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1 Merkmale des hellen Hautkrebses: klinisches Bild, Prognose, Therapie Stephan Grabbe Hautklinik der Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität Mainz Hautkrebszentrum Rhein-Main, Mainz Allgemeines Der sog. „helle Hautkrebs“ umfasst eine heterogene Gruppe von Tumoren, die von allen Zellen und Geweben der Haut mit Ausnahme der pigmentbildenden Zellen ausgehen können. Hierzu zählen das Basalzellkarzinom (auch als „Basaliom“ bezeichnet), das Plattenepithelkarzinom (auch als „Spinaliom“ bezeichnet), das Merkelzellkarzinom sowie weitere seltene Hautkrebsformen. Hiervon abzugrenzen ist der sog. „schwarze Hautkrebs“, das Melanom, der von den pigmentbildenden Zellen der Haut ausgeht und aufgrund seiner besonderen Aggressivität und Wachstumseigenschaften eine eigene Kategorie bildet. Tabelle 1: Arten des hellen Hautkrebses Krebstyp Häufigkeit Anzahl der Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr* Metastasierung Durchschnittliche Metastasierungsrate in %* , ** Plattenepithelkarzinom („Spinaliom“) 35.000 < 5 # Vorstufe: aktinische Keratose 31.000 0 Basalzellkarzinom („Basaliom“) 133.000 < 1 Merkelzellkarzinom 400 > 30 andere Formen des hellen Hautkrebses ca. 2.000 variabel * Quelle: Datenbank der Dt. Dermatologischen Gesellschaft, Krebsregister Schleswig-Holstein 2009 ** Quelle: S2k-Leitlinie Merkelzellkarzinom, Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie, 2012 Der helle Hautkrebs ist der mit Abstand häufigste Krebs des Menschen (vgl. Tab.1). Mindestens jeder fünfte Deutsche, der das 80. Lebensjahr erreicht, ist hiervon betroffen. Wenngleich es einige aggressive Formen des hellen Hautkrebses gibt, ist doch der Großteil dieser Erkrankungen nicht lebensbedrohlich, da diese Tumoren nur selten Streuherde (Metastasen) im Körper verursachen und durch chirurgische Exzision zumeist geheilt werden kann. Nicht selten treten diese Tumore jedoch multipel auf, d.h. im Laufe der Zeit bilden sich immer wieder neue Tumore beim gleichen Patienten. Abgesehen von manchen seltenen Formen des hellen Hautkrebses entstehen diese Tumoren i.d.R. nicht zufällig, sondern durch die Einwirkung krebserregender Agenzien, sog. Karzinogene. Das bei weitem wichtigste Karzinogen der Haut ist das UV-Licht (Quellen: Sonnenlicht, Solarien, Schweißgeräte), aber auch chemische Karzinogene (Teere, aromatische Kohlenwasserstoffe) und Viren spielen eine Rolle. Da die Gesamtmenge des auf die Hut einwirkenden UV-Lichts der Haupt- Risikofaktor für die Entstehung des hellen Hautkrebses darstellt, sind vorwiegend ältere Menschen und Personen mit beruflich oder durch Freizeitaktivitäten bedingt hoher Sonnenexposition betroffen; aus dem gleichen Grund sind die Läsionen zumeist an der Kopfhaut und den Unterarmen/Handrücken lokalisiert. Grundsätzlich könnte also der Großteil der hellen Hautkrebserkrankungen durch Elimination dieser krebserregenden Faktoren vermieden werden. Genetische Faktoren spielen jedoch ebenfalls eine Rolle (z.B. der „Hauttyp“, die natürliche Pigmentierung der Haut), was für die Prävention und Therapie dieser Erkrankungen von Bedeutung ist. Eine weitere Besonderheit des hellen Hautkrebses ist, dass dieser unter der Kontrolle unseres Immunsystems steht. Dies bedeutet, dass dieser ohnehin schon häufige Tumor bei Personen mit eingeschränktem Immunsystem (z.B. HIV-Patienten, Organtransplantierte und Rheumapatienten, bei denen das Immunsystem durch Medikamente gehemmt werden muss) noch wesentlich häufiger als

Merkmale des hellen Hautkrebses - unimedizin-mainz.de · Basalzellkarzinom (auch als „Basaliom“ bezeichnet), das Plattenepithelkarzinom (auch als „Spinaliom“ bezeichnet),

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Merkmale des hellen Hautkrebses: klinisches Bild, Prognose, Therapie

Stephan Grabbe

Hautklinik der Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität Mainz Hautkrebszentrum Rhein-Main, Mainz

Allgemeines

Der sog. „helle Hautkrebs“ umfasst eine heterogene Gruppe von Tumoren, die von allen Zellen und Geweben der Haut mit Ausnahme der pigmentbildenden Zellen ausgehen können. Hierzu zählen das Basalzellkarzinom (auch als „Basaliom“ bezeichnet), das Plattenepithelkarzinom (auch als „Spinaliom“ bezeichnet), das Merkelzellkarzinom sowie weitere seltene Hautkrebsformen. Hiervon abzugrenzen ist der sog. „schwarze Hautkrebs“, das Melanom, der von den pigmentbildenden Zellen der Haut ausgeht und aufgrund seiner besonderen Aggressivität und Wachstumseigenschaften eine eigene Kategorie bildet.

Tabelle 1: Arten des hellen Hautkrebses

Krebstyp Häufigkeit Anzahl der Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr*

Metastasierung Durchschnittliche Metastasierungsrate in %*, **

Plattenepithelkarzinom („Spinaliom“) 35.000 < 5 # Vorstufe: aktinische Keratose 31.000 0

Basalzellkarzinom („Basaliom“) 133.000 < 1 Merkelzellkarzinom 400 > 30 andere Formen des hellen Hautkrebses ca. 2.000 variabel * Quelle: Datenbank der Dt. Dermatologischen Gesellschaft, Krebsregister Schleswig-Holstein 2009 ** Quelle: S2k-Leitlinie Merkelzellkarzinom, Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie, 2012

Der helle Hautkrebs ist der mit Abstand häufigste Krebs des Menschen (vgl. Tab.1). Mindestens jeder fünfte Deutsche, der das 80. Lebensjahr erreicht, ist hiervon betroffen. Wenngleich es einige aggressive Formen des hellen Hautkrebses gibt, ist doch der Großteil dieser Erkrankungen nicht lebensbedrohlich, da diese Tumoren nur selten Streuherde (Metastasen) im Körper verursachen und durch chirurgische Exzision zumeist geheilt werden kann. Nicht selten treten diese Tumore jedoch multipel auf, d.h. im Laufe der Zeit bilden sich immer wieder neue Tumore beim gleichen Patienten. Abgesehen von manchen seltenen Formen des hellen Hautkrebses entstehen diese Tumoren i.d.R. nicht zufällig, sondern durch die Einwirkung krebserregender Agenzien, sog. Karzinogene. Das bei weitem wichtigste Karzinogen der Haut ist das UV-Licht (Quellen: Sonnenlicht, Solarien, Schweißgeräte), aber auch chemische Karzinogene (Teere, aromatische Kohlenwasserstoffe) und Viren spielen eine Rolle. Da die Gesamtmenge des auf die Hut einwirkenden UV-Lichts der Haupt-Risikofaktor für die Entstehung des hellen Hautkrebses darstellt, sind vorwiegend ältere Menschen und Personen mit beruflich oder durch Freizeitaktivitäten bedingt hoher Sonnenexposition betroffen; aus dem gleichen Grund sind die Läsionen zumeist an der Kopfhaut und den Unterarmen/Handrücken lokalisiert. Grundsätzlich könnte also der Großteil der hellen Hautkrebserkrankungen durch Elimination dieser krebserregenden Faktoren vermieden werden. Genetische Faktoren spielen jedoch ebenfalls eine Rolle (z.B. der „Hauttyp“, die natürliche Pigmentierung der Haut), was für die Prävention und Therapie dieser Erkrankungen von Bedeutung ist. Eine weitere Besonderheit des hellen Hautkrebses ist, dass dieser unter der Kontrolle unseres Immunsystems steht. Dies bedeutet, dass dieser ohnehin schon häufige Tumor bei Personen mit eingeschränktem Immunsystem (z.B. HIV-Patienten, Organtransplantierte und Rheumapatienten, bei denen das Immunsystem durch Medikamente gehemmt werden muss) noch wesentlich häufiger als

Ruben Oberle
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bei der Normalbevölkerung vorkommt und dort auch häufiger metastasiert. Insbesondere bei organtransplantierten Patienten ist der helle Hautkrebs daher eine der häufigsten Folgeerkrankungen.

Formen des hellen Hautkrebses, Therapie und Prognose

1. Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom der Haut

Das Basalzellkarzinom ist ein Tumor, der seinen Ausgang von den Hautzellen der Haarwurzelscheide nimmt. Er kann verschiedenartig aussehen (Abb. 1a, 1b) und ist v.a. im Frühstadium oft schwer von harmlosen entzündlichen Hautveränderungen abgrenzbar. Das Basalzellkarzinom entsteht zumeist in sonnenexponierten Arealen des Gesichts oder des Oberkörpers. Neben dem UV-Licht ist eine genetische Disposition (Mutation im sog. „Hedgehog-Signalweg“ der Zellen) der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Basalzellkarzinomen. Basalzellkarzinome kommen häufig multipel vor (d.h. im Laufe der Zeit entstehen immer wieder neue Tumoren dieser Art beim gleichen Patienten), sie metastasieren jedoch nur äußerst selten und sind somit i.d.R. nicht lebensbedrohend. Aufgrund ihres örtlich destruierenden Wachstums können Basalzellkarzinome im fortgeschrittenen Stadium jedoch großflächige, massiv entstellende Geschwüre verursachen.

Das Plattenepithelkarzinom der Haut entsteht zumeist in sonnenexponierten Arealen des Gesichts und der Unterarme. Der Großteil dieser Tumore entsteht langsam im Laufe von mehreren Jahren auf dem Boden von Vorstufen, sog. Präkanzerosen. Die wichtigste Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms der Haut ist die sog. Aktinische Keratose (Abb. 1c). Aktinische Keratosen finden sich bei mehr als 40% aller Deutschen, die älter als 70 Jahre sind, und sie sind damit die mit großem Abstand häufigsten prämalignen Veränderungen des menschlichen Körpers. Das Plattenepithelkarzinom der Haut erscheint zumeist als schuppend-krustig belegter Knoten oder als flaches Geschwür (Abb. 1d). Sehr häufig entstehen multiple Tumore dieser Art im Laufe der Zeit, insbesondere bei chronisch sonnenexponierten Personen. Daher ist dieser Tumor bei Berufsgruppen, die vorwiegend im Freien arbeiten (Landwirte, Bauarbeiter etc.) als Berufserkrankung anerkannt. Ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung des Plattenepithelkarzinoms sind Virusinfektionen der Haut mit sog. HPV-Viren. Darüber hinaus können diese Tumore auf dem Boden chronischer Entzündungen oder bestimmter Hauterkrankungen entstehen. Das Plattenepithelkarzinom der Haut ist zumeist nicht lebensbedrohlich, da es frühzeitig erkannt und exzidiert werden kann. Größere Tumore können jedoch Metastasen verursachen und zum Tode führen. Dies tritt gehäuft bei immunsupprimierten Patienten auf.

Die Therapie der ersten Wahl sowohl für das Basalzellkarzinom als auch für das Plattenepithelkarzinom der Haut ist die mikroskopisch kontrollierte chirurgische Exzision der Läsionen. Der weitaus größte Teil dieser Behandlungen wird durch Dermatologen mit dermatochirurgischer und/oder plastisch-chirurgischer Zusatzausbildung durchgeführt. Besonders bei Vorstufen oder Frühformen dieser Tumore existieren jedoch auch andere Behandlungsmöglichkeiten wie z.B. die photodynamische Therapie, die lokale Immuntherapie, die Lasertherapie, die Kryotherapie oder die örtliche Anwendung von Chemotherapeutika. In vielen Fällen wurden diese Therapien, die inzwischen auch bei Tumoren außerhalb der Haut angewendet werden, erstmals für die Behandlung von Hauttumoren entwickelt.

2. Merkelzellkarzinom sowie seltene Formen des hellen Hautkrebses

Das Merkelzellkarzinom ist ein aggressiver Hautkrebs, der durch ein Virus, das humane Merkelzell-Polyomavirus, hervorgerufen wird. Es bildet sich ein zunächst unscheinbar aussehendes fleischfarbenes Knötchen, welches rasch wächst und regelhaft erst durch eine Probebiopsie

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diagnostiziert wird (Abb. 1e). Das Merkelzellkarzinom hat eine noch schlechtere Prognose als der schwarze Hautkrebs, da dieser Tumor relativ häufig metastasiert und dann zumeist zum Tode führt, da eine kurative Therapie im fortgeschrittenen Stadium nicht existiert. Therapie der Wahl ist die frühzeitige ausgedehnte Exzision des Tumors und des tumordrainierenden Lymphknotens mit anschließender Nachbestrahlung.

Darüber hinaus gibt es eine große Zahl weiterer Arten des hellen Hautkrebses, z.B. das maligne fibröse Histiozytom, das atypische Fibroxanthom, das Dermatofibrosarcoma protuberans, das Schweißdrüsen- und das Talgdrüsenkarzinom. Diese allesamt seltenen Tumorarten haben unterschiedliche Prognosen, erfordern zumeist ausgedehnte chirurgische Exzision, zumeist mit plastischer Rekonstruktion des exzidierten Hautareals, als Therapie der Wahl. Der weitaus größte Teil dieser Behandlungen wird in dermatologischen Kliniken mit dermatochirurgischem und onkologischem Schwerpunkt durchgeführt.

Abb. 1: Klinische Erscheinungsformen des hellen Hautkrebses. A,B: Basalzellkarzinom, C: aktinische Keratose, D: Plattenepithelkarzinom, E: Merkelzellkarzinom.

A B C D EE