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Messtechnische Untersuchung der Raumakustik der Deutschen Oper Berlin Anton Schlesinger 1 , Jan Michael Kimmich 2 , Stefan Frank 2 und Martin Ochmann 1 1 Beuth Hochschule f¨ ur Technik, Fachbereich II, Projektgruppe Computational Acoustics Email: [email protected] 2 HTW Berlin, Fachbereich II - Ingenieurwissenschaften Einleitung Die Forderung der Begrenzung von Gesundheitsrisiken durch hohe Schalldruckpegel, welche in der EU-Richtlinie 2003/10/EG festgeschrieben wurde, betrifft die Mehrzahl der europ¨ aischen Opernh¨ auser und soll die Arbeitsbe- dingungen der Orchestermusiker im Operngraben verbes- sern. Um die Situation an der Deutschen Oper Berlin (DOB) in Charlottenburg zu beschreiben und Verbesserungsvor- schl¨ age zu erarbeiten, wurde das Projekt SIMOPERA – Simulation und Optimierung raumakustischer Felder am Beispiel der DOB – initiiert. Begleitend zur Messung der Schallexpositionspegel von Musikern in unterschiedlichen Auff¨ uhrungen und an un- terschiedlichen Orten, wird die raumakustische Situati- on erfasst. Diese Messungen erm¨ oglichen zun¨ achst den Vergleich mit den fr¨ uhen Planungen und Untersuchun- gen von Cremer et al. aus dem Jahr 1962 w¨ ahrend der Konstruktionsphase und weiteren Opernh¨ ausern [1]. Die Messergebnisse dienen zweitens zur Konservierung der f¨ ur hervorragend befundenen Akustik des großen, aufgef¨ acherten Zuschauerraums bei k¨ unftigen baulichen Vorschl¨ agen zur Verringerung des Schalldruckpegels im Orchestergraben. Den im diesj¨ ahrigen DAGA-Beitrag Berechnung des Schallfeldes in der Deutschen Oper Berlin mit Raytracing und der Finiten-Elemente-Methode“ von Kimmich et al. verwendeten Berechnungsmodellen, dienen die raumaku- stischen Messergebnisse als Eingabegr¨ oßen [2]. Vergleichbare Arbeiten zeigen, dass ein verbesserter aku- stischer Kontakt unter den Musikern im Orchester- graben zu einer leiseren, differenzierteren Spielweise uhren kann, ohne die Dynamik zu beeintr¨ achtigen. In ¨ Ubereinstimmung mit dieser Erkenntnis ist es ein Ziel dieses Projekts, die wechselseitige H¨ orbarkeit der Musi- ker zu erh¨ ohen. Messaufbau Zustand w¨ ahrend der Messungen Die hier vorgestellten Untersuchungen beschreiben den leeren Besetzungszustand. Die Temperatur und relative Luftfeuchte betrugen 20 bis 27 C bzw. 40 bis 50%. Im- pulsantworten wurden mit ge¨ offnetem und geschlossenem eisernen Vorhang (Sicherheitsvorhang) durchgef¨ uhrt. Die Messungen werden entsprechend mit EO“ f¨ ur eiserner Vorhang offen und EG“ f¨ ur eiserner Vorhang geschlos- sen gekennzeichnet. Das Volumen des Zuschauerraums mit Orchestergraben betr¨ agt 11400 m 3 . Das Volumen des B¨ uhnenhauses betr¨ agt 17400 m 3 . Die DOB verf¨ ugt ¨ uber fast 1900 Sitzpl¨ atze. Die Polsterbestuhlung besitzt einen akustisch por¨ osen Bezug. Der Gesamtraum ist fast vollst¨ andig mit Holzbeplankung ausgekleidet. Weitere Angaben zur Ausstattung des unter Denkmalschutz ste- henden Geb¨ audes k¨ onnen bei Cremer et al. gefunden wer- den [1]. Da die Werkstoffe der Grenzfl¨ achen des Zuschauerraums nicht gleichverteilt sind, kann vermutet werden, dass der Raum ortsabh¨ angige Nachhallzeiten aufweist. Zum Jahreswechsel 2017/18 wurde ur Wartungs- arbeiten im vorderen Teil des Zuschauerraums ein raum¨ uberspannender Reflektor der abgehangenen Decke ge¨ offnet. Es ist m¨ oglich, dass diese ¨ Offnung die in die- sem Artikel gemessenen raumakustischen Parameter be- einflusste. ahrend den Messungen befanden sich keine Kulissen auf der B¨ uhne. Das B¨ uhnenhaus war etwa zu 1/5 der Oberfl¨ ache mit B¨ uhnenvorh¨ angen verkleidet. Der Orche- stergraben war in jeder Messung in der Standardposi- tion auf -2,9 m unter der B¨ uhne und bildete somit ein an den Zuschauerraum angeschlossenes Volumen (in ¨ Ubereinstimmung mit Definition in Kapitel 4 der ISO 3382-1) von 400 m 3 [3]. Gleiches gilt f¨ ur das B¨ uhnenhaus. Die Nachhallzeiten wurden f¨ ur den Orchestergraben als angekoppeltes Raumvolumen einzeln ausgewertet. Jegli- che Musikinstrumente wurden vor den Messungen ent- fernt, nur das Gest¨ uhl und die Notenst¨ ander verblieben im Orchestergraben. Die Messpositionen nutzen die Symmetrie des Raumes zur Verringerung des Messaufwands, sie befanden sich an repr¨ asentativen Zuh¨ orerpositionen und sind in Abbil- dung 1 dargestellt. Die H¨ ohen von Quelle und Mikro- phon ¨ uber dem Boden wurden in Abh¨ angigkeit des un- tersuchten Parameters entsprechend den Vorgaben der ISO 3382-1 eingestellt. Messtechnik Als Schallquellen kamen die Dodekaeder-Lautsprecher QSAM Typ QS12, Br¨ uel und Kjaer Typ 4292-L und der Br¨ uel und Kjaer Typ 4295 OmniSource (jeweils einzeln) zum Einsatz. Alle verwendeten Schallquellen besitzen eine kugelf¨ ormige Abstrahlung, die unter den ochstzul¨ assigen Abweichungen von Tabelle 1 der ISO 3382-1 in liegen [3]. Die Richtcharakteristiken sind in den jeweiligen Herstellerzertifikaten nachgewiesen. Verst¨ arkt wurde das Messsignal mit dem Verst¨ arker PA 1000 oder dem Br¨ uel und Kjaer Typ 2734. Die Aufnahmekette be- stand aus dem ungerichteten Mikrofon Earthworks Typ

Messtechnische Untersuchung der Raumakustik der Deutschen

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Page 1: Messtechnische Untersuchung der Raumakustik der Deutschen

Messtechnische Untersuchung der Raumakustik der Deutschen Oper Berlin

Anton Schlesinger1, Jan Michael Kimmich2, Stefan Frank2 und Martin Ochmann1

1Beuth Hochschule fur Technik, Fachbereich II, Projektgruppe Computational Acoustics

Email: [email protected] Berlin, Fachbereich II - Ingenieurwissenschaften

Einleitung

Die Forderung der Begrenzung von Gesundheitsrisikendurch hohe Schalldruckpegel, welche in der EU-Richtlinie2003/10/EG festgeschrieben wurde, betrifft die Mehrzahlder europaischen Opernhauser und soll die Arbeitsbe-dingungen der Orchestermusiker im Operngraben verbes-sern.Um die Situation an der Deutschen Oper Berlin (DOB)in Charlottenburg zu beschreiben und Verbesserungsvor-schlage zu erarbeiten, wurde das Projekt SIMOPERA –Simulation und Optimierung raumakustischer Felder amBeispiel der DOB – initiiert.Begleitend zur Messung der Schallexpositionspegel vonMusikern in unterschiedlichen Auffuhrungen und an un-terschiedlichen Orten, wird die raumakustische Situati-on erfasst. Diese Messungen ermoglichen zunachst denVergleich mit den fruhen Planungen und Untersuchun-gen von Cremer et al. aus dem Jahr 1962 wahrendder Konstruktionsphase und weiteren Opernhausern [1].Die Messergebnisse dienen zweitens zur Konservierungder fur hervorragend befundenen Akustik des großen,aufgefacherten Zuschauerraums bei kunftigen baulichenVorschlagen zur Verringerung des Schalldruckpegels imOrchestergraben.Den im diesjahrigen DAGA-Beitrag

”Berechnung des

Schallfeldes in der Deutschen Oper Berlin mit Raytracingund der Finiten-Elemente-Methode“ von Kimmich et al.verwendeten Berechnungsmodellen, dienen die raumaku-stischen Messergebnisse als Eingabegroßen [2].Vergleichbare Arbeiten zeigen, dass ein verbesserter aku-stischer Kontakt unter den Musikern im Orchester-graben zu einer leiseren, differenzierteren Spielweisefuhren kann, ohne die Dynamik zu beeintrachtigen. InUbereinstimmung mit dieser Erkenntnis ist es ein Zieldieses Projekts, die wechselseitige Horbarkeit der Musi-ker zu erhohen.

Messaufbau

Zustand wahrend der Messungen

Die hier vorgestellten Untersuchungen beschreiben denleeren Besetzungszustand. Die Temperatur und relativeLuftfeuchte betrugen 20 bis 27◦C bzw. 40 bis 50%. Im-pulsantworten wurden mit geoffnetem und geschlossenemeisernen Vorhang (Sicherheitsvorhang) durchgefuhrt. DieMessungen werden entsprechend mit

”EO“ fur eiserner

Vorhang offen und”EG“ fur eiserner Vorhang geschlos-

sen gekennzeichnet. Das Volumen des Zuschauerraumsmit Orchestergraben betragt 11400 m3. Das Volumen

des Buhnenhauses betragt 17400 m3. Die DOB verfugtuber fast 1900 Sitzplatze. Die Polsterbestuhlung besitzteinen akustisch porosen Bezug. Der Gesamtraum ist fastvollstandig mit Holzbeplankung ausgekleidet. WeitereAngaben zur Ausstattung des unter Denkmalschutz ste-henden Gebaudes konnen bei Cremer et al. gefunden wer-den [1].Da die Werkstoffe der Grenzflachen des Zuschauerraumsnicht gleichverteilt sind, kann vermutet werden, dass derRaum ortsabhangige Nachhallzeiten aufweist.Zum Jahreswechsel 2017/18 wurde fur Wartungs-arbeiten im vorderen Teil des Zuschauerraums einraumuberspannender Reflektor der abgehangenen Deckegeoffnet. Es ist moglich, dass diese Offnung die in die-sem Artikel gemessenen raumakustischen Parameter be-einflusste.Wahrend den Messungen befanden sich keine Kulissenauf der Buhne. Das Buhnenhaus war etwa zu 1/5 derOberflache mit Buhnenvorhangen verkleidet. Der Orche-stergraben war in jeder Messung in der Standardposi-tion auf −2,9 m unter der Buhne und bildete somitein an den Zuschauerraum angeschlossenes Volumen (inUbereinstimmung mit Definition in Kapitel 4 der ISO3382-1) von 400 m3 [3]. Gleiches gilt fur das Buhnenhaus.Die Nachhallzeiten wurden fur den Orchestergraben alsangekoppeltes Raumvolumen einzeln ausgewertet. Jegli-che Musikinstrumente wurden vor den Messungen ent-fernt, nur das Gestuhl und die Notenstander verbliebenim Orchestergraben.Die Messpositionen nutzen die Symmetrie des Raumeszur Verringerung des Messaufwands, sie befanden sichan reprasentativen Zuhorerpositionen und sind in Abbil-dung 1 dargestellt. Die Hohen von Quelle und Mikro-phon uber dem Boden wurden in Abhangigkeit des un-tersuchten Parameters entsprechend den Vorgaben derISO 3382-1 eingestellt.

Messtechnik

Als Schallquellen kamen die Dodekaeder-LautsprecherQSAM Typ QS12, Bruel und Kjaer Typ 4292-L undder Bruel und Kjaer Typ 4295 OmniSource (jeweilseinzeln) zum Einsatz. Alle verwendeten Schallquellenbesitzen eine kugelformige Abstrahlung, die unter denhochstzulassigen Abweichungen von Tabelle 1 der ISO3382-1 in liegen [3]. Die Richtcharakteristiken sind in denjeweiligen Herstellerzertifikaten nachgewiesen. Verstarktwurde das Messsignal mit dem Verstarker PA 1000 oderdem Bruel und Kjaer Typ 2734. Die Aufnahmekette be-stand aus dem ungerichteten Mikrofon Earthworks Typ

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Abbildung 1: Sende- (S) und Messpositionen (M) der hiervorgestellten Messungen in der Deutschen Oper Berlin imSchnitt (oben) und in der Draufsicht (unten).

M30 und dem Interface RME Typ Fireface UCX.

Messmethode

In Ubereinstimmung mit der ISO 3382-1 wurde das Ver-fahren der integrierten Impulsantwort zur Bestimmungder untersuchten raumakustischen Parameter gewahlt.Das Anregungssignal zur Bestimmung der Impulsant-worten war ein logarithmischer Sweep mit einem Spek-trum großer als dem anschließend ausgewerteten Fre-quenzbereich. Der log. Sweep bietet einen hohen, frequen-zunabhangigen Storabstand und entfernt harmonischeVerzerrungen der Messtechnik [4]. Das Anregungssignalwurde in jeder Aufnahme dreimalig wiederholt, um denStorabstand durch Mittelung der Messergebnisse zu ver-bessern. Die Dauer des Anregungssignals lag bei 15 s unddamit deutlich uber der Nachhallzeit der DOB. Fur diehier gezeigten Nachhallzeiten in Terzbandern unterhalbvon 160 Hz wurde mit der T20-Methode ausgewertet, daStorabstande in diesem Frequenzbereich von weniger als45 dB zu beobachten waren [3]. Messungen, in denen derStorabstand geringer als 35 dB war, wurden von der Aus-wertung ausgeschlossen. Wahrend der Messungen war esnicht moglich, das volle Leistungspotential der Lautspre-cher abzurufen. Eine Ubersteuerung trat in keiner Stufeder Messkette auf. Das ermittelte Starkemaß benotigt ei-ne Referenzmessung der abgestrahlten Leistung im Frei-feld. Diese wurde im reflexionsarmen Raum der BeuthHochschule fur Technik vorgenommen.

Auswertung der Raumakustik

Nachhallzeit undwahrnehmungsbezogene Großen

Die Nachhallzeit ist in Abbildung 2 fur den Orchestergra-ben bei geschlossenem Sicherheitsvorhang (EG) und furden Zuschauerraum bei geschlossenem (EG) und offenemSicherheitsvorhang (EO) dargestellt. Die Messergebnissewurden in diesen Bereichen gemittelt. Die Messungen las-sen deutlich erkennen, dass die Streuung mit Abnahmeder Frequenz zunimmt. Obwohl die Schroderfrequenz furden Gesamtraum unter 30 Hz liegt, kann aufgrund der he-terogenen Verteilung der Oberflacheneigenschaften, un-terhalb des mittleren Frequenzbereichs nicht von einemdiffusen Schallfeld ausgegangen werden. Im Bereich von100 Hz erfolgen die logarithmierten Abklingverlaufe z.T. wellenformig oder gekrummt, was auf unterschiedlicheAbklingarten mit verschiedenen Nachhallzeiten hinweistund die Unsicherheit der Messung in diesem Frequenzbe-reich erhoht. Zur besseren Interpretation der Ergebnissewerden in Abbildung 2 auch der Median und die Vertei-lung der Messwerte pro Frequenzband angegeben.Die Nachhallzeiten im 500 Hz Oktavband liegen bei 1,40s, 1,76 s und 1,53 s fur den Orchestergraben (EG), denZuschauerraum (EO) bzw. den Zuschauerraum (EG). DieAnhebung der Nachhallzeit bei 100 Hz weicht von denMessergebnissen von Cremer et al. ab und ist Gegen-stand von weiteren Untersuchungen [1].Die wahrgenommene Halligkeit wurde mit dem Pa-rameter Fruhe Abklingzeit (engl. Early decay time,Abk. EDT) quantifiziert. Nach Berechnung des Pa-rameters in Oktavbandern wurde eine Einzelfrequenz-Mittelwertbildung durch arithmetische Mittelwertbil-dung uber die Oktavbander mit den Mittenfrequenzen500 und 1000 Hz vorgenommen. Abbildung 3 basiert aufder Auswertung der EDT unterschiedlicher Quellpositio-nen am jeweiligen Messpunkt. Es zeigt sich, dass dieruckwartigen Bereiche weniger Abhangigkeit in Bezugauf die Quellposition besitzen. Bezogen auf die Mittel-werte wird eine homogene Wahrnehmung der Nachhall-zeit im Zuschauerraum beobachtet.Die wahrgenommene Transparenz wurde mit den Para-metern Klarheit (C80), Deutlichkeit (D50) und Schwer-punktzeit (TS) beurteilt. Fur unterschiedliche Positionender Quelle wurden an den Messpositionen 1 bis 10 Aus-wertungen der Einzahl-Mittelwerte dieser Parameter vor-genommen. Diese Einzahlwerte wurden durch arithmeti-sche Mittelwertbildung uber die Oktavbander 500 und1000 Hz gewonnen. Abbildung 4 zeigt die Resultate.Die leichte Begunstigung hinterer Sitzpositionen in Be-zug auf C80 und D50 kann auf seitliche, fruhe Reflexionenzuruckgefuhrt werden, die im vorderen Publikumsbereichaufgrund des Grundrisses weniger stark ausgepragt sind.

Buhnenmaße

Wie eingangs beschrieben, erarbeitet das hier vorgestell-te Rahmenprojekt SIMOPERA Vorschlage, den Schall-

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Frequenz (Hz)

Zuschauerraum EO

Abbildung 2: Vergleich der Nachhallzeiten im Orchestergraben bei geschlossenem eisernen Vorhang (EG), der Nachhallzeitenim Zuschauerraum bei geschlossenem eisernen Vorhang (EG) und der Nachhallzeiten bei offenem eisernen Vorhang (EO). Derzentrale Kreis ist der Medianwert und das Kreuz der Mittelwert der Nachhallzeiten im jeweiligen Terzband. Die Boxplots gebenmit der unteren und oberen Kante das 25 bzw. das 75 Perzentil an.

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M1 M2 M3 M4 M5 M6 M7 M8 M9 M10Messposition

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Zuschauerraum EO

Abbildung 3: Darstellung der fruhen Abklingzeit / EarlyDecay Time (EDT) im Zuschauerraum bei offenem eisernenVorhang (EO). Der zentrale Kreis ist der Medianwert und dasKreuz der Mittelwert der EDT pro Messposition. Die Box-plots geben mit der unteren und oberen Kante das 25 bzw.das 75 Perzentil an.

druckpegel im Orchestergraben zu senken. Aus diesemGrund wird besonderes Augenmerk auf die aktuelle Si-tuation der Buhnenmaße gelegt. Eine Veranderung derakustischen Gegebenheiten im Orchestergraben darf kei-nen Nachteil auf die wahrgenommene Lautstarke im Zu-schauerraum sowie auf die Balance zwischen Buhne undOrchestergraben nach sich ziehen. Das Starkemaß G kannbeide Situationen abbilden. Aufgrund begrenzter Mess-zeiten konnten jedoch noch nicht alle Messpositionen er-fasst werden.Die Werte des Starkemaßes an den beprobten Messpo-sitionen in Abbildung 5 zeigen dennoch bereits den er-warteten Abfall von 1,2 bis 3,3 dB bei Verdopplung desAbstands zur Quelle [5]. Obwohl der Abfall wie erwartetlinear erfolgt, sind die Resultate insgesamt und insbeson-dere fur M5 und M8, im hinteren Parkettbereich bzw.auf Rang 1, etwas niedriger als erwartet. Wie eingangs

beschrieben, kann dieses Ergebnis durch die wahrend derMessung teilweise offene Decke begrundet sein.Vergleicht man die Resultate des Starkemaßes in derDOB mit den Messergebnissen an der Kolner Oper, derStaatsoper unter den Linden, dem Festspielhaus Bay-reuth und der Komischen Oper in Vercammen und Lau-tenbach (2016), so fallt auf, dass das akustische Designin den modernen Hausern (Kolner Oper und DOB) dieBalance verbesserte und die Abhangigkeit von der Spiel-position verringerte.Abschließend wird die raumakustische Unterstutzung desZusammenspiels an unterschiedlichen Positionen auf derBuhne und im Orchestergraben in Tabelle 1 mit dem Pa-rameter STearly in [dB] untersucht. Vergleichend werdendie Messungen von Vercammen und Lautenbach (2016)an o. g. Opernhausern gegenubergestellt [6]. Bis auf diePosition S4, welche unterhalb der Buhne anhand dieserMessung als eine relativ laute Spielumgebung bestatigtwird, zeigen alle anderen Messpositionen die erwarteteraumakustische Unterstutzung und die qualitative Ver-gleichbarkeit mit anderen Opernhausern.

Tabelle 1: Auswertung des an unterschiedlichen Positionenin der DOB gemessenen Buhnenmaßes STearly in [dB] (EO).Zum Vergleich werden die Werte der Staatsoper unter denLinden (SOL), der Komischen Oper Berlin (KOB), dem Fest-spielhaus Bayreuth (FB) und der Kolner Oper (KO) an ver-gleichbaren Messpositionen angegeben [6]. Der ubliche Be-reich fur STearly liegt zwischen -24 und -8 dB.

DOB SOL KOB FB KO

Buhne S6 -14,8 -12,5 -12,3 -14,8 -15,2S1 -17,5 -19,5 -17,9 -14,8S2 -17,7

Graben S3 -9,3 -9,2 -9,5 -11,3S5 -10,8S4 -7,3 -9,4 -7,2 -5,3/-4,4 -9,1

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M1 M2 M3 M4 M5 M6 M7 M8 M9M10Messposition

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Zuschauerraum EO

Abbildung 4: Darstellung von Klarheit C80, Deutlichkeit D50 und der Schwerpunktzeit Ts im Zuschauerraum bei offenemeisernen Vorhang (EO). Der zentrale Kreis ist der Medianwert und das Kreuz der Mittelwert des jeweiligen Parameter proMessposition. Die Boxplots geben mit der unteren und oberen Kante das 25 bzw. das 75 Perzentil an. Zielwerte fur C80 liegenim Bereich von -5 bis 5 dB (Just noticeable differences, Abk. JND 1 dB), fur D50 von 0,3 bis 0,7 (JND 0,05) und fur Ts von 60bis 260 ms (JND 10 ms).

M1 M6__M2__M7 M3 M4 M8____M5 M9 M10−5

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Abstand Quelle−Mikrofon bezogen auf S1

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S1S2S3S4S5S6

Abbildung 5: Parameter Starke G als Funktion der Entfer-nung zur Quellposition S1 und angenahert fur alle weiterenQuellpositionen (Auditorium EO). G ist ein Parameter fur diewahrgenommene Lautstarke (unabhangig vom Schalldruckpe-gel der Quelle) und liegt ublicherweise im Bereich von -2 bis10 dB (JND 1dB).

Zusammenfassung und Ausblick

Die hier vorgestellten raumakustischen Parameter derDOB liegen in den Zielbereichen des Standards ISO3382-1. Der Vergleich der Buhnenmaße mit anderenOpernhausern zeigte keine Auffalligkeiten; eine ausge-wogene Raum- und Buhnenakustik konnte bestatigtwerden. Vorschlage zur Kontrolle modaler Raumei-genschaften (insbesondere im Orchestergraben) sowiezur Verbesserung der akustischen Kommunikationzwischen Buhnendarstellern und dem Orchester sowieinnerhalb des Orchesters werden im weiteren Verlauf desSIMOPERA-Projekts auf Grundlage des hier vorgestell-ten Zustands vorgenommen.Die messtechnische Untersuchung der DOB wirdfortgesetzt. Dazu gehoren die Erfassung weiterer raum-akustischer Parameter, z. B. des Raumlichkeitseindrucks,und die messtechnische Bestimmung der Absorptions-

werte von Tafelung und Gestuhl.

Danksagung und Finanzierungshinweis

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Vercammen fur dieMoglichkeit der Ubernahme der Messergebnisse andererMusiktheater in Tabelle 1. Diese Arbeit wird durch dasBerliner Institut fur angewandte Forschung (IFAF) unddie WAX GmbH gefordert.

Literatur

[1] Cremer, L., Nutsch, J. and Zemke, H.J. (1962)Die akustischen Maßnahmen beim Wiederaufbau derDeutschen Oper Berlin. Acustica 12, 428-433

[2] Kimmich, J.M., Frank, S., Schlesinger, A., Ochmann,M. und Tschaikner, M. (2018) Berechnung des Schall-feldes in der Deutschen Oper Berlin mit Raytracingund der Finiten Elemente Methode. Tagungsband derDAGA 2018, Munchen

[3] DIN EN ISO 3382-1:2009-10. Akustik - Mes-sung von Parametern der Raumakustik - Teil 1:Auffuhrungsraume (ISO 3382-1:2009); Deutsche Fas-sung EN ISO 3382-1:2009. Berlin: Beuth-Verlag, Ok-tober 2009

[4] Hulsebos, E. (2004) Auralization using Wave FieldSynthesis. Dissertation, TU Delft

[5] Kuttruff, H. (2009) Room Acoustics, Fifth Edition,Spon Press, London and New York

[6] Vercammen, M. und Lautenbach, M. (2016) Stageand pit acoustics in opera houses. Proceedings of theISMRA, Buenos Aires