Auflage, erganzt urn ein vollstandiges Quellenverzeichnis. Stuttgart (jetzt Bassum) : Verlag fur Geschichte der Naturwis- senschaften und der Technik 1995. 591 Seiten, ISBN 3-928186-28-0, DM 75.

Caspars Johannes Kepler war mit seinem ersten Erscheinen im lese- und kulturhungrigen Nach- kriegsdeutschland von 1948 sogleich ein ,Klassi- ker' gewesen, der bereits 1958 in Dritter Auflage ebenfalls bei Kohlhammer in Stuttgart erscheinen mufite und immer noch die Standardbiographie Keplers ist. Das Werk zeichnet sich aus durch die gliickliche Verbindung von Werk- und Lebens- analyse, wobei die Darstellung natiirlich von den profunden Kenntnissen profitierte, die der Autor sich als Herausgeber der bis zu seinem Tode (1956) erschienenen Bande von Keplers Gesam- melten Werken (vor allem der astronomischen Werke), die er mit ausfiihrlich kommentierenden Nachberichten und erlauternden Anmerkungen versehen hatte, mit seinen mit ausfiihrlichen Ein- leitungen und Kommentaren versehenen Uberset- zungen (Mysterium cosmographicum 1923, Astro- nomia nova 1929, Harmonice mundi 1939; Johan- nes Kepler in seinen Briefen 2 Bde, 1930) sowie durch seine die Primar- und Sekundarliteratur umfassende Bibliogruphia Kepleriana (1936, er- weitert bis 1966/67 von Martha List 1968) erwor- ben hatte. Es war dann auch die von Clarisse Do- ris Hellman, die insbesondere durch ihre Arbeiten iiber Tycho Brahe hervorgetreten war, angefer- tigte, bereits 1959 bei Abelard-Schuman in Lon- don erschienene englische Ubersetzung dieses Werkes, die den von den politischen und gesell- schaftlichen Verhaltnissen im Deutschland der Glaubensspaltung vor dem Dreigigjahrigen Krieg gepragten, eigentlich so ,typisch deutschen' Na- turforscher und Denker, dessen theologisches Werk (fast im Gegensatz zu Isaac Newton) auch sein naturwissenschaftliches Denken gepragt hatte, erstmals auch dem englischsprachigen Pu- blikum naher brachte - und mit nochmaliger Ver- zogerung dann auch englische Ubersetzungen der Keplerschen Schriften veranlat3te, deren (,deut- sches') Latein ja auch von darin ungeiibten Hu- manisten nicht vie1 einfacher zu lesen ist als das mit lateinischen Sentenzen durchsetzte barocke Deutsch der volkssprachigen Schriften Keplers.

Es war stets bedauerlich und ein groges Arger- nis, bei der Lektiire von Caspars Biographie im Gedachtnis und in den Schriften und Briefen auf die Suche gehen zu miissen, wo denn Kepler das Zitierte gesagt haben konnte, wobei zitiertes handschriftliches Material sogar zur Zeit der Ab- fassung und lange danach nur dem Autor und sei- ner Mitarbeiterin bekannt war; denn alles ist

zwar gut recherchiert und in den Einzelfakten er- staunlich fehlerfrei berichtet, aber kein Zitat und keine Nachricht ist belegt - trotz der intensiven Beteiligung von Martha List, ,,Mitarbeiterin bei der Gesamtausgabe der Werke Keplers", die ,,mit ihrer ausgezeichneten Kenntnis des handschrift- lichen Materials [ihm] bei der Auswahl, Sichtung und Zusammenstellung des zu verarbeitenden Stoffes wertvolle Dienste geleistet" hatte (S. 11) . Diesem Manko hatte immerhin C. D. Hellman mit einigen ,,Bibliographical References" als An- hang und wenigen erlauternden Fuanoten abzu- helfen versucht, ohne allerdings bereits alles bele- gen zu konnen. Dieses ist erst Owen Gingerich aus Anlag eines Neudrucks der Caspar-Hellman- schen Biographie innerhalb der Reihe ,Dover Books' (New York 1993) gelungen, wozu er ne- ben dem auf dem Titelblatt genannten Alain Se- gonds eine Reihe von Spezialisten fur einzelne Themen zu Rate zog (siehe S. 477 des vorliegen- den Neudrucks). Das veranlagte dann die Kepler- Gesellschaft in Weil der Stadt, diese Nachweise in einen Neudruck der Casparschen Biographie, wozu sich der Verlag schnell bereit erklarte, zu iibernehmen - natiirlich nicht unverandert, son- dern auf den unverandert photomechanisch iiber- nommenen Text der deutschen Ausgabe bezogen und unter Beriicksichtigung der vorliegenden deutschen Ubersetzungen. Fur diese Arbeiten konnte die Gesellschaft ihr Mitglied Andrea Himmelsbach M.A. gewinnen; und sie hat sich dieser Aufgabe im grogen und ganzen auch bra- vouros entledigt, so dai3 Caspars Darstellung des Lebens- und Leidensweges von Kepler jetzt auch fur den deutschen Leser an seinen Quellen nach- vollzogen werden kann. Auch jeder Besitzer einer der drei friiheren Auflagen kommt nicht ohne diese neue Bearbeitung aus; und das Werk wird viele neue Leser finden, die ebenfalls vom Le- bensweg dieser Gestalt deutscher Kultur gefesselt sein werden.

Dem Verdienst des Verlages und der Kepler- Gesellschaft um die Neuausgabe tut es nur wenig Abbruch, wenn auch auf deren Mange1 hingewie- sen wird: Vollig unsinnig ist natiirlich der Ab- druck der drei Seiten ,Literaturhinweise' von Ca- spar aus dem Jahre 1947, die hoffnungslos veraltet und grogtenteils auch iiberholt sind (S. 467-469), zumal S. 577-588 Gingerichs ,Bibliographical Re- ferences' von 1993 (S. 391-397) mit wortlicher Ubersetzung seiner einleitenden Bemerkungen

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iibernommen wurden (hier hatte statt des ,,1937-" fur die Ausgabe der Gesammelten Werke darauf hingewiesen werden konnen, da8 iiberhaupt nur noch ein Band fehlt, und den Banden neben dem Inhalt das bei Gingerich fehlende Erscheinungs- jahr hinzugefiigt werden sollen). Diese werden im ersten Teil lediglich innerhalb des ,Gedruckten Schrifttums von Johannes Kepler' erganzt durch die bei ihm nicht genannten Hefte der Nova Ke- pleriana und meine Ausgabe des Zrt ius interne- niens (S. 579) und in der Anordnung durch die Umstellung der wenigstens durch vier Uberset- zungen erganzten Angaben zu ,deutschen Uber- setzungen' vor die zu ,englischen Ubersetzungen'. Gingerich hatte allerdings jeweils nur die ,,princi- pal translations" genannt; und so fehlt auch in der ,deutschen Ubersetzung' weiterhin Ferdinand Plehns Ubertragung des Kapitels 5 der Paralzpo- menu (1920/21) und zu den Grundlagen der geo- metriscben Optik der Hinweis, da8 hier daraus nur die Kapitel 2-4 ubersetzt sind; fur einen jiin- geren deutschen Leser ware es naturlich auch in- teressant zu erfahren, welche Ubersetzungen als Nachdruck noch auf dem Buchmarkt zu erwer- ben sind, wahrend man bei noch vor 1989 in Leipzig erfolgten Neudrucken von Heften der Reihe ,Ostwalds Klassiker' andererseits die An- gabe vermigt, wann die Originalausgabe erschie- nen war. Von den Neuaufnahmen niitzt die blo8e Nennung des Titels Unterredung mit dem Ster- nenboten niemandem etwas, der nicht an dem IAU-KongreQ 1964 in Hamburg teilgenommen hat und noch weii3, da8 die gemeinte Uberset- zung als Beigabe zu einem aus diesem Anla8 ver- anstalteten Faksimiledruck der Dissertdtio cum nuncio sidereo erschien.

Gingerich hatte die bei ihm systematisch geord- neten ,Bibliographical References' vor die ,Biblio- graphical Citations' gesetzt, weil die genannten Ausgaben und Ubersetzungen sowie die Sekun- darliteratur innerhalb letzterer zitiert werden; Frau Himmelsbach dreht die Reihenfolge um - mit der Konsequenz, da8 sie samtliche Titel von modernen Kepler-Ubersetzungen und der Sekun- darliteratur ersteinmal vollstandig innerhalb der ,Quellennachweis[e]' (S. 477-576) nennt, um sie dann in derselben Form in der von ihr alphabe- tisch umgeordneten ,Bibliographic‘ (S. 577-588), was die ,References' von Gingerich aber nicht sein wollen, zu wiederholen. (Nur an zwei Stellen verweist sie auf einen Titel durch Namen und Er- scheinungsjahr, was stets vollig ausgereicht hatte.) Hieraus erklart sich dann auch die vermeintliche Erganzung der Literaturangaben bei Gingerich um einen Abschnitt 111: ,,Weitere Literatur", der im ersten Eindruck als ein buntes Sammelsurium von Rand- und Spezialliteratur erscheint, sich bei

naherem Hinsehen aber als Zusammenstellung samtlicher bei Gingerich in den ,Citations' ge- nannten (und von der Bearbeiterin im ,Quellen- nachweis' teilweise, und wenn auch nur urn fiinf Verlagsorte statt des einen bei Gingerich, erganz- ten), jedoch nicht in seine ,References' aufgenom- menen Titel entpuppt, von denen sie annahm, daQ sie nicht zur ,Kepler-Literatur' zu rechnen seien; denn samtliche Erganzungen uber Gingerichs ,References' hinaus im Abschnitt I1 (,,Werke iiber Johannes Kepler") entstammen ebenfalls den Ci- tations/Quellennachweisen - wobei aber immer- hin einige wenige FuQnoten von C. D. Hellman (nicht von 1993, sondern schon von 1959!) mit ihren Literaturangaben in die ,Quellennach- weis[e]' iibernommen wurden. Dafi es sich bei diesen Erganzungen zum gro8en Teil urn die deutschen Titel handelt, hangt eben damit zusam- men, daQ Gingerich sie seinem englischsprachigen Publikum nicht als ,weiterfiihrende Literatur' im Verzeichnis zumuten wollte, und nicht etwa da- mit, da8 die Bearbeiterin deutsche Literatur hatte erganzen wollen, aber natiirlich fur das deutsche Lesepublikum hatte erganzen miissen (!). So tre- ten neben vielen in Deutschland gar nicht verfiig- baren Titeln aus popularen und halbpopularen amerikanischen Publikationen deutsche Schriften, von denen es eine englische Ubersetzung gibt, bei Gingerich natiirlich mit dem englischen litel, wenn auch mit dem Hinweis darauf, daQ es sich urn eine Ubersetzung handelt, auf, was sie ebenso getreulich (wenn auch leider nicht wortlich) iiber- nimmt, wie sie es unterlafit, von englischen Arbei- ten existierende deutsche Ubersetzungen zu nen- nen. So wird selbst das ja schliefllich hier als Nachdruck vorgelegte Werk ziriert als: ,,Caspar, Max: Kepler. Hrsg. u. Ubs. Doris Hellman. New York 1993" (weiterhin etwa: W. Pauli, E. Zinner), wird beispielsweise statt A. Koestlers Die Nacbt- wandler (Bern 1959) ein Auszug im englischen Original (The Watershed, Garden City 1960) ge- nannt, und werden in den Quellennachweisen ne- ben den au8erst verdienstvollen Hinweisen auf die Belegstellen in deutschen Kepler-Ubersetzun- gen dann auch aus Gingerich noch die Belege in englischen Ubersetzungen, die zudem mit vollem Titel aufgefiihrt werden, iibernommen. Statt der Ubernahme des Hinweises zu Gingerichs Kepler- Artikel im Dictionary of Scientific Biography (Bd 7, 1973): ,,dieser Artikel beinhaltet eine um- fassende Bibliographie zu Johannes Kepler" (S. 584), hatte auf die oben schon genannte voll- standige Bibliograpbia Kepleriana ('1 968) hinge- wiesen werden mussen, die Martha List fur die Jahre 1967-1975 liickenlos erganzte in: Vistas in Astronomy 18 (1975), 955-1010. Interessant, aber ebenso unverstandlich ist etwa auch, daQ Frau

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Himmelsbach die von Gingerich in den ,Referen- ces' genannten Einzeltitel aus dem Internutionu- len Kepler-Symposium Weil der Studt 1971 (Hil- desheim 1973) - Sammelbande werden abwei- chend von Gingerich einmal unter dem Namen des (ersten) Herausgebers, einmal (wie hier) unter dem 'Iitel genannt - ubrigens als einzige streicht (E. Aiton, G. Buchdahl, J. Mittelstrag, R. S. West- man), dafiir aber von ihm selbst in den ,Citations' nicht genannte daraus, wiederum neben dem fol- genden als einzige 'Iitel, zusatzlich aufnimmt (F. D. Prager, F. Seck). Die daneben neu aufge- nommene, jetzt maggebliche Ausgabe von N. Co- pernicus' De revolutionibus vermutet man natiir- lich nicht unter Nicolaus C., zumal die Faksimile- Ausgabe mit Keplers Eintragungen wie bei Gin- gerich (fur einen Mitteleuropaer sollte allerdings die Original-: ,Leipzig 1965' und nicht die Li- zenzausgabe: ,,New York/London 1965" genannt werden) richtig unter Copernicus eingeordnet ist. Auch mit ,,Friedlein, Godofredi (Hrsg.): In Eucli- dem. Leipzig 1873" (S. 587) werden die wenigsten etwas anfangen konnen; gemeint ist: Procli Diu- dochi in primum Euclidis elementorum librum cornmenturii, ex recognitione Godofredi [Genitiv!] Friedlein. Man sollte schon wissen, worum es geht, um die gelegentlich ungliicklich kurzen For- mulierungen bei Gingerich richtig auflosen zu konnen, oder zumindest das Werk einsehen. Dann konnte auch nicht ein Hinweis wie auf S. 576 passieren: ,,siehe: I. B. Corken in: Vistas in Astronomy 18 (1975), S. 12f."; hierbei handelt es sich um den Hinweis auf einen Aufsatz von I. Bernard Cohen (,,Kepler's Century: Prelude to Newton's") in dem auf S. 582 (unvollstandig) un- ter den Herausgebern A. und P. Beer aufgefiihr- ten, als Band 18 (1975) von Vistas in Astronomy erschienenen Sammelband Kepler - Four Hundred

Years: Proceedings of Conferences Held in Ho- nour of Johannes Kepler (S . 3-36).

Dennoch: man wird mit dieser Ausgabe leben mussen; und dem Verlag sei fur sein Engagement gedankt, bei dem Nachdruck eines gefragten Wer- kes auch eine aktualisierende Bearbeitung zuge- lassen zu haben. Es ist nur schade, dad der von Caspar offensichtlich gewollte oder doch in Kauf genommene Torso - der nun gerade im Falle Cas- pars und der von ihm zum groden Teil selbst ge- schaffenen Kepler-Literatur nicht mit der Biblio- thekssituation der Nachkriegszeit in Deutschland entschuldigt werden kann, wie es etwa Albert van Helden in einer Rezension der Dover-Ausgabe in der Isis 87 (1996), 165f., in gewohnter Zuriickhal- rung tut - trotz allen Fleides der Bearbeiterin weiterhin ein weit hinter der englischen Ausgabe von Gingerich zuriickbleibendes Provisorium ge- blieben ist, das zwar bei den Belegstellen auf den deutschen Leser Riicksicht nimmt (!), nicht aber bei den Literaturhinweisen in den erlauternden Anmerkungen und in der Bibliographie. In deut- scher Sprache gibt es namlich in den meisten Fal- len zumindest gleichwertige und in deutschen Bi- bliotheken zugangliche Literatur; und in der Kep- ler-Gesellschaft hatte sich eigentlich ein Kenner der Kepler-Literatur finden lassen miissen, der vor dem von ihr herausgegebenen und verantwor- teten Druck einen Blick in das Manuskript hatte werfen konnen (?). Auch eine Bearbeitung des ,,Index of Subjects and Places", den Gingerich fur die englische Neuausgabe erstellte (1993, S. 437- 441) und den van Helden mit Recht so sehr be- griidte, scheint fur die deutsche Neuausgabe ne- ben Caspars ,Namenregister' gar nicht erst in Er- wagung gezogen worden zu sein, so dad man hierzu auf die englische Dover-Ausgabe zuruck- greifen mug. Fritz Krafft, Marburg

Lynn K. Nyhart: Biology Takes Form: Animal Morpholo y and the German

414 Seiten. Universities, 1800-1900. Chicago/London: The University o B Chicago Press 1995,

Lynn Nyharts Buch mit dem schonen doppeldeu- tigen Titel Biology Takes Form ist eine breit ange- legte und griindlich recherchierte Studie iiber die Entwicklung der 'Iiermorphologie an deutschen Universitaten im 19. Jahrhundert (allerdings unter etwas willkiirlichem Ausschlufl der angrenzenden deutschsprachigen Lander). Nyhart sieht die Ent- wicklung morphologischer Forschung eingebettet in das umfassendere Unternehmen einer ,,wissen- schaftlichen Zoologie", die ihren theoretischen Or t durch die Abgrenzung von der traditionellen Systematik ebenso wie von einer vorwiegend am Experiment orientierten Physiologie gewann.

Nyhart argumentiert, daB E.S. Russells klassi- sche chronologische Dreiteilung der Geschichte der Morphologie im 19. Jahrhundert von einer idealistischen iiber eine evolutionare zu einer kau- salen Morphologie sich im Licht einer detaillierten Analyse als zu holzschnittartig erweist. Sie sieht in diesen Einteilungen vielmehr teils ineinander iiber- gehende, teils einander ablosende, teils aber auch miteinander koexistierende Forschungsrichtungen oder ,,Orientierungen" mit jeweils lokal unter- schiedlicher Auspragung, die ihre Nische im ent- stehenden akademischen Disziplinengefiige zwi- schen Zoologie und Anatomie fanden.

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