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MEDIEN UND WIRKLICHKEITSKONSTRUKTION 1 Medien und Wirklichkeitskonstruktion Haben uns mediale Bilderfluten noch etwas zu sagen? Konstruieren Medien Wirklichkeit? Dürfen die das? Ist es nicht ihre ureigenste Aufgabe objektiv Realität zu transportieren – oder wozu machen wir Fotos, filmen Ereignisse, schreiben Berichte, wenn nicht in erster Linie um zu doku- mentieren, objektiv zu informieren? Auf Medien in der Hand von Künstlern sei hier einmal nicht eingegangen – ihnen gestehen wir künstlerische Freiheit zu und meinen damit, es ist ihnen erlaubt, ja vielleicht ist es von ihnen sogar gefordert, künstliche Realitäten zu konstruieren. Kommt Kunst von künstlich? Und was ist im Gegensatz dazu real? Der Realist kommt in ein Dilemma, weil er sein Wissen als Wissen von der Realität auffassen will, zugleich aber nicht in der Lage ist, die Wahrheit im Sin- ne der Übereinstimmung Wissen – Realität zu überprüfen. Wie können wir das Bild, welches uns durch die Sinnesorgane vom Objekt in der Außenwelt gege- ben wird, auf seine Übereinstimmung mit dem Objekt selber überprüfen? „Da wir zu diesem Objekt ‚draussen’ keinen Zugang haben ausser durch den Prozess der Wahrnehmung, werden wir nie imstande sein festzustellen, ob un- sere Perzepte genaue oder wahrhaftige Abbildungen jenes Objektes sind oder nicht... Wenn irgendetwas nämlich absolut genannt werden kann, dann ist es die Unmöglichkeit, den Grad der Übereinstimmung zwischen dem Perzept und jenem phantomartigen Objekt der Aussenwelt zu ermitteln, das es angeb- lich verursacht hat.“ 1 Ausgehend von der epistemologischen Auffassung, dass die Welt nur die sub- jektive Erfahrungswelt und nicht die ontologische Realität sein kann, ist es der Anspruch auf Objektivität der aufgegeben werden muss. Wenn Kritiker der elektronischen Medien nun klagen, die neuen Medien würden nicht die Wirk- lichkeit repräsentieren, dann beziehen sie sich implizit auf ein abbildtheoreti- sches Konzept einer wirklichen Wirklichkeit, in der eine uncodierte Wirklich- keitserfahrung möglich sein soll, die als solche aber nie existiert hat. Im Florenz Anfang des fünfzehnten Jahrhun- derts gelang es dem jungen Baumeister Filippo Bruneleschi, seine Zeitgenossen mit der ersten zentralperspektivischen Zeichnung so zu täu- schen, dass die Betrachter seiner Abbildung das Gefühl bekommen mussten, sie sähen die Wirk- lichkeit selbst. Diese neue räumliche Darstellungsweise hat nicht nur die Sehweise unserer gesamten Kultur 1 Von Glaserfeld, S. 123f

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Medien und Wirklichkeitskonstruktion Haben uns mediale Bilderfluten noch etwas zu sagen? Konstruieren Medien Wirklichkeit? Dürfen die das? Ist es nicht ihre ureigenste Aufgabe objektiv Realität zu transportieren – oder wozu machen wir Fotos, filmen Ereignisse, schreiben Berichte, wenn nicht in erster Linie um zu doku-mentieren, objektiv zu informieren? Auf Medien in der Hand von Künstlern sei hier einmal nicht eingegangen – ihnen gestehen wir künstlerische Freiheit zu und meinen damit, es ist ihnen erlaubt, ja vielleicht ist es von ihnen sogar gefordert, künstliche Realitäten zu konstruieren. Kommt Kunst von künstlich? Und was ist im Gegensatz dazu real? Der Realist kommt in ein Dilemma, weil er sein Wissen als Wissen von der Realität auffassen will, zugleich aber nicht in der Lage ist, die Wahrheit im Sin-ne der Übereinstimmung Wissen – Realität zu überprüfen. Wie können wir das Bild, welches uns durch die Sinnesorgane vom Objekt in der Außenwelt gege-ben wird, auf seine Übereinstimmung mit dem Objekt selber überprüfen? „Da wir zu diesem Objekt ‚draussen’ keinen Zugang haben ausser durch den Prozess der Wahrnehmung, werden wir nie imstande sein festzustellen, ob un-sere Perzepte genaue oder wahrhaftige Abbildungen jenes Objektes sind oder nicht... Wenn irgendetwas nämlich absolut genannt werden kann, dann ist es die Unmöglichkeit, den Grad der Übereinstimmung zwischen dem Perzept und jenem phantomartigen Objekt der Aussenwelt zu ermitteln, das es angeb-lich verursacht hat.“1 Ausgehend von der epistemologischen Auffassung, dass die Welt nur die sub-jektive Erfahrungswelt und nicht die ontologische Realität sein kann, ist es der Anspruch auf Objektivität der aufgegeben werden muss. Wenn Kritiker der elektronischen Medien nun klagen, die neuen Medien würden nicht die Wirk-lichkeit repräsentieren, dann beziehen sie sich implizit auf ein abbildtheoreti-sches Konzept einer wirklichen Wirklichkeit, in der eine uncodierte Wirklich-

keitserfahrung möglich sein soll, die als solche aber nie existiert hat. Im Florenz Anfang des fünfzehnten Jahrhun-derts gelang es dem jungen Baumeister Filippo Bruneleschi, seine Zeitgenossen mit der ersten zentralperspektivischen Zeichnung so zu täu-schen, dass die Betrachter seiner Abbildung das Gefühl bekommen mussten, sie sähen die Wirk-lichkeit selbst. Diese neue räumliche Darstellungsweise hat nicht nur die Sehweise unserer gesamten Kultur

1 Von Glaserfeld, S. 123f

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grundlegend verändert, sondern auch unsere geistige Wahrnehmung von ‚Wirklichkeit’ und von Authentizität. Daraus resultierend möchte ich die Thematik „Medien und Wirklichkeitskon-struktion“ neu formulieren in „Neue Medien und neuartige Wirklichkeitskon-struktionen“, denn diese neu-artigen Wirklichkeitskonstruktionen, respektive die neuartigen Entschlüsselungsmechanismen, die uns von den neuen Medien abverlangt werden, sind es, die Irritation verursachen. „Nicht was eine Sache an sich ist, sondern was sie im Zusammenhang mit an-deren ist, ent-scheidet über ihren Wirklichkeitscharakter.“2 Den Anspruch auf Objektivität, den wir in Zusammenhang mit Medien so gerne fordern, dürfen wir bei genauerer Betrachtung gar nicht erheben, denn wie Heinz von Foerster treffend konstruiert, ist Objektivität die Wahnvorstellung, Beobachtungen können ohne Beobachter gemacht werden. In diesem Zusammenhang möchte ich im Speziellen auch auf das Synonym ‚Medium’ für Mittel, hinweisen, das suggerieren soll, dass Medien in diesem Sinne reine Transportmittel sind. Das behavioristische, vereinfachte Modell von Kommunikation: Sender - Mittel – Empfänger, ist irreführend, sofern es sich um den begrifflichen Inhalt handelt. M.E. ist es unmöglich zu erwarten, dass ein Satz, den ein Mensch formuliert, im Gegenüber genau jene Gedanken und Begriffsnetze erweckt, die der Sprecher mit seiner Äußerung verbindet. „Ein Satz, eine Zeichenfolge ist ohne den Zusammenhang mit dem ganzen Zeichensystem tot. ... Es gibt keinen alleinstehenden Satz. Denn was ich Satz nenne ist eine Spielstellung in einer Sprache. ... Nur im Fluß des Lebens haben die Worte ihre Bedeutung.“3 Dennoch gehen wir in unserem Alltag gerne von diesem primitiven Modell aus, welches annimmt, gewisse Ursachen werden fehlerfrei und unveränderlich durch Medien mit gewissen Wirkungen verbunden (Medienwirkungsfor-schung, Medienpsychologie ...). Ein solches deterministisches System kann als triviales System bezeichnet werden - in Anlehnung an Heinz von Foersters triviale Maschine, die durch eine festgelegte Input-Output Beziehung gekennzeichnet ist, während in einer nicht-trivialen Maschine (Turingmaschine) der Output durch den Input und den internen Zustand der Maschine bestimmt wird. Ein triviales System ist exakt modellierbar und sein Verhalten im Detail plan-bar. In ihm herrscht eine regelmäßige Ordnung, also eine Ordnung, die be-stimmten globalen Regeln entspricht. Der Mechanismus einer trivialen Ma-schine basiert auf sequentiellen Ursache-Wirkungsketten. Triviale Systeme ge-horchen Regeln und Gesetzen, die es zu ergründen und zu finden gilt – dann sind auch sie planbar und beherrschbar und somit auch gefahrlos – zumindest für die Planer.

2 Welsh in Krämer, S. 211 3 Wittgenstein in Bezzel, S. 17 - 33

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Klar geworden ist inzwischen, dass nicht mehr durch typografische Medien al-lein versucht wird Welt zu erklären. In der gegenwärtigen Alltagskultur wird der alphanummerische Code durch ausgedehnte Visualisierungen in den Hin-tergrund gedrängt, vergessend, dass jetztzeitliche Bilder komputierte sind, wie Flusser es nennt, also Bilder aus Nullen und Einsen; man kann von einem grundlegenden medialen Strukturwandel sprechen. Die sogenannte Bilderflut der Massenmedien scheint es nahe zu legen, erneut nach den Eigenarten des Bildes zu fragen. William J.T. Mitchell proklamiert nach dem „Linguistic Turn“ in den 20iger Jah-ren des vorigen Jahrhunderts den „Pictorial Turn“, der aber keineswegs nur ein „Zurück zum Bild“ meint. Demnach löse das Bild das Zeichen als Gegen-stand der Human- und Kulturwissenschaften ab, ohne dabei aber in das alte Mimesis-Modell zurückzufallen. Gundolf S. Freyermuth spricht im Zusammenhang mit der digitalen Filmtechnik von einer historisch neuen Form fotorealistischer Bildschöpfung – der digita-len Mimesis oder der dritten Form der Mimesis. Nach der handwerklich-manuellen (Malerei, Skulptur, Literatur, Theater) und der industriell-automa-tisierten (Fotografie, Film) entstand mit dem Computer nun die digitale Mime-sis, die die subjektive Freiheit des Realismus der handwerklich-manuellen Nachahmung mit der widerspiegelnden Exaktheit der industriell-automa-tisierten verbindet. Erstaunlich sind die Erfolge, die die Amerikaner auf dem Gebiet der ‚computer animation’ erzielt haben. Heute stehen Programme zur Verfügung, die es möglich machen, jeden denkbaren Gegenstand - auch wenn er in Wirklichkeit nicht existiert - in realistischer Darstellung wiederzugeben. Dazu bedarf es nur einer Beschreibung der Form, etwa durch die Angabe der Raumkoordinaten; dann erscheint er auf dem Bildschirm, dreidimensional, perspektivisch richtig, aus beliebiger Sicht und in beliebiger Bewegung. Dazu besteht noch die Wahl verschiedener Oberflächenformen, beispielsweise glatt, geriffelt oder durchsichtig; dabei werden sogar Reflexe einer angenommenen Umgebung und die optischen Brechungserscheinungen bei Transparenz au-tomatisch berechnet und der Formunterlage des Objekts entsprechend darge-stellt. Auch das ist ein Schritt zur Perfektionierung der Illusionstechnik, mit der dem Publikum nicht existierende Phantasiewelten vorgespiegelt werden können. Das Bild wird zum zentralen Trägermedium für komplexe Informationen und verweist den Text als Vermittlerinstanz auf eine neue Position. Sogenannte Lifestyle-Magazine, wie „H.O.M.E“, „Vogue“ oder „Men’s Health“ glänzen im wahrsten Sinn des Wortes durch Bilderwelten, die nicht nur szenisch foto-grafiert sondern auch komputiert werden. Fernseh- und Kinowerbung bedarf immer weniger des Textes bzw. der Wörter. Im Bild verschränken sich Wirk-lichkeit und Möglichkeit. Kein Bild kann ‚objektiv’ (die) Welt darstellen, von jeder Wirklichkeit lassen sich unzählige Bilder machen. Text tritt in Form von Schlagworten in Kopfzeilen auf und somit eindeutig in den Hintergrund. Die

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auf Grundlage der Digitalisierung arbeitenden Medien werden in diesem Sinn die Auffassung von Wirklichkeit ändern. Vilém Flusser spricht im Zusammenhang mit der neuen Bilderflut, die einige an die prä-historischen Bilderwelten (Lascaux) erinnert, im Gegensatz zu diesen von der post-historischen Magie. „Der vor-moderne Mensch lebte in einer Bilderwelt, welche die Welt bedeutete. Wir leben in einer Bilderwelt, welche Theorien bezüglich der Welt zu bedeuten versucht.“4 Schon vor der Erfindung der Schrift waren Bilder wesentliche Kommunikati-onsmittel. Die derzeitige Medienlandschaft mit ihrem immer mehr an Bildern, begonnen bei der Fotografie, dem Film, dem Fernsehen bis hin zum Internet mit seinen digitalen Bilderwelten erinnert viele an prä-historische Kulturen und sorgt somit für einen Aufschrei, für Kulturpessimismus. Kultur und Hochkultur definiert sich nicht zuletzt über ihre Verachtung von Medien. Jochen Hörisch meint zum Begriff ‚hochkulturell’ etwas provokativ: „Hochkultu-rell ist, wer Journalisten verachtet, wer nicht ins proletarische Kino geht, wer mit schlechtem Gewissen fernsieht, wer Computerspiele für verderblich hält und wer sich entschuldigt, wenn er nur eine E-Mail und nicht einen handge-schriebenen Brief verfaßt.“5 Bild und Wort liegen seit jeher im Streit. Die steinzeitliche Lust am Bild geriet in dem Maße in eine Krise, in dem sich frühe Hochkulturen und mit ihnen Frühformen der Schrift ausbildeten. Der griechische Philosoph Platon artiku-

lierte erstmals in systematischer und folgenreicher Weise die Zweifel an der Wahrheit der Bilder. Sein berühmt gewordenes Höhlengleichnis formuliert den bis in die Neuzeit weiterwirkenden Verdacht, dass der Sehende außerstande sei, die Wahrheit seiner Wahrnehmung zuverlässig zu beurteilen. Platon kann seinerseits bereits an eine Tradition der antiken Abwertung von Bildern anknüpfen. Der magische Charakter der Bilder muss bei ihrer Entzifferung berücksichtigt werden. So ist es falsch, in Bildern ‚gefrorene Ereignisse’ sehen zu wollen. Vielmehr ersetzen sie Ereignisse durch Sachverhalte und übersetzen sie in Szenen. Schreiben ist linear und nicht mehr szenisch.

4 Flusser, S. 23 5 Hörisch, S. 69

Abb.: 1 Höhlengleichnis, Osborne

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Das umwälzend Neue an der Schrift ist nicht so sehr „...die Erfindung neuer Symbole, sondern [besteht] im Aufrollen des Bildes in Linien [‚Zeilen’]“6,

Synchronizität muss diachronisiert werden. Die kulturellen Folgen sind be-achtlich. Lineare Codes fordern fortschreitendes Empfangen. Mit der Erfin-dung der Schrift beginnt die Geschichte, sie erzeugt das historische Bewusst-sein, das lineare Fortschrittsdenken. Erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht aber wird Schrift weit nach der Erfindung des Buch-drucks zu ei-nem universalen Code. Wer die neuen Codes von heute nicht lesen kann, ist Analphabet analog zu den Schriftunkundigen in der Vergangenheit. „Die Elite denkt in Zahlen, in Formen, in Farben, in Tönen, aber immer weniger in Worten.“7 Das Bild in Lascaux ist vor-alphabetisch und kann immer wieder von jedem Betrachter nach seiner Methode entschlüsselt werden; das Bild Michelangelos ist histo-risch, und man muss Geschichte kennen, um es zu entziffern. Technobilder, wie Flusser die Bilder unserer Zeit nennt, erlauben sich von Begriffen ein Bild zu machen, sie sind Modelle und somit ein neuer Grad von Verfremdung. In dem Maße in dem nun Bilder wieder lineare Texte ersetzen, geht eine Ver-flüchtigung des historischen Bewusstseins und somit eine Krise der Werte ein-her. Der nach-alphabetische Code – die Techno-Bilder – bricht mit dieser Lineari-tät. Techno-Bilder lassen uns sofort an den Computer denken, doch sie gibt es auch schon auf der analogen Ebene, etwa Fotografie. Sie haben einen ma-schinlesbaren Source-Code, woraus der Apparat (die triviale Maschine) erst ei-ne für das menschliche Wahrnehmungsvermögen rezipierbare Form generiert. Fotografien, sofern sie nicht vom Menschen manipuliert wurden (retuschiert), sagt man nach, dass sie Welt objektiv abbilden können. Dabei vergisst man leicht, dass der Apparat so konstruiert wurde, dass er das abbildet, was wir glauben, dass wir sehen. Tut er das nicht, dann taugt er nicht, dann funktio-niert er nicht. Medien bestätigen die bereits vorhandenen Wirklichkeitsbilder. Ein derart vermeintlich sehr objektives Abbild wäre z.B. die Fotografie des Autors auf dem Buchumschlag. Die Fotografie bildet jedoch nicht ein Objekt ab, sondern enthält eine Reihe von Begriffen, die sich der Fotograf von dem Objekt macht und weiters „...unterliegt der vermeintlich abbildenden Kamera ein sie strukturierender Text, in diesem Fall etwa chemische Formeln“8. 6 Flusser, S. 25 7 Flusser, S. 53 8 Hartmann, S. 291

Abb.: 2 Flusser, S. 25

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Rückblickend auf die Höhlenbilder von Lascaux sind diese Produkte des Handwerks, wo hingegen Techno-Bilder, Bilder unserer Zeit, Produkte der Technik sind. Flusser spricht in diesem Zusammenhang von der „kodifizierten Welt“ und meint damit eine programmierte. Um diesen Dreiklang der Zivilisation noch deutlicher aufzuzeigen, sei auf die folgende Übersicht (Abb. 3) nach Hartmann verwiesen: „Unsere Kultur hat kein Bild von der Wirklichkeit mehr, sondern schafft sich, als Produkt einer lange dauernden wissenschaftlich-technischen Revolution, ihr eigenes Imaginäres. Ihre Bilder sind nicht mehr dazu da, Wirkliches abzu-bilden.“9

Abb.: 3 Hartmann, S. 292 Medien werden zu unseren alltäglichen Instrumenten der Wirklichkeitskon-struktion – aber nicht in dem Sinne, dass Medienwirklichkeiten in die reale Wirklichkeit eingebaut werden, sondern: Medienwirklichkeiten sind Angebote, mit denen wir kognitiv und kommunikativ operieren können, aus denen wir unsere Wirklichkeit durch Auswahl herstellen. Die Auswahl ist dabei gesteuert von den Interessen, die wir daran haben, einen bestimmten Typ von Wirklich-keitserfahrung zu erzeugen. Otto Wieners Satz „Wirklichkeit ist ein Traum, der aus dem Sensorium gesteuert wird“ verweist auf die Schnittstelle zwischen dem Träumenden und seiner Umwelt, und das sind, wenn auch nie ausschließlich, so doch in zunehmen-dem Maße, Medien. In Abwandlung des genialen Werbeslogans von IKEA bleibt nur zu sagen: Entdecke und nutze die Möglichkeiten!

9 Hartmann, S. 279

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Literatur: Bezzel, Chris: Wittgenstein. Zur Einführung. Junius. 2000 Hartmann, Frank: Medienphilosophie. WUV. 2000 Foerster, Heinz von, Pörksen, Bernhard: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker. Carl-Auer-Systeme Verlag. 2001 Krämer, Sybille (Hrsg.): Medien Computer Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 2000 Flusser, Vilém: Medienkultur. Fischer 1999 Hörisch, Jochen: Der Sinn und die Sinne. Eine Geschichte der Medien. Eichborn. 2001 Osborne, Richard: Eine Bildergeschichte für Einsteiger. W. Fink. 1996 Von Glaserfeld, Ernst: Wissen, Sprache und Wirklichkeit. Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus. Braunschweig/Wiesbaden. Vieweg 1992 Prof. Karin-Gratiana Wurm, MAS (Medienpädagogik) Informatik, Fachdidaktik Informatik, Bildnerische Erziehung, Schulpraktische Studien, Unterrichtstechnologie und Gebrauchsgrafik Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien, an der angeschlossenen Übungshauptschule und am Pädagogischen Institut der Erzdiözese Wien Martin F. J. Newald, VL/SL Informatik, Fachdidaktik Informatik, Schulpraktische Studien, Systemadministrator, Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien, an der angeschlossenen Übungsvolksschule und am Pädagogischen Institut der Erzdiözese Wien