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Hauptseminar: Die Medizin im 19. Jahrhundert - Der Aufbruch in die Spezialisierung Hauptseminar: Die Medizin im 19. Jahrhundert - Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs Institut für Geschichte der Medizin an der LMU Sommersemester 2003 Prof. Dr. P.U. Unschuld, M.P.H.; Prof. Dr. W. Locher, MA „Jeder Arzt behandelt nur eine bestimmte Krankheit, nicht mehrere, und alles ist voll von Ärzten. Da sind Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den Leib, und für innere Krankheiten." Der Aufbruch in die Spezialisierung Michael Hunze Seite 1/35

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Hauptseminar: Die Medizin im 19. Jahrhundert - Der Aufbruch in die Spezialisierung

Hauptseminar: Die Medizin im 19. Jahrhundert - Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs

Institut für Geschichte der Medizin an der LMU

Sommersemester 2003

Prof. Dr. P.U. Unschuld, M.P.H.; Prof. Dr. W. Locher, MA

„Jeder Arzt behandelt nur eine bestimmte Krankheit, nicht mehrere, und alles ist voll von Ärzten. Da sind Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den

Leib, und für innere Krankheiten."

Der Aufbruch in die SpezialisierungMichael Hunze

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Hauptseminar: Die Medizin im 19. Jahrhundert - Der Aufbruch in die Spezialisierung

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.......................................................................................................................3

2. Quellensituation.............................................................................................................4

3. Ausgangssituation um 1800..........................................................................................4

3.1 Die Situation bei den praktisch tätigen Ärzten........................................................43.2 Die Situation in der akademischen Lehre...............................................................7

4. Neue Spezialdisziplinen entstehen...............................................................................7

4.1 Neue Spezialdisziplinen an den Universitäten........................................................74.2 Spezialisten betreten die Bühne der praktischen Medizin......................................9

5. Mechanismen, die zur Entstehung der Spezialdisziplinen beigetragen haben..........10

5.1 Das Wirken von Einzelpersonen...........................................................................105.2 Der Einfluß politischer Entwicklungen...................................................................125.3 Ein neues Krankheitsverständnis..........................................................................13

5.3.1 Die lokalpathologische Idee...........................................................................145.3.2 Das mechanistische Körperbild.....................................................................15

5.4 Das Zeitalter der Industrialisierung.......................................................................155.4.1 Demographische Veränderungen..................................................................155.4.2 Veränderungen der Lebensweise und der Lebensqualität............................16

5.5 Neue Forschungsergebnisse und Entdeckungen.................................................165.6 Der Aufschwung in der Chirurgie..........................................................................175.7 Veränderte Erwartungshaltung bei den Patienten................................................195.8 Gründung von Institutionen...................................................................................20

6. Spezialisierung in der Diskussion................................................................................21

7. Ausblick........................................................................................................................25

Literaturverzeichnis........................................................................................................35

Abbildungsverzeichnis...................................................................................................35

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1. Einleitung

"Jeder Arzt behandelt nur eine bestimmte Krankheit, nicht mehrere, und alles ist voll von

Ärzten. Da sind Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den Leib, und für

innere Krankheiten."

Herodot (etwa 490-430 v. Chr.), in seinen Historien über die zeitgenössische ägyptische

Medizin1

Wie man sieht, ist das Phänomen der Spezialisierung innerhalb der Medizin, das

Vorhandensein von Experten für die Krankheiten eines bestimmten Organs oder

Organsystems bzw. für bestimmte Gruppen von Krankheiten, nicht ganz neu. Dennoch

lohnt es sich, gerade das 19. Jahrhundert im Hinblick auf dieses Phänomen näher zu

beleuchten, insbesondere für den deutschen Sprachraum2. Verschiedene Entwicklungen,

sowohl innerhalb der Medizin, als auch in den übrigen Wissenschaften, gesellschaftliche

und politische Vorgänge, neue technische Entwicklungen und nicht zuletzt das Wirken

verschiedener Einzelpersonen haben in dieser Zeit dafür gesorgt, daß „alles voll von

Ärzten“ wurde. Im Folgenden wollen wir beleuchten, welche Einflußfaktoren hier eine

Rolle gespielt haben.

Wir werfen zunächst einen Blick auf die Ausgangssituation um das Jahr 1800. Dann soll

in einem kurzen Kapitel dargestellt werden, in welchem enormen Maß in den folgenden

Jahrzehnten neue Spezialdisziplinen entstanden. In den folgenden Abschnitten werden

Mechanismen und Einflußfaktoren beschrieben, welche dieser Entwicklung Vorschub

geleistet haben. Danach gehen wir schlaglichtartig auf die Diskussionen ein, die durch die

neuen Entwicklungen innerhalb der Ärzteschaft ausgelöst wurden. Zum Schluß

betrachten wir die Auswirkungen der geschilderten Entwicklungen, die noch heute spürbar

sind, und deren mögliche Konsequenzen.

Ziel dieser Betrachtung kann nicht sein, einen auch nur annähernd vollständigen

systematischen Überblick über die Vorgänge zu geben. Vielmehr geht es darum, anhand

von Beispielen die Mechanismen aufzuzeigen, die zur Entwicklung der neuen

medizinischen Spezialfächer geführt haben.

1 zit. nach Eckart, 212 Diese Betrachtung beschränkt sich auf den deutschen Sprachraum. Es ist jedoch davon auszugehen,

daß in anderen Ländern ähnliche Entwicklungen stattgefunden haben. Riedl nennt beispielhaft England und Amerika. (Riedl, 1)

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2. Quellensituation

Besonderen Aufschluß über die dargestellten Entwicklungen geben die komplementären

Werke Hans-Heinz Eulners, der in einer Schriftenreihe zur Medizin im 19. Jahrhundert

einerseits die Entwicklung der Spezialdisziplinen im akademischen Bereich beleuchtet,

andererseits ein Werk über das Spezialistentum in der ärztlichen Praxis verfaßt hat.

Daneben gibt es eine Dissertation von Heinrich Riedl, die vor allem die Diskussionen und

Auseinandersetzungen um die Spezialisierung beschreibt.

Wertvolle Informationen über die Vorgänge innerhalb der Ärzteschaft, die mit den

beschriebenen Entwicklungen zusammenhängen, finden sich außerdem in den

zeitgenössischen ärztlichen Zeitschriften.

3. Ausgangssituation um 1800

Um zu verstehen, auf welchem Boden die neu entstehenden Spezialdisziplinen wachsen

konnten, zunächst ein Blick auf die Situation der Ärzte um die Wende vom 18. zum 19.

Jahrhundert.

3.1 Die Situation bei den praktisch tätigen Ärzten

Eine wichtige Beobachtung zu Beginn ist, daß um 1800 der überwiegende Teil der

Bevölkerung überhaupt keinen Kontakt zu Ärzten hatte. Insbesondere auf dem Land gab

es keine Ärzte; im Krankheitsfall wurden verschiedene Heilkundige, die jedoch meist

primär andere Berufe ausübten, herangezogen. Zu diesen Heilkundigen zählten Schäfer 3,

Bader, Hebammen oder „weise Frauen“. Allenfalls holte man einen Wundarzt niederen

Grades.

In den Städten war die Situation anders. Hier gab es Ärzte, und besonders die

gehobeneren Bevölkerungsschichten zogen eher einen Arzt zu rate als einen der

erwähnten Heilkundigen, die gemeinhin als unfähig und unseriös aufgefaßt wurden. Unter

den Ärzten gab es zu dieser Zeit bereits einen gewissen Grad der Differenzierung. So gab

es Medici practici, innere Mediziner, Wundärzte verschiedener Klassen mit

unterschiedlicher Ausbildung und Befähigung, Oculisten, Stein-, Bruch- und

Hasenschartenschneider sowie Zahnärzte.

Das Selbstverständnis dieser Ärzte war ein anderes, als wir es heute kennen: Man

beschäftigte sich nicht so sehr gerne mit den Krankheiten der Armen, der

Minderbemittelten, der Kleinhandwerker und der Bauern, sondern man war an den Höfen

3 Die Schäfer hatten durch ihren ständigen Umgang mit den Tieren und deren Erkrankungen verschiedene heilkundliche Kenntnisse, die sie in begrenztem Umfang auf den Menschen übertragen konnten.

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des Adels, der Gutsbesitzer und für das reiche Bürgertum tätig und verstand sich als

Berater in medizinischen wie in nichtmedizinischen Fragen. Da viele Entwicklungen und

Entdeckungen in der Diagnostik, der Therapie und der Pharmakologie noch

bevorstanden, war die ärztliche Tätigkeit viel mehr als heute eine beratende. Die Ärzte

machten Vorschläge zur „Regelung der Lebensweise“ und kümmerten sich um die

Diätetik4. Seltener kam es zu tatsächlichen therapeutischen Handlungen wie etwa

pharmakologischen Interventionen oder Operationen.

Die Behandlung fand zunächst in den Wohnungen der Patienten statt, später auch in der

Wohnung des Arztes, ohne daß es dafür einen zweckgebundenen Behandlungsraum

gegeben hätte.

Die ärztliche Tätigkeit war bereits gesetzlich geregelt, es gab eine Medizinalordnung und

für jeden Bezirk einen staatlich angestellten Kreisphysikus oder Stadtphysikus, der über

die Einhaltung der Vorschriften wachte. Unter anderem war in diesen die Honorarfrage

geregelt: 1815 wurde in Preußen eine Taxordnung eingeführt, die ärztliche

Minimalhonorare sowohl für Wohlhabende als auch für Minderbemittelte festlegte. In der

Praxis wurde die Entlohnung des Arztes jedoch oft so gehandhabt, daß eine Familie

ihrem betreuenden Arzt ein jährliches Fixum entrichtete5.

Wichtig für unsere Betrachtung ist die Frage, in welche Stände und Kategorien sich die

Ärzte um die Wende zum 19. Jahrhundert einteilten. Diese Frage ist nicht leicht zu

beantworten, weil in den verschiedenen Einzelstaaten sehr unterschiedliche und zum Teil

recht komplexe Regelungen existierten. Als Beispiel sei Württemberg genannt, wo um

1815 drei verschiedene Arten approbierter Ärzte und neun verschiedene Klassen von

Wundärzten mit insgesamt 20 Unterstufen unterschieden wurden. Aufgrund der

Unüberschaubarkeit wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts Forderungen laut, einen

allgemeinen deutschen Ärztekongreß nach französischem Vorbild einzuberufen, der die

Frage nach der Einteilung der Ärzte in Kategorien und Klassen einheitlich regeln sollte6.

4 Der Begriff Diätetik weckt beim heutigen Leser wohl am ehesten Assoziationen mit dem Begriff Diät im Sinne der Einhaltung bestimmter Ernährungsvorschriften. Im weiteren Sinne umfaßt aber die Diätetik als Teil der hippokratischen Medizin die gesamte Lebensführung des Menschen und deren Zusammenhang mit Krankheit und Gesundheit. Das diätetische Prinzip ist das Gleichmaß, die Ausgewogenheit in der Lebensführung - etwa in Schlafen und Wachen, in Arbeiten und Ruhen, in Nahrungsaufnahme und Ausscheidung, in Liebesleben und Enthaltsamkeit, in intellektueller Beanspruchung und Muße, u.v.m..

5 Riedl, 4-56 Riedl, 5

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Im Jahre 1825 wurden in Preußen Prüfungsvorschriften erlassen, die drei Kategorien von

Ärzten unterschieden:

1. Akademisch ausgebildete, promovierte Ärzte, die „entweder die chirurgischen

Krankheiten zwar auch studiert, aber keine Prüfung darin bestanden hatten, oder

lediglich für innere Krankheiten vorgebildet und geprüft waren, oder ihre Befähigung für

die gesamte Medizin nachgewiesen hatten“, die sogenannten Vollärzte.

2. Wundärzte I. Klasse, Männer mit geringer Schulbildung bis etwa zur Sekunda oder I.

Bürgerschulklasse, die den Nachweis für die Befähigung der ärztlichen Berufstätigkeit

nach beiden Richtungen zu führen hatten, innere Krankheiten aber nur dort behandeln

durften, wo kein promovierter Arzt tätig war.

3. Wundärzte II. Klasse, mit noch geringerer Schulbildung, waren nur für die sogenannte

kleine Chirurgie approbiert7.

Aus dieser beispielhaft genannten Kategorisierung wird uns deutlich, daß im

Selbstverständnis der damaligen Mediziner die Einteilung in die groben Kategorien Innere

Medizin und Chirurgie gegeben war. Eine Sonderstellung nahmen die Zahnärzte ein, die

aus den Vollärzten und aus den Wundärzten erster und -häufiger- zweiter Klasse

hervorgingen. Für die Wundärzte war dabei der Nachweise verschiedener technischer

und mechanischer Fertigkeiten vorgeschrieben. Approbierte Chirurgen durften dagegen

ohne weiteres alle Zahnoperationen durchführen, dabei jedoch nicht die Bezeichnung

„Zahnarzt“ führen. Die Fachbezeichnung „Zahnheilkunde“ findet sich erstmals urkundlich

erwähnt in einem Ministerialerlaß von 18358.

Um das Jahr 1800 zerfiel also die Ärzteschaft in die akademisch gebildeten Inneren

Mediziner und die im wesentlichen handwerklich ausgebildeten Chirurgen - ein

Dualismus, der mit sich brachte, daß die Chirurgen eine weitaus weniger angesehene

Stellung innehatten. Die Emanzipation der operativ tätigen Mediziner begann zwar schon

in 18. Jahrhundert, aber erst 1850 wurde auch für den Beruf des Chirurgen eine

akademische Ausbildung erforderlich9.

Neben den praktischen Ärzten, die in den Städten tätig waren, gab es um 1800 auch noch

fahrende Heiler, die auf Dulten, Märkten und ähnlichen Veranstaltungen ihre Kunst

feilboten, oft begleitet von Gauklern und Marktschreiern, die das Publikum anlocken

sollten.

7 Dies berichtet Erich Peiper in seiner Schrift: Der Arzt. Einführung in die ärztlichen Berufs- und Standesfragen. Wiesbaden 1906. Zit. nach Riedl, 6.

8 Riedl, 69 Eckart, 241

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3.2 Die Situation in der akademischen Lehre

Wenn auch bei den praktisch tätigen Ärzten um 1800 die Einteilung weitgehend auf die

Zweiteilung zwischen konservativ und operativ tätigen Medizinern reduziert war, so war in

der akademischen Lehre schon ein etwas höherer Grad der Differenzierung erreicht.

Jahrhundertelang wurde in der medizinischen Ausbildung eine Gliederung in drei große

Gebiete vorgenommen: Medizin, Chirurgie, sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Diese Dreiteilung hatte auch noch um 1800 Bestand. Neben den klinischen Fächern

wurden selbstverständlich auch allgemeinwissenschaftliche und klinisch-theoretische

Fächer gelehrt10.

4. Neue Spezialdisziplinen entstehen

4.1 Neue Spezialdisziplinen an den Universitäten

Gerade im zuletzt besprochenen Bereich, in der akademischen Lehre, ist aus heutiger

Sicht gut nachzuvollziehen und zu beschreiben, in welchem Ausmaß im 19. Jahrhundert

neue Spezialdisziplinen hier das Bild bestimmen.

Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahmen an einigen Universitäten im

deutschsprachigen Raum Fächer wie Augenheilkunde, Venerologie und Orthopädie11

Einzug in die Hörsäle12.

An unserer Universität Landshut/Ingolstadt/München beginnt diese Entwicklung mit

Beginn des 19. Jahrhunderts. Aus dem "Auszug aus dem vollständigen Lehrplan [...]

sämmtlicher Fakultäten13“ wird ersichtlich, in welchen Fächern die Herren Kandidaten zu

dieser Zeit unterrichtet werden sollten (vgl. Tab. 1).

10 Riedl, 6-811 die Orthopädie zunächst noch im engeren, ursprünglicheren Sinne des Begriffs: die Kunst, Deformitäten

des kindlichen Körpers zu verhüten und zu heilen12 Riedl, 813 Dieser Auszug aus einer Verordnung an die Hochschulen, die am 25.11.1799 erlassen worden war, findet

sich in den Vorlesungsverzeichnissen der Universität vom Wintersemester 1802/03 und vom Sommersemester 1803

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I. Semester II. Semester III. Semester

• Medizinische

Enzyklopädie

• Anatomie

• Zoochemie

• Mineralogie

• Physiologie

• Botanik

• Zoologie

• Anthropologie

• Diätetik

• Anatomie

• Zoochemie

• Pathologie

• Theoretische Chirurgie

• ArzneymittellehreIV. Semester V. Semester VI. Semester

• Physiologie

• Pathologie

• Hebamenkunst

• Pharmaceutische

Waarenkunde

• Giftlehre

• Pharmazie

• Medizinische

Literärgeschichte

• Allgemeine Therapie

• Praktische Arzneykunst

• Theoretische Chirurgie

• Kritik der Dispensatorien

• Medizinische Polizey &

gerichtliche Arzneykunde

• Specielle Therapie

• Praktische Arzneikunde

• Kritik der ältern und

neuern Systeme der

Heilkunde

• Praktische Chirurgie

• Hebamenkunst

• Arzneimittellehre

• Rezeptirkunst

• Vieharzneikunst

Tab.1: Der Lehrplan der medizinischen Fakultät an der Universität Landshut/Ingolstadt/München zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Man sieht also, daß an klinischen Fächern (in der Tabelle grau unterlegt) nur die

Chirurgie, die innere Medizin, die Pharmakologie und die Geburtshilfe eine Rolle spielen.

In den folgenden Jahren kommen jedoch rasch einige Spezialfächer hinzu:

• im Sommersemester 1805 findet die erste eigene Vorlesung im Fach Augenheilkunde

statt

• im Wintersemester 1805/06 wird erstmals Venerologie gelehrt

• schon im Wintersemester 1806/07 gibt es eine erste Lehrveranstaltung zur Hygiene

• im Sommersemester 1808 gibt es erstmals einen „Notfallkurs“: „Ueber die

Rettungsmittel für in plötzliche Lebensgefahr Gerathene und Scheintodte -- auch für

Nichtärzte“

• im Sommersemester 1820 wird der Augenheilkunde das Stoffgebiet der Erkrankungen

des Ohres beigeordnet

• im Wintersemester 1825/26 wird zunächst im Rahmen der Pathologie über psychische

Erkrankungen gelesen

• im Sommersemester 1831 wird über Homöopathie gelesen

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• im Wintersemester 1831/32 findet die erste eigenständige Vorlesung über die

Erkrankungen des Kindes („De cognoscendis et curandis infantium morbis14“) statt

• im Sommersemester 1837 kommt die heutzutage außergewöhnlich anmutende

Kombination von Angiologie und Neurologie auf den Stundenplan15

Der Trend zur Spezialisierung, der hier für unsere eigene Universität beispielhaft

geschildert wird, ist natürlich nicht einzigartig. Hans-Heinz Eulner schildert in seinem Werk

Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen

Sprachgebietes detailliert, wie sich an sämtlichen Universitäten im deutschen Sprachraum

plötzlich sehr viele neue Spezialfächer entwickeln. Von Greifwald bis Graz und von Bonn

bis Breslau werden in dieser Zeit überall Lehrstühle für Ophthalmologie, Dermatologie,

Otorhinolaryngologie, Pädiatrie, Psychiatrie, Orthopädie und Hygiene gegründet.

4.2 Spezialisten betreten die Bühne der praktischen Medizin

Bei den praktisch tätigen Medizinern sind ähnliche Strömungen zu beobachten, wie für

uns in den Zeitschriften der Ärzteschaft deutlich wird: hier wird lebhaft darüber gestritten,

ob man es zulassen soll, daß viele praktische Ärzte sich nicht mehr als Allgemeinärzte

verstehen, sondern sich auf die Behandlung einer bestimmten Sorte von Krankheiten

spezialisieren. Diese neue Entwicklung erregt viel Aufsehen und viel Ärger; fast verbittert

hört sich der Ausspruch an, den Ernst von Leyden bei der ersten Sitzung des Berliner

Vereins für Innere Medizin 1881 tätigte:

„Es giebt gegenwärtig kaum noch Aerzte, fast nur Specialisten, oder man ist

Specialist und nebenbei noch Arzt.“

Auch in den Kliniken gehen die Entwicklungen hin zum Spezialistentum. Rudolf Grashey,

Münchner Chirurg und Röntgenologe, greift dieses Phänomen in einem satirischen Artikel

auf, der im Jahre 1911 in der Scherznummer X der Münchner Medizinischen

Wochenschrift unter dem Pseudonym „O.J.“ erscheint. Hier schildert der Autor eine

(natürlich erdachte) Begebenheit, bei der sich soviele Spezialisten um eine Patientin

scharten, daß aufgrund des großen Andranges die Krankenhausleitung gezwungen war,

den Andrang zu reglementieren - am Kopf zum Beispiel richtete sich die Reihenfolge der

Fachärzte nach der Numerierung der jeweils dazugehörigen Hirnnerven16.

14 „Über das Erkennen und das Heilen der Krankheiten der Kinder“15 aus den Vorlesungsverzeichnissen der Universität Landshut/Ingolstadt/München16 Riedl, 84-85

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5. Mechanismen, die zur Entstehung der Spezialdisziplinen beigetragen haben

In dieser Arbeit soll nicht der Versuch unternommen werden, detailliert und systematisch

die Geschichte eines jeden Spezialfaches darzustellen, das im 19. Jahrhundert

entstanden ist. In den folgenden Abschnitten wird statt dessen schlaglichtartig, anhand

von Beispielen, untersucht, welche Mechanismen generell die Entwicklung von

Spezialfächern bewirkt und gefördert haben.

5.1 Das Wirken von Einzelpersonen

Fortschritt geschieht immer durch die Menschen, die etwas Neues tun, die eine neue Idee

haben und sie umsetzen. Manchmal reicht das Wirken einzelner Personen, um große

Zusammenhänge zu verändern. So auch bei der Entstehung der Spezialdisziplinen in der

Medizin.

Als erstes Beispiel für einen solchen Vorgang sei Kurd Bürkner (1853 - 1913) genannt,

der sich 1877 an der Uni Göttingen über Ohrenkrankheiten habilitierte und im Folgejahr

eine private Ohrenklinik im Ernst-August-Hospital eröffnete. Im ersten Betriebsjahr fanden

sich bereits 217 Kranke ein17; anscheinend wurde die Klinik erfolgreich betrieben und ihre

Notwendigkeit gesehen - zumindest erkannte die Universität die Anstalt im Jahr 1884 als

Universitätsinstitut an, ein Jahr später erfolgte die Ernennung Bürkners zum

außerordentlichen Professor. 22 Jahre später wurde der Lehrauftrag für Laryngologie

hinzugefügt, und Bürkners Nachfolger Wilhelm Lange (1875 - 1954) wurde 1919

Ordinarius18. Das Beispiel Kurd Bürkners und seiner Klinik verdeutlicht, wie sowohl das

Wirken von Einzelpersonen als auch das Schaffen neuer Institutionen der Entwicklung

einer Spezialdisziplin Vorschub leisten können. Ein weiterer Beitrag Bürkners zur

Emanzipation der Ohrenheilkunde war sein 1892 veröffentlichtes Lehrbuch der

Ohrenheilkunde19.

Eine andere Einzelperson, die sehr zur Entwicklung einer medizinischen Fachdisziplin

beigetragen hat, ist der Wiener Ferdinand von Hebra20 (1816-1880). Ihm wird als Erstem

die Erkenntnis zugeschrieben, daß eine pathologische Hauterscheinung nicht

zwangsläufig Ausdruck einer systemischen Erkrankung sein muß, sondern eine auf die

Haut beschränkte, eigene Krankheitsentität darstellen kann. Diese Überlegung paßte sehr

17 Auch wenn die historische Signifikanz dieses Faktums eher gering sein dürfte, sei hier angemerkt, daß sich von diesen 217 Patienten 33 mit einer „Accumulatio ceruminis“ vorstellten.

18 Eulner 1967, 364; 590-59119 nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner.

München 200220 später Ferdinand Ritter von Hebra

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gut in das lokalpathologische

Krankheitsdenken des 19. Jahrhunderts. Zuvor

war man der Auffassung gewesen, daß die

Haut gleichsam als Spiegel, als leicht

zugängliches Abbild der systemischen

Erkrankung des Körpers dient. Bei vielen

Krankheitsbildern war und ist diese Sichtweise

ja zutreffend, man denke an die Lepra, an die

Syphilis, und an die zahllosen anderen

Infektionskrankheiten, die mit einem Exanthem

einhergehen. Bei anderen Krankheitsbildern ist

dieses ätiopathogenetische Denken jedoch

überholt - als Beispiel mag die Skabies gelten.

Früher hatte man postuliert, daß diesem

Krankheitsbild die „schlechten Säfte“ zugrunde

lagen. Sogar die neu entdeckte Milben konnte man noch in dieses Modell einbauen,

indem man forderte, daß die Milbe im erkrankten Organismus durch Urzeugung entstehe.

Ferdinand von Hebra brachte hier als erster Ursache und Wirkung in den heute noch

gültigen Zusammenhang. Wenn man berücksichtigt, daß 80% des Klientels von Hebras in

der Ausschlagabteilung des AK Wien an der Krätze litten, ist dieses neue

ätiopathogenetische Modell ein großer Durchbruch für die Etablierung des

lokalpathologischen Denkens im Hinblick auf die Haut - und gleichzeitig ein gewichtiges

Argument für die Einrichtung eines Spezialistentums, das sich mit lokalen Erkrankungen

der Haut befaßt.

Als weitere bedeutende Leistung von Hebras ist die Idee anzusehen, dekubitusgefährdete

Patienten in Wasserbetten zu lagern, um die Gefahr der Druckgeschwüre zu vermindern.

Für die Entwicklung des Spezialfaches Dermatologie hat von Hebra noch eine zweite,

ganz entscheidende Bedeutung, indem er gegen massiven Widerstand von seiten der

inneren Medizin eigene Vorlesungen im Fach Dermatologie durchsetzte21. Die

21 Der heftigste Gegner dieser neuen Fachvorlesung in Wien war wohl Lippich, der damalige Vorstand der medizinischen Klinik, der bis dato selbst im Rahmen der Vorlesung über spezielle Pathologie und Therapie über die Hauterscheinungen gelesen hatte, und dem die Behauptung zugeschrieben wird, daß „über Hautkrankheiten vorzulesen und in diesem Fache mit der Wissenschaft fortzuschreiten ohnehin seine, des klinischen Professors Aufgabe sei“ und daß er „weder mit der Unterscheidung Dr. Hebras der Hautkrankheiten in ein Heer von Arten und Unarten noch dessen Ansicht einverstanden [sei], daß Hautkrankheiten bloß Lokalübel und allein mit Lokalmittel, namentlich Ätzmitteln, zu zerstören seien, sogar davor zu warnen bemüßigt sei“*). Es ist eine interessante Überlegung, woher wohl diese

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Abb. 1: Ferdinand Ritter von Hebra

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Zusammenfassung von Dermatologie und Venerologie vollzog sich dann in der zweiten

Hälfte des 19. Jahrhunderts recht reibungslos und von selbst, da die Zweckmäßigkeit

dieser Kombination allgemein anerkannt wurde22.

Als ein letztes, aber besonders eindrückliches

Beispiel dafür, wie das Wirken einer einzelnen

Person entscheidend für die Entwicklung einer

ganzen Spezialdisziplin war, mag uns Max von

Pettenkofer (1818 - 1901) dienen. Pettenkofers

Pionierarbeit auf dem Gebiet der Hygiene, die zur

Einrichtung eines Lehrstuhls (1865) und

schließlich zur Gründung des weltweit ersten

Hygiene-Instituts (1879) führte, war der Beginn

der Entwicklung der Hygiene zur medizinischen

Spezialdisziplin23.

5.2 Der Einfluß politischer Entwicklungen

Die Frage, welche politischen Entwicklungen die

Herausarbeitung der verschiedenen

medizinischen Fachdisziplinen beeinflußt haben

mögen, darf nicht unberücksichtigt bleiben.

Wenden wir den Blick etwas zurück aus dem 19.

ins 18. Jahrhundert. Im Zeitalter der Aufklärung erkannte der Staat es als seine Aufgabe

an, sich um die Gesundheitsversorgung seiner Bevölkerung zu kümmern - wenn auch

sicherlich nicht nur aus humanitären Beweggründen, sondern aus ökonomischen

Überlegungen. Gesunderhaltung des Volkes bedeutete Arbeitskraft, bedeutete

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Um den Anforderungen dieser neuen Aufgabe gerecht

zu werden, benötigte man Experten - oder Spezialisten, eben! Und so haben die

Verknüpfung von Kompetenzgerangel auf der einen Seite und von unterschiedlicher pathogenetischer Denkweise auf der anderen Seite kam - man könnte Herrn Lippich unterstellen, er habe die akademische Konkurrenz Hebras gefürchtet, habe Angst davor gehabt, viele Patienten und ein Forschungsgebiet an Hebra zu verlieren, und habe aufgrund dieser Ängste seine Augen und seinen Geist vor plausiblen, neuen Denkansätzen verschlossen. Möglicherweise dient die kleine Geschichte Lippichs und Hebras als Warnung, nicht aufgrund akademischer Dünkeleien und wirtschaftlicher Überlegungen die wissenschaftliche Objektivität zu verlieren.*) in: Arzt, Leopold: Zur Geschichte der Universitätsklinik für Dermatologie und Syphilidologie in Wien. I. Dr. Ferdinand Hebra's Habilitierung. Wiener med. Wschr. 75 (1925) Sp. 327-330. Zit. nach Eulner 1967, 223.

22 Eulner 1967, 223-22523 Eckart, 278

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Abb.2: Max von Pettenkofer

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medizinischen Spezialdisziplinen Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, letztendlich auch der

heutige Bereich Public Health, ihre Wurzeln in Zeiten der Aufklärung, und sie sind im 19.

Jahrhundert gewachsen und gediehen.

Wiederum können wir Einzelpersonen dingfest machen, die im Rahmen der politischen

Großwetterlage das ihre dazu taten, daß die neuen Spezialdisziplinen Fuß fassen

konnten. Da ist zu nennen der Ulmer Stadtphysikus Wolfgang Thomas Rau (1721 - 1772),

vielleicht der erste Sozialmediziner, der 1764 als erster den Begriff „medicinische Policey“

im Sinne einer theoretischen Grundlage für öffentliche Gesundheitspflege und soziale

Fürsorge geprägt hat. Johann Peter Frank (1745 - 1821) publizierte zwischen 1786 und

1817 seine Schriften zum „System einer vollständigen medicinischen Policey“ und legte

damit den Grundstein für die Ausbildung der öffentlichen Gesundheitspflege als

medizinische Spezialdisziplin24.

Abb. 3: Johann Peter Frank und das Titelblatt der zweiten Auflage des ersten Bandes seiner Schrift

24 Eckart, 243-245

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Frank fordert in seinen Schriften den aufgeklärten absolutistischen Herrscher auf, sich um

die Gesundheit seines Volkes zu kümmern und sie zum Wohle des Staates zu erhalten.

Franks Inhalte erstrecken sich über ein weites Feld, er kümmert sich um den

„Zeugungstrieb“, der sich den Interessen des Staates unterzuordnen habe, behandelt die

Probleme von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, gibt Hinweise zur Kinderpflege

und zur Erziehung, fordert die Achtung von ledigen Müttern und unehelichen Kindern,

mahnt die Einrichtung von Waisenhäusern an, spricht sich für das Stillen aus, erinnert an

die Notwendigkeit, einwandfreie Speisen zuzubereiten und sich gesund zu kleiden, spricht

über Städtebau und Wasserversorgung und über die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Ein ganzer Band befaßt sich mit der medizinischen Ausbildung. Daneben enthalten

Franks Schriften aber auch eugenische Vorstellungen, er fordert beispielsweise ein

Eheverbot für Menschen, die an einer Erbkrankheit leiden25.

Auch Rudolf Virchow26 war sozialmedizinisch engagiert. Im Jahre 1848 wird er im

Regierungsauftrag ins oberschlesische Typhusgebiet gesandt, um dort medizinische und

epidemiologische Beobachtungen zu machen. Sein Bericht gipfelt jedoch in einem

sozialpolitischen Bekenntnis - Virchow fordert angesichts der Not der Bevölkerung

unumschränkte Demokratie und stellt fest: „Die Cultur von 1 ½ Millionen unserer

Mitbürger, die sich auf unterster Stufe moralischer und physischer Gesunkenheit

befinden, ist unsere Aufgabe.“ Auch später noch, als Virchow schon ein bekannter und

einflußreicher Mann ist, äußert er sich zu sozialmedizinischen Fragen27.

Neben diesen großen politischen Zusammenhängen, die mit der Veränderung staatlicher

Zielsetzungen zu tun haben, haben in Einzelfällen auch banalere Einflußfaktoren der

Spezialisierung Vorschub geleistet. In Preußen bewilligten 1872 Kultusminister Falk und

Finanzminister Camphausen in rascher Folge neue Professuren für Dermatologie und

Ophthalmologie an der Universität Breslau. Dies bringt Eulner in einen Zusammenhang

mit den französischen Reparationszahlungen, die zu dieser Zeit für einen überfließenden

Staatshaushalt sorgten. Eulner zitiert hier A. Sartorius von Waltershausen, der in seinem

Werk Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1815-1914 (Jena 1920, S. 579) schreibt: „Unter

dem Milliardensegen der französischen Kriegsentschädigung hielt Camphausen es für gut

überall da zu geben, wo ein neues Bedürfnis als vorhanden behauptet wurde.28“

25 Schott, 14026 Rudolf Virchow (1821 - 1902): Pathologe, publizierte 1858 seine Zellularpathologie als neue

Krankheitslehre und legte damit den Grundstein für ein neues Krankheitsverständnis.27 Schott, 15728 Zit. nach Eulner 1967, 230

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5.3 Ein neues Krankheitsverständnis

Im 19. Jahrhundert veränderten sich unter dem Einfluß neuerer Forschungsergebnisse

und Denkweisen aus der Medizin, aber auch der anderen Naturwissenschaften, die

Erklärungsmodelle für Krankheit, das Krankheitsverständnis. Zwei Kernpunkte des sich

entwickelnden neuen Krankheitsverständnisses mögen eine gewisse Relevanz für diese

Betrachtung haben:

5.3.1 Die lokalpathologische Idee

Der Begriff „lokalpathologische Idee“ beschreibt eine Auffassung, die zunächst um 1800

in der Pariser klinischen Schule entstand - dort verblaßten ganzheitliche und

philosophische Erklärungsmuster für das Kranksein gegenüber mechanistischem Denken.

Es entstand die Idee, daß Krankheit nicht notwendigerweise ein Dysregulationszustand

des gesamten Organismus sein müsse, sondern daß vielmehr der Ort, an dem die

Krankheit in Erscheinung tritt, das Organ oder die Körperstelle, die symptomatisch wird,

der Ausgangspunkt für die Erkrankung ist29. Dieses Modell paßte gut zu Virchows

Zellularpathologie: Wenn alle Mißstände auf zellulärer Ebene entstehen, so liegt es doch

nahe, daß genau die Zellen am Manifestationsort der Erkrankung auch deren Ursprung

sind. Aus dieser Denkweise konnte man nun leicht ableiten, daß es Sinn machen würde,

für unterschiedliche Krankheits-Loci jeweils Experten zu haben. So erlaubt dieses

ätiopathogenetische Modell viel eher die Zulassung von spezialisierten Medizinern als ein

ganzheitlich-systemisches Krankheitskonzept. Den Zusammenhang von Virchows Lehre

und der Entstehung der Spezialdisziplinen greift schon Heinrich Rohlfs30 in einem

-zugegeben etwas polemischen- Artikel über den Spezialismus auf, der 1862 in der

Zeitschrift Deutsche Klinik erschienen ist:

„Weiße und rothe Blutkörperchenärzte, Fett-, Knorpel-, Nervenzellenärzte

werden nächstens ebenso en vogue sein, als jetzt die Kehlkopfs-,

Gebärmutter-, Augen-, Ohren-, Herzkrankheitenärzte; und die Specialisten sind

eigentlich verpflichtet, Hrn. Prof. Virchow, als dem Begründer der

Cellularpathologie, einen öffentlichen Dank zu votiren, da jetzt ihre und ihrer

Nachfolger Zukunft mehr denn gesichert erscheint.31“

29 Eckart, 25930 Heinrich Rohlfs (1827 - 1898) war Militärarzt, später niedergelassener praktischer Arzt in Bremen. Er

betätigte sich auch als Medizinhistoriker und war der Begründer des Deutschen Archiv für die Geschichte der Medizin und medizinische Geographie.nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. München 2002

31 Rohlfs, 95-96

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Für eine Gruppe von Erkrankungen hatte die lokalpathologische Idee eine besondere

Bedeutung, und das sind die psychischen Erkrankungen. Unter dem Einfluß der

lokalpathologischen Denkweisen wandelte sich hier das Bild von der „Besessenheit“ hin

zu einem hirnorganischen, neuropathologisch erklärbaren Krankheitsprozeß. Es entstand

im jungen Fach Psychiatrie die somatopsychiatrische Denkweise, für die Emil Kraepelin32

wichtig wurde. Er versuchte in seinen Publikationen, die Geisteskrankheiten nach ihren

Verläufen und nach organischen Gesichtspunkten zu klassifizieren33.

5.3.2 Das mechanistische Körperbild

In der Nachfolge der Iatrochemiker und Iatrophysiker hatte ein großer Teil der

medizinischen Wissenschaftler im 19. Jahrhundert eine kartesianische34, mechanistische

Auffassung von Bau und Funktion des Körpers. Diese Auffassung wurzelte einerseits in

den Unzulänglichkeiten des antiken humoralpathologischen Konzepts, hauptsächlich aber

in der Fülle der Erkenntnisse, die durch die neuen Methoden in den Naturwissenschaften

möglich wurden. Die neue Tendenz, den Körper in seine Einzelteile zu zerlegen und die

Erklärung seiner Funktion und Malfunktion35 mit dem Zusammenwirken dieser Teile zu

erklären, wird als Reduktionismus bezeichnet36.

Die Schlußfolgerung, die letztendlich im Zusammenhang mit der Entwicklung der

Spezialdisziplinen daraus gezogen werden kann, ist eine einfache: Läßt sich der Körper in

seine Einzelteile zerlegen, so läßt sich auch die Wissenschaft, die sich mit seiner

Funktion, seiner Dysfunktion und deren Behebung befaßt, in ihre Einzelteile zerlegen.

5.4 Das Zeitalter der Industrialisierung

Um den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert kam es im Zusammenhang mit der

technisch-industriellen Revolution zu einem bedeutsamen Wandel des Wirtschafts- und

Soziallebens. Einige Veränderungen, die die industrielle Revolution mit sich brachte,

gewannen auch für die Medizin und hier für die Entwicklung der Spezialdisziplinen an

Bedeutung.

32 Emil Kraepelin (1856 - 1926): Psychiater, von 1904 bis 1922 Lehrstuhlinhaber in München. Neben seinen somatopsychiatrischen Klassifkationsansätzen ist er uns vor allem durch den Begriff der Dementia praecox erinnerlich, den er geprägt hat.

33 Eckart, 29734 kartesianisch: nach René Descartes (lat. Renatus Cartesius, 1596-1650). Descartes entwickelte eine

Lebenstheorie, die alle Vorgänge des menschlichen Körpers vorrangig auf physikalisch-mechanistische Prinzipien zurückführen ließ.

35 Allein der Wandel in der Wortwahl, die Verwendung von Begriffen wie Funktion und Malfunktion im Zusammenhang mit dem menschlichen Organismus, ist bezeichnend für das neue biologische Konzept.

36 Eckart, 190

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5.4.1 Demographische Veränderungen

Als erstes sind hier demographische Veränderungen zu nennen. Die Kombination aus

agrarischen Krisen und dem Entstehen eines neuen Arbeitsmarktes in den neuen

industriellen Zentren führte zu einer Landflucht. Dies wiederum führte zu einem

Anschwellen der Städte, was aus medizinischer Sicht große Probleme mit sich brachte:

hygienische Mißstände in der dicht gedrängten Stadtbevölkerung führten zu

Erkrankungen. Die großen Cholerawellen des 19. Jahrhunderts, die sich immer wieder auf

die neuen industriellen Ballungszentren konzentrierten, legen davon Zeugnis ab37. Es ist

klar, daß diese Entwicklungen sowohl dem neu entstehenden Spezialfach Hygiene, als

auch der Einrichtung von spezialisierten Institutionen, die sich mit Sozial- und

Arbeitsmedizin beschäftigten, Vorschub leisteten.

5.4.2 Veränderungen der Lebensweise und der Lebensqualität

Neben den rein demographischen Veränderungen änderte sich auch die Lebensweise

und die Lebensqualität der Menschen. Die Arbeitsbedingungen in den neu entstehenden

Fabriken können nicht als gesundheitsfördernd beschrieben werden: lange Arbeitszeiten,

anstrengende körperliche Arbeit, mangelnder Arbeitsschutz, Umgang mit toxischen

Stoffen und andere Faktoren trugen dazu bei, daß viele Arbeiter krank wurden. Primär

waren es muskuloskelettale Schäden, direkte toxische Schäden, Schäden an Gehör und

Augenlicht und Traumen, von denen die Arbeiter betroffen waren. Sekundär kam es im

Zuge dieser Entwicklungen zu psychosozialen Beeinträchtigungen und infolgedessen zu

einer Zunahme des Alkoholismus (zeitgenössisch als „Trunksucht“ bezeichnet) und auch

der Prostitution. Angesichts der sich katastrophal verschlechternden gesundheitlichen

Situation der Bevölkerung stand die Medizin vor riesigen Herausforderungen, die mit

Veränderungen einhergingen. Und so mündeten verschiedene der genannten

Entwicklungen mehr oder weniger direkt in die Ausbildung neuer Spezialdisziplinen ein:

Die Dermatologie/Venerologie erhielt ihre Berechtigung tragischerweise aus dem

Grassieren der durch Sexualkontakt übertragbaren Krankheiten; die Pädiatrie und die

Orthopädie38 entstanden nicht minder tragisch auch deshalb, weil viele Familien

gezwungen waren, ihre Kinder zum Arbeiten in die Fabriken zu schicken - mit denkbar

schlimmen gesundheitlichen Folgen39.

37 Eckart, 252-25338 Hier ist wiederum die Orthopädie im ursprünglichen Sinn gemeint: die Verhütung und die Heilung der

Deformitäten des Kindes.39 Eckart, 252; Riedl, 10

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Abb. 4: Kinderarbeit. Das Bild zeigt Kinder, die in einer Kohlenlesehalle arbeiten (1866)

5.5 Neue Forschungsergebnisse und Entdeckungen

Manchmal ist es schwer abzugrenzen, ob jemand Geschichte durch seine Persönlichkeit

und sein Handeln schreibt, oder eher durch seine Leistungen und Entdeckungen. Eine

Erfindung, die für die Entwicklung der Augenheilkunde als Spezialdisziplin innerhalb der

Medizin eine ganz entscheidende Bedeutung hatte, wurde jedenfalls von einem Mann

gemacht, dessen Persönlichkeit und dessen unglaublich vielseitige Fähigkeiten sicherlich

ebenso eindrucksvoll sind wie seine Entdeckungen. Die Rede ist von Hermann von

Helmholtz (1821 - 1894), der zunächst an verschiedenen Universitäten als Physiologe

tätig war, um zuletzt ab 1871 in Berlin seine Karriere mit einer Physik-Professur zu

krönen. Gleichzeitig war Helmholtz Präsident der neu gegründeten physikalisch-

technischen Reichsanstalt. In der Physik ist er uns geläufig durch seine Leistungen in der

Thermodynamik, er führte den mathematischen Beweis des Energieerhaltungssatzes.

Etwas weniger bekannt ist Helmholtz' Interesse für die Musik und die Philosophie, und die

Tatsache, daß er auch in der Medizin bahnbrechendes geleistet hat. So gelang ihm um

1850 als erstem die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (noch heute eine

wegweisende neurologische Diagnostik). Die Erfindung, die für die Entwicklung der

Augenheilkunde maßgeblich war, war das Ophthalmoskop, der Augenspiegel, den

Helmholtz im Jahre 1850 erfand40. Mit diesem neuen Instrument war es möglich, mehr als

40 Eckart, 267; Riedl, 9

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nur das Schwarz der Pupille zu erblicken und die Tiefen des Auges zu ergründen. Die

neue Welt, die dort den diagnostischen Blicken zugänglich wurde, umfaßte schon damals

die Beobachtung der retinalen Gefäße und der Papilla nervi optici.

Abb. 5: Hermann von Helmholtz mit einer Zeichnung seiner Erfindung, des Augenspiegels

Vergleichbaren Vorschub bei der Entwicklung der Otorhinolaryngologie leisteten die

Erfindungen des Kehlkopfspiegels durch Stütz, des Ohrentrichters und der

Parazentesenadel, alles ebenfalls Entwicklungen aus der zweiten Hälfte des 19.

Jahrhunderts41.

Ein anderes Beispiel für die Entstehung einer medizinischen Spezialdisziplin durch

Fortschritt in der Wissenschaft ist das klinisch-theoretische Betätigungsfeld des

Laborarztes. Die neuen Entwicklungen in der Chemie ermöglichten erstmals im 19.

Jahrhundert eine quantitative Labordiagnostik. Die Kenntnisse und Möglichkeiten auf

diesem Gebiet wuchsen so sehr, daß eigene Experten für dieses Feld ihre

Daseinsberechtigung erlangten.

41 Eckart, 294

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5.6 Der Aufschwung in der Chirurgie

Eine ganz entscheidende Rolle für unsere Betrachtung

spielen die Geschehnisse in der Chirurgie, oder

vielmehr die Tatsache, daß zwei neue

„Hilfswissenschaften“ die Chirurgie ergänzten. Die

Rede ist von der Anästhesie und der

Asepsis/Antisepsis42. Spätestens mit der ersten

Lachgasnarkose durch Horace Wells43 1844 in

Amerika wurde klar, wie sehr sich die Möglichkeiten

der operativen Therapie ausdehnen würden, wenn

sich der Patient in eine künstliche Bewußtlosigkeit und

Schmerzfreiheit versetzen ließe. Als Beispiel für eine

Spezialdisziplin, die enorm von der Einführung der

Anästhesie profitierte, sei einmal mehr die

Augenheilkunde genannt. Operationen an dem sehr schmerzempfindlichen Organ Auge

wurden möglich; es war eine relativ direkte Folge der Einführung der Anästhesie, daß im

Jahre 1856 die erste Keratoplastik vorgenommen werden konnte.

Nun wird auch deutlich, weshalb die Ophthalmologie in der zeitlichen Abfolge der

Entwicklung der Spezialdisziplinen am Anfang steht - hier gab es schon sehr früh sowohl

in der Diagnostik (durch die Erfindung des Augenspiegels) als auch therapeutisch (durch

den Aufschwung in der Chirurgie) große Fortschritte, und diese beiden Faktoren konnten

bei der Ausbildung der Spezialdisziplin synergistisch wirken.

42 Unter Asepsis versteht man das keimarme Arbeiten im OP, d.h. das Bemühen, keine Infektionserreger in das Operationsfeld kommen zu lassen. Dazu dienen Maßnahmen wie die Sterilisation der Instrumente und Materialien, die sterile Abdeckung und die Desinfektion des Operationsfeldes sowie Händedesinfektion und sterile Bekleidung des Personals.Der Begriff Antisepsis bezeichnet die ergänzenden Maßnahmen, die zum Ziel haben, Infektionserreger abzutöten, die bereits in die Wunde gelangt sind (durch lokale Applikation chemischer Mittel).

43 Horace Wells (1815 - 1848) war Zahnarzt in Hartfort, Connecticut (USA). Wells war innovationsfreudig, unter anderem stellte er seine eigenen Instrumente her und erdachte eine Kampagne, mit der die Kinder zum Zähneputzen angehalten werden sollten. Seine bedeutendste Leistung war jedoch die Durchführung der ersten Lachgasnarkose im Jahre 1844. Wells erprobte seine Idee an sich selbst, er atmete NO2 ein und ließ sich dann unter Wirkung des Lachgases einen Zahn ziehen. Es wird behauptet, Wells habe im Anschluß an die Molarextraktion ausgerufen, „I did not feel so much as the prick of a pin. A new era in tooth-pulling has come!".Wells' Geschichte endet unglücklich. Nach den ersten Erfolgen mit Lachgas ging er nach New York City, wo er weiter mit Allgemeinanästhetika experimentierte. Dort landete er im Gefängnis, weil er unter dem Einfluß von Chloroform öffentliches Ärgernis erregt hatte. Im Gefängnis nahm sich Wells das Leben.nach http://www.virtualvermont.com/history/hwells.html

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Abb.6: Horace Wells

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Abb. 7: Routineamputation vor Einführung der Allgemeinnarkose. Man beachte den stattfindenden Kampf und die chirurgischen Instrumente im Vordergrund.

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Auch die Erkenntnisse von Männern wie Ignaz

Semmelweis44 und Joseph Lister45 haben, nachdem sie

sich gegen viel Widerstand und Schwierigkeiten

durchsetzen mußten, in der Chirurgie Unmögliches

möglich gemacht. In Zeiten vor Asepsis und Antisepsis

waren beispielsweise Operationen mit Eröffnung des

Peritoneums mit furchterregender Morbidität und

Mortalität behaftet und wurden deshalb nur als seltene

Verzweiflungstaten durchgeführt. Auch bei den

häufiger durchgeführten Eingriffen an den Extremitäten

war die Morbidität und Mortalität hoch, aufgrund der

großen Feinde,

„blood poisoning and green-black gangrene,

which emptied surgical wards into the graveyard,

and awarded successive occupants of the

operating table a worse chance than a

guardsman at Waterloo46“,

wie Richard Gordon anschaulich schreibt.

Die Einführung aseptischer und antiseptischer Maßnahmen veränderten diese Situation

44 Ignaz Phillip Semmelweis (1818 - 1865): Der Wiener Geburtshelfer Semmelweis hat als erster erkannt, daß das gefürchtete Kindbettfieber nicht von miasmatischen Verunreinigungen der Luft oder von der „Unreinlichkeit der Wöchnerinnen“ herrührte, sondern von den untersuchenden Händen der Gynäkologen. Semmelweis hatte die Beobachtung gemacht, daß am ehesten die Frauen erkrankten, die von Studenten und Ärzten untersucht wurden, die unmittelbar vorher Sektionen durchgeführt hatten. Semmelweis untersuchte das Phänomen und forderte in der Schlußfolgerung gründliches Händewaschen in Chlorkalklösung, regelmäßiges Waschen des Bettzeugs und sorgfältige Reinigung der Instrumente. Aufgrund dieser Überlegungen gilt Semmelweis als Begründer der Asepsis, deren Erfolgszug er selbst leider nicht erleben konnte. Es mag von uns als eine Ironie wahrgenommen werden, daß Semmelweis in einer Nervenklinik verstarb - an einer Sepsis, die aus einer Wundinfektion entstanden war.nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. München 2002

45 Joseph Lister (1827 - 1912): Dieser englische Operateur war durch einen Zufall auf die desinfizierende Wirkung der Karbolsäure aufmerksam geworden. Er hatte die Idee, zur Vermeidung von Infektionen den ganzen Operationsbereich mit Karbolsäure einzunebeln. Die erste Publikation über diese Methode datiert zurück ins Jahr 1867. Zusammen mit der Desinfektion der Hände der Operateure und der Instrumente erreichte Listers Karbolsäurezerstäuber tatsächlich eine drastische Senkung der Infektionshäufigkeit. Die Methode wurde später wieder aufgegeben, weil die Nebenwirkungen der vernebelten Karbolsäure auf das Personal untragbar wurden. Der Name Lister ist uns heute noch geläufig durch die Listerien, eine Bakterienfamilie.Wiederum historisch nicht besonders signifikant, aber vielleicht interessant, ist die Tatsache, daß Lister zunächst einen umfunktionierten Parfümzerstäuber für die Vernebelung der Karbolsäure verwendete, und später eigens für diesen Zweck eine dampfgetriebene Apparatur konstruierte. Diese Apparatur erhielt den Spitznamen donkey engine, Esel-Maschine.Eckart, 290; Gordon, 54

46 Gordon, 54

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Abb.8: Ignaz Semmelweis

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drastisch und führten zu einem beeindruckenden Aufschwung in der Chirurgie.

Abb. 9: Die Antisepsis hält Einzug in die Chirurgie. Rechts im Bild sieht man einen Medizinstudenten, der mit einem umfunktionierten Parfümzerstäuber Karbolsäure in den Raum ausbringt.

Die enormen Fortschritte in der Chirurgie eröffneten also immense neue operative

Möglichkeiten, und gepaart mit dem mechanistisch-lokalpathologischen

Krankheitskonzept lag es auf der Hand, daß sich innerhalb der Chirurgie ein

Spezialistentum herausbildete, das nach und nach zur Abspaltung einiger kleiner

Teilbereiche und deren Entwicklung in neue Spezialdisziplinen führte. Dieser Vorgang ist

mitverantwortlich für die Entstehung der Ophthalmologie, der Urologie, der

Otorhinolaryngologie, und für die Ausformung der Orthopädie von einem rein

konservativen zu einem konservativen und operativen Fach47.

47 Eckart, 291-294

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5.7 Veränderte Erwartungshaltung bei den PatientenIm Klinischen Jahrbuch von 1890 schreibt Albert Neisser48:

„Sobald erst eine Bevölkerung davon Kenntnis hat, dass einem Zweig der

Medizin besondere Pflege in einer eignen Anstalt gewidmet wird, sucht sie

erfahrungsgemäß dieselbe auf49.“

Dieser kurze Ausschnitt aus Neissers Artikel legt Zeugnis davon ab, wie auch das

verstärkte Interesse der Patienten an spezialisierten Ärzten die Spezialisierung

vorangetrieben hat. Anschaulicher und vor allem expliziter wird er eine Seite weiter:

„In keinem Zweige der Medizin

wuchert ein so arg in den Zeitungen

sich breit machendes und zur

schlimmsten Sorte von Reklame

greifendes Spezialistentum und

Pfuschertum wie in dem unsrigen,

-sicherlich ein Beweis dafür, dass

das Publikum diese Leute aufsucht (-

denn sonst würde sich die Reklame

nicht bezahlt machen -) und dies

geschieht wiederum aus dem

Grunde, weil es -mehr oder weniger

mit Recht- die Erfahrung gemacht

hat, dass die meisten praktischen

Ärzte oft mit diesem Kapiteln nicht

genügend vertraut sind oder sich

nicht genügend für sie

interessieren.“50

Neisser spricht hier einen wichtigen Punkt an: mit der Forderung der Patienten nach

spezialisierten Ärzten ist ein neuer Markt entstanden, und es wäre wohl in der Geschichte

der Menschheit das erste Mal gewesen, wenn ein neuer Markt mit neuer Kaufkraft nicht

über kurz oder lang Anbieter gefunden hätte, die seine Bedürfnisse befriedigen.

Das Interesse von Patienten an spezialisierten Ärzten dürfte tatsächlich recht groß

48 Albert Neisser (1855 - 1916) war der dritte Lehrstuhlinhaber für Dermatologie in Breslau. 1879 beschrieb er als erstes den Erreger der Gonorrhoe, der seinen Namen trägt: Neisseria gonorrhoeae. Daneben beschrieb er die Meningokokken, Neisseria menigitidis, einen häufigen Erreger der Hirnhautentzündung.

49 Neisser, 195-19650 Neisser, 197

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Abb.10: Albert Neisser

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gewesen sein. Heinrich Köbner, Privatdozent an der Universität Breslau, bittet 1872 in

einer Eingabe den Kultusminister um die Einrichtung einer speziellen dermatologischen

Klinik, denn „aus ganz Norddeutschland [...] sehen sich Mediziner [...] genöthigt, in

Ermangelung eines genügenden klinischen Unterrichts in diesen Gebieten an ihren

heimatlichen Universitäten nach Oesterreich zu wandern, und ebenso suchen alljährlich

Hunderte von derartigen Kranken aus Preussen dort ihre Heilung.51“

Und auch in Heinrich Rohlfs' Artikel in der Deutschen Klinik von 1862 (vgl. Abschnitt 5.3.1)

findet sich eine Andeutung über die Popularität der neuen Spezialisten. Rohlfs teilt uns

hier seine Beobachtung mit, daß „wie jede Fabrikwaare und jedes Virtuosenthum,

Specialismus auf's Volk stets wie ein Magnet wirkte“, und dies sei Anlaß genug, sich als

Spezialarzt niederzulassen. Rohlfs geht sogar so weit zu sagen, der Spezialismus sei

nichts weiter als ein Deckmantel, mit dem man seine „beschränkte Schlauheit“ verbergen

könne und sich auf eine anständige Weise in die Praxis schleichen könne52.

5.8 Gründung von Institutionen

Wie wir am Beispiel von Bürkners Ohrenklinik gesehen haben (vgl. Abschnitt 5.1), ist für

die Entwicklung von Spezialdisziplinen entscheidend, daß Institutionen gegründet

werden, die sich um das neue Fach kümmern. Das Beispiel Bürkner ist hierbei nicht

ungewöhnlich: das Interesse der jungen Ärzteschaft an der Spezialisierung wuchs

(Gründe dafür haben wir in den vorhergehenden Abschnitten aufgezeigt), und nicht selten

machte sich ein junger Arzt in einem Spezialgebiet selbständig, indem er eine

spezialisierte Klinik gründete. Besonders in den 1830er Jahren war es ein durchaus

gewöhnlicher Vorgang, daß ein frisch approbierter Arzt sich in die Ausbildung bei einer

auswärtigen Koryphäe begab, um später an seinen Heimatort zurückzukehren und eine

private Poliklinik zu eröffnen. Andere nahmen zahlende Patienten in ihre eigenen Häuser

auf und führten quasi winzige Privatkliniken mit Familienanschluß53. So bedingten sich

gesteigertes Interesse an einem neuen Fach und die Entstehung von entsprechenden

Institutionen gegenseitig54.

Ein anderes Beispiel für diesen Vorgang ist die neue „orthopädische Heilanstalt“, die der

Arzt und Chirurg Jacob von Heine (1790 - 1879) im Jahre 1829 in Bad Cannstatt gründet.

Hier spezialisiert er sich auf die Behandlung von Kindern, die nach einer Poliomyelitis

51 zit. nach Eulner 1967, 22852 Rohlfs, 84-8553 Eulner 1967, 21-2354 Riedl, 10

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Lähmungen und Deformitäten aufwiesen. Er gibt zwei Schriften zu diesem Thema

heraus55. Die Gründung der Klinik, die gesammelte klinische Erfahrung und deren

Publikation half, die Orthopädie zu etablieren56.

Abb. 11: Dieses Bild zeigt einen Knaben, der eine Poliomyelitis durchgemacht hatte, vor und nach orthopädischer Behandlung. Es stammt aus Heines Werk Beobachtungen über Lähmungszustände der

untern Extremitäten und deren Behandlung (1840)

Neben der Gründung von Kliniken waren es auch Institutionen wie Fachvereinigungen

oder Verbände, sowie neu gegründete Zeitschriften, die zur Emanzipation und

Anerkennung einer neuen Spezialdisziplin beitragen konnten. Neisser argumentiert in

seinem schon mehrfach zitierten Artikel für die Einrichtung neuer dermatologischer

Kliniken unter anderem damit, daß die Lehre der Dermatologie so sehr an Umfang und

Bedeutung zugenommen habe. Als Beleg dafür führt er an, daß es die „litterarische

Produktion“ eine stetig wachsende sei, gäbe es doch schon sechs europäische und eine

amerikanische Fachzeitschrift57.

55 Beobachtungen über Lähmungszustände der untern Extremitäten und deren Behandlung, 1840, und Spinale Kinderlähmung, 1860.

56 Schott, 15657 Neisser, 196

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6. Spezialisierung in der Diskussion

Die Zersplitterung der Medizin in eine stetig wachsende Zahl von Subspezialitäten war

natürlich innerhalb der Ärzteschaft Anlaß zur Diskussion. So gibt es eine ganze Reihe von

Zeitschriftenartikeln zu diesem Thema, und die Frage der Spezialisierung wurde auch auf

dem 17. Deutschen Ärztetag in Braunschweig im Jahre 1889 diskutiert58. Die Befürworter

der Spezialisierung stützen hierbei ihre Argumentation auf Überlegungen, die in den

vorangegangenen Abschnitten schon beleuchtet worden sind - auf den enormen

Wissenszuwachs der vergangenen Jahrzehnte, auf die Bedürfnisse und Wünsche des

Klientels, auf die veränderten demographischen und psychosozialen Bedingungen.

Doch auch die Gegner der Spezialisierung konnten gute Argumente für ihren Standpunkt

finden. Ein gewichtiges Argument gegen die Einführung von Spezialdisziplinen war die

Sorge, die allgemeine Ausbildung möge dadurch geschmälert werden, und der

allgemeinmedizinische Arzt könnte „verarmen“, weniger vielseitig werden, und würde

Patienten lieber zum Spezialisten schicken, als zu versuchen, selbst breite und vielseitige

Fähigkeiten zu erwerben und zu behalten. Es sei hier nochmal an den Artikel Albert

Neissers erinnert, der diese Sorge aufgreift und teilt (vgl. Abschnitt 5.7). Nach Neisser

fühlen sich sogar die Allgemeinmediziner selbst unzulänglich ausgebildet und suchen

daher „Ärztekurse“ auf. Neisser spricht davon, daß ein großer Teil deutscher Ärzte nach

Wien pilgerte, um dermatologische Kurse zu besuchen. Dann aber dreht Neisser den

Spieß um und argumentiert trotzdem für den Ausbau der Spezialfächer in der

akademischen Lehre - er argumentiert, daß man Spezialisten an den Universitäten

brauche, um die Allgemeinärzte in den speziellen Fächern suffizient auszubilden59.

Die Befürchtung, daß Allgemeinärzte sich nicht genügend weiterbildeten, sondern lieber

überwiesen, äußert auch Max Salomon60 1880 in der Deutschen Medizinischen

Wochenschrift61.

In einem weiteren Argument, das gegen die zunehmende klinische Spezialisierung ins

Feld geführt wurde, geht es abermals um die akademische Ausbildung: Lehrstuhlinhaber

sorgten sich darum, daß Patienten, die für ihre medizinische oder chirurgische Lehre

interessant gewesen wären, in den Spezialkliniken verschwinden könnten und somit für

58 Riedl, 2559 Neisser, 194-20060 Max Salomon (1837 - 1912) war praktischer Arzt und Medizinhistoriker.61 Riedl, 20

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die Studenten nicht mehr zugänglich seien. Theodor Billroth62 schreibt 1876, daß es ein

enormer Rückschritt für die Medizin wäre, wenn die chirurgischen Kliniken gezwungen

wären, Patienten in Spezialkliniken abzugeben:

„Man mag an grossen Universitäten

in grossen Krankenhäusern für

talentvolle Specialisten soviele

Specialkliniken einrichten wie man

will, alle diese Dinge dürfen in der

chirurgischen Klinik deshalb doch

nicht fehlen, denn sonst wäre der

Student gezwungen, alle diese

Specialkliniken auch noch zu

besuchen, und da müsste er dann

acht und zehn Jahre statt vier und

fünf studiren. Auch stellt man sich

den praktischen Erfolg eines so breit

angelegten Unterrichtsplanes weit

grossartiger vor als er sein könnte

und sein würde: es hat eben doch

nur ein bestimmtes Maass von

Wissen zur Zeit in einem

Durchschnittsgehirne Platz.63“

Daneben führt Billroth an, er könne sich kaum vorstellen, daß eine ganz begrenzte

Spezialdisziplin einen Menschen auf Dauer ausfüllen und befriedigen kann - „kann es

etwas Faderes geben, als immer nur Kehlkopfskranke bespiegeln und betupfen, und

Hautkrankheiten begucken, abwaschen und beschmieren!“.

62 Theodor Billroth (1829 - 1894) war Chirurg und bekleidete unter anderem Lehrstühle in Wien und Zürich. Er ist uns noch heute durch seine Verdienste auf dem Gebiet der Magenchirurgie geläufig: zwei Typen der subtotalen Magenresektion heißen Billroth I und Billroth II. Daneben war Billroth der erste, der eine Kehlkopfexstirpation durchführte.nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. München 2002

63 Billroth, Theodor: Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation. Wien 1876, 121-122. Zit. nach Eulner 1967, 226.

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Abb. 12: Theodor Billroth

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Der Chirurg ist nicht der einzige, der sich Sorgen um den Platz in einem

„Durchschnittsgehirne“ macht. Auch Paul Börner64 schreibt 1883 in der Deutschen

Medizinischen Wochenschrift, daß die Gefahr bestehe, die Medizinstudenten würden von

den Einzeldisziplinen überbeansprucht, der Stundenplan würde zu voll, und letztendlich

würden keine nachhaltigen Lernerfolge erreicht. Dagegen argumentiert wiederum Neisser,

daß bei den Studenten Interesse an den Spezialfächern bestehe und daß die Kandidaten

die Notwendigkeit erkennen würden, sich Fachwissen aus den einzelnen Bereichen

anzueignen. Neisser berichtet, daß in Breslau die Studenten rege die dermatologischen

Vorlesungen besuchten und in die dermatologische Klinik kämen, obwohl es nicht

vorgeschrieben sei und auch keine speziellen Prüfungen in Dermatologie stattfänden65.

Hermann Schmidt-Rimpler66 gibt 1881 seiner Befürchtung Ausdruck, daß die

Spezialisierung eines Arztes eine Verengung seines Horizontes bei nicht wirklich

gewinnbringender Vertiefung seines Detailwissens sei67.

Heinrich Rohlfs mahnt zur Zurückhaltung der Ärzteschaft gegenüber den

Spezialisierungstendenzen und argumentiert, es sei nun gerade erst mit großer Mühe

eine Vereinheitlichung der Ausbildung und der Standesregelungen erreicht worden, und

diese Arbeit drohe durch die Aufspaltung der Medizin zunichte gemacht zu werden68.

Rohlfs wirkt sehr ergriffen von seiner eigenen Argumentation und nennt den ärztlichen

Spezialismus „das missgestaltete Kind einer fratzenhaften Charlatanerie und

habsüchtigen Eitelkeit“69.

Rohlfs hebt hier auf ein Phänomen ab, das auch einige seiner Zeitgenossen besorgt

schildern: den Pseudospezialismus. Wir haben in Abschnitt 5.7 gesehen, daß sich mit der

Aufschrift „Spezialist für ...“ Geld verdienen ließ, und das führte dazu, daß viele Ärzte sich

selbst zu Spezialisten erklärten, teilweise für Spezialisten in recht absurden Richtungen

(ein Arzt in Hamburg beschrieb sein Praxisschild: „Specialist für innere Krankheiten,

besonders für die von langer Dauer und besonderer Schwere“). In die gleiche Kategorie

fallen die sogenannten „Sechswochenspezialisten“. Dieser Begriff taucht immer wieder in

der Diskussion um das Spezialistentum auf, er ist fast ein geflügeltes Wort. Der

64 Paul Börner (1829 - 1885) war praktischer Arzt, Militärarzt und Publizist. Er begründete die Deutsche Medizinische Wochenschrift.nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. München 2002

65 Neisser, 20366 Hermann Schmidt-Rimpler (1838 - 1915) war erster Lehrstuhlinhaber für Augenheilkunde in Marburg.

nach Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. München 200267 Riedl, 1868 Riedl, 1169 Rohlfs, 96

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Sechswochenspezialist ist ein Arzt, der an in einer kurzen Fortbildung in einem

bestimmten Spezialfach teilgenommen hat und sich danach Spezialist nennt, obwohl er

keine profunden Kenntnisse über das Fachgebiet erworben hat70. Dieses Phänomen wird

in einem Gedicht aufgegriffen, das den Titel „Specialistenthum“ trägt und in der

Scherznummer II der Münchner Medizinischen Wochenschrift erschien - hier nur drei

Strophen daraus:

„Man sucht heraus sich ein Organ,

Um sich darauf zu werfen,

Sechs Wochen braucht man sicher dran,

Den Sinn dafür zu schärfen.

Der Arzt ist dann der rechte Mann,

Der ein Organ tractiret,

Und nicht, was jeder Hausarzt kann,

Den Kranken selbst curiret.

[...]

Ein jedes Loch am Leibe fand

Nun seinen Specialisten:

Der findet immer allerhand

Mit Künsten und mit Listen.71“

Dieses Gedicht greift den Streit gegen die Spezialisierung mit einem Augenzwinkern auf.

In diesem Sinne zum Schluß dieses Abschnittes noch ein anderes Gedicht, das 1906 in

den Fliegenden Blättern72 erschien:

70 Eulner 1967, 23-2471 Zit. nach Riedl, 43-4472 Die Fliegenden Blätter waren eine äußerst erfolgreiche und langlebige Satirezeitschrift, die von 1845 bis

1944 in München erschien.

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„Moderne Imperative.

Der Zahnarzt fordert: 'Lebe Deinen Zähnen!'.

'Gedenk der Augen!' spricht der Ophthalmist.-

'Streck Deine Muskeln, übe Deine Sehnen!'

so mahnt, wer von der Heilgymnastik ist.-

'Das wichtigste ist stets der gute Magen!'

Dies schärft der Magenarzt uns gründlich ein.-

'Für Hals und Kehlkopf muß man Sorge tragen!'

Ertönt's aus der Laryngologen Reih'n.-

'Vor allem aber - hüte Deine Lungen!'

So wird man detailliert von Kopf bis Fuß,

Daß es zuletzt den Alten wie den Jungen

Viviseziert zu Mute werden muß.-

'Bedenke, rings umgeben Dich Bazillen!'

Mischt warnend der Bakteriolog' sich ein.-

Wenn man das alles tut, um Himmelswillen,

Wo bleibt denn noch die Zeit, ein Mensch zu sein?!73“

73 Zit. nach Riedl, 60-61

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7. Ausblick

Wir haben gesehen, welche Einflußfaktoren die Entwicklung der medizinischen

Spezialfächer beeinflußt und beschleunigt haben. Werfen wir einen Blick auf den heutigen

Stand dieser Entwicklung.

Die Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns von 1993 unterscheidet 38 Fachärzte.

Innerhalb der Fachärzte gibt es noch eine Untergliederung in Schwerpunkte, die als

Zusatzbezeichnung geführt werden können. Die Innere Medizin weist neun Schwerpunkte

auf, die Chirurgie vier. Daneben gibt es 22 weitere Zusatzbezeichnungen, die ein Arzt

erwerben kann. Darüber hinaus wiederum gibt es fakultative Weiterbildungen in noch

spezialisierteren Gebieten. Damit ist es dem ambitionierten Arzt möglich, „Facharzt für

Kinderheilkunde, mit Schwerpunkt Kinderkardiologie, Zusatzbezeichnung

Naturheilverfahren, und fakultativer Weiterbildung in spezieller pädiatrischer

Intensivmedizin“ zu werden74,75. Die Frage ist, inwieweit im Zuge des immer detaillierteren,

immer feiner aufgeteilten Expertentums, die ärztliche Fähigkeit verloren geht, sich eines

Menschen mit all seinen gesundheitlichen Schwierigkeiten und Problemen anzunehmen.

Damit ist zum einen gemeint, daß ein Dermatologe in der Lage sein soll, im Bedarfsfall

die Diabeteseinstellung eines lang stationär liegenden Patienten zu korrigieren, ohne

nach einem diabetologischen Konsil zu rufen; oder daß ein Unfallchirurg eine akute

Belastungsreaktion erkennen und den Patienten einer entsprechenden Behandlung

zuführen muß. Daneben ist fächerübergreifendes Denken natürlich wichtig im Bereich der

Differentialdiagnose und bei Überlegungen, die den Zusammenhang und das

Zusammenwirken von Erkrankungen und Therapien aus verschiedenen Fachbereichen

betreffen. Doch dieses interdisziplinäre Denken und (Be-)Handeln wird sicherlich durch

die immer weiter zunehmende Subspezialisierung erschwert.

74 Um die Unterteilung in Facharztbezeichnungen, Schwerpunkte, Zusatzbezeichnungen und fakultative Weiterbildungen verständlicher zu machen, hier einige Beispiele aus den jeweiligen Kategorien:Facharztbezeichnungen: Allgemeinmedizin, Augenheilkunde, Chirurgie, Hygiene und Umweltmedizin, Klinische Pharmakologie, Neuropathologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Strahlentherapie,...Schwerpunkte (hier: innerhalb der Inneren Medizin): Angiologie, Endokrinologie, Gastroenterologie, Hämatologie und internistische Onkologie, Kardiologie, Nephrologie, Pneumologie, RheumatologieZusatzbezeichnungen: Allergologie, Balneologie und medizinische Klimatologie, Flugmedizin, Psychoanalyse, Tropenmedizin, ...fakultative Weiterbildungen (hier: innerhalb der Inneren Medizin): klinische Geriatrie, spezielle internistische Intensivmedizin

75 aus der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in ihrer Neufassung vom 1. Oktober 1993, veröffentlicht im Bayerischen Ärzteblatt, 9/93

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Eine viel weitergehende Problematik stellt sich indes mit der Frage, inwieweit der

hochspezialisierte Arzt die Fähigkeit verliert, seinen Patienten als ganzen Menschen in

seinen biopsychosozialen Zusammenhängen zu begreifen. Die Evolution der vielen

medizinischen Subfächer hat zu einer Zerlegung des Menschen in Teile geführt, deren

Zusammenwirken schwer zu beschreiben und zu verstehen ist - und womöglich wird gar

nicht mehr versucht, es zu verstehen? Und doch hat das System, das funktionierende

oder dysfunktionale Ganze, eine viel grundlegendere praktische Bedeutung als das Teil.

Zu dieser Einsicht zurückzukehren ist vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben, vor denen

die klinische Medizin heute steht - die Einführung eines integrierten somato-psycho-sozio-

kulturellen Denkmodells76.

In diesem Sinne lassen wir abschließend noch eine kritische Stimme zu Wort kommen,

nämlich Ludwig Fulda77:

„Wenn das noch immer so weiter geht

mit Arbeitsteilung und Spezialität,

dann wär das Wagnis noch geringer,

dem Löwen in den Rachen zu seh'n,

als mit einem kranken Zeigefinger

zum Spezialisten für Daumen zu gehen.78“

76 Besonders im Bereich der Ausbildung gibt es schon seit etlichen Jahren Forderungen nach der Betonung des biopsychosozialen Krankheitsmodells, nach integrativem, interdisziplinärem Unterricht im Gegensatz zu einer nach Fächern sortierten, detailbetonten Ausbildung#). Die Bemühungen der Universität Witten-Herdecke sind hier wegweisend, daneben zum Beispiel Schriften von Thure von Uexküll *), und auch viele studentische Initiativen fordern diesbezügliche Reformen in der Lehre.#) vgl. zum Beispiel einen Artikel von Hannes Pauli aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 06.11.01, in der Online-Ausgabe der NZZ zu finden unter http://www.nzz.ch/2001/11/06/hc/page-article7QN8J.html*) vgl. Uexküll, Thure von; Wesiack, Wolfgang: Theorie der Humanmedizin. München, Wien, Baltimore 1998.

77 Ludwig Fulda, eigentlich Ludwig Anton Salomon (1862 - 1939, Freitod), war Populärdramatiker und Lyriker; z.B. Die Erschaffung des Weibes.nach http://www.litlinks.it/f/fulda.htm

78 Zit. nach Eulner 1967, 1

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Literaturverzeichnis

Eckart, Wolfgang U.: Geschichte der Medizin. Berlin 2000

Eulner, Hans-Heinz: Das Spezialistentum in der ärztlichen Praxis. In: Artelt, Walter; Rüegg, Walter (Hrsg.): Der Arzt und der Kranke in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1967. Studien zur Medizingeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, Band IV.

Eulner, Hans-Heinz: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes. Stuttgart 1970. Studien zur Medizingeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, Band IV. Hrsg.: Artelt, Walter; Rüegg, Walter.

Gordon, Richard: The Alarming History of Medicine. New York 1993.

Neisser, Albert: Über den Nutzen und die Notwendigkeit von Spezialkliniken für Haut- und venerisch Kranke. In: Guttstadt, A. (Hrsg.): Klinisches Jahrbuch. Berlin 1890 (2), 194-211.

Riedl, Heinrich: Die Auseinandersetzungen um die Spezialisierung in der Medizin von 1862 bis 1925. Diss., TU München 1981

Rohlfs, Heinrich: Ueber den Specialismus in der Medicin. In: Deutsche Klinik. 14 (1862), 81-85 und 93-97

Schott, Heinz (Hrsg.): Die Chronik der Medizin. Gütersloh/München 2000.

Toellner, Richard: Illustrierte Geschichte der Medizin. Erlangen, 1992

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ferdinand Ritter von Hebra. Toellner, 3216.Abb. 2: Max von Pettenkofer. Toellner, 3301.Abb. 3: Johann Peter Frank und die „medicinische Polizey“. Schott, 140.Abb. 4: Kinderarbeit. Schott, 163.Abb. 5: Hermann von Helmholtz. Toellner, 3219.Abb. 6: Horace Wells. http://www.trincoll.edu/~aallan/horace.htmAbb. 7: Routineamputation. Gordon, Abb. 21.Abb. 8: Ignaz Semmelweis. Toellner, 3345.Abb. 9: Listers Parfümzerstäuber. Gordon, Abb. 10.Abb. 10: Albert Neisser. Toellner, 3283.Abb. 11: Knabe mit Poliomyelitis. Schott, 156.Abb. 12: Theodor Billroth. Toellner, 3135.

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