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Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. H.-P. Krüger Medikamente im Stra Medikamente im Stra ß ß enverkehr enverkehr Dipl. Psych. Dr. Yvonne Kaußner Wissenschaftliches Symposium der DHS vom 8. bis 10. Juni 2009

Medikamente im Straßenverkehr - dhs.de · Analgetika Hypnotika Psychopharm Tagesdosen / Jahr pro versicherter Person. 11 Bevölkerungsentwicklung Altersverteilung der deutschen Gesamtbevölkerung

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Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaftenan der Universität Würzburg

Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. H.-P. Krüger

Medikamente im StraMedikamente im StraßßenverkehrenverkehrDipl. Psych. Dr. Yvonne Kaußner

Wissenschaftliches Symposium der DHS vom 8. bis 10. Juni 2009

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GliederungGliederung

1. Methodische Aspekte

2. Epidemiologische Befunde1. Problemstand und

Auftretenshäufigkeit

2. Unfall- und Verursacherrisiko

3. Experimentelle Befunde • Meta-Analyse von Berghaus 1997

• Highway Driving Test von O‘Hanlon et al.

4. Zusammenfassung und Fazit

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Methodische AspekteMethodische Aspekte

mit Exposition

Methoden der Risikobestimmung

experimentelle Studien

Relatives Risiko

Einzelfall adverse event

ohne Exposition

Epidemiologie klinische Ergebnisse

Verursacher-analyse

Relatives Risiko

4

StichprobenStichproben

Repräsentativ: Bevölkerung insgesamt• Fahrer und Nicht-Fahrer: Interviews, Befragungen,

Konsumstudien• Fahrer: Roadside Surveys

Verdacht:• Verdacht auf Alkohol beim Fahren (entnommene Proben

werden auf Drogen/Medikamente re-analysiert)• Verdacht auf Drogen beim Fahren

Unfälle:• Verletzte Fahrer• Getötete Fahrer

Nur der Vergleich der Auftretenshäufigkeit einer Substanz im unfallfreien Verkehr mit der Auftretenshäufigkeit bei Verkehrsunfällen erlaubt eine Risikoaussage!! !

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Methodische AspekteMethodische Aspekte

mit Exposition

Methoden der Risikobestimmung

experimentelle Studien

Relatives Risiko

Einzelfall adverse event

ohne Exposition

Epidemiologie klinische Ergebnisse

Verursacher-analyse

Verursacher-analyse

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Epidemiologische MethodenEpidemiologische Methoden

ohne

mitohne

mit

Verursacher-Risiko =

BeteiligterVerursacher

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Methodische AspekteMethodische Aspekte

mit Exposition

Methoden der Risikobestimmung

experimentelle Studien

Relatives Risiko

Einzelfall adverse event

ohne Exposition

Epidemiologie klinische Ergebnisse

Verursacher-analyse

Einzelfall adverse event

experimentelle Studien

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Experimentelle BefundeExperimentelle Befunde

Problem: Mangelnde Vergleichbarkeit der Studien hinsichtlich• Stichprobe (gesunde Probanden vs. Patienten)• Operationalisierung von Fahrtüchtigkeit/Methode

(neuropsychologische Leistungstests, Fahrsimulation, Fahrverhaltensprobe im Realverkehr)

• Einmal- vs. Mehrfachapplikation• Dosis• Testzeitpunkt• …

Möglicher Zugang:• Formulierung Standardkriterien (ICADTS Working Group, 1999)• Meta-Analysen

Glass (1976): „Metaanalysis refers to the analysis of analyses. I use it to refer to the statistical analysis of a large collection of analysis results from individual studies for the purpose of interpreting the findings.”

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Problemstand: Medikamentenkonsum Problemstand: Medikamentenkonsum und Fahrerpopulationund Fahrerpopulation

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Medikamente und AlterMedikamente und Alter

Quelle: Arzneiverord-nungsreport

19930 20 40 60 80 100 120

90+

80-84

70-74

60-64

50-54

40-44

30-34

20-24

10-14

1-4

Analgetika Hypnotika Psychopharm

Tagesdosen / Jahr pro versicherter Person

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BevBevöölkerungsentwicklunglkerungsentwicklung

Altersverteilung der deutschen Gesamtbevölkerungin 1950 Prognose für 2050

Statistisches Bundesamt, 2005

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MobilitMobilitäätt

40

50

60

70

80

90

100

bis

60J.

bis

64J.

bis

69J.

bis

73J.

bis

77J.

über

77J.

dPV-Befragung 2000

%

FrauenMännerGesamt

Anteil an Führscheinbesitzern bei einerStichprobe von 6620 Parkinson-Patienten

Künftig ist eine deutliche Zunahme von Medikamenten im Straßenverkehr zu erwarten!

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Auftreten und Risiken im VerkehrAuftreten und Risiken im Verkehr

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Das WDas Wüürzburger Roadside rzburger Roadside SurveySurvey

0 1 2 3 4 5 6

KokainAmphetamine

BarbiturateCannabis

OpiateBenzodiazepine 5ng/mlBenzodiazepine 3ng/ml

BAK>0.11%BAK>0.08%BAK>0.05%BAK>0.03%

BAK>0

% positive Proben von 9128 bzw. 2066

R

0 1 2 3 4 5 6

KokainAmphetamine

BarbiturateCannabis

OpiateBenzodiazepine 5ng/mlBenzodiazepine 3ng/ml

BAK>0.11%BAK>0.08%BAK>0.05%BAK>0.03%

BAK>0

% positive Proben von 9128 bzw. 2066

R

(aus Krüger, 1995)

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Internationale ErgebnisseInternationale Ergebnisse

0 50 100

Benzodiazepine

Barbiturate

Drogen

Alkohol

%

RoadsideSurveys

Verletzte

Getötete

Reanal.(Verdacht aufAlkohol)Reanal.(Verdacht aufDrogen/Med.)

(aus Krüger, 1995)

Median-Split aus 69 Studien

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FolgerungFolgerung

Zu wenig ist bekannt über das Auftreten von Medikamenten im Verkehr.

Insbesondere die differenziertere Aufschlüsselung nach einzelnen Substanzen und Dosierungen ist aufgrund zu geringer Auftretenshäufigkeiten kaum möglich.

Da die Auftretensrate nicht bekannt ist, ist auch keine klassische Risikoabschätzung möglich.

Es deutet sich an (vgl. de Gier, 2005):

10 – 25%1 – 5 %Drogen

6 - 21 %5 – 15 %Medikamente

Bei UnfällenRepräsentativ

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Ergebnisse VerursacheranalysenErgebnisse Verursacheranalysen

0 5 10 15

Alkohol

Cannabis

Stim.

Benzo

Alk + Cann.

Alk + Stim.

Alk + Benzo

Relatives Verursacherrisiko

Terhune1992

Hausmann1988

Drummer1994

Williams1985

Longo2000M

aM

a(aus Vollrath & Krüger, 2002)

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Fazit Fazit -- Epidemiologische DatenEpidemiologische Daten

• Geringfügig erhöhtes Risiko für Benzodiazepine

• Benzodiazepine als Stellvertreter für andere sedierende Substanzen

• Keine abgesicherten Aussagen zu Stimulantien

• KRITISCH: Kombination von Medikamenten mit Alkohol/Drogen ⇒ deutlich erhöhtes Unfallrisiko!

Schätzung: Medikamente sind für 3-10% der Unfälle mit verantwortlich (Verstraate, 2001)

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Experimentelle Experimentelle BefundeBefunde

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MetaMeta--Analyse v. Berghaus (1997)Analyse v. Berghaus (1997)

812 Studien mit 7536 Experimenten und 26.269 TestresultatenVerschlüsselung als nicht signifikante vs. signifikant negative vs. signifikant positive Differenz zw. Verum und Placebo (Alpha-Niveau 5%)Relative Gefahr für kraftfahrspezifsche Leistungen: Anteil signifikant verschlechterter Leistungen > 20% (≅ 0.3 Promille BAK, vgl. Meta-Analyse von Krüger, 1990)Klassifikation der Substanzen:– Hypnotika/Sedativa– Psychopharmaka (Antidepressiva, Neuroleptika, Tranquillantien)– Stimulantia– Analgetika– Antihistaminika– Antihypertensiva, Antiepileptika, Lokalanästhetika/Narkotika – Antidiabetika, Ophtalmika

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Berghaus 1997Berghaus 1997

Hypnotika Psycho-pharmaka

Opioide/ Methadon

Zopiclon/ Zolpidem,kurz/mittel-lang wirk-same Benzo-diazepine als Einschlafhilfe

selektive Anti-depressiva, MAO-Hemmer,Beurteilung am Einzelfall

Beurteilung am Einzelfall (stabilisierte Therapie, Compliance, Verzicht auf zusätzl. Substanzen, Allg.zustand)

Therapeu-tischeDosierung einhalten, nicht übermüdet fahren

Stimulantia

Neurolep-tika

Antide-pressiva

Tranquil-lantien

Beeinträch-tigungenv.a. in der Initial-phase;Toleranz-entwick-lung?

Allenfalls Buspironrelativ günstig

Antihista-minika

Astemizol,Terfenadin,Loratidin

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Highway Highway DrivingDriving Test (Test (OO‘‘HanlonHanlon))

Fahraufgabe Highway Driving Test (HDT):• 100 km Highway mit Fahrlehrer• Aufgabe: konstante Geschwindigkeit,

stabile Position auf der rechten Fahrspur• Bislang in über 70 Studien angewandt• Standard Deviation of Lane Position

(SDLP) als Maß für die Güte der Spurhaltung

Alcohol calibration study(Louwerens et al. 1987): • 24 soziale Trinker• Nüchtern, verschiedene Blutalkoholkonzentrationen• auf abgesperrtem Gelände• Exponentieller Anstieg der SDLP

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TranquillantienTranquillantien (HDT)(HDT)

(aus Vermeeren, 2009)

⇒ Signifikante Beeinträchtigungen vergleichbar mit 0.5- über 1.0 Promille⇒ Dosisabhängigkeit, nur sehr langsame Toleranzentwicklung

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TranquillantienTranquillantien (HDT)(HDT)

⇒ Signifikante Beeinträchtigungen vergleichbar mit 0.5- über 1.0 Promille nur bei GABA-Agonisten (Clorazepat, Oxazepam, Alpidem, Suriclon, Alprazolam, Suriclon) , keine/geringfügige bei serotonergen Substanzen (Buspiron, Odansetron, Ritanserin)

(aus Vermeeren, 2009)

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Hypnotika (HDT)Hypnotika (HDT)

⇒ Starke dosisabhängige Beeinträchtigungen v.a. bei langwirksamen Benzodiazepinen bis in den Nachmittag, eher geringe Beeinträchtigungen unter mittelang wirksamen Benzodiazepinen

⇒ Keine Beeinträchtigung unter Zolpidem und Zaleplon, aber unter Zopiclon(nicht dargestellt)

(aus Verster, 2009)

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Antidepressiva (HDT)Antidepressiva (HDT)

Vgl. Verster & Ramaekers 2009:

• Keine Beeinträchtigung unter SSRIs(Fluoxetin, Paroxetin) und Moclobemid

• Toleranzentwicklung nach einer Woche unter den Trizyklika Imipramin, Doxepin, Amitrtiptylin

• Nach einer Woche noch geringe Einbußen am Morgen nach abendlicher Einnahme von Mianserin und Mirtazapin

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AntihistaminikaAntihistaminika (HDT)(HDT)

Vgl. Theunissen 2009:

• Zu vermeidende Substanzen (Einbußen vergleichbar mit über 0.5 Promille): Hydroxizin, Emedastin, Clemastin, Triprolidin, Diphenhydramin

• Vorsicht bei höheren Dosierungen und/oder Mehrfachapplikation: Terfenadin, Ebastin

• Bislang keine Beeinträchtigungen nachgewiesen für: Levocetirizin, Fexofenadin, Loratidin, Desloratidin, Rupatadin

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FAZIT zum HDTFAZIT zum HDT

Relativ gute Übereinstimmung mit den Befunden von Berghaus (1997):• Tranquillantien sind auch nach längerer Einnahme kritisch

zu bewerten.• Länger wirksame Benzodiazepine als Einschlafhilfe können

sich noch bis in den Nachmittag auf die Fahrleistung auswirken.

• Bei Antidepressiva sind selektive Substanzen den Tri- und Tetrazyklika vorzuziehen.

• Neuere Antihistaminika sind insbesondere den Substanzen der ersten Generation überlegen.

Widersprüche/ Probleme:• Zopiclon?• Toleranzentwicklung bei Amitriptylin?• Beschränkung von Fahrleistung auf einen einzelnen

Parameter?

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Berghaus 1997Berghaus 1997

Hypnotika Psycho-pharmaka

Opioide/ Methadon

Zopiclon/ Zolpidem , kurz/mittel-lang wirk-same Benzo-diazepine als Einschlafhilfe

MAO-Hemmer,selektive Anti-depressiva, Beurteilung am Einzelfall

Beurteilung am Einzelfall (stabilisierte Therapie, Compliance, Verzicht auf zusätzl. Substanzen, Allg.zustand)

Therapeu-tischeDosierung einhalten, nicht übermüdet fahren

Stimulantia

Neurolep-tika

Antide-pressiva

Tranquil-lantien

Beeinträch-tigungenv.a. in der Initial-phase;Toleranz-entwick-lung?

allenfalls Buspironrelativ günstig;

Antihista-minika

Astemizol,Terfenadin,Loratidin

Zolpidem, kurz/mittel-lang wirk-same Benzo-diazepine als Einschlafhilfe

AstemizolLoratidinFexofenadinLevocetirizinDesloratidinRupatadin

Berghaus 1997 Berghaus 1997 & HDT& HDT

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FazitFazit• Medikamente stellen eine zunehmende Herausforderung dar.• Wenige epidemiologische Ergebnisse

zeigen: mindestens ebenso häufig wie andere psychoaktive Substanzenweniger gefährlich als Alkohol und Drogen

• Eine Ableitung von substanzspezifischen Grenzwerten anhand epidemiologischer Daten ist nicht zu erwarten.

• Grundsätzlich möglich erscheint die Ableitung von Grenzwerten aus Meta-Analysen zu experimentelle Studien, die nach einem harmonisiertem experimentellen Vorgehen durchgeführt werden (Vgl. ICADTS Working Group).

• Probleme: geringe Korrelationen zwischen Blutkonzentrationen undLeistungseinbußen, Operationalisierung von Fahrtüchtigkeit.

• 3-stufige Kategorisierung von Substanzen nach ATC-Code der ICADTS Working Group verfügbar unter http://www.icadts.nl/reports/medicinaldrugs2.pdf

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Problem des experimentellen ZugangsProblem des experimentellen Zugangs

Prüfung von Teilfunktionen

Prüfung in der Realfahrt

r = ?

Prüfung in der Fahrsimulation

r = ?

UNFALLr = ?