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Menschenrechte Seminar: „Menschenrechtspolitiken im Vergleich“ Dr. Petra Bendel, Universität Erlangen-Nürnberg Folien, Teil 1: Was sind überhaupt Menschenrechte? Welche Dimensionen von Menschenrechten gibt es?

Menschenrechte Seminar: „Menschenrechtspolitiken im Vergleich“ Dr. Petra Bendel, Universität Erlangen-Nürnberg Folien, Teil 1: Was sind überhaupt Menschenrechte?

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Page 1: Menschenrechte Seminar: „Menschenrechtspolitiken im Vergleich“ Dr. Petra Bendel, Universität Erlangen-Nürnberg Folien, Teil 1: Was sind überhaupt Menschenrechte?

MenschenrechteSeminar:

„Menschenrechtspolitiken im Vergleich“

Dr. Petra Bendel, Universität Erlangen-Nürnberg

Folien, Teil 1: Was sind überhaupt Menschenrechte? Welche Dimensionen von Menschenrechten gibt es?

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Was sind Menschenrechte?• fundamentale Rechte für alle Menschen, unabhängig von

ihrer staatlichen Zugehörigkeit• gelten als angeboren, unveräußerlich und unantastbar• sollen die Stellung der Individuen in politischen

Gemeinwesen regeln bzw. regeln diese• sichern als kodifizierte Rechte einen einklag- und

durchsetzbaren Mindeststandard an:• individueller Freiheit sowie politischer und sozialer

Gleichheit

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Grundproblem:

Spannung zwischen dem normativen politischen Ideal und der jeweiligen rechtlichen und gesellschaftlichen Realität

Menschenrechte bleiben politische Kampfbegriffe.

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Auseinandersetzungen um die Menschenrechte:unter anderen: Gehalt und Reichweite der sozialen

Menschenrechte Kulturelle Rechte für multikulturelle

Gesellschaften Feminismus-Kritik am männlich-liberalen

Bias („Recht auf Differenz“) International: Universale Geltung der

Menschenrechte? („Kolonialismus“)

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Teil 2:Internat. Menschenrechtsschutz1. Kodifizierung der Menschenrechte:

international

2. Kodifizierung der Menschenrechte: regional

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Kodifizierung der Menschenrechte: international1. AEMR 1948: bürgerliche+politische Abwehrrechte;

wirtschaftliche und soziale Anspruchsrechte

2. UN-Pakte 1966:

a) „Zivilpakt“: bürgerliche und politische Rechte („BP-Rechte“)

b) „Sozialpakt“: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte („WSK-Rechte“)

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Kodifizierung der Menschenrechte: regional EMRK 1950 (in Kraft 1953) AMK 1969 (OAS) Afrikanische Charta der Rechte der

Menschen und Völker 1981 Arabische Charta der Menschenrechte

1994 (Liga der Arabischen Staaten)

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AEMR

Verbindlichkeit in „Stufen“ durchgesetzt• 1948: zunächst unverbindlich,• Problem: Ost-West: liberale Freiheitsrechte

vs. kollektive Rechte• heute: größtenteils Völkergewohnheitsrecht

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Zivilpakt und Sozialpakt

Zivilpakt: Individualrechte Sozialpakt: verschiedene Verpflichtungsarten für

den Staat

„obligations to respect, to protect and to fulfill“: respect: Abwehrrechtprotect: Schutzaspektfulfill: kontinuierlich Bedingungen für die

Erfüllung verbessern!

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Internationales Strafrecht

Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (in Kraft 1951); Problem: Völkerstrafgerichtshof fehlte

Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) 1998 komplementäre Strafgerichtsbarkeit, wenn nat. Rechtssysteme versagen; Problem: Rechtsschutzlücke, wenn der betroffene Staat das Statut nicht ratifiziert hat.

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Spezialkonventionen

Rassendiskriminierungs-Konvention 1965 (in Kraft 1969)

Konvention über die Rechte der Frau 1979 Folterkonvention 1984 Konvention über die Rechte des Kindes

1989

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Menschenrechte der „3. Generation“ 1. Generation = liberale Abwehrrechte, 2. Generation = WSK-Rechte 3. Generation = umfassendere Rechte:

Entwicklung, Frieden, Schutz der Umwelt, Partizipation, Kommunikation, Selbstbestimmung....

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Teil 3: Das MR-System der UNO: Phasen der MR-Entwicklung im UN-System

1. Phase: Epoche der Konzeption (1945-48) War Crimes Commission (Vorläufer)Bestrafung von Kriegsverbrechen (Nürnberg) positive Idee der Menschenrechte als Friedensziel Charta der Vereinten Nationen: VN haben für die

Förderung der Menschenrechte Sorge zu tragen Menschenrechte sollen universell werden Organe: Menschenrechtskommission der VN; ECOSOC,

Generalversammlung der VN heute: Auch der Sicherheitsrat als polit. Leitungsorgan ist

bemüht, dem Anspruch der Menschenrechte zu dienen.

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2. Phase: Epoche der Kodifikation (1948-66)

1948: Programmatik der Menschenrechtspolitik der VN: „Internationales Grundgesetz für Menschenrechte“

AEMR, 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der VN in Paris beschlossen (damals 58 Mitgliedstaaten)

zunächst nicht verbindlich, aber heute: Bestandteil des allg. Völkerrechts Ausstrahlung: regionale Konventionen

Recht auf Individualbeschwerde in gesondertem Protokoll für BP-Rechte (Fakultativprotokoll)

+ Pakte von 1966 (s.o.)

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3. Phase: Epoche der Durchsetzung (1967 ff.)

Seit 1967: Schrittweises Eintreten der Organe der UN in die Schutzfunktion

Gründe: Kodifikation war mit der Annahme der beiden Pakte abgeschlossen; Apartheid verlangte nach Klärung

Einsetzung der Arbeitsgruppe zur Menschenrechtssituation im südlichen Afrika durch die UNO Menschenrechtskommission.

erste konkrete Untersuchung einer menschenrechtlichen Situation durch die UN.

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UN-Instrumente des MR-Schutzes: politische KontrolleVerfahren zur länderspezifischen Situationskontrolle: fact finding

durch Experten Resultat wird in Berichtsform der Menschenrechtskommission und in vielen Fällen auch der Generalsversammlung unterbreitet. Gelegentlich umfasst das Mandat auch Vermittlungstätigkeit. Zwangsgewalt steht nicht zur Verfügung (ihr Einsatz ist dem Sicherheitsrat vorbehalten und setzt eine Bedrohung des Weltfriedens voraus; Kapitel VII SVN); öffentliche politische Diskussion samt einer möglichen „Verurteilung“ des Rechtsbrechers kann keine verbindliche Wirkung haben.

Vermittlung: zwischen den menschenrechtlichen Organen der VN und dem Staat; Ziel: Dialog, bei dem das Staatengemeinschaftsorgan den Rechtsverletzer zu einer Verhaltensänderung bewegen soll. Angeboten werden können: gute Dienste oder finanzielle Hilfe und Beratung.

Untersuchungsgruppen mit weltweitem Mandat (thematisch).

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UN-Instrumente im MR-Schutz: rechtliche Kontrolle

beruht auf Verträgen kann naturgemäß nur gegenüber Vertragsparteien erfolgen

Kontrollorgan: „Staatenberichte“ prüfen die Rechtsordnung des Vertragsstaates auf Vereinbarkeit mit dem menschenrechtlichen Vertrag (ferner: Individualbeschwerde in regionalen Konventionen: EMRK und Amerikanische Menschenrechtskonvention)

UN: Jede der UN-Konventionen hat ihr eigenes Überwachungsorgan geschaffen („treaty bodies“)

Individualbeschwerde (aber: nur 61 Staaten haben diese zugelassen), Staatenbeschwerde (bislang geringe Bedeutung)

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Institutionen: UN Office of the High Commisioner for Human Rights (OHCHR)

* institutionalisiert auf der Wieder Konferenz 1993,

* unter der Leitung des Generalsekretärs,* im Rahmen der umfassenden Kompetenz,

der Aufsicht und Entscheidungen der Generalversammlung, des ECOSOC und der Menschenrechtskommission,

* für vier Jahre bestimmt,* Sitz Genf und Verbindungsbüro New York

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Institutionen: ECOSOC

* intergouvernementale Institution unter der Aufsicht der Generalversammlung,

* führt Studien durch, spricht Empfehlungen aus, 1946-48: Entscheidungen über Schlüsselfragen zu

den Menschenrechten:- Einrichtung der Menschenrechtskommission- Verantwortlichkeit über Stellung und Rechte der Frau

wurde der Commission on the Status of Women übertragen berichtet direkt der ECOSOC

1992: Einrichtung der Commisson on Crime Prevention and Criminal Justice

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Institutionen: Sicherheitsrat (I)Aufgabe: v.a. Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der

internationalen Sicherheit. Kompetenzen/Instrumente: kann für alle 190 Staaten verbindliche

Beschlüsse (Resolutionen) fassen und Sanktionen verhängen (Embargos, Wirtschaftssanktionen, Int. Kriegstribunale – ehem. Jugoslawien, Ruanda, Sierra Leone, peacekeeping operations, peacebuilding operations), und diese notfalls auch mit politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Zwangsmaßnahmen durchsetzen (Kap. VII; Resolution 678 Irak; Resolution 794 Somalia).

Mitglieder: 15 Mitglieder, davon fünf ständige Mitglieder (sog. P5 „permanent members“) mit Veto-Macht: USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Nichtständige Mitglieder 2003: Deutschl., Spanien, Pakistan, Chile, Angola, Bulg., Guinea, Kamerun,

Mexiko, Syrien

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Institutionen: Sicherheitsrat (II):

Berufung auf Menschenrechte: bis in die 90er Jahre v.a. Apartheid-Regime in Südafrika

seit Ende des Kalten Krieges: häufige Berufung auf Menschenrechtsstandards, v.a. in Reaktion auf innerstaatliche Gewalt

Probleme: - Hoher Kommissar für Menschenrechte kann sich noch

immer nicht direkt an den Sicherheitsrat wenden (< Druck Chinas)

- Einige Mitglieder der P5 haben die Diskussion von Menschenrechten dort unterbunden, wo sie selbst betroffen waren (Russland – Tschetschenien; Tibet – China; Nordirland – Großbritannien).

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Institutionen: GeneralversammlungArt. 13 (1) (b) UN-Charta: Vollversammlung kann Studien einleiten und Empfehlungen

ausprechen mit dem Ziel... „assisting in the realization of human rights and fundamental freedoms for all without distinction as to race, sec, language, or religion.“

Empfehlungen und Resolutionen sind nicht rechtlich bindend.

Aber: generelle Verpflichtung der Mitgliedstaaten, „in cooperation“ mit der UN in Menschenrechtsfragen zu handeln.

Die Generalversammung muss allen internationalen Menschenrechtsabkommen zustimmen. Sie war bei verschiedenen Kampagnen federführend: Apartheid, Kolonialismus.

Problem: politische Schieflage durch die int. Besetzung; manche Menschenrechtsverletzungen werden vollkommen ignoriert.

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Internationaler Gerichtshof- Haupt-Justizorgan der UN15 unabh. Richter, die von der Vollversammlung und dem Sicherheitsrat

bestimmt werden.- a) beratend b) rechtssprechendad b): nur zwischen Staaten, genauer: zwischen Staaten, die sich seiner

Rechtsprechung unterstellt haben. nicht-staatliche Akteure können keine Fälle vor den Internationalen Gerichtshof bringen. 

Der Internationale Gerichtshof hat nur wenige Menschenrechtsfälle behandelt. Aber: Diese Urteile in diesen Fällen wurden zu dauerhaften und grundlegenden Prinzipien.

Beispiele: unmoralischer und illegaler Charakter von Genozid; Kriegsverbrechen als Verletzung internationalen Rechts

Problem: Ohne den Sicherheitsrat bleibt die Umsetzung der IGH-Rechtsprechung ein unüberwindbares Problem; Beispiel: „Case Concerning Military and Paramilitary Activities In and Against Nicaragua“, 1986.

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Kontrollorgane

Committee against Torture (CAT), Committee on the Elimination of

Discrimination Against Women (CEDAW), Committee on the Elimination of Racial

Discrimination (CERD), Committee on the Rights of the Child (CRC), Committee on Economic, Social and Cultural

Rights (CESCR), Human Rights Committee (HRC).

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Funktionen der treaty bodies Berichtsverfahren (länderspezifische Routinekontrolle)

„Bemerkungen“ Einzelbeschwerden (quasi-richterliches Verfahren; nicht-

öffentlich; schriftlich) abschließende Rechtsmeinung des Ausschusses ist im Prinzip nicht rechtsverbindlich, aber: moralisches und politisches Gewicht.

„1503“-Verfahren: vertrauliche Sitzungen der Menschenrechtskommission der VN können konkrete Ländersituationen behandeln Appelle; Situationsuntersuchungen!

„General comments“ Entwicklung internationalen Menschenrechtes.

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Effektivität dieser politischen Instrumente?

Jeder Staat, dem Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden, ist bemüht, sich solchen internationalen Kontrollen zu entziehen.

Die öffentliche Meinung ist das einzige Regulativ, das das Handeln der Staaten beeinflussen kann, denn selbst bei rechtsverbindlichen Entscheidungen internationaler Instanzen gibt es kaum Wege der Zwangsdurchsetzung, falls der betroffene Staat nicht kooperiert.

Das Schutzsystem der VN im Menschenrechtsbereich ist nicht auf rechtsverbindliche Entscheidungen hin konzipiert.

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Effektivität des MR-Schutzes?

V.a. präventive Wirkung:

Die VN sind kein Weltstaat und kein Strafgericht! Sie hängen von den sie tragenden Staaten ab.

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Teil 4: Das europäische MR-SystemOrganisationen:

Europarat: 1949; „Hüter von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“

OSZE (ehem. völkerrechtl. unverbindl.) Schutz der MR gegenüber der Staatsgewalt

der Mitgliedstaaten * EG/EU: Schutz und Durchsetzung von MR

gegenüber der supranationalen Hoheitsgewalt

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Das europäische MR-SystemGeschichte:

EMRK als „constitutional instrument of European public order“: in Kraft am 3.9.1953: 10 Staaten

Staatenbeschwerde;

Besonderheit: Individualbeschwerde vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

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Das europäische MR-System: Die EMRK

verabschiedet am 4.11. 1950 in Rom vom Europarat (1949 gegr., 45 Mitgl.)

derzeit 11 Zusatzprotokolle z.T. Vorbehalte, z.T. nicht alle ZP unterzeichnet Stellung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich (in

D: einfaches Bundesgesetz, aber: Rechtsprechung des EGMR gilt als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des GG quasi verfassungsrechtlicher Rang)

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Das europäische MR-SystemVerträge 1• 1961: Europäische Sozialcharta; Ziel: „den

Lebensstandard ... zu verbessern.“alle 2 Jahre Staatenberichte zu den als verbindlich anerkannten Rechten

• 1987: Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Besuche in Haftanstalten durch Anti-Folter-Komitee Berichte, Empfehlungen; allg. Vorschläge> präventiv wirksam

• 1992: Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen

• 1995: Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten

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Das europäische MR-System: Verträge 2

EMRK BP-Rechte EMGH; Individual-beschwerde nach Erschöpfung des innerstaatl. Rechtswegs

Staatenbe-schwerde; Indiviual-beschwerde

Rechtsverbind-liche Feststel-lungsurteile

Sozialcharta WSK-Rechte Sachverständi-genausschuss

Staatenbe-richt

Rechenschaft

Europäische Anti-Folter-Konvention

Verbot der Folter

Europäischer Ausschuss zur Verhütung von Folter

Prüfungen (Gefängnis-besuche)

Vertraul. Be-

richt

(mit Empfeh-

lungen), vertraul. Konsultationen, ggf. öfftl. Erklärungen

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Das europäische MR-System: Verträge 3

EU-Recht Einzelne geschr. Grundfreiheiten und Grundrechte des EU Rechts

EuGH Vertrags-verlet-zungsver-fahren, Nichtig-keitskla

-gen, Untätigkeitsklagen, Vorabent-schei-dungsverf.

Rechtsverb. Urteile

Charta der Grundrechte der EU (bislang nur Proklamation)

BP- und WSK-Rechte

EuGH Vertragsverletzungsverf., Nichtigkeits-, und Untätigkeits-klagen, DienstrechtsklVorlageverfahren

Rechtsverb. Urteile

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Die EMRK wird allgemein als sehr erfolgreicher Vertrag eingeschätzt, als „constitutional instrument of European public order in the field of human rights“.

- Sie geht über bilaterale Verträge hinaus.

- Die meisten Staaten haben sie sogar in ihr innerstaatliches Recht übernommen.

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Das europäische MR-SystemRechtsprechung des EGMR

Individualbeschwerde: 2001: 13.858 Beschwerden, 889 Urteile, l8.989

Unzulässigkeitsentscheidungen und Streichungen Rechtsprechung beeinflusst zunehmend das

innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten Seit dem 11. ZP 1998 übernimmt der EGMR in

Straßburg quasi-verfassungsgerichtliche Kompetenzen des Grundrechtsschutzes in Europa.

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Das europäische MR-SystemEG/EU EMRK ist nur eine Rechtsgrundlage für den

EuGH Europäische Grundrechtscharta, proklamiert auf

dem ER von Nizza, 2000; erarbeitet durch einen „Konvent“ zunächst ohne rechtliche Bindungswirkung, wurde stark von der EMRK beeinflusst

* politische Bedeutung: „repräsentativer Ausdruck des gegenwärtigen Grundrechtsstandards in der Gemeinschaft“ (Walter 2003:30): auch soziale Rechte verankert.* rechtliche Bedeutung: systematisierend; förmliche Verbindlichkeit im Verfassungskonvent?

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Europarat – EG/EU EU ist nicht Mitglied des Europarats; aber: EuGH muss die Akte der europäischen

Institutionen auf die Übereinstimmung mit internationalen MR-Normen überprüfen.

Die MR der EMRK werden durch die EU überwacht; Mitgliedstaaten, welche diese systematisch verletzen, werden sanktioniert.

EuGH hat, gerade unter Berufung auf die EMRK, vielfältige Urteile gefällt

Problem: EuGH muss dem EMRG nicht folgen; es kann zu divergierender Rechtsprechung kommen.

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Europarat - EU

Historische Entwicklung Überlappung der Instrumente Konflikte zwischen den Verträgen

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Das europäische MR-SystemGrundfreiheiten in der EG/EU

Freier Verkehr von- Waren- Personen- Dienstleistungen- Kapital

(Art. 14II EGV)

unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht

Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote

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Das europäische MR-System:Probleme der EU – 1 -

Alston/Weiler (1999): „An ‚Ever Closer Union‘ in need of a Human Rights Policy: The European Union and Human Rights“, in: Alston, Philip (Hrsg.) : The EU and human rights, Oxford:

Problem: „On the one hand, the Union is a staunch defender of human rights in both ist internal and extermal affairs. On the other hand, it lacks a comprehensive or coherent policy at either level and fundamental doubts persist whether the institutions of the Union possess adequate legal competence in relation to a wide range of human rights issues arising within the framework of Commmunity policies.“

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Das europäische MR-System: Probleme der EU - 2 - Positiv:- Primärrecht verankert die MR (Amsterdamer

Vertrag, Konvent!, MR als Bedingung für die Mitgliedschaft in der EU),

- Institutionen: EuGH und Europäischer Rat unterstreichen Bedeutung der MR, vielfältige Initiativen der Europäischen Kommission für die MR),

- Außenaktivitäten der Union bezüglich anderer Staaten und bezüglich internationaler Organisationen (election monitoring, human rights monitoring...).

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Das europäische MR-System: Probleme der EU- 3 - Negativ: keine ausgeprägte und kohärente MR-

Politik, v.a. in der Innenpolitik der Union

Alston/Weiler (1999): „At the end of the day, the Union can only achieve the leadership jrole to which it aspires through the example it sets to ist partners and other States.“

1. Kein Beitritt zur EMRK2. Institutionen sind unzureichend ausgestattet, haben wenig Expertise und

wenig Interesse an MR und agieren getrennt voneinander: Fragmentierung, Inkohärenz und Mangel an institutioneller Führung.

3. Zu starkes Verlassen auf die justitiellen Maßnahmen.4. Kein monitoring- und reporting-Systemunzureichende Daten- und

Analysegrundlagen für das Agieren der Union Mangel an Transparenz und klaren Kriterienunbefriedigend für: EU-Organe, Drittstaaten, Zivilgesellschaft.

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Das europäische MR-System: Probleme der EU- 4 -

Steigende Bedeutung der MR-Politik der Union:Neue Herausforderungen im Inneren: Xenophobie, Diskriminierungen,

unzureichende Garantie der WSK-Rechte für größere Gruppen, unzulängliche Behandlung von Asylbewerbern und Flüchtlingen, 11. September 2001!

- Außenpolitische Bedeutung der EU: GASP, - Zunehmende Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher und politischer

Einigung- Osterweiterung- Globalisierung/Transnationalisierung- 3. Säule: Vergemeinschaftung der Justiz- und Innenpolitik- Amsterdamer Vertrag + Konvent/Verfassung verankern die MR

stärker

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Europäisches MR-System

Forderungen: EMRK und EU-Instrumente müssen besser aufeinander

abgestimmt werden.Außen und Innenpolitik der EU müssen in MR-

Angelegenheiten stärker aufeinander abgestimmt werden.Stärkeres Monitoring-System soll institutionalisiert werden.Institutionen müssen mit besseren Ressourcen ausgestattet

werden.Human-Rights-Mainstreaming sinnvoll?Zivilgesellschaft soll innerhalb der bestehenden Strukturen

eine größere Rolle spielen.

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Teil 5: Die Menschenrechtspolitik der Bundesrepublik Deutschland

Wichtige Leitlinien:

OwnershipNormsetzungUm- und DurchsetzungQuerschnittsaufgabe („mainstreaming“)Prävention