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Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Fokus Menschenrechte Nr. 13 / Juni 2015 Menschenhandel in den Philippinen Katharina Weber-Lortsch Frauen, Kinder sowie Männer fallen in den Philippinen moderner Sklaverei in Form von Pros- titution und Zwangsarbeit zum Opfer. Die Regierung der Liberalen Partei unter Benigno Aquino III hat sich verpflichtet, den Menschenhandel zu bekämpfen. Wie erfolgreich waren diese Bemühungen bisher? Die stereotype Vorstellung vom Menschen- handel, in welchem die Opfer bei Nacht zusammengekauert in einem LKW über die Grenzen gebracht werden, entspricht im Falle der Philippinen nur bedingt der Reali- tät. Menschenhandel findet hauptsächlich im undurchsichtigen Milieu der philippini- schen Gastarbeiter statt, wo Zwangsarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung all- täglich sind. Arbeitskräfteexport ist für die Philippinen wirtschaftlich von höchster Be- deutung. Der Staat ist eines der Länder mit dem größten Überseearbeiteranteil der Welt. Die COMISSION ON FILIPINOS OVERSEAS (CFO) 1 schätzt die Zahlen auf 3,9 Millionen tempo- räre sowie 600.000 illegale Migranten. Laut dem letzten Bericht des Philippinischen Sta- tistikamts wird die Zahl der Overseas Filipino Workers (OFW), die in der Zeit zwischen April bis September 2013 im Ausland arbeiteten, auf 2,3 Millionen geschätzt. Das sind knapp zwei Prozent der Gesamteinwohnerzahl von 1 http://www.cfo.gov.ph/index.php?option=com_content&vie w=article&id=1309:statistics&catid=110:frequently-asked- questions&Itemid=858 98,4 Millionen Menschen. Zählt man die tatsächlich emigrierten Filipinos dazu, lebt schätzungsweise ein Zehntel der philippini- schen Bevölkerung außerhalb ihres Landes. Frauen unterliegen dem höchsten Risiko Derselbe Bericht hat festgestellt, dass beun- ruhigender Weise eine von zwei weiblichen Überseearbeiterinnen ungelernt ist und da- her meist als Haushilfe oder Reinigungskraft in Asien oder dem Mittleren Osten arbeitet. Für sie ist das Risiko, Opfer von Menschen- handel zu werden sehr hoch. Weibliche Überseearbeiter sind zumeist jünger als ihre männlichen und insgesamt qualifizierteren Kollegen. 50% der Frauen sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Aus der Kombination dieser Faktoren ergibt sich das größere Risiko für weibliche Überseekräfte Menschenhändlern zum Opfer zu fallen. Diese treten oft als seri- öse Personalvermittler auf, wodurch insbe- sondere unerfahrene Frauen und Mädchen zu Opfern werden. Perfiderweise kommen die Menschenhändler oder Mittelspersonen oft- mals aus dem Familien- und Freundeskreis

Menschenhandel in den Philippinen

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Frauen, Kinder sowie Männer fallen in den Philippinen moderner Sklaverei in Form von Prostitution und Zwangsarbeit zum Opfer. Die Regierung der Liberalen Partei unter Benigno Aquino III hat sich verpflichtet, den Menschenhandel zu bekämpfen. Wie erfolgreich waren diese Bemühungen bisher?

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  • Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Fokus Menschenrechte

    Nr. 13 / Juni 2015

    Menschenhandel in den Philippinen

    Katharina Weber-Lortsch

    Frauen, Kinder sowie Mnner fallen in den Philippinen moderner Sklaverei in Form von Pros-

    titution und Zwangsarbeit zum Opfer. Die Regierung der Liberalen Partei unter Benigno

    Aquino III hat sich verpflichtet, den Menschenhandel zu bekmpfen. Wie erfolgreich waren

    diese Bemhungen bisher?

    Die stereotype Vorstellung vom Menschen-

    handel, in welchem die Opfer bei Nacht

    zusammengekauert in einem LKW ber die

    Grenzen gebracht werden, entspricht im

    Falle der Philippinen nur bedingt der Reali-

    tt. Menschenhandel findet hauptschlich

    im undurchsichtigen Milieu der philippini-

    schen Gastarbeiter statt, wo Zwangsarbeit

    und kommerzielle sexuelle Ausbeutung all-

    tglich sind. Arbeitskrfteexport ist fr die

    Philippinen wirtschaftlich von hchster Be-

    deutung. Der Staat ist eines der Lnder mit

    dem grten berseearbeiteranteil der Welt.

    Die COMISSION ON FILIPINOS OVERSEAS (CFO)1

    schtzt die Zahlen auf 3,9 Millionen tempo-

    rre sowie 600.000 illegale Migranten. Laut

    dem letzten Bericht des Philippinischen Sta-

    tistikamts wird die Zahl der Overseas Filipino

    Workers (OFW), die in der Zeit zwischen April

    bis September 2013 im Ausland arbeiteten,

    auf 2,3 Millionen geschtzt. Das sind knapp

    zwei Prozent der Gesamteinwohnerzahl von

    1http://www.cfo.gov.ph/index.php?option=com_content&vie

    w=article&id=1309:statistics&catid=110:frequently-asked-

    questions&Itemid=858

    98,4 Millionen Menschen. Zhlt man die

    tatschlich emigrierten Filipinos dazu, lebt

    schtzungsweise ein Zehntel der philippini-

    schen Bevlkerung auerhalb ihres Landes.

    Frauen unterliegen dem hchsten Risiko

    Derselbe Bericht hat festgestellt, dass beun-

    ruhigender Weise eine von zwei weiblichen

    berseearbeiterinnen ungelernt ist und da-

    her meist als Haushilfe oder Reinigungskraft

    in Asien oder dem Mittleren Osten arbeitet.

    Fr sie ist das Risiko, Opfer von Menschen-

    handel zu werden sehr hoch. Weibliche

    berseearbeiter sind zumeist jnger als ihre

    mnnlichen und insgesamt qualifizierteren

    Kollegen. 50% der Frauen sind zwischen 25

    und 34 Jahre alt. Aus der Kombination dieser

    Faktoren ergibt sich das grere Risiko fr

    weibliche berseekrfte Menschenhndlern

    zum Opfer zu fallen. Diese treten oft als seri-

    se Personalvermittler auf, wodurch insbe-

    sondere unerfahrene Frauen und Mdchen

    zu Opfern werden. Perfiderweise kommen die

    Menschenhndler oder Mittelspersonen oft-

    mals aus dem Familien- und Freundeskreis

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 2

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Die Vereinten Nationen definieren Menschenhan-

    del seit 2000 als die Anwerbung, Befrderung,

    Verbringung, Beherbergung oder den Empfang

    von Personen durch die Androhung oder Anwen-

    dung von Gewalt oder andere Formen der Nti-

    gung, durch Entfhrung, Betrug, Tuschung,

    Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonde-

    rer Hilflosigkeit oder durch Gewhrung oder Ent-

    gegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur

    Erlangung des Einverstndnisses einer Person, die

    Gewalt ber eine andere Person hat, zum Zweck

    der Ausbeutung.

    (Zusatzprotokoll zum bereinkommen gegen die

    grenzberschreitende organisierte Kriminalitt,

    sogenannte Palermo Konvention)

    der Opfer. Auerdem sind die Menschen-

    hndler nicht selten selbst weiblich, wodurch

    sie das Vertrauen ihrer Opfer einfacher ge-

    winnen als mnnliche Schleuser. Erschwe-

    rend kommt hinzu, dass korrupte Regie-

    rungsbeamte hufig ebenfalls in vielfltiger

    Weise an diesen Prozessen mitwirken.

    Mit falschen Versprechen gelockt

    Einige der Opfer werden in Booten

    ber die schwer zu kontrollierende

    Inselregion im Grenzgebiet der

    sdlichen Philippinen und dem

    malaysischen Staat Sabah nach

    Malaysia und von dort weiter ge-

    schmuggelt. Die meisten jedoch

    migrieren, zumindest anfangs,

    legal mittels offizieller Arbeits-

    oder Studenten- sowie Prakti-

    kumsvisa. Im Zielland angekom-

    men, stellen die berseearbeiter

    dann fest, dass sie enorme Anwer-

    begebhren zahlen mssen. Sie

    haben keine Mglichkeit den Ar-

    beitgeber zu wechseln oder das

    Land wieder zu verlassen, da ihnen

    ihre Psse weggenommen werden.

    Auerdem mssen sie meist in

    anderen Jobs arbeiten als man es

    ihnen zugesichert hat und dies

    unter oftmals menschenunwrdi-

    gen Bedingungen. Einige von ihnen

    werden direkt in die moderne Sklaverei ver-

    kauft. Frauen und auch minderjhrige Md-

    chen realisieren erst jetzt, dass sie unter

    falschen Vorwnden ins Ausland gelockt

    wurden. Anstatt in dem versprochenen Beruf

    zu arbeiten, werden sie hufig in die kom-

    merzielle Sexindustrie als Stripperinnen oder

    Barmdchen gedrngt. Im schlimmsten Fall

    werden sie zur Prostitution gezwungen. Auch

    wenn die zugesagte Arbeit wirklich existiert,

    mssen die berseearbeiter oft fr einen

    extrem geringen Lohn oder sogar unbezahlt

    arbeiten, ohne Ansprche auf Urlaub. Nicht

    selten kommt es zu physischen und sexuel-

    len Misshandlungen durch die Arbeitgeber.

    Die genannten Beispiele fallen uneinge-

    schrnkt unter die Definition von Menschen-

    handel der Vereinten Nationen (VN) (siehe

    Kasten). Angesichts kommerzieller sexueller

    Ausbeutung, Schuldknechtschaft und

    Zwangsarbeit, verschwinden die Frauen und

    Mdchen oft vom offiziellen Radar. Mnnli-

    chen Opfern, wenngleich ihre Zahl niedriger

    ist, ergeht es ebenso schlecht. Sie erwartet

    oftmals Zwangsarbeit und Schuldknecht-

    schaft, aus denen es keinen Ausweg gibt.

    Arbeitssuche endet in Zwangsarbeit

    Menschenhandel findet auch innerhalb des

    philippinischen Archipels, mit seinem Mosaik

    aus ber 7.000 Inseln statt. Es wird ange-

    Die Opfer des Menschenhandels in den Philippinen werden zum einen inner-

    halb des Landes ausgebeutet. Ihre Wege fhren allerdings auch in viele Staa-

    ten Asiens und des Mittleren Ostens sowie zur modernen Sklaverei nach Euro-

    pa und Nordamerika.

    Darstellung: FNF basierend auf Daten von

    http://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2013/215544.htm

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 3

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    nommen, dass die Zahl auf nationaler Ebene

    noch viel hher ist als auf internationaler.

    Whrend Mnner Zwangsarbeit in der Land-

    wirtschaft oder in Fischereibetrieben leisten

    mssen werden Frauen in die Arbeit als

    Haushaltshilfen oder die Prostitution ge-

    zwungen.2 Kinder, die Opfer von inlndi-

    schem Menschenhandel werden, werden

    hufig zum Betteln gentigt. Die Strategie

    ist auch im Inland dieselbe: Die Menschen,

    zumeist sehr arm, werden mit Arbeitsver-

    sprechen gekdert. Einige Familien leben in

    so groer Armut, dass sie ihre eigenen Kinder

    an die Menschenhndler zur Arbeit oder

    auch sexuellen Ausbeutung verkaufen.

    Obschon verboten, ist Prostitution insbeson-

    dere in Manila und Angeles City weit ver-

    breitet. Menschenhandel innerhalb des Lan-

    des lsst sich schwerer

    nachweisen und verfolgen,

    da keine Grenzen passiert

    werden. Was hinter den

    Mauern privater Wohn-

    huser und Ausbeutungs-

    betrieben passiert, wird

    nach auen kaum je sicht-

    bar.

    Besonders erschreckend im

    inlndischen Menschen-

    handel ist der Handel mit

    Minderjhrigen, Jungen

    ebenso wie Mdchen, fr

    Sextourismus, Kinderpor-

    nographie und Kinder-

    Cybersex. Die Philippinen sind auch fr Aus-

    lnder noch immer eines der Hauptreiseziele

    fr Kinder-Sextourismus. Zudem steigt auch

    die Nachfrage nach Kinder-Cybersex, einer

    Mischung aus Kinderprostitution und Porno-

    graphie. Daten von TERRES DES HOMMES zu

    Folge, sind allein auf den Philippinen zehn-

    tausende Kinder Opfer von Kinder-Cybersex.3

    Die Dunkelziffer wird weitaus hher liegen.

    Kinder wenden sich nur selten an Behrden

    und hufig ist sogar die Familie in das Ver-

    brechen verwickelt. Die Polizei in Dnemark

    hat erst krzlich zehn Mnner verhaftet, da

    2 http://www.state.gov/documents/organization/226848.pdf

    3 http://terredeshommesnl.org/_media/documents/

    FAQ_English.pdf

    sie angeblich fr Livestreams bezahlt hatten,

    die den sexuellen Missbrauch von Kindern in

    den Philippinen zeigen.4 Ein weiterer be-

    kannter Fall ist der eines Australiers, der von

    den philippinischen Behrden festgenommen

    wurde, weil er den sexuellen Missbrauch von

    Kindern im Alter von einem Jahr gefilmt hat-

    te.5 Diese Flle stellen jedoch nur die Spitze

    des Eisberges dar.

    Universell oder speziell philippinisch?

    Eine Reihe von Faktoren, von denen einige

    universelle Phnomene, andere spezifisch fr

    die Philippinen sind, bilden dort in Kombina-

    tion gnstige Voraussetzungen fr Men-

    schenhandel:

    An erster Stelle steht natrlich die Armut,

    die wie kein anderer Faktor dazu fhrt, dass

    Menschen in die Hnde von Menschenhnd-

    lern gelangen. Arbeitslosigkeit und hohe

    Unterbeschftigung im Land drngen ge-

    fhrdete Menschen in die Job-Migration, sei

    es national oder international, und treibt

    Familien dazu, ihre Kinder zu verkaufen. Laut

    dem philippinischen Statistikamt liegt die

    Arbeitslosenquote im Land bei sieben Pro-

    zent, trotz des beeindruckenden wirtschaftli-

    chen Wachstums der vergangenen Jahre. Die

    4 http://opinion.inquirer.net/83338/every-kind-of-evil

    5 http://www.expatica.com/nl/news/country-

    news/Philippines-to-charge-Australian-on-Internet-child-

    sex_451465.html

    Laut dem Corruption Perceptions Index 2014 liegen die Philippinen auf Platz 85 von

    175. Im Vorjahr lagen sie noch auf Platz 94. Es zeigt sich also auch hier eine, wenn auch

    nur geringe, Verbesserung. Quelle: http://www.transparency.org/cpi2014/results

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 4

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Unterbeschftigungsquote betrug im Januar

    2015 noch besorgniserregende 17,5%.6

    Mangelnde Rechtsstaatlichkeit ist ein weite-

    rer bedeutender Faktor, der zu Menschen-

    handel fhrt. Bestehende Gesetze werden

    nur unzureichend umgesetzt. Gerichtsver-

    fahren sind langsam oder werden ver-

    schleppt. Dies fhrt zu einer Verzgerung in

    der Rechtsprechung und zu unzureichendem

    Zeugenschutz. In diesem Zusammenhang

    stellt auch die Korruption von Beamten der

    Einwanderungsbehrde, Polizei, Richtern und

    sogar Botschaftspersonal eine treibende

    Kraft fr den Anstieg von Menschenhandel

    dar. Im Jahr 2013 beispielsweise konnte

    nachgewiesen werden, dass philippinische

    Botschaftsangestellte in Kuwait in Geschfte

    des Menschenhandels verwickelt waren.

    Zeitgleich wurde der sogenannte ,,Sex-fr-

    Flge-Skandal ffentlich: Mitarbeiter der philippinischen Botschaft in Kuwait boten

    weiblichen berseearbeitern in Not kosten-

    lose Flugtickets zurck auf die Philippinen,

    im Austausch gegen sexuelle Geflligkeiten.

    Leider sind dies keine Einzelflle. Vor kurzem

    wurden weitere solcher Flle in den Bot-

    schaften in Jordanien und Saudi-Arabien

    bekannt, in denen Botschaftsangestellte

    nachweislich am Menschenhandel beteiligt

    waren. Bisher wurden solche Zwischenflle

    von den philippinischen Behrden nur unzu-

    reichend untersucht.

    Ein weiteres Problem in der Region sind die

    hufigen Naturkatastrophen. 2013 wurden

    allein durch den Taifun Haiyan vier Millionen

    Menschen vertrieben und weitaus mehr ihrer

    Lebensgrundlageberaubt. Mittel- und per-

    spektivlos geraten sie leicht in die Hnde von

    Menschenhndlern.

    Ein weiterer Aspekt sind gewaltsame Kon-

    flikte im Land und die daraus resultierenden

    Folgen, insbesondere fr Kinder. Trotz des im

    Mai 2014 unterzeichneten Friedensabkom-

    mens zwischen der philippinischen Regie-

    rung und der Separatistengruppe MORO IS-

    LAMIC LIBERATION FRONT sind Konflikte im In-

    6 http://web0.psa.gov.ph/statistics/survey/labor-force

    selgebiet Mindanao noch immer prsent.7

    Die Separatistengruppe ist bekannt dafr,

    Kinder fr ihre Zwecke zu rekrutieren. Auch

    durch den Konflikt Vertriebene fallen hufig

    dem Menschenhandel zum Opfer. Die Regie-

    rung hat in diesen Regionen nur unzu-

    reichenden oder gar keinen Einfluss auf die

    Rechtsdurchsetzung.

    Der in den Philippinen weitverbreitete Sex-

    tourismus erhht die Nachfrage nach Pros-

    titution im Land. Eine Nachfrage, die zumin-

    dest teilweise durch Formen von Zwangs-

    prostitution gedeckt wird. Vor einigen Jahren

    hat die Aussage des US Botschafters, 40%

    der mnnlichen Touristen wrden als Sex-

    touristen das Land bereisen, fr Emprung

    gesorgt, auch

    wenn er damit

    mglicherweise

    lediglich eine

    unbequeme

    Wahrheit aus-

    gesprochen hat.

    Fr genaue

    Zahlen existie-

    ren bisher nur

    Schtzwerte,

    doch knnte

    diese Aussage

    den realen Zah-

    len entspre-

    chen.

    Liberale fr mehr Regelung

    Das bisher gezeichnete Bild der Situation ist

    dster. Allerdings ergreift die Regierung

    durchaus Manahmen, um die Situation zu

    verbessern. Seit dem Amtsantritt der LIBERA-

    LEN PARTEI im Jahr 2010 hatte sie fortwh-

    7 Bereits seit ber 40 Jahren tobt der Brgerkrieg auf der

    sdlichen Inselgruppe von Mindanao, zwischen Autono-

    mie/Abspaltung suchenden und bewaffnete Gruppen der

    muslimischen Minderheit und der Philippinischen Armee

    (katholische Mehrheit). Als katastrophale Konsequenz muss-

    ten 100.000 Menschen sterben und es gibt ber 2 Millionen

    Binnenvertriebene. Ein Friedensprozess wurde 2012 erfolg-

    reich initiiert. Die MORO ISLAMIC LIBERATION FRONT (MILF) und

    die Philippinische Regierung haben das Bangsamoro

    Framework Agreement unterzeichnet. Jedoch, haben einige

    extremistische Splittergruppen die Friedensverhandlungen

    und Waffenruhe nicht anerkannt. Dies resultiert in gele-

    gentlichen Gefechten und Gewaltattentate.

    Prsident Benigno Aquino bei der

    Verleihung der Friedrich-Naumann-

    Medaille in Berlin. Foto: FNF

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 5

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    rend versprochen, den Menschenhandel zu

    bekmpfen. Prsident Aquino selbst hat

    2011 geschworen dem Menschenhandel ein

    Ende zu bereiten.8

    Die Philippinen haben das bereinkommen

    der Vereinten Nationen gegen die grenzber-

    schreitende organisierte Kriminalitt und die

    zugehrigen Zusatzprotokolle von 2002 un-

    terzeichnet und ratifi-

    ziert.9 Die Philippinen

    haben sich somit dazu

    verpflichtet auch ihr na-

    tionales Recht dement-

    sprechend anzupassen

    und wirksam gegen Men-

    schenhandel zu gestalten.

    Im Jahr 2003 hat die Re-

    gierung den Republic Act

    No. 9208, besser bekannt

    als Anti-Trafficking in

    Persons Act of 2003 ver-

    abschiedet. Dieses Gesetz

    folgt der VN-Definition von Menschenhandel

    und den dafr festgelegten Strafen. Dem-

    nach werden Handlungen im Zusammenhang

    mit Menschenhandel mit bis zu 20 Jahren

    Haft und nachgewiesener Menschenhandel

    mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe ge-

    ahndet. 2013 wurde der Expanded Anti-

    Trafficking in Persons Act (RA 10364) als

    Gesetz verabschiedet und das Vorgehen ge-

    gen Menschenhandel ausgeweitet und in-

    tensiviert. Auerdem erlie die Regierung im

    selben Jahr den Domestic Workers Act, wel-

    cher Rekrutierungsgebhren verbietet und

    den Arbeitern, neben anderen Rechten, min-

    destens vier Tage Urlaub zugesteht. Darber

    hinaus haben die Philippinen die Special

    Protection of Children in Situations of Armed

    Conflict Bill verfasst, die mittlerweile auch

    durch das Reprsentantenhaus verabschiedet

    wurde. Das Land besitzt somit durchaus ein

    8 https://opinyonista.wordpress.com/tag/aquino-vows-to-

    end-human-trafficking/ 9 Zusatzprotokoll zur Verhtung, Bekmpfung und

    Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des

    Frauen- und Kinderhandels und das Protokoll gegen den Schmuggel von Migranten an Land, in der Luft

    und auf See

    umfassendes Gesetzespaket gegen Men-

    schenhandel.

    IACAT: ressortbergreifend effektiver

    Noch unter der vorherigen Regierung wurde

    der INTER-AGENCY COUNCIL AGAINST TRAFFICKING

    (IACAT), gegrndet. Der IACAT setzt sich aus

    unterschiedlichen Reprsentanten verschie-

    dener Ministerien und Nichtregierungsorga-

    nisationen zusammen. Das

    Mandat des IACAT ist es,

    Menschenhandel zu verhin-

    dern und Opfern durch Erho-

    lung und Rehabilitation bei

    der Resozialisierung zu hel-

    fen. Seit 2011 bietet der

    IACAT auerdem eine 24-

    Stunden-Hotline fr Be-

    troffene an. Die Regierung

    hat zudem in den letzten

    Jahren die finanzielle Unter-

    sttzung des IACAT erhht,

    sodass ihm 2014 2,4 Millio-

    nen US Dollar zur Verfgung standen.10

    Der IACAT hat auerdem den National Stra-

    tegic Plan on Trafficking in Persons, 2012-

    2016 initiiert, der auf vier Bereiche abzielt:

    1. Prvention; Schutz; Genesung,

    2. Rehabilitation und Reintegration;

    3. Strafverfolgung und Rechtsdurchset-zung

    4. Partnerschaft und Netzwerke.

    IACAT stellt seit 2009 auch eine Datenbank

    zusammen, in der Flle von Menschenhandel

    erfasst werden. Das macht es mglich die

    Methoden der Anti-Menschenhandelsarbeit

    zu verbessern. Zusammen mit dem Justizmi-

    nisterium hat Prsident Aquino eine nationa-

    le Taskforce gebildet, die an Flug- und See-

    hfen sowie anderen Umschlagpltzen fr

    Menschenhandel stationiert ist.

    Seit 2010 schult der Staat Einwanderungs-

    beamte, Polizei, Beamte des Auswrtigen

    Dienstes, Staatsanwlte sowie Gruppen aus

    der Zivilbevlkerung angeleitet von IACAT,

    10

    http://www.dol.gov/ilab/reports/child-labor/findings/2012TDA/philippines.pdf;

    http://www.humantrafficking.org/countries/philippines

    Inter-Agency Council gegen Menschenhandel

    Quelle: http://iacat.gov.ph/

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 6

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    dem Justizministerium, der Polizei und diver-

    sen NROs. Darber hinaus hat die liberale

    Regierung Kampagnen entwickelt, um die

    breite ffentlichkeit und auch den Dienst-

    leistungssektor besser aufzuklren. Das Be-

    wusstsein fr Menschenhandel konnte seit-

    dem mageblich gesteigert werden. hnliche

    Manahmen ergriffen auch auerhalb der

    Regierungsebene viele NROs. Staat und Zi-

    vilbevlkerung sind sich einig, dass die ein-

    heitlichen Bemhungen des IACAT von zent-

    raler Bedeutung im Kampf

    gegen den Menschenhandel

    sind. Die frhere Fragmen-

    tierung durch zu viele Zu-

    stndige in der Regierung

    und auch verteilt auf die

    Regionen, hatte die Arbeit

    schwierig und sehr ineffi-

    zient werden lassen. Somit

    wurde nicht nur die gesam-

    te Arbeit in einer Institution

    kanalisiert, man kann auch

    die finanziellen Mittel ef-

    fektiver und effizienter ge-

    nerieren und nutzen. Trotz

    der Vorteile, stellen die

    enormen Ausmae des

    Menschenhandels, die geo-

    graphische Beschaffenheit

    der Philippinen und das

    noch immer zu geringe Budget den IACAT

    vor die Problematik, nicht sein volles Poten-

    tial ausschpfen zu knnen.

    Das Ministerium fr Soziale Wohlfahrt und

    Entwicklung unterhlt temporre Unterknf-

    te und initiiert Rehabilitations- und Reinteg-

    rationsprojekte, die Therapien, Berufsausbil-

    dungen und hnliches fr die Opfer des

    Menschenhandels bieten. Trotz Beteiligung

    und auch eigener Initiierung solcher Projekte

    seitens nationaler und internationaler NROs

    ist die gebotene Hilfe noch vergleichsweise

    gering und gerade auch mnnlichen Opfern

    kommt bisher kaum Hilfe zu.

    Neue Initiativen und mehr Urteile

    Die philippinische bersee-Arbeitsver-

    mittlungsagentur fhrte nun auch so ge-

    nannte ,,Vor-Einstellung-Seminare ein. Die-

    se sind obligatorisch fr alle Philippiner, die

    Arbeit im Ausland suchen. Teilnehmer erfah-

    ren darin, wie sie sich vor illegaler Vermitt-

    lung und Menschenhandel schtzen knnen.

    Eine weitere Schutzmanahme ist die Pflicht

    eines jeden Philippiners, der in bersee ar-

    beiten mchte, sich bei der CFO zu registrie-

    ren. Zudem hat die Regierung 15 Zentren fr

    philippinische Arbeiter gegrndet, die bereits

    2013 in 36 Lndern etwa 20.000 Philippiner

    untersttzt. Die Leistungen dieser Zentren

    erstrecken sich auf Orientierungshilfe nach

    Ankunft, Rechts- und Sozialhilfe, Unterknf-

    te, Hilfe in Fllen von Misshandlungen und

    Menschenhandel sowie die Vermittlung von

    Arbeitstrainings. Es gibt auerdem eine

    ,,Schwarze Liste, auf der derzeit insgesamt 14 Lnder aufgefhrt sind, in denen Philippi-

    ner nicht arbeiten drfen, da sie sowohl zu

    wenig Rechte als auch zu wenig Schutz fr

    berseearbeiter bieten. Hierzu zhlen unter

    anderem Afghanistan, Nepal, der Libanon

    und Kenia. Sdkorea sowie Taiwan waren

    ebenfalls kurzeitig auf dieser Liste.11

    Die philippinische Arbeitsagentur und das

    Amt fr Auslandsarbeit initiierten zudem die

    berprfung der Arbeitsvertrge. In der Re-

    gel sehen sich die Botschaften vor Ort Ar-

    11

    http://www.filipinosabroad.com/tag/deployment-ban/

    Die Verurteilungen im Zusammenhang mit Menschenhandel haben seit dem Amtsan-

    tritt Aquinos 2010 deutlich zugenommen.

    Grafik: FNF mit Daten von http://iacat.gov.ph/index.php/human-trafficking-related-

    statistics

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 7

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    beitsverhltnisse zum Beispiel daraufhin an,

    ob der Mindestlohn gezahlt wird, Arbeit-

    nehmer das Mindestalter erreicht haben und

    wieviel Urlaubstage gewhrt werden.

    Die Verurteilungen im Zusammenhang mit

    Menschenhandel haben unter der Regierung

    Aquinos mit 150 in der Zeit zwischen 2010

    bis 2015 deutlich zugenommen, whrend es

    vorab lediglich 29 Verurteilung im gesamten

    Zeitraum zwischen 2005 bis 2010 gab.12

    Es

    sind jedoch noch immer zu wenige Urteile in

    Relation zum Ausma des Menschenhandels

    und der Zahl der gestellten Strafanzeigen.

    Eines der grten Probleme ist noch immer

    die Dauer der Gerichtsverhandlungen, die pro

    Gerichtsprozess dreieinhalb bis fnf Jahre

    betrgt.13

    Weiterhin ist auch der Zeugen-

    schutz noch nicht ausreichend ausgebaut.

    Positiv zu bemerken bleiben der stetige und

    flchendeckende Aufbau der Task Forces und

    die Bemhungen der Staatsanwlte, die die-

    se Aufgabe zustzlich bernehmen.

    Vorsichtiger Optimismus

    Das US State Department hat die Philippinen

    in ihrem aktuellen Bericht in dieselbe Kate-

    gorie eingeordnet, wie noch zu Zeiten der

    Vorgngerregierung. Dennoch zeichnen sich

    durchaus Verbesserungen innerhalb des Be-

    richtes ab. In dem Bericht heit es, dass: ,,die

    Regierung der Philippinen die Mindeststan-

    dards fr die Abschaffung des Menschen-

    handels nicht vollstndig erfllt; trotzdem

    macht sie signifikante Fortschritte darin, dies

    zu realisieren.14 In der zweiten Ausgabe des Global Slavery Report der WALK FREE STIFTUNG,

    einer Menschenrechtsorganisation mit Sitz

    in Australien, werden die Philippinen als

    bester Staat in Asien in Bezug auf die Pro-

    gramme zur Bekmpfung des Menschenhan-

    dels eingestuft. Im Asien-Pazifik Vergleich

    stehen sie auf Platz drei und weltweit sogar

    auf Platz 29 von insgesamt 167. Die Organi-

    sation erkennt die vielseitigen Bemhungen

    der philippinischen Regierung und auch das

    12 http://iacat.gov.ph/index.php/human-trafficking-related-

    statistics 13 http://www.state.gov/documents/organization/

    226848.pdf 14 http://www.state.gov/documents/organization/

    226848.pdf, S. 30

    gestiegene Verantwortungsbewusstsein des

    Rechtssystems vor Ort an.15

    Die Philippinen haben umfangreiche und

    gute Gesetze im Kampf gegen den Men-

    schenhandel auf den Weg gebracht; doch

    bleibt noch die Herausforderung der wirksa-

    men und nachhaltigen Umsetzung. Noch

    immer ist die Zahl der Verurteilungen zu

    niedrig und noch immer gibt es zu viele Fl-

    le, in denen weggesehen wird. Die besten

    Gesetze ntzen nichts, wenn sie durch Kor-

    ruption, ein schleppendes Rechtssystem und

    unzureichenden Zeugenschutz ineffektiv und

    unbrauchbar gemacht werden. Da trotz der

    Verbesserungen die meisten Anzeigen nicht

    in Verurteilungen enden, werden Opfer zu-

    nehmend entmutigt ihre eigenen Flle zu

    melden.

    Die behrdenbergreifende Arbeit des IACAT

    und die Erhhung der zur Verfgung stehen-

    den Mittel, kann als ein Schritt in die richti-

    ge Richtung gewertet werden. Sensibilisie-

    rungsmanahmen und Kampagnen sind

    wertvolle Instrumente, die allein zur Be-

    kmpfung jedoch nicht ausreichen.

    Der Schlssel ist die Prvention. Die Philippi-

    nen haben die schwierige Aufgabe, den

    Menschenhandel an zwei Fronten bekmpfen

    zu mssen: national und international. Der

    beste Weg wre die Bekmpfung der Ursa-

    chen Armut und Korruption, whrend man gleichzeitig die bestehenden Gesetze konse-

    quent anwendet und die Tter ausnahmslos

    zur Verantwortung zieht.

    Grundstzlich bedeuten mehr wirtschaftliche

    Mglichkeiten eine geringere Anflligkeit fr

    Verbrechen im Rahmen des Menschenhan-

    dels. Damit sich diese realisieren lassen,

    mssen Wachstumshemmnisse fr kleine

    und mittelstndische Unternehmen abgebaut

    und mehr Beschftigungsmglichkeiten in-

    nerhalb des eigenen Landes, vor allem in

    lndlichen Gebieten, geschaffen werden. Die

    derzeitige Regierung hat die Wahlen von

    2010 vor allem wegen der deutlichen Anti-

    Korruptionskampagnen gewonnen und zeigt,

    dass sie diesen Weg auch geht. Dies hat sich

    15

    http://www.globalslaveryindex.org/

  • Menschenhandel in den Philippinen Nr. 13 / Juni 2015 | 8

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    auch in der Bekmpfung des Menschenhan-

    dels gezeigt, bedarf jedoch noch weiterer

    Bemhungen. Aufgrund der im Land weit

    verbreiteten Korruption ist es auch Men-

    schenhndlern noch immer mglich, ihr Ge-

    schft ungestraft zu betreiben. Wenngleich

    die liberal gefhrte Regierung deutlich mehr

    Anstrengungen unternimmt, als es ihre Vor-

    gnger taten, so muss sie sich doch der Ur-

    sachen der Verbrechen bewusst werden. Die

    verabschiedeten Gesetze sind nur so weit

    erfolgreich, wie es Armut, Korruption und ein

    ineffizientes Rechtssystem zulassen. Es ms-

    sen fr einen nachhaltigen Erfolg gegen

    Menschenhandel, Misshandlungen und mo-

    derne Sklaverei auch strukturelle Vernde-

    rungen erfolgen. Trotz aller Bedenken be-

    steht Anlass zum Optimismus, da die Bem-

    hungen stetig gestiegen sind. Es bleibt nun

    abzuwarten, wie die nchste Regierung,

    nach den Wahlen im Jahr 2016 mit der

    Problematik und groen Herausforderung

    umgehen wird, da Aquino nicht erneut kan-

    didieren darf.

    Katharina Weber-Lortsch ist Programmreferentin, zurzeit im Bro der FNF in Manila.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit

    Bereich Internationale Politik

    Referat Asien und Menschenrechte Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam

    [email protected]

    www.freiheit.org