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MEDICAL FITNESS FASZIEN Starke Hülle - ist.de · PDF fileEin im Yoga bisher wenig beachtetes Körpergewebe sorgt derzeit für Schlagzeilen. Jeder hat es, doch keiner kennt es wirklich

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Faszien (lat: fascia; Verbund, Bün-del, Band) kommen im ganzenKörper vor. Sie umhüllen Mus-

keln, Organe und Knochen, ja sogar un-sere Blutgefäße. Je nachdem, wo dieFaszien im Körper vorkommen, habensie einen unterschiedlichen Aufbaubzw. eine andere Struktur. Die Binde-gewebshüllen, -stränge und -schichtenbilden ein fast alles umhüllendes, hal-tendes, stützendes, durchdringendesund verbindendes Netzwerk im Körper.Die kollagenen Fasern durchziehenden gesamten Körper in jede denkbareRichtung – von oben nach unten, von

vorn nach hinten, von innen nach au-ßen. Dieses Netzwerk sorgt dafür, dassalles mit allem verbunden ist; es erhältunsere strukturelle Integrität und sorgtdafür, dass die verschiedenen Teile un-seres Körpers zu einem Ganzen zusam-mengefügt sind und bleiben.

Zum besseren Verständnis verglei-chen wir Faszien mit der weiß-gelbli-chen Haut, die die Orange umhüllt. Sieteilt die Frucht außerdem in einzelnehalbmondförmige Schnitze. Innerhalbdieser Schnitze ist das Fruchtfleischvon einer noch feineren Haut in ganzkleine Fruchtbläschen geteilt.

Internationale FaszienforschungIn der Wissenschaft sind die Faszien na-türlich schon lange bekannt. Jahrzehn-telang wusste man aber nicht so recht,welche Bedeutung sie wirklich haben.Erst seit Kurzem enthüllen immer mehrUntersuchungen, welche ausschlagge-bende Rolle sie für die Gesundheitspielen. Bis vor nicht langer Zeit galt dasdie Muskeln umhüllende Bindegewebein der Sportwissenschaft als reines „Ver-packungsmaterial“. Heute und nachzahlreichen Forschungsergebnissenwird klar, welch weitreichenden Einfluss

Starke HülleFaszientraining im Yoga

Ein im Yoga bisher wenig beachtetes Körpergewebe sorgt derzeit für Schlagzeilen. Jeder hat es, doch keiner kennt es wirklich. Die Rede ist von Faszien. Techniken aus dem innovativen

Faszientraining sorgen jetzt auch beim traditio nellen Yoga für neue Trainingsreize.

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und maßgebliche Bedeutung diesem al-les verbindenden Gewebe zukommt – fürunsere Gesundheit, Schmerzempfindlich-keit, Wundheilung, Leistungsfähigkeit,Beweglichkeit und Eigenwahrnehmung.

Ein bekannter Faszienforscher istThomas Myers, der seine Erfahrungen imBuch „Anatomy Trains“ beschreibt. InDeutschland haben Faszienforscher rundum Dr. Robert Schleip, Leiter des FasciaResearch Projects am Institut für Neuro-physiologie der Universität Ulm, konkre-te trainingsmethodische und didaktischeEmpfehlungen, basierend auf ihren Er-kenntnissen, extrahiert. Diese neuenEinsichten der internationalen Faszien-forschung führen zu konkreten Anwen-dungsempfehlungen in der Praxis.

Sinnesorgan FaszienDas muskuläre Bindegewebe formt, or-ganisiert und strukturiert und ist das „al-les mit allem“ verbindende Gewebe.Durch Faszien übertragen Muskeln ihreKraft. Sie enthalten praktisch keine Blut-gefäße, dafür umso mehr Nervenenden,Rezeptoren sowie Lymphflüssigkeit. Fei-ne Messfühler für die Körperwahrneh-mung wurden auch in den Faszien ent-deckt, was sie zu einem Sinnesorganmacht. Je elastischer und geschmeidigerdas muskuläre Bindegewebe ist, destobesser steht es um unsere Körperwahr-nehmung und Koordination. Durch diebessere Koordination und Eigenwahr-nehmung reduziert sich auch das Risiko,über eine längere Zeit in einer ungünsti-gen Körperhaltung zu „verharren“, diedie Wirbelsäule schädigen könnte.

Faszien sind also sehr flexibel undpassen sich der Belastung und Bean-spruchung an. Faszien geben den Mus-keln ihre Form und sie verdicken und ver-dichten sich, wenn sie ständig exzessivenBelastungen ausgesetzt sind. Bei chroni-schen Schmerzen hat die neuste For-schung beobachtet, dass sich Faszienverdicken und „verfilzen“. Damit geht einVerlust an Elastizität einher, der zu Stei-figkeit und einer schlechten Funktionsfä-higkeit führt und Schmerzen verursacht.

Faszien haben die Fähigkeit, sich un-abhängig von den Muskeln zusammen-zuziehen. Stress beispielsweise lässt dieSpannung in den Faszien enorm steigen.Will man der neusten Forschung Glau-ben schenken, so gelten bei Rückenbe-schwerden nicht mehr die Knochen,Bandscheiben und Muskeln, sondern

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Mögliche Techniken des Faszientrainings

Die Zugangswege sind:

� Myofasziale Release-Techniken

Bei der myofaszialen Self-Release-Technikrollt der Übende bestimmte Bereiche des Kör-pers über verschieden große und feste Bällebzw. eine Rolle. Bei dieser Technik könnendie großen, oberflächlichen Muskelgruppengut erreicht werden. Durch den Druck, derauf das Gewebe einwirkt, wird die Hydrationdes Bindegewebes angeregt.

� Rebound-Elastizität – Katapult-Mechanismus

Die Rebound-Elastizität kommt v.a. bei einerschnellen Kraftentwicklung, wie z.B. einemSprung, zum Zug. Faszien können unabhän-gig von Muskeln kontrahieren und ihre Kraftentfalten. Diese Art der Speicherenergie kannmit entsprechenden Übungen trainiert wer-den. Bei dieser Technik geht es darum, in ei-ne der eigentlichen Bewegung entgegenge-setzten Vorspannung zu gehen, wie z.B. beimBogenschießen beobachtet werden kann.Aber auch alle, die schon mal eine Katze be-obachtet haben, die zu einem Sprung auf denTisch ansetzt, konnten erkennen, dass dasTier seinen Hintern etwas zurückzieht, bevores – ganz präzise, sanft und leise – abspringt.Frösche und Heuschrecken, ihrerseits begna-dete Springer, profitieren auch von der Spei-cherenergie ihrer Faszien – zumal sie kaumMuskelmasse in nennenswerter Menge vor-weisen können.

� Dynamische Dehnungen

Im Gegensatz zu den gehaltenen, statischenDehnungen, werden die Dehnungen weichund elastisch mit einer hohen Konzentrationund Achtsamkeit ausgeführt und mit einembewussten Atem begleitet. Dabei werden so-wohl schnelle wie auch langsame Dehnimpul-se gesetzt. Statt einzelne Muskelgruppen iso-liert zu dehnen, liegt der Fokus darauf, mög-lichst lange myofasziale Ketten zu erreichen.Innerhalb der Dehnung werden zudem multi-direktionale Varianten dynamisch angewandt,wie z.B. spiralförmige, diagonale oder seitli-che Modifikationen innerhalb der Position.

� Fluid Refinement – Mikrobewegungen

Die Faszienforscher haben entdeckt, dass in-nerhalb der Faszien die meiste sensorischeWahrnehmung stattfindet, weil sich dort etwasechsmal mehr Rezeptoren befinden als z.B.in den Muskeln oder Gelenken. Fließende Be-wegungen fördern im Fluid Refinement dieGanzkörperkoordination und fordern Kraftund Beweglichkeit in gleichem Maße. Mitkleinsten sogenannten Mikrobewegungenwird das eigene Bewegungspotenzial in ver-schiedenen Haltungen achtsam erforscht underweitert.

Ganz unabhängig von der angewandten Tech-nik ist es essentiell, nicht nur die Verläufe derverschiedenen Faszienlinien zu kennen, son-dern auch die einzelnen Schlüsselstellen ent-lang der jeweiligen Faszienlinie. Mit einer ent-sprechenden Visualisierung während derÜbung sind die Interventionen präziser undnachhaltiger.

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das Bindegewebe bzw. die verhärteteFaszie als der Hauptakteur bei Schmer-zen. Die Faszienforscher um RobertSchleip vermuten, dass viele Rücken-schmerzen ihre Ursache im muskulärenBindegewebe haben. Fehlt dem Binde-gewebe Kraft und Elastizität, könnenkleine Risse und Wunden, aber auch Ver-filzungen und Verhärtungen im Bindege-webe entstehen und die wahren Gründefür Rückenschmerzen sein. Falsche Sig-nale kommen dann von den gestörtenFaszien zu den Muskeln. Die Folge ist,dass die Muskeln verkrampfen und nichtmehr richtig arbeiten. Entzündungsstof-fe, die die gestörten Faszien ausschüt-ten, wurden ebenfalls nachgewiesen.Möglicherweise sind diese Prozesse derGrund für chronische Rückenschmerzen.

Diese neue Sicht auf Rückenschmer-zen wird zurzeit weltweit diskutiert. Inden Faszien beginnt der Heilungspro-zess, wenn man gezielt auf sie einwirkt.Neue Übungen sollen das Bindegewebedehnen und anregen. Dies ist auch einneuer Erklärungsansatz für die Effektevon Akupunktur und Yoga.

Faszien trainierenFaszien sind Gegenstand wissenschaftli-cher Forschung, die in den letzten Jahrenverstärkt betrieben wurden. Es mehrensich die Erkenntnisse, dass das Gewebebeeinflussbar ist und unterschiedlicheZugangswege zu ihm bestehen. Fasziensind also trainierbar und haben einenEinfluss auf unsere Muskulatur, unsereHaltung, unsere Bewegungen und unserSchmerzempfinden. Aktuelle Forschun-gen belegen den wesentlichen Beitragder Faszien zur Kraftübertragung als propriozeptives Sinnesorgan und alsglobales federndes Spannungsnetzwerk.(Techniken siehe Kasten S. 67)

Wann sind erste „Trainings -erfolge“ spürbar?Bei den myofaszialen Self-Release-Tech-niken, bei denen über die Triggerpunktefasziale Spannungen gelöst werden, sinddie Erfolge direkt nach der Übung spür-bar. Allerdings ist dieser Effekt nicht langanhaltend. Es bedarf einer regelmäßigen„Faszienpflege“ mit entsprechendenÜbungen für einen nachhaltigen Effekt.Experten sprechen von ein bis zwei Jah-ren, bis sich die kollagenen Fasern er-neuert/neu organisiert haben und sichdies in einem geschmeidigen, gut koor-dinierten Körper zeigt.

Yoga und FaszientrainingDie größte Wichtigkeit besteht im Erhal-ten der Geschmeidigkeit und Elastizitätder Faszien. Sind die Faszien verklebt,leidet die Gelenkigkeit und Beweglich-keit, was das Risiko für Überlastungs-schäden erhöht. Das fasziale Gewebereagiert hauptsächlich auf Dehnreize.Yoga bietet eine gute Möglichkeit, denganzen Körper gut zu dehnen. Das inten-sive Dehnen regt die Bindegewebszellendazu an, altes Kollagen durch neues undgeschmeidiges Gewebe zu ersetzen. DasResultat ist eine gesteigerte Körper-wahrnehmung, eine größere Gelenkig-keit und Sinnlichkeit.

Stellen Sie sich vor: Sie trainieren Yo-ga in einer engen Jeans. Die Jeans ver-hindert, dass Sie den gesamten Bewe-gungsumfang Ihrer Gelenke und Mus-keln ausnutzen können, und behinderteine geschmeidige, großzügige Bewe-gung – auch wenn die Muskeln die Be-weglichkeit hätten, kommen Sie nicht indie entsprechenden Positionen. EtwasÄhnliches geschieht im Körper, wenn diebindegewebige Hülle um die Muskelnverklebt und verhärtet ist.

Im Yogaunterricht können haupt-sächlich folgende Techniken eingesetztwerden, um auf die Faszien zu wirken:� Myofasziale Self-Release-Technikenmit einem Yogablock oder einem Ball alsVorbereitung, z.B. auf eine Vor- oderRückbeuge.� Dynamische Dehnungen in den ein-zelnen Haltungen, bei denen bewusstmit dem Prinzip von „spanda“ und den „5prana-vayus“ trainiert wird. Die Haltun-gen werden lebendig durch den Atem,welches sich über ein Verkörpern vonz.B. apana und prana vayu oder samanaund viyana vayu ausdrückt.� Mit den hands-on-assists z.B. wirkenwir auf der Ebene der Faszien. Bindege-webe hat eine emotionale Erinnerung.Schmerz, Verletzungen und andere Emo-tionen werden im Körper u.a. im Binde-gewebe eingelagert. Deshalb kann essein, dass Teilnehmer/-innen emotionalreagieren, wenn viel assists gegebenwerden. Mit hands-on-assists geben wirdem Nervensystem Impulse, um dieneuromuskulären Wege zu nutzen. Lucia Nirmala Schmidt

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Lucia Nirmala Schmidt (Bewe-gungspädagogin, Yogalehrerin,Buchautorin) hat zusammen mitAnnette Bach das Bewegungs-konzept Spiral-Tensegrity® ent-wickelt. Es verbindet klassische

Yogahaltungen, impulsgebende Atmung unddreidimensionale Dehn- bzw. Federspan-nung. Das Konzept orientiert sich dabei an ei-ner 3-D-Sensibilisierung sowie wellen- undspiralförmigen Mobilisierungsübungen, diedie Eigenwahrnehmung verfeinern und Be-wegungspotenziale spüren lassen. Der Spi-ral-Tensegrity®-Leitgedanke wird in passen-de und einzelne Yogahaltungen umgesetzt.

Infos: www.body-mind-spirit.ch und www.annette-bach.de

Das Bewegungskonzept „Spiral-Tensegrity“ von Annette Bach ist eine Verbindung aus klassischen Yoga-Haltungen, Impuls gebender Atmung und dreidimensionaler Dehn- bzw. Federspannung im Raum. Das Besondere ist die Wirkung auf die Praxis, nämlich die Erfahrung von Leichtigkeit, Weite und Offenheit in Kombination mit innerer Zentriertheit.