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Medien und Diversity DOSSIER

Dossier: Medien und Diversity

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Seit sich Deutschland als "modernes" Einwanderungsland sieht, wandelt sich die Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund auch in den Nachrichten- und Unterhaltungsmedien allmählich zum Besseren. In den meisten Medien kommen MigrantInnen und "andere Deutsche" mittlerweile nicht nur in negativen stereotypen Rollen, sondern auch als "ganz normale" Menschen vor. Auch in den Redaktionen der Print-, Audiovisuellen und Online Medien arbeiten häufiger als vor wenigen Jahren JournalistInnen mit einem "undeutsch" klingenden Namen. Allerdings entspricht ihr Anteil noch längst nicht dem migrantischen Bevölkerungsanteil. Wer nicht zu den sozialen Eliten der Gesellschaft gehört, hat immer noch geringe Chancen, in diese weiße und männliche Domäne Zugang zu finden. Doch zweifellos haben die Medien die gesellschaftliche Vielfalt entdeckt. Dabei spielen nicht nur eine gewachsene Sensibilität für Integration, Multikulturalität und Transnationalisierung/Globalisierung eine Rolle, sondern auch ökonomische Motive. Die Konkurrenz um die "Quote" wird auf dem Medienmarkt immer härter. So stellten die Öffentlich-Rechtlichen fest, dass sie in der Gunst der "Menschen mit Migrationshintergrund" weit hinter den Kommerziellen liegen und die Konkurrenz durch sog. "Ethnomedien" immer größer wird. Deswegen wollen sie ihr Programm besser auf die Interessen der zugewanderten Bevölkerung ausrichten. Wichtiger als der Kampf um die Konsumenten-Quote dürfte jedoch sein, ob der Abbau diskriminierender Inhalte und die ernsthafte Auseinandersetzung mit Interkulturalität und Vielfalt zur selbstverständlichen Normalität in den Massenprogrammen der Medien werden oder ob die MigrantInnen bunte Farbtupfer in Nischen bleiben. Es ist höchste Zeit, dass Diversity Mainstreaming auch in den Medienbereich Einzug findet. Hierzu enthält der Nationalen Integrationsplan (NIP) der Regierung einige Empfehlungen und Vorschläge der Arbeitsgruppe "Medien - Vielfalt nutzen", die in die richtige Richtung gehen: Es wird festgestellt, dass Massenmedien bislang "ein nur unvollständiges Bild der Migrantinnen und Migranten und ihrer Bedeutung im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben unseres Landes" zeichnen und über MigrantInnen zu viel in Problemzusammenhängen berichtet wird. Die Gruppe schlägt vor, dass die Medien mehr JournalistInnen mit Migrationshintergrund einstellen und dafür die geeignete Nachwuchsförderung betreiben sollen. Doch die Vorschläge des NIP lassen auch wichtige Aspekte aus. So ist nicht nachvollziehbar, warum sich etwa die Medienforschung besonders dem Konsumverhalten von MigrantInnen widmen soll, aber von einer intensiveren Beforschung (und Überwindung) diskriminierender oder unausgewogener Medieninhalte oder der Formulierung einer an Diversity-Programmen orientierten Selbstverpflichtungen der Medien keine Rede ist. Ebenso ignoriert der NIP durch den Fokus auf die nationale Integration die Transnationalisierung des lebensweltlichen Alltags und entsprechende Konsequenzen für Medienproduktion und die Konsumbedürfnisse aller RezipientInnen. Aus den bisher unverbindlichen Vorschlägen müssen überprüfbare Zielvorgaben werden, an die sich auch die Medien halten sollen, die sich vor aktiver Anti-Diskriminierung und Gleichstellungspolitik gerne drücken. Eine solche andernorts längst übliche Praxis ist in Deutschland noch Zukunftsmusik. Die Beiträge in der Rubrik Medien & Diskriminierung werfen aus Sicht der Medieninhaltsforschung einen kritischen Blick auf diskriminierende Strukturen und stereotypisierende Inhalte in den Medien, stellen aber auch positive Entwicklungen und Ansätze vor. In der Rubrik Diversity in Programm & Personal werden wissenschaftliche Studien sowie Praxiskonzepte und Erfahrungen vorgestellt, die zeigen, wie es um die Diversity beim Personal und bei den Inhalten der Medien steht und mit welchen Konzepten diese Aufgabe in der Zukunft angegangen werden kann. MigrantInnen

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  • 1. Info zum Bildschirmlesen Medien und Diversity DOSSIER

2. Impressum HerausgeberHeinrich-Bll-Stiftung Schumannstrae 8 10117 Berlin www.boell.deDas Online-Dossier wurde verffentlicht auf www.migration-boell.de im August 2007.Direktlink: http://www.migration-boell.de/web/diversity/48_1217.aspV.i.S.d.P. Olga Drossou, MID-Redaktion, Heinrich-Bll-StiftungDossier-Redakteur: Andreas Linder Das gesamte Dossier und die einzelnen Beitrge stehen unter einer Creative Commons Lizenz. Sie drfen verbreitet, vervielfltigt oder ffentlich zugnglich gemacht werden unter folgenden Bedingungen: Namensnennung Sie mssen den Namen des Autors/der Autorin und des Rechteinhabers (Heinrich-Bll- Stiftung) sowie die URL des Werks (Direktlink) nennen. Keine kommerzielle Nutzung - Dieses Werk darf nicht fr kommerzielle Zwecke verwendet werden. Keine Bearbeitung - Dieses Werk darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verndert werden.Abweichungen von diesen Bedingungen bedrfen der Genehmigung des Rechteinhabers.Lesen Sie den ausfhrlichen Lizenzvertrag unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/legalcode 2DOSSIER Medien & Diversity 3. Broschre drucken Inhalt ber das Dossier 4 I Medieninhalte & Diskriminierung5GEORG RUHRMANN MigrantInnen als Thema der Medienberichterstattung 6ILKA DESGRANGES Diskriminierende mediale Inhalte - Fakten und Tendenzen aus der Sicht des Deutschen Presserates9SABINE SCHIFFER Medien als Spiegel und Konstrukteur gesellschaftlicher Vorstellungen. Der Islam in deutschen Medien 12STANISLAWA PAULUS Muslimische Frauen in Fernsehdokumentationen16JANINA HENNING, FRANZISKA SPITZNER UND SABINE REICH "Trkisch fr Anfnger" - ein raffiniertes Spiel mit ethnischen Klischees?19 II Diversity in Programm und Personal 22RAINER GEILER Interkulturelle mediale Integration Mittelweg zwischen Assimilation und Segregation 23ANDREAS LINDER Medien zwischen Diskriminierung und Diversity 28MILTIADIS OULIOS Offen statt bunt! Einwanderer als Journalisten in deutschen Massenmedien32BRBEL RBEN Gender als Motor fr Diversity - Migrantinnen und andere Frauen in deutschen Medien 36GUALTIERO ZAMBONINI Der Westdeutsche Rundfunk - Integration als business case 39KARL-HEINZ MEIER-BRAUN Vom "Gastarbeiterfunk" in die Mitte des Programms Zur Bewusstseins- und Praxisvernderung in den ffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten am Beispiel des SWR 42 III Mediennutzung und Medienproduktion von MigrantInnen und Minderheiten46EKKEHARDT OEHMICHEN Studie "Migranten und Medien 2007": Keine mediale Parallelgesellschaft47KIEN NGHI HA Partizipation und Sichtbarkeit von MigrantInnen und Minderheiten in Kunst, Kultur und Medien49MINOU AMIR-SEHHI Erfahrungen aus dem Interkulturellen Netzwerk beim Deutschen Journalisten Verband 54STIPENDIENPROGRAMM DER HEINRICH-BLL-STIFTUNG Medienvielfalt, anders Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus57 IV Materialien und Links59 DOSSIER Medien & Diversity 3 4. ber das DossierSeit sich Deutschland als "modernes" Einwanderungs- dass die Medien mehr JournalistInnen mit Migrations- land sieht, wandelt sich die Reprsentation von Men-hintergrund einstellen und dafr die geeignete Nach- schen mit Migrationshintergrund auch in den Nachrich- wuchsfrderung betreiben sollen. ten- und Unterhaltungsmedien allmhlich zum Besse- ren. In den meisten Medien kommen MigrantInnen undDoch die Vorschlge des NIP lassen auch wichtige "andere Deutsche" mittlerweile nicht nur in negativen Aspekte aus. So ist nicht nachvollziehbar, warum sich stereotypen Rollen, sondern auch als "ganz normale" etwa die Medienforschung besonders dem Konsumver- Menschen vor. Auch in den Redaktionen der Print-, halten von MigrantInnen widmen soll, aber von einer Audiovisuellen und Online Medien arbeiten hufiger alsintensiveren Beforschung (und berwindung) diskrimi- vor wenigen Jahren JournalistInnen mit einem "un- nierender oder unausgewogener Medieninhalte oder deutsch" klingenden Namen. Allerdings entspricht ihrder Formulierung einer an Diversity-Programmen orien- Anteil noch lngst nicht dem migrantischen Bevlke- tierten Selbstverpflichtungen der Medien keine Rede ist. rungsanteil. Wer nicht zu den sozialen Eliten der Ge- Ebenso ignoriert der NIP durch den Fokus auf die nati- sellschaft gehrt, hat immer noch geringe Chancen, in onale Integration die Transnationalisierung des lebens- diese weie und mnnliche Domne Zugang zu finden.weltlichen Alltags und entsprechende Konsequenzen fr Medienproduktion und die Konsumbedrfnisse aller Doch zweifellos haben die Medien die gesellschaftlicheRezipientInnen. Aus den bisher unverbindlichen Vor- Vielfalt entdeckt. Dabei spielen nicht nur eine gewach- schlgen mssen berprfbare Zielvorgaben werden, sene Sensibilitt fr Integration, Multikulturalitt undan die sich auch die Medien halten sollen, die sich vor Transnationalisierung/Globalisierung eine Rolle, son- aktiver Anti-Diskriminierung und Gleichstellungspolitik dern auch konomische Motive. Die Konkurrenz um die gerne drcken. Eine solche andernorts lngst bliche "Quote" wird auf dem Medienmarkt immer hrter. So Praxis ist in Deutschland noch Zukunftsmusik. stellten die ffentlich-Rechtlichen fest, dass sie in der Gunst der "Menschen mit Migrationshintergrund" weit Die Beitrge in der Rubrik Medien & Diskriminie- hinter den Kommerziellen liegen und die Konkurrenzrung werfen aus Sicht der Medieninhaltsforschung durch sog. "Ethnomedien" immer grer wird. Deswe-einen kritischen Blick auf diskriminierende Strukturen gen wollen sie ihr Programm besser auf die Interessen und stereotypisierende Inhalte in den Medien, stellen der zugewanderten Bevlkerung ausrichten. Wichtiger aber auch positive Entwicklungen und Anstze vor. als der Kampf um die Konsumenten-Quote drfte je- In der Rubrik Diversity in Programm & Personal doch sein, ob der Abbau diskriminierender Inhalte und werden wissenschaftliche Studien sowie Praxiskon- die ernsthafte Auseinandersetzung mit Interkulturalitt zepte und Erfahrungen vorgestellt, die zeigen, wie es und Vielfalt zur selbstverstndlichen Normalitt in den um die Diversity beim Personal und bei den Inhalten Massenprogrammen der Medien werden oder ob dieder Medien steht und mit welchen Konzepten diese MigrantInnen bunte Farbtupfer in Nischen bleiben. Aufgabe in der Zukunft angegangen werden kann. MigrantInnen konsumieren nicht nur,sie sind auch Es ist hchste Zeit, dass Diversity Mainstreaming auchaktive MacherInnen von Medien. In der Rubrik Me- in den Medienbereich Einzug findet. Hierzu enthlt derdienproduktion & Mediennutzung schreiben "Role Nationalen Integrationsplan (NIP) der Regierung einigeModels" ber die subtilen Hrden auf ihrem Weg. Empfehlungen und Vorschlge der Arbeitsgruppe "Me-Der neue "deutsch-trkische" Film und erfolgreiche dien - Vielfalt nutzen", die in die richtige Richtung ge- JournalistInnen und KnstlerInnen stehen fr ein hen: Es wird festgestellt, dass Massenmedien bislanggewachsenes Selbstbewusstsein und eigenstndige "ein nur unvollstndiges Bild der Migrantinnen und Mi-bzw. "hybride" Ausdrucksformen. Vor allem das In- granten und ihrer Bedeutung im wirtschaftlichen, ge-ternet wird zu einer Plattform fr interkulturelle sellschaftlichen und kulturellen Leben unseres Landes"Kommunikation und ermglicht einen transnationa- zeichnen und ber MigrantInnen zu viel in Problemzu-len ffentlichen Raum. sammenhngen berichtet wird. Die Gruppe schlgt vor, Olga DrossouAndreas Linder Heinrich-Bll-StiftungDossier-Redakteur4DOSSIER Medien & Diversity 5. Teil I drucken I Medieninhalte & Diskriminierung Dreht sich mit dem integrationspolitischen Kurswechsel Georg Ruhrmann zeigt auf, dass die Berichterstat- auch der Wind in der medialen Berichterstattung bertung ber Migration und verbundene Themen seit Migration, Integration, multikulturelle Gesellschaft...?dem 11.September 2001 im Focus der Terrorismus- Teils ja, teils nein. bedrohung steht. Wurden MigrantInnen in der media- len Darstellung in den 80er und 90er Jahren in nega- Auch im Zeitalter der Globalisierung und der Transnati- tiver Weise unter dem Aspekt der "Auslnderkrimini- onalisierung des Kulturellen konstruieren die Mehr- nalitt" berreprsentiert, so sind sie es seit 2001 heitsmedien immer noch die Fiktion der homogenenunter der Perspektive des islamistischen Terrorismus Nationalkultur. In diese sind die "guten Migranten" mitt- bzw. des "Kampfs der Kulturen". lerweile vielfltig eingebunden, die "schlechten Migran- Ilka Desgranges verweist in ihrem Beitrag darauf, ten" werden nach wie vor entlang ihrer vermeintlichen dass sich die meisten Beschwerden zur Migrations- oder realen Defizite und Differenzen markiert. Inhalts- berichterstattung, die beim Deutschen Presserat und diskursanalytische Studien zeigen, dass die eingehen, auf die unntige Darstellung der Her- Mainstream-Berichterstattung ber Migration und Ein-kunftsnationalitt von Verdchtigen oder Straftte- wanderungspolitik in der Regel den dominierendenrInnen beziehen. Diskursen aus Politik und konomie folgt mehr, als Sabine Schiffer setzt sich mit dem unausgewoge- diese kritisch zu hinterfragen. MigrantInnen, die "uns" nen Zerrbild ber "den Islam" und vor allem ber konomisch nicht ntzen, werden nach wie vor in ein muslimische Frauen auseinander. Trotz zahlreicher negatives Licht gestellt und z.B. mit dem Stigma derwerdender Beispiele fr differenzierten Journalismus Illegalitt versehen. Der Rassismus der Mehrheitsge-berwiegt in den Medien eine "aufgeklrte Isla- sellschaft oder die menschenrechtlichen Defizite deut-mophobie". scher oder europischer Politik stehen demgegenber Stanislawa Paulus untersucht am Beispiel von als so gut wie nie in den Schlagzeilen. seris anzusehenden TV-Dokumentationen, welche Bilder und Diskurse ber muslimische Frauen in Me- ber Integration und hier lebende angepasste Migran-dien vorherrschen. tInnen wird neuerdings aber auch sehr positiv berichtet. Janina Henning, Franziska Spitzner und Sabine In Unterhaltungsformaten treten MigrantInnen oder Reich von der Studiengruppe "Integra TV" zeigen Nicht-Weie zwar immer noch hufig in stereotypen am Beispiel der TV-Serie "Trkisch fr Anfnger", Rollen auf, mehr und mehr sind sie aber auch als nor- welche Stereotype auch mit gut gemeinten Integrati- male Menschen zu sehen und zu hren. Unausgewo- ons-Shows verbreitet werden. gene und diskriminierende Berichte ber Flchtlinge und Asylsuchende sind weniger geworden. Problema- Allgemeine Appelle zu ausgewogener Berichterstat- tisch wird es immer dann, wenn es um Kriminalitt und tung, wie im Nationalen Integrationsplan formuliert, Terrorismus geht. Vor allem seit dem 11.9.2001 domi-werden nicht ausreichen, um ethnisierenden, sexisti- niert "der Islam" als allgemeines Bedrohungsszenarioschen und polarisierenden Journalismus weiter einzu- das politisch und medial konstruierte Verhltnis zwi- dmmen. Weitere Anstrengungen durch politische schen "Uns" und den "Anderen". Der pauschale Terro- Initiativen, Verbesserung journalistischer Standards rismusverdacht gegenber Muslimen sowie die berbe- durch Ausbildung und Selbstkontrolle, zivilgesellschaft- tonung von rckstndigen Geschlechterverhltnissen in liches Engagement und kritische Inhaltsstudien werden "der muslimischen Kultur" bestimmen die Konstruktionweiterhin notwendig bleiben. von Wirklichkeit in den Informationsmedien. DOSSIER Medien & Diversity5 6. Beitrag drucken Georg Ruhrmann MigrantInnen als Thema der Medienberichterstattung Wie berichten Presse, Fernsehen, Hrfunk und Internetdien ihrem realen demographischen Anteil. Man kann ber MigrantInnen? Mittlerweile lsst sich diese Frage dies als Normalisierung, als Folge eines lngerfristigen, vielfltig beantworten. Denn seit Mitte der 90er Jahre jedoch noch lngst nicht abgeschlossenen Integrati- liegen auch in Deutschland fundierte sozial- und kom-onsprozesses interpretieren. munikationswissenschaftliche Studien vor. Das war nicht immer so. In den 80er Jahren war das Thema Stark angestiegen ist indes die Nennhufigkeit von "Migration" in der Medien- und Kommunikationswissen- Marokkanern. Die Medien erwhnen sie meistens dann, schaft hierzulande noch weitgehend unbekannt. Me-wenn es um das Thema Terrorismus, vor allem um dienberichterstattung ber MigrantInnen lsst sich hin-"Terrorverdacht" geht. Seit 2001 berichten selbst ber- sichtlich verschiedener Themen und Auswahlgesichts-regionale Qualittszeitungen 10 Mal hufiger ber Ma- punkte untersuchen.rokkaner als vor dem 11. September 2001. Bezogenauf ihren demographischen Anteil (ca. 1% aller Migran-tInnen) werden sie um den Faktor 10 berhht. Marok- Thematische Schwerpunktekaner werden in manchen Berichten mit "Islamisten", Medien, insbesondere das Fernsehen, stellen ethnische"Terroristen" oder "Terrorverdchtigen" in stereotyper Minderheiten und MigrantInnen hufig als eher kriminellWeise vermischt. dar. Der von den Medien hergestellte Zusammenhang von Migration und Kriminalitt wurde weltweit analy- siert. Seit Mitte der 80er Jahre ist Kriminalitt das am MigrantInnen als Objekt hufigsten genannte Thema in Nachrichten berMit der berreprsentierung verbunden ist die Ten- MigrantInnen.denz, MigrantInnen in bestimmten stigmatisierendenRollen zu zeigen. Trken werden in den 80er als eher Ganz anders beim Thema Integration, darber wird viel"kriminell", Marokkaner seit 2001 hufig als "Terrorver- seltener berichtet. Journalisten verwenden den Begriff dchtige" dargestellt. Jahrzehntelang kommen Migran- Integration recht unterschiedlich und definieren ihn intInnen nur als Objekt von Aussagen vor. Sie werden der Regel nicht. Das Spektrum von Umschreibungen aufgefordert, sie werden bewertet und es werden Prog- reicht von "nicht unangenehm auffallen" ber "Assimila-nosen ber ihr Verhalten formuliert. Oder sie werden tion" bis hin zu "interkulturellem Austausch" oder kom-als Opfer von Gewalt gezeigt, wobei die Medienbericht- plexeren "Akkulturationsstrategien". erstattung die Ereignisse hufig weiter dramatisiert. AlsSubjekte von Kommunikation, d. h. als AutorInnen von Warum wurde das Thema in den Medien vernachls-Aussagen, Forderungen, Bewertungen und Prognosen sigt? Ein wesentlicher Grund liegt im Konkurrenz- undkommen MigrantInnen jahrzehntelang nicht vor. Diese Quotendruck der Medien selbst begrndet. Das Thema einseitige publizistische Aktiv-Passiv-Bilanz hat zu einer ist journalistisch zudem noch immer nicht spektakulrweiteren selektiven Verstrkung eines Negativ-Images genug. Seit dem 11. September 2001 berichten die gefhrt. Erst in den letzten Jahren zeigen die Medien Medien verstrkt stattdessen ber Kriterien einer prinzi-die MigrantInnen hufiger in einer Subjektrolle. piellen Nicht-Integrierbarkeit bestimmter MigrantIn- nengruppen.Auswahlgesichtspunkte aktueller Nachrich-tenberichterstattung Zugleich werden bestimmte Nationalitten berrepr-Die aktuelle Nachrichtenberichterstattung ber Migran- sentiert. Bereits in den 70er und 80er Jahren werdentInnen orientiert sich an bestimmten Nachrichtenfakto- die damals besonders fremd erscheinende Nationalittren. Darunter versteht man Merkmale, die Journalisten der Trken - verglichen mit ihrem realen Anteil an densolchen Ereignissen zuschreiben, die zur Nachricht hier lebenden MigrantInnen - deutlich berreprsentiert.werden. Vergleicht man die Berichterstattung ber In den 90er Jahren vermindert sich dann ihre Nennhu-MigrantInnen mit derjenigen ber Innenpolitik, so zeigt figkeit in der aktuellen Berichterstattung. Erst Ende dersich: Akzentuiert wird vor allem der Nachrichtenfaktor 90er Jahre entspricht ihre Nennhufigkeit in den Me-6DOSSIER Medien & Diversity 7. Negativitt, der in der Berichterstattung ber MigrantIn- zeption von Auslnderthemen im Radio ergab, dass nen viel hufiger und intensiver auftritt als in anderenRezipientInnengruppen mit hohem Ressentiment ge- innenpolitischen Meldungen. Relevant sind fr die genber AuslnderInnen die Zahl der MigrantInnen MigrantInnenberichterstattung auch die Nachrichtenfak-berschtzen und sich ber ihren Kontakt mit Migran- toren Kontroverse, Demonstration, Aggression undtInnen negativ uern. Schaden. Jeweils im Kontext von Streit, aber auch von Gewalt erscheinen MigrantInnen besonders hufig und Sptere Forschungen konnten zeigen, dass Kontakt intensiv in der Medienberichterstattung und werdenzwischen VertreterInnen einer Mehrheit und einer Min- dann entsprechend negativ bewertet. Auerdem domi-derheit, zwischen In- und Outgroup nicht direkt sein nieren die Nachrichtenfaktoren Sensationalismus und muss. Auch beobachteter Kontakt zwischen Eigen- und Emotionalisierung. Offensichtlich bevorzugen Journalis- Fremdgruppe oder entsprechendes Wissen kann Vorur- tInnen im Kontext des Migrationsthemas solche Ereig-teile reduzieren helfen. Medien knnen stellvertreten- nisse, die diesen Nachrichtenfaktoren entsprechen.den Kontakt prsentieren - er erzeugt hnliche Effekte wie realer Kontakt. In den USA zeigen Studien, dass Inhaltsanalysen von TV-Programmen belegen darber Inhalte und Umfang der Fernsehnutzung die Bewertun- hinaus ganz allgemein eine zunehmend bildliche Dar- gen von ethnischen Minderheiten beeinflussen und im stellung von Gewalt. Dies trifft auch fr die Haupt-Fernsehen positiv dargestellte Minderheiten zu weniger nachrichtensendungen der privatkommerziellen Sender negativen Urteilen ber diese Gruppe fhren. Analysen zu. Seltener werden hier die zugrunde liegenden Kon-von TV-Nachrichten fanden in Deutschland heraus, flikte und ihre Hintergrnde gezeigt. So kann dann nichtdass Meldungen, in denen ein Kontakt zwischen In- und deutlich werden, welche Risiken und eben auch Chan- Auslndern gezeigt wird, weniger auf Gewalt fokussie- cen Migrationsprozesse fr die Aufnahmegesellschaft ren als Meldungen ber MigrantInnen ohne Kontaktdar- wirklich haben. stellung. In einer anschlieenden Befragung zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Kontaktwunsch der Gem dem Nachrichtenfaktor "Kulturelle Nhe" unter-Rezipienten, die eine Meldung zum Auslnderanteil an scheiden Journalisten zudem zwischen 'erwnschten'deutschen Schulen als interessant bewerten und gern und 'weniger erwnschten' Personengruppen, indemansehen mchten verglichen mit denjenigen, die diese MigrantInnen aus fremden, nicht europischen Kulturen Nachricht ablehnen. explizit oder implizit negativer bewertet werden. "Aus- lnder" werden bezglich der Nachrichtenfaktoren Ein- Es lsst sich jedoch auch zeigen, dass der Wunsch fluss, Prominenz und Personalisierung als tendenziell nach Kontakt mit MigrantInnen in der deutschen Bevl- einflussloser und weniger prominent dargestellt als kerung stark abhngig ist vom Wohnort (z. B. neue vergleichbare inlndische Akteure. Insofern spiegeln dieversus alte Bundeslnder) sowie vom Grad der forma- TV-Nachrichten durchaus das strukturell schlechtere len Bildung. Relevant ist daher die Analyse des durch Image und die Machtlosigkeit der MigrantInnen in derden (medial reproduzierten) Kontakt ausgelsten Lern- Bundesrepublik Deutschland wider. prozesses ber Fremdgruppen, der zu Verhaltensnde- rungen oder Neubeurteilung der Eigengruppe fhrt.Stellvertretender Kontakt durch Medienbe- richterstattung?Aufgaben der Medienforschung Die ursprngliche Idee der in der Sozialpsychologie Bis auf wenige Ausnahmen wird in Deutschland erst prominenten Kontakthypothese besagt, dass bestehen- seit den 90er Jahren die Medienberichterstattung ber de negative Einstellungen und Feindlichkeit gegenber MigrantInnen systematisch analysiert. Folgende For- Fremdgruppen durch Kontakt reduziert werden knnen. schungslcken sind zu konstatieren und zu bearbeiten: Eine Mitte der 90er Jahre durchgefhrte Studie zur Wirkung von Toleranzkampagnen gegen Fremden-1. Bisher ist kaum analysiert worden, wie das Fernse- feindlichkeit besttigt diese These: Fremdenfeindlichhen die hier lebenden MigrantInnen darstellt. Grn- eingestellte RezipientInnen ohne persnliche Kontakt de liegen in der Komplexitt solcher Untersuchun- zu MigrantInnen glauben, das von den Medien ge-gen, angefangen von der Archivierung des Materi- zeichnete Auslnderbild sei zu positiv und geniee zuals bis hin zur Auswertung des audiovisuellen Ma- groe Publizitt. Entsprechend werden Toleranzkam- terials. Daher ist - in bereinstimmung mit Empfeh- pagnen ignoriert. Eine weitere Untersuchung zur Re-lungen des Wissenschaftsrates - zu fordern, dassDOSSIER Medien & Diversity7 8. hierzulande audiovisuelle Medienarchive eingerich- erstattung durch In- und Auslnder sind mittlerweiletet werden, die Sendungen ber einen lngerenverstrkte Forschungsanstrengungen festzustellen.Zeitraum hinweg auch fr Forschungszwecke do-kumentieren und abrufbar halten. Dies gilt auch fr 4. In diesem Kontext ist bisher unerforscht, wie be-Dokumentationen und Spielfilme, die MigrantInnen stimmte journalistische Frames die Form und Inhal-in vielfltigsten Rollen zeigen und bewerten.te der Berichterstattung und ihre Rezeption struktu- rieren. Frames lassen sich als Interpretationsmus- 2. Wenig bekannt ist auch ber die Wirkung der Fern-ter von JournalistInnen und RezipientInnen auffas-sehberichterstattung auf Wissen, Einstellung und sen. Sie heben dieselben Ereignisse, Akteure undVerhalten verschiedener Publika. Pauschale Wir-Aussagen unterschiedlich hervor, bewerten sie hin-kungsannahmen fr bestimmte Inhalte und fr diesichtlich mglicher Probleme sowie ihrer Lsungenffentlichkeit insgesamt sind heute nicht mehr an- und ordnen sie in einen typischen Ursachen-gemessen.Wirkungskontext ein. Episodische Frames prsen- tieren konkrete Personen und Einzelhandlungen.Vielmehr ist es notwendig, den Einfluss von Einstel- Im Kontext von Konflikten werden hufig nur ein-lungen und Vorwissen der RezipientInnen mit denzelne Akteure oder Bilder der Gewalt gezeigt.unterschiedlichen Medienaussagen in Verbindungzu bringen. Ebenfalls sind Lebensstile und Milieu- Thematische Frames stellen die Ereignisse darberzugehrigkeit der RezipientInnen zu bercksichti-hinaus in einen komplexeren sozialen, zeitlichengen - etwa im Hinblick auf Mglichkeiten des Kon-und/oder sachlichen Zusammenhang. Angespro-takts mit MigrantInnen.chen werden also die Bedingungen und Hinter- grnde von Ereignisursachen, Rede und Gegenre- 3. Auch sind die Nutzung und Rezeption sowie diede sowie Folgen von Wirkungen. Konflikte werdenWirkung der MigrantInnenberichterstattung fr dieals Ergebnis von Aushandlungsprozessen und Ge-MigrantInnen selbst - auch in Bezug auf gezeigtengenstze von kollektiv organisierten InteressenKontakt - nicht bercksichtigt worden. Unklar ist al-dargestellt und interpretiert. Und genau diese Per-so bisher, wie die Berichterstattung bei diesen an-spektive fehlt in der ffentlichen und verffentlichenkommt. Debatte um die Herkunft und Zukunft der Migran- tInnen in Deutschland.Zur Frage der Nutzung haben krzlich der WDR,das ZDF sowie die ARD/ZDF-Medienkommissiongrere Studien initiiert und vorgestellt, die gute Dr. Georg Ruhrmann ist Professor fr Kommunikati-onswissenschaften an der Friedrich-Schiller-UniversittGrundlagen fr weitere Forschung bieten. Auch be- in Jena.zogen auf die Rezeption der MigrantInnenbericht- 8DOSSIER Medien & Diversity 9. Beitrag druckenIlka Desgranges Diskriminierende mediale Inhalte - Fakten und Tendenzen aus der Sicht des Deutschen Presserates Die Zahl der Beschwerden wegen Diskriminierung von Was ist und tut der Deutsche Presserat? MigrantInnen ist nach wie vor vergleichsweise gering. Der Deutsche Presserat, die freiwillige Selbstkontrolle Das hngt sicherlich zusammen mit der Berichterstat- der Printmedien, setzt sich fr einen fairen und saube- tung ber MigrantInnen beziehungsweise mit deren ren Journalismus ein und somit fr die Wahrung des Wahrnehmung zusammen. MigrantInnen kommen in Ansehens der Presse in Deutschland. Er hat es sich den deutschen Print-Medien noch immer nicht sehr seit 50 Jahren zur Aufgabe gemacht, Missstnde im hufig vor, wenngleich sich in den letzten Jahren eine Pressewesen festzustellen und auf ihre Beseitigung Vernderung feststellen lsst. Wenn ber Menschen hinzuwirken. mit Migrationshintergrund berichtet wird, dann meist in zwei "Sparten": dem Polizeibericht oder aber in der Wie kann der Deutsche Presserat auf diskri- "Folklore-Ecke". Wenn der Kroate eine Handtasche minierende mediale Inhalte reagieren? gestohlen hat oder aber wenn die Griechen mal wiederDer Pressekodex, den der Deutsche Journalistenver-im Volkshochschulzentrum Sirtaki tanzen, dann reagie-band herausgibt, enthlt Empfehlungen und Richtlinien ren die Zeitungen und berichten darber.fr die publizistische Arbeit. Eine der Ziffern (Ziffer 12) befasst sich mit Diskriminierung. Sie heit: "Niemand Die Medien vermitteln leider noch immer ein verzerrtesdarf wegen seines Geschlechts, einer BehinderungMigrantInnenbild, wenngleich man feststellen darf, dassoder seiner Zugehrigkeit zu einer rassischen, ethni- MigrantInnen inzwischen zum Thema geworden sind.schen, religisen, sozialen oder nationalen GruppeAuch zum Thema von konzeptionellen berlegungen indiskriminiert werden."Zeitungen. Mehr MigrantInnen in die Zeitungen und vor allen Dingen MigrantInnen anders in die Zeitungen -Richtlinie 12.1 besagt: "In der Berichterstattung berlautet inzwischen bei vielen Tageszeitungen die Devise.Straftaten wird die Zugehrigkeit der Verdchtigen oder Dennoch: Das Bild, das von Menschen mit Migrations-Tter zu religisen, ethnischen oder anderen Minder-hintergrund gezeichnet wird, ist nicht eindeutig, und esheiten nur dann erwhnt, wenn fr das Verstndnis des ist nicht vollstndig. Die Berichterstattung ber denberichteten Vorgangs ein begrndeter Sachbezug be-Alltag der Menschen mit Migrationshintergrund ist insteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwhnungden meisten Zeitungen noch immer keine selbstver-Vorurteile gegenber schutzbedrftigen Gruppen sch-stndlicher Teil des tglichen Themenangebotes.ren knnte." In Polizeiberichten werden oft die Nationalitten ohne Grund genannt. Es ist berflssig, in einer Meldung Wie sehen die Beschwerden zu diskriminie- ber einen Taschendieb zu erfahren, dass er beispiels- renden medialen Inhalten aus? weise aus Kroatien stammt. Dennoch wird gerade in Von den rund 700 Beschwerden, die den Presserat pro Polizeiberichten die Nationalitt hufig genannt. Eine Jahr erreichen, richtet sich nur ein Bruchteil gegensolche Nennung der Nationalitt fhrte zu folgender Texte, durch die Minderheiten diskriminiert werden. Die Beschwerde beim Deutschen Presserat. (Anm. 3, BK1- jhrlich erstellte Statistik des Deutschen Presserates325/06, Beschluss vom 13. Mrz 2007) belegt, dass sich die meisten Beschwerden wegen Ver- letzung von Persnlichkeitsrechten oder Vergehen ge-Der Sachverhalt: Eine deutsche Tageszeitung berichtet gen die Sorgfaltspflicht ausmachen lassen. Es lsst unter der berschrift "Dumm gelaufen: Taschendieb mit sich insofern ber die Jahre hinweg keine qualitative Bnderriss" ber einen Taschendieb, der auf seiner Vernderung feststellen. Ohnehin ist in diesem Zusam- Flucht vor der Polizei strzte und sich einen Bnderriss menhang darauf hinzuweisen, dass der Deutsche Pres- zuzog. Sie erwhnt ausdrcklich die kroatische Her- serat auf einzelne Beschwerden reagiert. Ein vollstn-kunft des Tters: "Auf der Polizei hat sich ein 43- diger berblick ber alle Verste in deutschen Print-jhriger Taschendieb verletzt. Er zog sich einen doppel- produkten gegen den Pressekodex ist nicht leistbar. ten Knchelbruch und einen Bnderriss zu. Der aus DOSSIER Medien & Diversity9 10. Kroatien stammende Mann hatte gestern gegen 11.20 Deutschen Presserates nach Zurckhaltung bei der Uhr in einem Zug von Kln nach Dsseldorf Reisenden Erwhnung von Zugehrigkeiten zu bestimmten Volks- eine Laptoptasche gestohlen. (...) Auf seiner Fluchtgruppen sowie religisen und anderen Minderheiten bersah er eine Bordsteinkante und fiel. Selbst beimsehen viele JournalistInnen auch eine Bevormundung. Eingipsen des verletzten Beines mussten ihm Handfes-Allerdings ist fein zu unterscheiden, wann eine Nen- seln angelegt werden."nung der Nationalitt den Sachverhalt erhellt bezie- hungsweise fr die Fahndung nach einem Straftter Der Beschwerdefhrer kann fr die Nennung der Natio-erforderlich ist. In vielen Fllen fhrt die Nennung - ob nalitt des Diebes keinen begrndbaren Sachbezugmit oder ohne Bedacht geschehen - zur Diskriminierung zum Vorgang erkennen. Die Rechtsabteilung der betrof- bestimmter Gruppen. fenen Zeitung hingegen vertritt die Auffassung, die Unterdrckung einer Information (in diesem Fall die Noch ein Fall: Auch dieses Beispiel fr diskriminierende Nennung der Nationalitt) drfe nicht dazu fhren, dass Berichterstattung entstammt dem Umfeld Polizei/- z.B. mglichen Opfern von Straftaten Erkenntnisse Gerichtsberichterstattung: Eine Lokalzeitung berichtet vorenthalten wrden, die beispielsweise der Verhinde- unter dem Titel "Betrug im VW-Werk: Italiener ergau- rung knftiger Taten dienen knnen. Die Berichterstat-nert 54 000 Euro am Getrnke-Automaten!" ber die tung berge nicht die Gefahr, dass Vorurteile gegenberVerurteilung eines 38-Jhrigen, der Guthabenkarten fr schutzbedrftigen Gruppen geschrt werden knnten.Automaten manipuliert hat. In dem Betrag wird sieben- Vermutlich sei aus den Mitteilungen der Bundespolizei mal erwhnt, dass es sich bei dem Angeklagten um zitiert worden, die in der Regel die Nationalitt von einen Italiener handelt. Ein Leser der Zeitung beschwert Ttern nenne. sich darber beim Deutschen Presserat. Er meint, ein Bezug zwischen der Straftat und der Nationalitt sei Erwgungen der Beschwerdekammer 1 des Deutschen nicht zu erkennen. Die Zeitung vertritt in ihrer Stellung- Presserates: Er ist der Meinung, dass das in Ziffer 12nahme die Auffassung, die Bezeichnung Italiener sei in des Pressekodex definierte Diskriminierungsverbot der Stadt eher positiv als negativ besetzt. Seit Jahren verletzt wurde. Das Gremium konnte keinen begrnd-lebten hier viele Italiener. Italien sei allgegenwrtig: in baren Sachzusammenhang zwischen dem Vorfall und Straennamen, vor allem aber auch im VW-Werk. Sie der Nationalitt des Diebes erkenne. Dass der Mannverweist auch darauf, dass es auer der Beschwerde aus Kroatien stammt, trgt zum Verstndnis des Falles beim Presserat keine weitere Beschwerde gegeben nicht bei. Die Berichterstattung wre hier ebenso gut habe. Der Deutsche Presserat hlt die Beschwerde fr ohne die Preisgabe der Nationalitt des Diebes ausge- begrndet (BK1-211/06) und spricht eine Missbilligung kommen. Die Nationalitt wurde in diesem Fall nicht als aus. Die Erwhnung der Nationalitt hlt er nicht fr Information von Bedeutung angesehen. Und eine all-gerechtfertigt, weil sie fr das Verstndnis des berichte- gemeine Warnung vor Kroaten im Zusammenhang mit ten Vorgangs in keinem begrndeten Sachbezug steht. Diebstahlsrisiken htte eine eher diskriminierende Wir- Insofern htte auf die Nennung der Staatsangehrigkeit kung. Der Beschwerdeausschuss hielt den Versto fr verzichtet werden mssen. so schwerwiegend, dass er als Manahme eine Missbil- ligung whlte. Dies insbesondere, wie es in der Begrn- Wenngleich die Zahl der Beschwerden beim Deutschen dung heit "weil die Begrndung des Beschwerdegeg-Presserat wegen der ungerechtfertigten Nennung von ners keinerlei Sensibilitt fr die Problematik der Dis-Nationalitten vergleichsweise gering ist, lsst sich kriminierung zeige. In diesem Kontext von Diskriminie-feststellen, dass die Staatsangehrigkeit meist im Zu- rung zu sprechen und daraus den Schluss zu ziehen,sammenhang mit einer kriminellen Handlung genannt dass ansonsten mglichen Opfern von Straftaten Er-wird. Das mag daran liegen, dass in Polizeiberichten kenntnisse vorenthalten wrden, die der VerhinderungVollstndigkeit angestrebt wird. (Ein Beleg dafr ist knftiger Taten dienen knnten, hlt der Ausschuss frauch die sehr genaue Angabe von Uhrzeiten). Es ist abwegig. Er entscheidet: Die Beschwerde ist begrn- jedoch Aufgabe der Redaktionen abzuwgen, ob die det. Als Manahme verhngt er eine Missbilligung.Nennung zur Beschreibung oder Erhellung des Sach- verhaltes ntig ist, also eine erforderliche Information Ziffer 12 ist gerade, wenn es um die Nennung von Nati-ist, oder ob sie nicht bentigt wird. Die ungerechtfertigte onalitten geht, eine viel diskutierte Ziffer. In Redaktio- Nennung von Nationalitten ist dann vielfach als Dis- nen herrscht nicht selten Uneinigkeit ber die Ausle- kriminierung anzusehen. Sie trgt dazu bei, dass bei gung oder auch Unsicherheit. In der Forderung des den LeserInnen der Eindruck entstehen kann, Men-10DOSSIER Medien & Diversity 11. schen mit Mirgationshintergrund seien hufiger kriminell Literatur als Einheimische. Ein Eindruck, den die Statistiken aber Jahrbuch 2006 des Deutschen Presserates. Mit der in den meisten Fllen nicht besttigen.Spruchpraxis des Jahres 2005; inklusive CD-Rommit der Spruchpraxis 1985-2005. UKV Verlagsge- Der Deutsche Presserat kann dieses Phnomen nur in sellschaft, Konstanz 2006. Ausschnitten behandeln und ihm auch nur in Anstzen begegnen. ber die Beschwerdearbeit des Gremiums der Freiwilligen Selbstkontrolle hinaus ist es wichtig,Dr. Ilka Desgranges ist Mitglied des Deutschen Pres- dass sich die Berichterstattung ber MigrantInnen ge-serats und Leiterin der Regionalredaktion Mitte der nerell verndert. Wenn sie "thematisch dazugehren", Saarbrcker Zeitung. d.h. ber alle Facetten ihres Lebens berichtet wird, dann wird irgendwann auch in den Polizeiberichten die Nationalitt nur noch in begrndeten Fllen genannt. DOSSIER Medien & Diversity11 12. Beitrag druckenSabine Schiffer Medien als Spiegel und Konstrukteur gesellschaftlicher Vorstellungen. Der Islam in deutschen Medien Ein einhelliges Islambild in deutschen Medien gibt esmachender Ereignisse und einer Verwechslung von nicht. Darum kann es weder "islamophob" noch "isla-Islammissbrauch mit dem Missbrauchten, also dem mophil" sein. Jeder einzelne Beitrag ist genau zu pr- Islam selber, zustande kommt. Wir diskreditieren auch fen, denn berall finden sich gut recherchierte nebennicht die Demokratie an sich, wenn in ihrem Namen undifferenzierten und suggestiven Beitrgen. Die FAZ Kriege gefhrt werden. bietet hierfr ein gutes Beispiel. Whrend auf der einen Seite einige TV-Sender mit Initiativen fr mehr Vielfalt Whrend auf der einen Seite, sowohl in Radio, Fernse- und Integration werben (z.B. SWR), wird als Reaktion hen, Zeitungen und Zeitschriften "islamische" Themen- auf Medienkritik, die etwa das Islambild als Kollateral- stellungen und zu Wort kommende Akteure unter- schaden der Auslandsberichterstattung moniert, gerne schiedlicher werden, lsst sich auf der anderen Seite auf die jeweils anderen verwiesen: von den ffentlich- eine Reihe von Sichtweisen feststellen, die inzwischen Rechtlichen auf die Privaten, den sog. Serisen auf denals Wahrheit ber "den Islam" akzeptiert scheinen: Boulevard. Frauenfrage, Nachholbedarf, Gewaltaffinitt. An dieserStelle wre zu fragen, wie es kommt, dass diese allge- Eine Studie, die alle Medienbeitrge einbezieht undmein relevanten Themen als "islamisch" wahrgenom- damit ein wirklich umfassendes Bild der gemachtenmen werden. Es deutet auf ein starkes Framing hin, Vorstellungen - in unserem Fall der Islamvorstellung - einen bereits akzeptierten Rahmen, der alle weiteren liefert, kann es ob der Flle des Angebots nicht geben.Beobachtungen (zu-)ordnet. So herrscht das Dilemma vor, dass je nach Auswahl der untersuchten Medienbeitrge ein bestimmter Ein-Die Instrumentalisierung der muslimischen druck zustande kommt, der eben nur bedingt quantifi-Frau zierbar ist. Dennoch belegen etwa die EUMC- Studie,Machen wir die Mechanismen eines etablierten Diskur- das Ergebnis von Kurt Imhof in der Schweiz und auchses am Beispiel der muslimischen Frau fest, deren einige deutsche Studien wie etwa die um Kai Hafez dasRolle als Instrument der Beweisfhrung ja blich ist. Vorkommen islamfeindlicher Darstellungen - sie zuSptestens seit der iranischen Revolution und der leugnen, wre unseris. Es ist fraglich, ob wir eineMahmoody-Story "Nicht ohne meine Tochter" liegt der Prozentzahl darber brauchen, wie oft negativ oderRahmen fr das Frauenbild im Islam fest. Die muslimi- positiv ber Islam und Muslime berichtet wird, denn aussche Frau gilt als per se unterdrckt und ihre Behand- der psychologischen Forschung ist bekannt, dass Men-lung steht pars-pro-toto fr das Denken und Handeln schen sich unbewusst an dem orientieren, was sievon Muslimen allgemein. erwarten. Die Erwartung des Publikums bestimmt, dass auch aus wenigen negativen Darstellungselementen einDie Zahl von Neo-Feministen nimmt zu, die neuerdings Feindbild besttigt werden kann.fr das Wohl der besagten unterdrckten Muslimineintreten - freilich nur als Argument gegen ihre Glau- Fakten knnen tuschen bensbrder. Dementsprechend ist man grozgig bei Weil zudem rein inhaltsanalytische Studien die Frage der Wahrheitspflicht bei entsprechenden KronzeugIn- nach dem Zusammenhang zwischen Realitt und me-nen, wodurch eine Ayaan Hirsi Ali alias Magan nach dialer Wiedergabe zumeist ausblenden, pldiere ich fr wie vor ihre persnliche Erfahrung als "islamisch" vs. eine Vorgehensweise, die einzelne Mechanismen be-"christlich" ausgeben kann. Dabei sind die blichen schreibt, welche auf ihre Verallgemeinerbarkeit hin zu Themen wie Benachteiligung, Ehrenmord, Zwangshei- prfen sind. Zunchst: Eine objektive Berichterstattungrat und Genitalverstmmelung weder auf islamische gibt es nicht, weil Zeichen subjektiv sind. Und Medien-Communities beschrnkt noch in allen islamischen nutzer sind gefordert, die eigene Konstruktion von Wirk- Gesellschaften vertreten. lichkeitsvorstellungen durch emotionale Auswahlpro- zesse zu berdenken. Denn feststellbar sind auf jedenHier zeigt sich, welches Potenzial in der ordnenden Fall islamophobe Einstellungen, die auf Grund angst- Funktion von Sprache und Bildern steckt. Die stndige12 DOSSIER Medien & Diversity 13. Kombination der besagten Themen mit muslimischengerne zu illustrativen Zwecken eingesetzt. Das gut AkteurInnen und Symbolen wie Kopftuch und Moschee sichtbare Symbol wird damit zum Symbol auch fr - was ja im besagten Einzelfall Fakten sind - (ver-)fhrt Fremdheit. Mit den Folgen dieser Kategorisierung ha- zu einer verknpften Wahrnehmung mit "dem Islam". ben Frauen mit Kopftuch in ihrem realen Alltag zu Hierbei spielen vor allem die Bildmedien keine glckli- kmpfen. So beschreiben die Nrnberger Nachrichten, che Vervielfltigerrolle. Die verallgemeinernde Interpre- wie sich in einem Experiment Schlerinnen als Musli- tation als ein Phnomen einer bestimmten Gruppe min verkleidet hatten und welche berraschenden Er- wiederum (ver-)fhrt zu weiteren subjektiven Auswahl- fahrungen sie damit machten. Etwa wurde Ihnen ge- prozessen von Fakten in diese Richtung - ein sich sagt, man htte gleich erkannt, dass sie keine echten selbst besttigender Teufelskreis, aus dem eigentlich Musliminnen seien - sie wren so sauber. weitere Fakten einen Ausweg bieten mssten. Kopftuchbilder "schmcken" auch ernstere Problemthe- men wie z.B. Berichte ber Terrorismus. Die Instrumen- Der erste Eindruck ist entscheidend talisierung der muslimischen Frau und ihrer Kleidung Jedoch bestimmt der erste Rahmen ber die Einord- durch Islamisten wird hierbei 1:1 bernommen - die ne- nung weiterer Informationen. So knnen etwa andere gativen Konnotationen fallen direkt auf die Frauen zu- Frauenschicksale als "Ausnahme" oder deren Darstel- rck. So ist es fast naheliegend, das Kopftuch als Sym- lung als "Trick" abgetan werden. Dies zeigt auf, wie bol fr Islamisierungsbestrebungen zu empfinden. Die- schwierig es auch fr eine diversifizierende Berichter- ses Denken findet man jedoch nicht nur in den antiisla- stattung ist, das einmal etablierte Bild zu ergnzen. mischen Aktionsbndnissen, sondern auch und etwas Denn neben den Beispielen von Unterdrckung und versteckt in der Bezeichnung "gemigter Muslim". Bedrohung von Frauen widersprechen die anderen Flle einer pauschalierenden Deutung. Whrend man Diese Bezeichnung hat sich auch in eine durchwegs gut durchaus bei einigen Medienvertretern den Willen um gemeinte Initiative des ZDF eingeschlichen, im Frei- Differenzierung feststellen kann, wird dies schon als tags-Forum. Wie sehr bestimmte Annahmen verfestigt Verrat am "deutschen Wesen" in bestimmten Internetfo- sind, zeigt folgendes Beispiel: In zwei Beitrgen ber ren gewertet. Whrend die einen vor der Diskriminie- Lamya Kaddor, die als islamische Religionspdagogin rung von Muslimen warnen, warnen die anderen vor der in Nordrhein-Westphalen ttig ist und mit rotgefrbten Verharmlosung des Islams. Strhnen in schwarzem Haar, ihrer Kleidung sowie ihrem Auftreten eine Lehrerin wie jede andere ist, wird Und, wie knnte es anders sein, auch dafr eignet sich sie immer wieder lobend als "gemigte Muslima" be- das Schicksal einzelner Musliminnen hervorragend als zeichnet. Was ist demnach eine "normale" Muslimin? Beweis. Dass aber die "Prinzessin aus dem Hause Al- Saud" ihrem Buch einen Passus vorstellt, der explizit darauf hinweist, dass sie den Missbrauch der Religion Unser Spiegel kritisiere, nicht aber den Islam an sich, wird in Folge der Eine Tendenz zur Verschiebung von Problemen in den einmal akzeptierten "Wahrheit" ber den Is-lam alsreligisen Bereich kann man exemplarisch im Spiegel (frauen-)unterdrckerische Religion von einer breiten feststellen. ffentlichkeit nicht mehr zur Kenntnis genommen. Unter demTitelthema In Deutschland sorgt gerade das Frauenmagazin "Gott ist an allem Schuld" EMMA fr ein Bild, das Musliminnen als unterdrcktund unter Auslassung von und unmndig darstellt - wobei wir gleichzeitig abquali-Weltkrieg und Holocaust fizierende Beitrge ber kinderkriegende Ministerinnenkonnte das Religise an oder machthabende Frauen ohne Sexappeal finden. sichals Wurzelallen bels ausgemacht wer- den. Ganz nebenbei: die Die Rolle der muslimischen Frau beigeordneten Bilder stell- Die muslimische Frau bzw. das Kopftuch muss aber ten das Judentum vllig noch weitere Aufgaben erfllen - vor allem in visuellen gewaltfrei, das Christen- Medien. Wenn es um Deutschkurse, Integrationsprob- tum in einem historischen Kreuzzugsgemlde als ehe- leme und Einbrgerungsstatistiken geht, dann wird es mals gewaltttig, den Islam hingegen ausschlielichDOSSIER Medien & Diversity13 14. und ganz aktuell durch sprengstoffbegurtete Terroristen schen. Dies kann und wird uns in Zukunft noch fters als gewaltttig dar.passieren, wovon auch Buchverffentlichungen mit entsprechenden Titeln wie "Hurra, wir kapitulieren"Unter dem Spiegel-Titelzeugen. Die Interpretationsschiene ist angelegt und"Mekka-Deutschland" ver- wartet auf mehr oder weniger passende Vorkommnisse.barg sich letztlich ein Ver-weis einerfehlerhaften Gegenlufige Tendenzenund rassistischen Rechts- Interessant ist, dass es zwar die Behauptung der Isla-sprechung durcheine mophilie gibt, aber keine Belege dafr. Ein DilemmaRichterininRichtung zeichnet sich nun gerade durch die vermehrte Themati-Islam. Pltzlich stand nicht sierung des Islams ab. Whrend auf der einen Seite er-die Richterin am Pranger, kannt wurde, dass wenig fundiertes Wissen ber densondern der Islam an sich Islam vorliegt, scheint der Zeitpunkt fr eine bescheide-- eine vllig unaufgeklrte ne Ausweitung des Medienangebots in diese Richtung Deutung, aber ganz zeitgem entsprechend der Vor- nur weitere Verschwrungstheorien zu nhren. stellung von einem Einknicken vor einer per se aggres- siven Ideologie. Wie dialektisch die Auswirkungen der Initiativen ist, zeigt sich u.a. daran, dass der Trend, die Auslandsthe- Die Idomeneo-Absetzung - ein Meilensteinmen in der Vermittlung von Vorstellungen ber Islam In der breiten (medialen) ffentlichkeit ist der Einkni-und Muslimen durch inlndische Akteure abzulsen, die ckensmythos sptestens mit dem Skandal um die Ab- Gefahr birgt, dass Problemthemen wie etwa der Terro- setzung der Idomeneo-Oper im Herbst 2006 hoffhig rismus mit hiesigen Muslimen als genuin verbunden geworden. "Warum kuschen wir vor dem Islam?" titeltebetrachtet wird. Das ist zunchst kein mediales Ph- die Bild-Zeitung. Der qualitative Sprung im Diskurs umnomen, wenn nicht die Untersttzung dieser Verknp- Islam und Muslime, den dieses Ereignis bedeutet, istfung durch die unglckliche Kombination von angstbe- nicht zu unterschtzen. Immer wieder war zu lesen und setzten Themen mit Symbolen des Islams noch be- zu hren, dass dies aus "vorauseilendem Gehorsam" gnstigt wrde - wie man exemplarisch an den folgen- geschehen sei und dies wurde durchaus kritisch be-den Titelseiten sehen kann. trachtet - nur wurde kaum kritisiert, dass es keine sol- che Forderung gab. Hier gibt es noch Handlungsbedarf in Bezug auf die Prfung von Prsentation und Relevanz, des Suggesti- onspotenzials, dasaus Faktenselektion und - kombination resultiert. Titelseiten zur Idomeneo-Inszenierung (s. zudem die un- geschickte Gegenberstellung von "Muslimen und Deut- schen" im Zitat auf der Titelseite der Taz 28.09.06). Die Verallgemeinerung von Untaten einzelner auf eine ganze Gruppe scheint ein nach wie vor dominierendes Bis heute ist ungeklrt, wer hinter der "Warnung" steck- Muster menschlicher Wahrnehmung zu sein. Ob es te. Versuche, wie der der Taz mit dem Titel "Muslime weniger greifen knnte, wenn man schon viele unter- lieben Mozart" zeigen das Dilemma eines vorherr- schiedliche Akteure kennt, wre ein lohnendes Experi- schenden Frames auf, bei dem die Abwehr einer Be- ment. Gerade Medien knnen auch in Gegenden von hauptung diese nunmehr wiederholt. Fakt ist jedenfalls, homogener Bevlkerungsstruktur mehr Vielfalt vorfh- dass sich eine Interpretationsmaschine wie etwa im ren. Der neue Tatortkommissar ist ein gutes Beispiel Karikaturenstreit auch ohne faktische Grundlage ab- hierfr. Wenn die Vielfalt zur Normalitt geworden ist, spielte - im luftleeren Raum, im Bereich des Mythi- dann kann uns vielleicht auch der einzelne Amerikaner14 DOSSIER Medien & Diversity 15. oder Trke oder Jude oder Moslem oder Ossi nicht ren. Rassismus als Integrationshindernis. DISS: Un- mehr dazu verleiten, sofort von ihm auf alle zu schlie-rast. en.Imhof, Kurt (2002): Antisemitismusstudie vom For-schungsbereich ffentlichkeit und Gesellschaft der Und was ist mit den Frauen? Bei der Frage, wie esUniversitt Zrich. [berraschendes Ergebnis: islam- gelingen kann, dass die real existierende Frauenunter-feindliche Typisierungen berwiegen] (s. auch Artikel drckung, die es unter Muslimen auch und nicht zuin NZZ-Online) knapp gibt, bekmpft werden kann, fhrt die antiislami- sche Argumentation von Lsungen eher weg. Die Ver- Schiffer, Sabine (2007): "Die Verfertigung des Islam- schiebung der Problematik in einen bestimmten Kultur-bilds in deutschen Medien" in: Jger, Siegfried & kreis hilft dabei, den Status quo zu erhalten - und nichts Halm, Dirk (Hg.): Mediale Barrieren. Rassismus als macht die Instrumentalisierung der gesamten Thematik Integrationshindernis. DISS: Unrast. deutlicher. dies. (2006): Projektionsflche Islam. - dies. (2005): Die Darstellung des Islams in der LiteraturPresse. Sprache, Bilder, Suggestionen. Wrzburg:EUMC (European Monitoring Centre on Racism andErgon.Xenophobia) 2006: "Muslims in the European Union.- dies. (2005): "Der Islam in unseren Kpfen." in: ta-Discrimination and Islamophobia." Wien.gesanzeiger 15.07.05: 9.Hafez, Kai (2002): Die politische Dimension der Aus-- dies. (2004): Konstruierte Wahrheiten und Zerrbil-landsberichterstattung. Das Nahost- und Islambildder.der deutschen berregionalen Presse. Bd. 2. Baden-Baden: Nomos. Thofern, Detlef (1997): Darstellungen des Islams in"Der Spiegel". Eine inhaltsanalytische UntersuchungHafez, Kai & Richter, Carola (2006): Das Islambildber Themen und Bilder der Berichterstattung vonvon ARD und ZDF. u.a. erschienen in: Aus Politik1950 bis 1989. Hamburg: Kovac.und Zeitgeschichte 26-27/2007. Halm, Dirk u.a. (2007): "Pauschale Islamfeindlich-keit? Zur Wahrnehmung des Islams und zur sozio- Dr. Sabine Schiffer ist Sprachwissenschaftlerin undkulturellen Teilhabe der Muslime in Deutschland." in: Medienpdagogin und leitet das Institut fr Medienver-Jger, Siegfried & Halm, Dirk (Hg.): Mediale Barrie-antwortung in Erlangen. DOSSIER Medien & Diversity15 16. Beitrag druckenStanislawa Paulus Muslimische Frauen in Fernsehdokumentationen Mit verschiedenen filmischen Strategien wird vor allem Werten der Mehrheitsgesellschaft interpretiert. Sie in TV-Dokumentationen Denk-, Sag- und Sichtbares erhalten meist eine anerkennende Inszenierung und ber muslimische Frauen konstruiert und strukturiert.werden zugleich als Ausnahmen dargestellt. Die er- Unter diesem Blickwinkel habe ich Fernsehdokumenta-kannte Abweichung vom Stereotyp fhrt folglich nicht tionen ffentlich-rechtlicher Sender aus den Jahrenzu einer Hinterfragung von Klischeebildern, sondern 2000 - 2006 untersucht.bestrkt im Gegenteil die dominante Selbstwahrneh-mung einer modernen, emanzipierten, fortschrittlichen In Darstellungen von Musliminnen in TV-Dokumen-und berlegenen deutschen Gesellschaft. Damit enthal- tationen lsst sich zunchst eine Pluralisierung feststel- ten Reprsentationen muslimischer Frauen trotz der len: Gezeigt werden Studentinnen, selbststndige Ge- gezeigten Vielfalt letztlich eine Engfhrung: Es gibt in schftsfrauen, Mtter und Hausfrauen, Journalistinnen, den von mir untersuchten Dokumentationen keine Bil- Hauptschlerinnen und Abiturientinnen, Anwltinnen,der von Musliminnen, die ohne einen Bezug zu den Akademikerinnen, Broangestellte, Radio- und Fern- Themen von Unterdrckung und patriarchaler Gewalt sehmoderatorinnen, glubige und skulare Muslimin- auskommen. Aus Perspektive der Mehrheitsgesell- nen. Auf den ersten Blick scheint der Heterogenittschaft ist eine Muslima auerhalb des thematischen muslimischer Frauen bzw. von Frauen, denen ein mus-Bezugs weder denk- noch sichtbar. limischer Glaube zugeschrieben wird, Rechnung getra- gen zu werden. Eine genauere Betrachtung zeigt je-Produktionen von Sicht- und Denkbarkeiten in doch, dass diesen Darstellungen nach wie vor eineTV-Dokumentationen zentrale Referenz zu Grunde liegt: das implikationsrei-In Anschluss an Michel Foucaults Verstndnis der pro- che Motiv der Kopftuch tragenden Muslima, die alsduktiven Wirkungsweise von Macht kann das Fernse- Sinnbild eines Modernittsdefizits und einer damit ver-hen als eine Machttechnologie angesehen werden, die bundenen unberbrckbaren Differenz zur Mehrheits-spezifisches Machtwissen hervorbringt: Sachverhalte, gesellschaft gesetzt wird. In diesem Motiv verdichtetvon denen die Rede ist, werden erst als spezifisch sich die Gegenberstellung von Moderne und Traditio-gedeutete Wissenselemente hervorgebracht (vgl. Fou- nalismus, die als ein alles durchdringender Gegensatzcault 1995: 74). Foucault geht stets von einer engen die medialen Darstellungen von Muslimen insgesamtVerzahnung von Sehen, Wissensbildung und Macht prgt. Mit ihm werden Themen der religisen und kultu-aus (Rajchman 2000: 43). Das Evidente ist demnach rellen Differenz, patriarchale Geschlechterverhltnisse,etwas Zu-Sehen-Gegebenes, dessen Sichtbarkeit ein Unterdrckung und Gewalt implizit wie explizit aufgeru-begrifflich konzeptionelles Schema zu Grunde liegt, fen und miteinander verschrnkt.welches bestimmt, was berhaupt gesehen werdenkann (ebd.). Dem fotografisch-filmischen Bild kommt Dem Thema des Geschlechterverhltnisses kommteine wesentliche Bedeutung in der diskursiven Struktu- hierbei die zentrale Funktion eines Gradmessers frrierung von Realtittswahrnehmungen zu (vgl. Silver- Integriertheit und Modernitt von Muslimen zu (vgl.man 1997: 42). Als nicht-fiktional charakterisierte For- Lutz/Huth-Hildebrandt 1998: 163). Diese Funktion kannmate sind auch TV-Dokumentationen auf besondere es nur unter bestimmten diskursiven VoraussetzungenWeise daran beteiligt, Sichtbarkeitskonventionen des- erfllen: ihm geht eine generalisierende Setzung dersen zu strukturieren, was fr wahr genommen werden patriarchalen Unterdrckungmuslimischer Frauenkann. Dokumentarische Sendungen, die sich auf die durch muslimische Mnner voraus. Zugleich werdenDarstellung des Lebens von MuslimInnen fokussieren, patriarchale Verhltnisse der Mehrheitsgesellschaftprgen wesentlich, was in der Reprsentation einer dem Blick entzogen.sozialen Realitt von Menschen mit muslimischemHintergrund als evident gilt und welche sichtbaren Indi- Lebensweisen oder Auftreten muslimischer Frauen, diekatoren und Anordnungen herangezogen werden kn- keine bereinstimmung mit dem Stereotyp der alsnen, damit Aussagen ber Muslime und den Islam fr unterdrckt gezeichneten Kopftuchtrgerin aufweisen,das antizipierte Publikum als realistisch gelten. werden als Zeichen der Entwicklung zu fortschrittlichen 16 DOSSIER Medien & Diversity 17. Adressierungen und Konstruktionen fremder kation oder Empathie mit der dargestellten Person - Weltenvielmehr befrdert es den Eindruck von Unerreichbar- TV-Dokumentationen stellen massenmediale Produkti-keit und Fremdheit. Der filmisch erzeugte Anschein der onen dar, die sich an eine breite vielschichtige Zu-Isolation findet seine Untermauerung in der Verschrn- schauerInnenschaft wenden. Zugleich offenbart einekung mit Themen wie einer vermeintlichen Parallelge- genauere Analyse, dass ihnen eine Perspektivitt zu sellschaft, mangelnder Integrationswilligkeit und kultu- Grunde liegt, die ein bestimmtes Publikum voraussetzt,reller Abschottung, die hufig in Off-Kommentaren whrend ein anderes ausgeschlossen wird. Bereits in parallel zu Bildern Kopftuch tragender Frauen aufge- Filmtiteln wie z.B. "Fremde Nachbarn. Muslime zwi-worfen werden. schen Integration und Isolation" (Chiara Sambucci, 2004) oder "Die Trken - oder warum Faruk einen gr-Ihre filmische Verortung finden Kopftuch tragende Mus- nen Mecedes fhrt" (Rita Knobel-Ulrich, 2000) wirdliminnen meist in innerstdtischen Wohngebieten mit deutlich, dass MuslimInnen als die ,Anderen' der deut-einem hohen MigrantInnenanteil. Auch in der Film- schen Gesellschaft ins Zentrum der Betrachtung ge-raumgestaltung sind wiederkehrende Elemente zu rckt werden. Filmische Einleitungen wie: "Besuch bei erkennen: Hufig weisen die Bilder, in denen diese glubigen Muslimen in Deutschland. Einblicke in eineFrauen erscheinen, eine Flle, Unruhe und Enge auf; fremde Glaubenswelt, in eine Welt, die berraschend auf dem Markt, in einer belebten Straenszene (hufig anders sein kann, als viele denken" ("Fremde Nach-Einkaufstten tragend und/oder Kinderwagen schie- barn") bringen zum Ausdruck, dass Muslime nicht als bend) oder in einer engen Kche bei der Hausarbeit. Es zugehrig zur deutschen Gesellschaft betrachtet wer-fehlen weite Einstellungen. Diese Bildgestaltungen den. Mit dieser Wortwahl werden diejenigen als Zu-evozieren den Eindruck eines engen Bewegungsradius schauerInnen vorausgesetzt, die die Welt ,der Anderen'und Ttigkeitsfeldes der Kopftuch tragenden Muslima nicht kennen: Angehrige einer christlichen bzw. christ-innerhalb eines Milieus, das kaum Raum fr eine per- lich skularen Mehrheitsgesellschaft. Die Nicht-Adres-snliche Entfaltung bietet. Sie erzeugen schichtspezi- sierung von MuslimInnen in diesen Sendungen zeigt,fisch konnotierte Vorstellungen von Kopftuchtrgerin- "dass die Mehrheitsgesellschaft ethnische Minderheitennen als unselbststndige, auf geschlechtsspezifische, nicht als Teilnehmende am Diskurs reprsentiert, son- familire Reproduktionsttigkeiten reduzierte Frauen. dern hauptschlich als Objekte ihres eigenen Diskur- ses" (Yildiz 1999: 230). Auf muslimische Frauen trifftEin verbreitetes Interesse von TV-Dokumentationen dies in besonderem Mae zu, kommen sie in diesenber Musliminnen widmet sich Frauen, die sich aus Filmen nur unter besonderen Bedingungen zu Wort.unterdrckerischen Verhltnissen der Herkunftsfamilie oder aus einer gewaltttigen Beziehung befreit haben und nun unabhngig leben. Die Darstellung dieser Filmische Inszenierungen von Fremdheit undFrauen ist gerahmt durch Erzhlungen von Leidenser- Isolation fahrungen und der schlielichen Herauslsung aus Die Objektivierung von Musliminnen wird besonders ineiner bedrohlichen Lebenssituation. Whrend emotional Darstellungen Kopftuch tragender Frauen deutlich. bewegter Erfahrungsschilderungen werden die Frauen Ihnen kommen meist nur anonyme Funktionsrollen zu:in Nahaufnahmen ins Bild gesetzt. Im Gegensatz zur Es wird ber sie berichtet, d.h. sie tragen nicht mit ei- stereotypisierten Kopftuch tragenden Muslima wird hier genen uerungen zur filmischen Erzhlung bei. Durchein Moment der Identifikation und Nhe aufgebaut. Der diese Inszenierungen erscheinen sie passiv und margi- Fokus auf individuelle Erzhlungen lsst die gezeigte nal. Ihre persnliche Perspektive ist nicht von Belang. Frau als Persnlichkeit wahrnehmbar werden. Zugleich Die Kopftuchtrgerin dient hufig als visueller Hinter- bleibt sie jedoch an einen Opferstatus rckgebunden grund filmischer Erzhlungen ber kulturelle Differenzund ihre Darstellung ist nicht auf Egalitt ausgerichtet: und Fremdheit. Auch mithilfe weiterer filmischer Strate-Ihr Ausbruch aus einer unterdrckerischen Beziehung gien wird ein Bild der Kopftuch tragenden Muslima als wird als Aufbruch in die moderne deutsche Gesellschaft ,unterworfene Andere' geprgt (vgl. Paulus 2007). Ihr gezeichnet. Darstellungen muslimischer Frauen und wird selten ein direkter Blick in die Kamera eingerumt,Mdchen, die keinerlei Repressalien durch Verwandte so dass entsprechend dominanter kultureller Codes der erleiden, sondern vielmehr durch diese in einer selbst- Eindruck entsteht, sie wrde keinen Kontakt aufneh- stndigen Entwicklung bestrkt werden, finden sich men. Eine solche Inszenierung bietet den ZuschauerIn- hingegen nur sehr selten. Die familire Unterdrckung nen keine Mglichkeit eines Aufbaus von Nhe, Identifi- der Muslima erscheint als Normalfall.DOSSIER Medien & Diversity17 18. Authentisierungen und Verifizierungen stimmt lebt und fr die eine Gleichberechtigung der Ein wesentliches Moment in TV-Dokumentationen ist Geschlechter selbstverstndlich ist. die Befragung portrtierter Personen. Im Interview scheinen dargestellte Personen Auskunft ber sich Literatur selbst bzw. ber ihre Ansichten zu geben. Auch musli- Foucault, Michel (1995): Archologie des Wissens. mische Frauen sind in diese Darstellungskonvention Frankfurt a. M. einbezogen. Es sind dies die typischen Filmpassagen, in denen Musliminnen gezeigt werden, die nicht denLutz, Helma und Huth-Hildebrandt, Christine (1998): gngigen Klischeevorstellungen entsprechen. Geschlecht im Migrationsdiskurs. Neue Gedanken ber ein altes Thema. In: Das Argument, Heft Es lsst sich fragen, ob die Stellungnahmen dieser224/1998. 159-173. Frauen ber sich selbst oder ber andere Muslime nichtPaulus, Stanislawa (2007): Ethnisierung von Ge- letztlich auf eine Weise in die filmische Erzhlung ein-schlecht und die diskursive Reproduktion von Diffe- gesetzt wird, die die Vorannahme einer wesentlichen renz in der Fernsehdokumentation "Fremde Nach- Differenz besttigt. Denn auffallend hufig sind sie es,barn. Muslime zwischen Integration und Isolation". die von ihren "Landsleuten" oder "Glaubensbrdern", In: Wischermann, Ulla / Tanja Thomas (Hrsg.): Me- wie es oft heit, strkere Integrationsbemhungen dien - Diversitt - Ungleichheit. Zur medialen Kon- fordern. Aus einer Vielfalt von mglichen Stimmen und struktion sozialer Differenz. Wiesbaden. (im Erschei- Aussagen werden in TV-Dokumentationen diejenigennen) herangezogen, die eine generelle Unvereinbarkeit des Islams mit westlichen Werten betonen. ber solche Raijchman, John (2000): Foucaults Kunst des Se- filmischen Anordnungen werden dominante Perspekti-hens. In: Holert, Tom (Hg.): Imagineering. Visuelle ven mithilfe vermeintlicher Insider-Stimmen authenti- Kultur und Politik der Sichtbarkeit. Kln. 40-63. siert und verifiziert. Anstelle einer Reflexion der Hetero- Silverman, Kaja (1997): Dem Blickregime begegnen. genitt, die die groe Gruppe von MuslimInnen inIn: Kravagna, Christian (Hg.): Privileg Blick. Edition Deutschland charakterisiert, wird Diversitt auf einID-Archiv. 41-64. polares Raster von Integrationsfhigkeit = modern vs. Yildiz, Jasemin (1999): Keine Adresse in Deutsch- Integrationsunwilligkeit = traditionell reduziert. Sozio- land. Adressierung als politische Strategie," In: Gel- strukturell bedingte Lebenslagen werden auf kulturelle bin, Cathy/ Konuk Kader/Piesche, Peggy (Hg.) Auf- Unterschiede bzw. hnlichkeiten zurckgefhrt. Brche: Migrantinnen, Schwarze und jdische Frau- en im deutschsprachigen kulturellen Diskurs. Knig- Solche Darstellungskonventionen haben zur Folge, stein: Ulrike Helmer Verlag, 2000. 224-36. dass eine Erkennbarkeit und Sichtbarkeit von wirklich prekren Lebenslagen muslimischer Frauen innerhalb der deutschen Einwanderungsgesellschaft eher behin- dert als befrdert werden. Darber hinaus wird eine Stanislawa Paulus ist Soziologin und arbeitet am Insti- tut fr Kommunikationswisseschaft und Medienkultur an Perspektive, die eine Integration von modernen Werten der Leuphana Universitt Lneburg. Forschungs- und islamischen Werten erlaubt, verweigert: In derschwerpunkte: Medien- und Diskursanalyse, Postko- Konsequenz wird die Position einer Kopftuch tragenden loiale Kritik und queer-feministische Theorien. Muslima gnzlich unsichtbar, fr die Modernitt und Religiositt keine Gegenstze bilden, die selbstbe- 18 DOSSIER Medien & Diversity 19. Beitrag drucken Janina Henning, Franziska Spitzner und Sabine Reich "Trkisch fr Anfnger" Ein raffiniertes Spiel mit ethnischen Klischees? Die aktuelle Debatte ber die multikulturelle Gesell-len Auszeichnungen im Mai 2007 den CIVIS Medien- schaft in Deutschland fhrt dazu, dass sich die Medien preis fr Integration und kulturelle Vielfalt. zunehmend mit diesem Thema auseinandersetzten. Kulturelle Vielfalt, Migration und Integration scheinen zuKann eine Serie dazu beitragen, Vorurteile einem festen Bestandteil der Medienagenda gereift zuabzubauen? sein. Nicht nur im Produktionsprozess, sondern auchVor dem Hintergrund dieser groen Medienresonanz vor allem in den Medieninhalten, wird dieser Wandelund dem zugeschriebenen Potenzial zur Frderung von deutlich. Fremdsprachige Radioangebote, multikulturel-Integration, fragt man sich, inwiefern sich die Darstel- le Dokumentationen und Sitcoms, aber auch trkischelung von deutschen und trkischen Charakteren in ModeratorInnen zeigen diese gesellschaftliche Vern-dieser Serie auf die gegenseitigen Vorurteile und Ste- derung im medialen Raum auf.reotype auswirkt. Hat eine einzelne Serie tatschlich dieFhigkeit, positiv auf das Zusammenleben von Deut- Ein Beispiel fr diesen Wandel der Medienlandschaft istschen und trkischen Migranten Einfluss zu nehmen? die ARD-Familienserie "Trkisch fr Anfnger". Auf hu-Und welche Rolle spielt dabei die Auseinandersetzung morvolle und berspitzte Art wird hier das Leben einermit medialen Charakteren der jeweils anderen "Ethnie"? deutsch-trkischen Patchworkfamilie - den Schneider-Diesen Fragen wurden im Rahmen einer Studie an der ztrks - gezeigt. Die Story wird aus Sicht der 16-jh-Universitt Erfurt nher nachgegangen. rigen Lena erzhlt, die anfangs gar nicht darber erfreut ist, dass ihre Mutter Doris mit Metin, einem trkischen Kriminalpolizisten, zusammen ziehen mchte. DamitEine Studie am Beispiel von "Trkisch fr nicht genug muss sie sich fortan ein Zimmer mit Metins Anfnger" Tochter, der streng glubigen Muslima Yagmur, teilen,Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse wurde die whrend ihr Bruder Cem versucht, in Machomanier ihrDarstellung der deutschen und trkischen Charaktere Benehmen beizubringen. Die beiden Kul-turen prallenvor allem im Hinblick auf die Verkrperung von Stereo- zu Beginn hart aufeinander und die gegenseitigen Vor-typen erhoben. Dadurch konnte ein genaues Bild ber urteile und Missverstndnisse treten deutlich hervor. Im das Materialobjekt gegeben werden. Die Wirkung der Verlauf der Serie wchst die Familie jedoch immerRezeption der Serie wurde anschlieend durch ein mehr zusammen. Lena findet in Yagmur eine neue Feldexperiment mit deutschen und trkischen Zuschau- Freundin und sieht in Cem mehr als nur einen Bruder. erInnen gemessen. Insgesamt nahmen 84 ProbandIn- Die vorerst klischeebehafteten Charaktere werden mit nen an der Studie teil. Im Zentrum der Untersuchung der Zeit individueller dargestellt und die gegenseitigen stand die Erhebung von Stereotypen und Vorurteilen Vorurteile rcken zunehmend in den Hintergrund.der Zuschauer vor und nach der Rezeption der Serie.Die abgefragten Stereotype wurden zuvor in der In- Die Unterhaltungsserie wurde bisher zweimal im Erstenhaltsanalyse ermittelt. Whrend die vorhandenen Wis- ausgestrahlt und erhielt, trotz miger Quoten, einsensstrukturen (Stereotype) mittels der modifizierten groes Medienecho. Die Welt betitelte einen ArtikelMessmethode des Trait-Ratings (Brigham 1971) erho- ber die Serie mit "Kulturkampf als Sitcom" (Gangloffben wurden, wurde zur Messung der affektiven Kompo- 2006), die FAZ berichtete, dass man die Serie "[.] als nente (Vorurteile) eine Auswahl von Items aus der das Beste bezeichnen kann, was dem Ersten seit lan-"blatant and subtle prejudice scale" von Pettigrew und ger Zeit passiert ist." (Schader 2006). Obwohl die ei- Meertens (1995) verwandt. Zustzlich wurde die Inten- gentliche Intention der Serien-Macher lediglich darinsitt der Auseinandersetzung mit den Charakteren der bestand, eine gute Unterhaltungsserie fr das Vor- jeweils anderen "Ethnie" durch die PSI-Skala nach abendprogramm zu schaffen, erhielt "Trkisch fr An- Hartmann et al. (2004) erhoben. Um dem humorvollen fnger" neben zahlreichen internationalen und nationa- Charakter der Serie gerecht zu werden, fand zustzlicheine Analyse des Humorempfindens der einzelnen Pro-DOSSIER Medien & Diversity 19 20. bandInnen anhand ausgewhlter klischeehafter Szenen den die in Deutschland lebenden TrkInnen als sympa- statt. Mittels dieser dualen Betrachtung konnten zum ei-thischer. Auf Seiten der trkischen TeilnehmerInnen der nen das vorhandene Potenzial der Serie, zum anderen Studie konnte dies nicht besttigt werden. die tatschlichen Auswirkungen dieser Darstellungsart auf die RezipientInnen nachgezeichnet werden. Die Analyse des Humorverstndnisses zeigte zum einen, dass Humor individuell wahrgenommen wird. Die Analyse der ausgewhlten klischeehaften Szenen Ergebnisse der Inhaltsanalyse konnte kein einheitliches Humorverstndnis nachwei- Insgesamt wurden im Rahmen der Inhaltsanalyse am sen, denn im Grunde lacht jeder Mensch ber etwas Materialobjekt 437 Stereotype erhoben. Die folgende anderes. Tabelle gibt eine bersicht ber die jeweils am hufigs- ten erhobenen Stereotype. Die allgemeine Frage nach dem Empfinden von Witzen ber die eigene "Ethnie" zeigte jedoch eine interkultu- Die 6 hufigsten der trkischen Stereotype/ Die 6 hu- relle Differenz. Die deutschen ProbandInnen fhlten figsten der deutschen Stereotype sich davon deutlich weniger gestrt, als die trkischen Trken sind Islamisten ProbandInnen. Dies mag zum einen darin begrndet Trken pflegen eine intensive familire Bindung sein, dass die Stereotype und Vorurteile ber in Trken bewachen ihre Frauen Deutschland lebende TrkInnen sehr viel extremer, d.h. Trken sind kriminell negativer ausgeprgt sind. Es scheint einen Unter- Trkische Mnner sind Machos schied zu machen, ob man sich als Deutscher mit dem Glaube leitet den Alltag . Stereotyp "Deutsche pflegen einen geringen familiren Deutsche sind gegenber Fremden nicht offen Zusammenhalt" oder aber als Islamist und Krimineller, Deutsche Frauen sind keine guten Hausfrauen wenn man trkischer Herkunft ist, konfrontiert sieht. Deutsche pflegen geringen familiren Zusammenhalt Zum anderen sind in Deutschland lebende TrkInnen Deutsche sind unsozial als Minderheit einem alltglichen Umgang mit Stereoty- Deutsche Mnner sind schwach pen ausgesetzt. Dies spiegelt sich auch in dem Ergeb- Deutsche Frauen sind freizgig nis der Studie wieder, dass die deutschen ProbandIn- nen deutlich hufiger ber Stereotype im Allgemeinen Auffllig ist, dass die Stereotype eher negativ darge- lachen, als die trkischen RezipientInnen. stellt wurden. In der Betrachtung des Serienverlaufes verringert sich die reine Anzahl der Stereotypen deut- lich. Dadurch erscheinen die deutschen und trkischen Keine Effekte und doch ein Beitrag zur Charaktere nicht mehr nur als stereotype Vertreter ihrerIntegration? "Ethnie", sondern vor allem als individuelle Persnlich-Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine einzelne Serie keiten, die mit alltglichen Teenager- oder Familien- wie "Trkisch fr Anfnger" trotz der verminderten Dar- problemen zu kmpfen haben. stellung von Stereotypen und trotz humorvoller Art kein Potenzial hat, um Vorurteile abzubauen und Stereotype positiv zu verndern. Dass sich lediglich bei den deut- Ergebnisse des Experimentes schen ProbandInnen geringe Effekte zeigten, entspricht Fr fast alle TeilnehmerInnen der Studie konnte eine der Konzeption der Serie. Sie wurde geschaffen, um intensive Auseinandersetzung mit den Charakteren der vor allem das deutsche Publikum anzusprechen. jeweils anderen "Ethnie" besttigt werden. Das heit, dass die Zuschauer sich mit den Charakteren gedank- Trotz der fehlenden positiven Effekte der Vernderung lich beschftigt, mit ihnen gefhlt oder auch sich in sie der Stereotype und des Vorurteilsabbau kann der Serie hinein versetzt haben. Demnach bestand die Mglich- durchaus ein Beitrag zur Integration zugesprochen keit, dass durch dieses Kennenlernen und den damit werden. Zum Ersten wurde dadurch die mediale Ausei- einhergehenden Wissenszuwachs die Stereotype ver- nandersetzung mit dieser Thematik erst ermglicht. ndert und die Vorurteile abgebaut werden knnen. Bisher gab es nur vereinzelte Serien, in denen trkische Letztlich zeigte sich jedoch sowohl bei den einzelnen Charaktere eine Rolle spielten. Mit "Trkisch fr Anfn- Stereotypen als auch bei den Vorurteilen kaum eine ger" wurde nun das Zusammenleben von Deutschen Vernderung. Lediglich einzelne Effekte konnten beo- und in Deutschland lebenden TrkInnen deutlich aufge- bachtet werden. So empfanden die deutschen Proban- zeigt. Zum Zweiten machte die groe Medienresonanz20 DOSSIER Medien & Diversity 21. auf die Rolle derartiger Formate aufmerksam. Es wurdeProduktionsprozess deutlich, dass der Einfluss der Medien im Hinblick auf Um die realistische Darstellung auch garantieren zu die Integration verschiedener Migrantengruppen deut- knnen, bedarf es innerhalb des Produktionsprozesses lich verstrkt werden knnte. Basierend auf den Ergeb- der Einbindung von trkischen MigrantInnen vor und nissen der Studie wurden Handlungsvorschlge zur hinter der Kamera, die diese Lebenswelt verstehen. Verbesserung der Berichterstattung mit und ber dieInnerhalb der Produktion der Serie "Trkisch fr Anfn- MigrantInnen formuliert. ger" wurde das durch den deutsch-trkischen Dreh-buchautor Bora Dagtekin schon gut umgesetzt.HandlungsvorschlgeDiese Handlungsvorschlge richten sich an alle Akteure Verzicht auf Klischeedarstellungen im TV-Produktionsprozess. Integration ist durch Medien Die Auswertung der in der Serie verwendeten Stereoty-mglich und muss nicht zwangslufig ein mit Proble- pe zeigte, dass eher ein negatives Bild ber die anderemen beladenes Thema sein. Allerdings zeigt die einjh- "Ethnie" aktiviert wird. Wenn ausschlielich auf einerige Studie auch wie komplex Integration und wie klischeehafte und zudem negative Darstellung gesetztschwierig aber gleichzeitig wichtig die Rolle der Medien wird, ist es nicht verwunderlich, dass die interkulturelledabei ist. Als Massenmedium erreicht das Fernsehen Annherung ausbleibt. Stattdessen sollte die Darstel-alle Gruppen und kann somit die gegenseitige Annhe- lung insgesamt differenzierter erfolgen. In Deutschlandrung anregen. Daher sollte Fernsehen ein positives Bild lebende TrkInnen sind nicht gleichzusetzen mit strengder Integration vermitteln! glubigen Moslems, Machos und Kriminellen. Weitere Informationen unter: www.integratv.de/ Realistische Charaktere Durch mediale Interaktion mit Charakteren verschieden- ster Ethnien ist ein positives Kennenlernen grundstz- Literatur lich mglich. Dies setzt jedoch voraus, dass die MedienBrigham, John R. (1971): Ethnic Stereotypes. In: ein mglichst realistisches Bild der "ethnischen Minder- Psychological Bulletin, 76, S. 15-39. heiten" bereitstellen. Ein trkischer Lehrer, eine trki-Esser, Hartmut (2000): Assimilation, Integration und sche Managerin, trkische Studenten, die nicht durchethnische Konflikte: Knnen sie durch "Kommunika- ihre Herkunft, sondern durch ihre Position in der Ge-tion" beeinflut werden? In: Schatz, Heribert/Holtz- sellschaft definiert werden, sollten in den Medien pr-Bacha, Christina/Nieland, Jrg-Uwe (Hrsg.): Migran- sent werden. Der ethnische Hintergrund sollte jedochten und Medien. Neue Herausforderungen an die In- bei der Wahl der Mediencharaktere gewahrt bleiben.tegrationsfunktionvon Presse und Rundfunk. Ansiedlung im UnterhaltungssektorWiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 25-37. "Trkisch fr Anfnger" hat gezeigt, dass eine Ansied- Gangloff, Tilmann P. (14.03.2006): Kulturkampf als lung im Unterhaltungssektor eine breite Masse an-Sitcom: "Trkisch fr Anfnger". spricht und damit eine ffentliche Debatte anregenHartmann, Tilo/Schramm, Holger/Klimmt, Christoph kann. Allerdings wre die Abhandlung des Themas(2004): Personenorientierte Medienrezeption: Ein ausschlielich in Komdien ein falsches Signal, dennZwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen. In: hier wird zu sehr auf eine berspitzte Darstellung ge-Publizistik, 49, S. 25-47. setzt. Die Verbindung von Unterhaltung und Information ist dabei ein guter Ansatz.Pettigrew, Thomas F./Meertens, Roel W. (1995):Subtle and blatant prejudice in western Europe. In: Langfristige Formate European Journal of Social Psychology, 25, 57-75. Das Thema Integration und im Speziellen die Berck-Schader, Peer (2006): ztrks von nebenan. In: sichtigung und Involvierung von "ethnischen Minderhei-Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.03.2006: 44 ten" in einem Programm muss langfristig ausgerichtet werden. Am Beispiel "Trkisch fr Anfnger" hat sich gezeigt, dass eine Staffel keine umfassenden Vernde- rungen bewirken kann. Das heit, das Thema Integrati-Janina Henning, Franziska Spitzner und SabineReich sind Mitglieder von IntegraTV, einer jungen For- on sollte z.B. in dauerhaft ausgestrahlten Formaten, wieschergruppe an der Universitt Erfurt. Die hier vorge- Daily Soaps aufgegriffen werden. stellten Erhebungen wurden im Rahmen ihrer Bachelo-rabschlussarbeit durchgefhrt.DOSSIER Medien & Diversity 21 22. Teil II drucken II Diversity in Programm und Personal Die groen Anstalten unternehmen Anstrengungen, daswider laufen. Er stellt den Status Quo des Diversity Mediennutzungsverhalten von MigrantInnen zu erfor- Mainstreamings im Bereich der Medien in verschie- schen, um ihr Programm besser auf deren Interessen denen westlichen Staaten und der EU vor und ver- und Bedrfnisse auszurichten. Diversity Mainstreaminggleicht diese mit der Situation in Deutschland. beschrnkt sich vor allem auf die Mediennutzungsprfe- Miltiadis Oulios zeigt, dass die Vorschlge des renzen dieser neu entdeckten Zielgruppe und damitNationalen Integrationsplans bezglich der Integrati- letztlich die konomische Konkurrenz zwischen ffent-on der MigrantInnen in den Medien erst bei wenigen lich-rechtlichen und kommerziellen Medien um ihreMedienunternehmen Eingang gefunden hat. Diversi- Gunst. ty Mainstreaming beim Personal ist bei vielen nochein Fremdwort und manche haben nicht vor, von ih- Wo sind glaubwrdige Initiativen und Anstze zu finden,rer bisherigen (Nicht-)Praxis abzuweichen. die zum Ziel fhren, die gesellschaftliche Vielfalt auf Brbel Rben beschftigt sich primr mit der Situa- allen Ebenen - vor wie hinter der Kamera, an den Re- tion von Journalistinnen mit Migrationshintergrund. daktionstischen, im Fhrungspersonal und dem Mana- Trotz einzelner positiver und prominenter Beispiele gement von Medienunternehmen - abzubilden? Und lassen die Darstellung von Frauen in Nachrichten- was muss noch getan werden, damit diskriminierende und Unterhaltungsformaten als auch die Frderung Inhalte im Nachrichtengeschft und stereotype Rollen-der Einstellung von weiblichen Journalistinnen zu bilder im Unterhaltungsgenre berwunden werden?wnschen brig. Der WDR gilt als fhrend, was einen neuen Umgang Rainer Geiler fhrt in das im wissenschaftlichenmit der Migrationsgesellschaft und betriebsinterne I-Kontext erarbeitete Konzept der "interkulturellen me- nitiativen in diese Richtung angeht. Der Integrations-dialen Integration" ein. Er zeigt auf, unter welchenbeauftragte Gualtiero Zambonini stellt die pro-normativen Gesichtspunkten eine Integration von grammatischen Anstze des Senders in ProgrammMigrantInnen in die mediale ffentlichkeit erfolgen und Personalpolitik vor.und in welchen Bereichen ein "Diversity Mainstrea- Karl-Heinz Meier-Braun ergnzt diese Darstellungming" angesiedelt werden sollte.der Initiativen des ffentlich-rechtlichen Rundfunks Andreas Linder diskutiert auf der Basis kultur- undmit der Praxis des SWR und mit einem geschichtli-globalisierungstheoretischer Gesichtspunkte, warumchen berblick - vom Gastarbeiterfunk in den 60ervon Diversity und nicht von Integration gesprochenJahrenbis zuminterkulturellen Mainstream-werden sollte und welche politischen und konomi- Programm - und stellt aktuelle Projekte des Sendersschen Prozesse einem Diversity Mainstreaming zu-vor, z.B. das "Islamische Wort". 22 DOSSIER Medien & Diversity 23. Beitrag drucken Rainer Geiler Interkulturelle mediale Integration Mittelweg zwischen Assimilation und Segregation Das Konzept der medialen Integration ist der Versuch,Interkulturelle Integration basiert auf drei Prinzipien: die Vielzahl der Probleme, die mit der Rolle der Mas-1."Living together with differences" nach dem Grund- senmedien bei der Integration von Migranten zusam- satz von Einheit-in-Verschiedenheit (unity-within- menhngen, "auf den Begriff zu bringen". Es wurde im diversity): Mehrheit und Minderheiten leben mitein- Wissenschaftsbetrieb "erfunden" - und zwar im Jahr ander (nicht nebeneinander) auf der Basis gemein- 2001, als sich im politischen Raum noch niemand um samer Sprache, Regeln und Grundwerte ("Einheit") diese Probleme kmmerte (Geiler/Pttker 2001, Gei- und im gegenseitigen Respekt fr ihre jeweiligen ler 2005). Mediale Integration hat einen Doppelcharak- sozialen und kulturellen Besonderheiten ("Ver- ter: Es ist einerseits ein analytisches Konzept zur wis- schiedenheit"). senschaftlichen Analyse der Rolle der Massenmedien 2.Chancengleichheit oder "different but equal": Allen bei der Eingliederung der Migranten; auf der anderen ethnischen Gruppen werden gleiche Chancen auf Seite ist es aber auch ein politisch-normatives KonzeptTeilhabe in den wichtigen Bereichen der Aufnah- und enthlt Ziele - nmlich bestimmte Vorstellungenmegesellschaft und deren Institutionen - z. B. glei- darber, wie sich die Integration der Migranten vollzie- che Teilhabe an ffentlichkeit und Medien - ge- hen soll und welche Rolle die Massenmedien dabei whrt. wahrzunehmen haben. Daher ist es nicht verwunder-3.Aktive Akzeptanz von Migration und Integration; lich, dass in letzter Zeit auch Politiker und Medienma-dazu gehren drei Einsichten: cher das Konzept - oder vorsichtiger formuliert: die (gesteuerte) Einwanderung ist notwendig und ntz- Formel - "mediale Integration" verwenden (z. B. Presse- lich. und Informationsamt der Bundesregierung 2007, 159). Einwanderer mssen interkulturell integriert werden. Interkulturelle Integration ergibt sich nicht von selbst, sondern bedarf erheblicher politischer und gesell- Interkulturelle Integration - ein humaner Mit- schaftlicher Anstrengung der Aufnahmegesellschaft telweg zwischen Assimilation und Segregation (diversity-mainstreaming) und der Einwanderer. Zunchst soll kurz geklrt werden, was unter "interkul- tureller Integration" verstanden wird. Nachdem dasDas Konzept der interkulturellen Kommunikation hat Problem der Eingliederung fr Migranten in der deut-gegenber dem Assimilationskonzept zwei Vorzge: schen "Auslnderpolitik" ber ein Vierteljahrhundert Es ist humaner, weil es den empirisch nachweisba- lang weitgehend ignoriert worden war, hat der Begriff ren Bedrfnissen der Einwanderer Rechnung trgt, "Integration" im politischen Diskurs seit ein bis zwei nicht vllig mit ihrer Herkunftskultur zu brechen. Jahren Hochkonjunktur. Allerdings bleibt seine Bedeu- Es fordert dazu heraus, die innovativen und produk- tung unscharf, diffus und auch widersprchlich. Nicht tiven Potentiale von Diversitt zu nutzen, statt diese nur in der Politik, auch in der Migrationsforschung wird unreflektiert "wegzuassimilieren". Integration hufig mit Assimilation gleichgesetzt (vgl. Geiler 2004). Gegen derartige assimilative Vorstellun-Das Konzept der interkulturellen Integration schliet gen wendet sich der Begriff "interkulturelle Integration".nicht aus, dass sich in Deutschland auch Assimilations- Dieser orientiert sich an der Multikulturalismus-Idee desprozesse vollziehen - insbes. langfristig und ber die klassischen Einwanderungslandes Kanada, das sichGenerationen hinweg -, die fr die Aufnahmegesell- seit mehr als drei Jahrzehnten mit Stolz als multikultu-schaft durchaus vorteilhaft sein knnen. Aber als vor- relle Gesellschaft versteht und die multikulturelle Integ-rangiges Ziel einer Integrationspolitik ist Assimilation ration seiner vielen ethnischen Bevlkerungsgruppenaus den erwhnten Grnden untauglich. als angemessenen Mittelweg zwischen den Polen As- similation und Segregation ansieht und auch sehr er- folgreich praktiziert (Kymlicka 1998, Fleras/Elliott 2002, Interkulturelle mediale Integration Geiler 2003). Im Konzept der "interkulturellen medialen Integration"werden die skizzierten Prinzipien auf das gesellschaftli-DOSSIER Medien & Diversity23 24. che Subsystem Medien/ffentlichkeit bertragen. In spieler u. a. wahrnehmen, mit denen sie sich identifi- Deutschland hat dieses Subsystem seit den 60er Jah-zieren knnen. ren eine fr Einwanderungsgesellschaften typische duale Struktur entwickelt: Die deutschen Mainstream- Medieninhalte der Ethnomedien sind interkulturell inte- medien haben - ausgelst durch technische Innovatio- grativ, wenn sie sich nicht ausschlielich auf die Her- nen wie Video, Satellitenbertragung, Digitalisierung, kunftskultur konzentrieren oder gar eine "berlegene" Internet - zunehmende Konkurrenz von den Ethnome-Herkunftskultur mit einer einseitig-negativ prsentierten dien der diversen Migrantengruppen erhalten. Als Kultur des Aufnahmelandes konfrontieren, sondern Ethnomedien werden Medienangebote bezeichnet, dieauch Integrationshilfen bei spezifischen Problemen sich an zugewanderte ethnische Gruppen richten, hu- ihrer ethnischen Gruppen anbieten. fig in deren Herkunftslndern, seltener in Deutschland hergestellt werden und meist in der Herkunftssprache,Mediennutzung ab und zu auch zwei- oder mehrsprachig oder aufDie Nutzung der deutschen Medien ist fr Migranten Deutsch verfasst sind (vgl. Weber-Menges 2005, 2006).unabdingbar, denn ohne Kenntnisse ber die aktuellenVorgnge in Deutschland und deren Hintergrnde ist Mediale Integration findet in drei Bereichen des Me-eine angemessene Wahrnehmung ihrer Teilnahme- diensystems statt, die miteinander verzahnt sind: beimchancen nicht mglich. Die Ethnomedien stellen eine Medienpersonal, bei den Medieninhalten und bei dersinnvolle Ergnzung der deutschen Mainstreammedien Mediennutzung.dar, denn die deutschen Medien sind angesichts derethnischen Vielfalt nicht in der Lage, die Bedrfnisse Medienpersonal der diversen Migrantengruppen nach einer "Brcke zur In das Medienpersonal sind die MigrantengruppenHeimat", nach informativen und emotionalen Kontakten integriert, wenn sie in den deutschen Mainstreamme-mit ihrer Herkunftskultur und Sprache zu befriedigen. dien angemessen als Redakteure, Moderatoren, Res-Interkulturell integrativ ist also ein Medien-Mix bei der sortleiter, Programmdirektoren, Talkmaster, Regisseu-Nutzung durch Migranten - die Nutzung sowohl der re, Showmaster, Schauspieler usw. vertreten sind. Siedeutschen als auch der ethnischen Medien. bringen ihr spezifisches Wissen, ihre spezifischen Er- fahrungen und Sichtweisen in die Medienproduktion einInterkulturelle mediale Integration in Deutsch- und verkrpern im mehrdimensionalen Pluralismus desland - erste Schritte auf einem langen und deutschen Mediensystems eine besondere Dimension -mhsamen Weg die Ethnodimension, die gleichberechtigt neben ande-Ein Blick auf klassische Einwanderungslnder wie Ka- ren pluralen Dimensionen wie z. B. nach Geschlecht,nada oder die USA zeigt, dass die mediale Integration Altersgruppen, Religionsgemeinschaften oder Interes-von Migranten ein zher und langwieriger Vorgang ist. senverbnden steht.Seit Jahrzehnten gibt es in beiden Lndern Bemhun-gen, die Beteiligung von ethnischen Minderheiten am MedieninhalteMedienpersonal und die Darstellung dieser Gruppen in Medieninhalte in den deutschen Mainstreammedienden Medien zu verbessern. Dennoch bestehen dort bis sind interkulturell integrativ,heute erheblich mediale Integrationsdefizite (Wilson u. wenn sie ethnische Diversitt als gesellschaftlichea. 2003 sowie Starck 2006 fr die USA).Normalitt zeigen und sich bei der Darstellung vonMigration oder Integration am Prinzip der aktiven Ak- In Kanada wird den Medien hufig der Vorwurf ge-zeptanz (vgl. Kap. 2) orientieren;macht, ihre Darstellung der ethnischen Minderheiten wenn sowohl die Probleme und Schwierigkeiten der verstoe gegen Theorie und Praxis des offiziellen Mul-multiethnischen Einwanderungsgesellschaft,abertikulturalismus (vgl. Fleras/Kunz 2001). Der kanadischeauch deren Chancen und Erfolge in einer ausgewo-Soziologe und Multikulturalismus-Experte Augie Flerasgenen Balance prsentiert werden; sieht die Hauptursache fr die verzerrte Berichterstat- wenn Migranten sich mit ihren Befindlichkeiten intung ber ethnische Minderheiten in einem "systemi-den deutschen Medien wiederfinden, u. a. auch da- schen Bias" der Medienstruktur: die traditionellendurch, dass sie "Medienpersonen" wie Journalisten,"Nachrichtenwerte" - vor allem das Prinzip "only badGesprchspartner, Show- und Talkmaster, Schau-news are good news" - lassen Minderheiten als "Str- 24DOSSIER Medien & Diversity 25. faktoren" und "Problemgruppen" erscheinen, die kriti-feindlichen" trkischen Medien auf hchster politischer siert und kontrolliert werden mssen (Fleras 2006).Ebene im deutsch-trkischen Dialog zum Thema ge-macht wurde. Auch die Migranten selbst - insbes. dieaus der Trkei - schtzen die integrativen Wirkungen Die Dominanz von Negativbildern nimmt abihrer ethnischen Medien hnlich skeptisch ein wie die Was wissen wir ber Entwicklungen und Zustand derder deutschen Medien: Der Aussage "Heimatsprachli- medialen Integration in Deutschland? Die vielen In-che Medien frdern ein gutes Klima zwischen uns und haltsanalysen zum Bereich Nachrichten und InformationDeutschen" stimmten in Nordrhein-Westfalen 2006 nur kommen bereinstimmend zu dem Ergebnis, dass14% der trkischstmmigen Zuwanderer zu im Ver- Migranten und ihre Probleme vergleichsweise seltengleich zu 29% der italienischstmmigen und 34% der und dabei hufig in negativen Zusammenhngen dar-Russlanddeutschen (Weber-Menges 2007). gestellt werden - z. B. als Kriminelle oder als Belastung fr das soziale Netz oder die ffentlichen Haushalte (Zusammenfassungen bei Mller 2005, Ruhrmann Personal in deutschen Mainstreammedien: 2003; zum Fernsehen Ruhrmann u. a. 2006). Der Qua- erste Schritte auf dem Weg zu mehr littssprung von der Auslnderpolitik zur Migrations-ethnischer Diversitt und Integrationspolitik hat offensichtlich auch die me-Eine der Ursache fr die unzureichende Darstellung der diale Berichterstattung in den letzten Jahren verndertMigranten in den deutschen Medien ist die vllig unzu- und deren Negativismus gemildert. So kommt einelngliche Beteiligung von Personen aus den wichtigen Lngsschnittstudie von Lokalzeitungen zu dem Ergeb-Herkunftslndern an der Gestaltung der Medienbot- nis, dass ethnische Minderheiten im Jahr 2006 deutlich schaften. Whrend in den USA wenigstens fr Teile der seltener als Kriminelle und erheblich hufiger positiv als Medien genaue Statistiken vorliegen - so stieg z. B. der Teil der Gesellschaft, als Nachbar oder Mitbrger dar- Anteil der ethnischen Minderheiten unter den Beschf- gestellt werden als 1996 (Fick 2006).tigen bei den Tageszeitungen zwischen 1978 und 2004von 4% auf 13% an (Starck 2006, 167) -, ist die Daten- Die Erkenntnisse ber den Informationsbereich drfen lage in Deutschland desolat. Fest steht lediglich, dass nicht vorschnell verallgemeinert werden. Die Fernseh-nur sehr wenige Einwanderer aus wichtigen Anwerbe- unterhaltung bildet offensichtlich eine Art integrativen und Flchtlingslndern in programmrelevanten Positio- Gegenpol zur Fernsehberichterstattung; viele Filme nen aktiv sind, vermutlich drfte sich ihr Anteil im Be- weisen sozialkritisch auf Alltagsrassismus, auf Flcht-reich von hchstens 2-3% bewegen (vgl. den berblick lingselend, auf eine inhumane Asyl- und Flchtlingspoli- von Mller 2005b sowie Oulios 2007). tik u. . hin (Thiele 2005).Allerdings ist dieses Feld inzwischen in Bewegunggekommen. Als erste haben die Gestalter der Unterhal- Trkische Ethnomedien: eher integrations-tungsprogramme - insbes. in den privaten Fernsehsen- hemmend als integrationsfrdernddern - erkannt, dass "Colour in the Media" Zuschauer Von den Ethnomedien sind inhaltsanalytisch bisher fastanziehen kann und daher "visible minorities" vor die ausschlielich die trkischen Medien untersucht - mitKameras geholt - als Musikmoderatoren (z. B. Minh- wenig ermutigenden Ergebnissen (ein berblick beiKhan Phan-Thi oder Mola Adebisi), Talkmasterin (Ara- Mller 2005a): Sie stellen eine wichtige "Brcke zurbella Kiesbauer), Komiker (Kaya Yanan), Kriminalkom- Heimat" dar, sind aber stark nationalistisch und trkei-missare (Miroslav Nemec oder Sinan Toprak) oder eine zentriert, einige auch islamisch-dogmatisch oder isla-Vielzahl von Musikgruppen,Snger/innen,Rap- mistisch. ber Deutschland oder die Situation der Tr-per/innen. Im letzten Jahre erhoben d