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80 Metallkomplexe Metallkomplexe erfüllen im Organismus an vielen Stellen lebenswichtige Funktionen. Eisenkomplexe bilden die aktiven Zentren im Hämoglobin und in den Cytochromen ; der Kobaltkomplex Cobalamin ist ein für den Menschen essentielles Vitamin (B 12 ) und ohne den Magnesiumkomplex im Chlorophyll gäbe es keine grünen Pflanzen und damit keine Photosynthese. Koordinative Bindung Bei Metallkomplexen tritt ein neuer Bindungstyp auf: die koordinative Bindung. Bei der Ausbildung einer kovalenten Bindung steuert jeder Bindungspartner ein Elektron zum Bindungs- Elektronenpaar bei. Für die koordinative Bindung werden beide Elektronen von einem Bindungspartner geliefert. Zu koordinativen Bindungen kommt es daher nur, wenn ein Partner ein freies Elektronenpaar besitzt und der andere Partner eine "Elektronenlücke" aufweist. Die freien Elektronen fließen in die Elektronenlücke, die koordinative Bindung wird dadurch geknüpft. Die Grafik zeigt als Beispiel für die Ausbildung einer koordinativen Bindung die Reaktion von Bortrifluorid mit Ammoniak. Auch die Protonierung von Wasser oder Ammoniak läuft unter Bildung einer koordinativen Bildung ab: H + +H 2 O H 3 O + H + + : NH 3 NH 4 + Aufbau von Komplexen Metallkomplexe entstehen, indem sich mehrere Teilchen mit freien Elektronenpaaren, die Liganden, an ein Zentralion anlagern. Es werden jeweils koordinative Bindungen ausgebildet. Die Summenformeln von Metallkomplexen werden in eckige Klammern gesetzt. An erster Stelle steht das Zentralion, dann folgen die Liganden. Handelt es sich beim Liganden um ein Molekül, wird es in (runde) Klammern gesetzt. Nach der schließenden eckigen Klammer folgt hochgestellt die Ladung. * Zentralion + Liganden Komplex M n+ + 4 :L [ ML 4 ] n+

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Metallkomplexe

Metallkomplexe erfüllen imOrganismus an vielen Stellenlebenswichtige Funktionen.Eisenkomplexe bilden die aktivenZentren im Hämoglobin und inden Cytochromen; derKobaltkomplex Cobalamin ist einfür den Menschen essentiellesVitamin (B12) und ohne denMagnesiumkomplex imChlorophyll gäbe es keine grünenPflanzen und damit keinePhotosynthese.

Koordinative Bindung

Bei Metallkomplexen tritt ein neuer Bindungstyp auf: diekoordinative Bindung.Bei der Ausbildung einer kovalenten Bindung steuert jederBindungspartner ein Elektron zum Bindungs-Elektronenpaar bei. Für die koordinative Bindung werdenbeide Elektronen von einem Bindungspartner geliefert. Zukoordinativen Bindungen kommt es daher nur, wenn einPartner ein freies Elektronenpaar besitzt und der anderePartner eine "Elektronenlücke" aufweist. Die freienElektronen fließen in die Elektronenlücke, die koordinativeBindung wird dadurch geknüpft.Die Grafik zeigt als Beispiel für die Ausbildung einerkoordinativen Bindung die Reaktion von Bortrifluorid mitAmmoniak.Auch die Protonierung von Wasser oder Ammoniak läuftunter Bildung einer koordinativen Bildung ab:

H+ + H2O H3O+

H+ + :NH3 NH4+

Aufbau von Komplexen

Metallkomplexe entstehen, indem sich mehrere Teilchen mit freien Elektronenpaaren, dieLiganden, an ein Zentralion anlagern. Es werden jeweils koordinative Bindungen ausgebildet.Die Summenformeln von Metallkomplexen werden in eckige Klammern gesetzt. An erster Stellesteht das Zentralion, dann folgen die Liganden. Handelt es sich beim Liganden um ein Molekül,wird es in (runde) Klammern gesetzt. Nach der schließenden eckigen Klammer folgt hochgestelltdie Ladung.*

Zentralion + Liganden Komplex

Mn+ + 4 :L [ML4]n+

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Die Ladung des Komplexes ergibt sich aus der Ladung des Zentralions und der Summe derLadungen der Liganden. Sind die Liganden neutral (wie in obigem Schema), ist die Ladung desKomplexes gleich der Ladung des Zentralions:

Cu2+ + 4 NH3 [Cu(NH3)4]2+

Sind vier Liganden beispielsweise einfach negativ geladen, ergibt sich bei einem zweifach positivgeladenen Kation die Komplex-Ladung -2:

Cu2+ + 4 Cl– [CuCl4]2–

* ) Die eckigen Klammern werden hier zur Markierung des Komplexes verwendet, sie bezeichnen in diesemZusammenhang keine Konzentrationen.

Liganden

Die Liganden müssen mindestens ein freies Elektronenpaar besitzen, um zum Zentralion einekoordinative Bindung ausbilden zu können. Sie sind entweder neutral (Wasser, Ammoniak, ...)oder negativ geladen (Halogenid-, Hydroxid-, Thiosulfat-Ionen etc.). Positive Teilchen würden vom(in der Regel) positiv geladenen Zentralion abgestoßen.In der folgenden Tabelle sind einige einfache Liganden angegeben. Zur Benennung anionischerLiganden wird an den Namen des Anions ein "-o" angehängt, die Endung "-id" fällt weg. NeutraleLiganden erhalten oft einen speziellen Namen:

Name desLiganden Summenformel Name im

KomplexAmmoniak :NH3 Ammin-

Wasser H2O Aqua- (Aquo-)neutraleLiganden

Kohlenmonoxid :C=O: Carbonyl-

Chlorid Cl– Chloro-

Hydroxid OH– Hydroxo-

Rhodanid (Thiocyanat) SCN– Thiocyanato-Anionen

Cyanid CN– Cyano-

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Beispiele: [Cu(NH3)4]SO4Tetr(a)amminkupfer-

sulfatSulfat ist hier das Anion und kein

Ligand!

[Co(NH3)3Cl3]Triammin-trichloro-

kobalt(III)Komplexe können verschiedene

Liganden enthalten.

[Ca(H2O)6]Cl2Hex(a)aquacalcium-

chloridBei dieser Verbindung ist Chlorid als

Anion enthalten.

Physikums-Frage zu Metallkomplexen

Koordinationszahl

Die Koordinationszahl gibt an, wieviele Partner an das Zentralion gebunden sind. Bei einfachenLiganden, die nur eine Bindung zum Zentralion ausbilden, ist die Koordinationszahl gleich der Zahlder Liganden. Es gibt Liganden, die mehrfach an das Zentralion gebunden sind. Diese nennt manmehrzähnige oder Chelat-Liganden. Bei diesen entspricht die Koordinationszahl derGesamtzahl der Zähne der Liganden, die an das Zentralion gebunden sind.Die Koordinationszahl ist abhängig von der Art des Zentralions. Am häufigsten treten dieKoordinationszahlen 4 und 6 auf. Sind vier Liganden gebunden (Koordinationszahl 4), könnendiese tetraedrisch oder quadratisch-planar angeordnet sein. Komplexe mit der Koordinationszahl 6sind in der Regel oktaedrisch gebaut.

Koordinationszahl Zentralion Beispiel2 Ag+ [Ag(NH3)2]+

Cu2+ [Cu(NH3)4]2+

Pt2+ [Pt(NH3)2Cl2]4

Zn2+ [Zn(OH)4]2–

Co3+ [Co(NH3)6]3+

Fe2+ [Fe(CN)6]4–6

Ca2+ [Ca(H2O)6]2+

Physikums-Frage zu Metallkomplexen

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Kobaltkomplex

[Co(NH3)4(NO2)2]+-Kation

trans-Tetrammin-dinitro-kobalt(III)-KationHier ist ein dreidimensionales Modell eines oktaedrischenKobaltkomplexes gezeigt. Der Komplex enthält verschiedeneLiganden:

4 Amminliganden (NH3)

2 Nitro-Liganden (NO2–)

Das Zentralion (Co3+) besitzt eine oktaedrischeKoordination und die Koordinationszahl 6. Die beiden

Nitro-Liganden stehen an gegenüberliegenden Ecken desOktaeder = trans.

Im Komplex sind zwei Anionen als Liganden gebunden, dieGesamtladung des Komplexes ist daher +1.

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/komplexe/kobaltkomplex.html

Elektronenkonfiguration

Durch die Bildung des Komplexes erreicht das Zentralion oftmals die Elektronenkonfiguration desfolgenden Edelgases, indem die Elektronenpaare der Liganden leere Orbitale des Zentralionsauffüllen:

Al3+ 1s2 2s2 2p6

+ 4 Liganden = + 8 Elektronen

[Al(OH)4]– 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6

Ar 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6

Fe2+ 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d6

+ 6 Liganden = + 12 Elektronen

[Fe(CN)6]4– 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6

Kr 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6

Co3+ 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d6

+ 6 Liganden = + 12 Elektronen

[Co(NH3)6]3+ 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6

Kr 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6

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cis-Platin

In den 60er Jahren untersuchte Barnett Rosenberg denEinfluss schwachen Wechselstroms auf dasDarmbakterium Escherichia coli. Bei einem Versuchbrachte er die Bakterien in eine Ammoniumchlorid-Lösung und legte eine Spannung zwischen Platin-Elektroden an. Er stellte fest, dass die Zellen weiterwuchsen, die Teilung aber unterblieb. Die Ursache warjedoch nicht, wie zunächst vermutet, der Stromfluss,sondern kleinste Mengen Platin, die aus der Elektrode freiwurden.Rosenberg konnte zeigen, dass Platinkomplexe auch dasWachstum von Tumoren stoppen können. Als wirksamsteSubstanz erwies sich cis-[Pt(NH3)2Cl2], das bereits seit1844 als "Peyrones Salz" bekannt ist.

Peyrones Salz

CisplatinBildquelle: Ebewe Arzneimittel GmbH

Schematische Darstellung derStörung der DNA-Struktur durch dieAnlagerung eines Platinkomplexes

cis-[Pt(NH3)2Cl2] ist seit 1978 unter dem Namen Cisplatinals Chemotherapeutikum zugelassen. Heute sindzahlreiche weitere Platin-Komplexe im Handel. Siekommen bei Bronchialkarzinomen und Tumoren imUrogenitaltrakt als Zytostatika zum Einsatz.Cisplatin wird intravenös injiziert; eine orale Zufuhr istnicht möglich, da der Komplex von der Magensäurehydrolysiert würde. Der Komplex dringt in die Zelle ein,wird dort zu [Pt(NH3)2(H2O)Cl]+ hydrolysiert und bindet andie Nukleinsäure. Die DNA wird verkürzt, dieBasenstapelung gestört, die -Helix teilweiseaufgewunden und damit die thermische Stabilitätverringert. Dies führt zur Störung oder Unterbindung derReplikation und Transkription, eine Zellteilung ist nichtmehr möglich. Da das Zellwachstum in den Tumorengegenüber dem gesunden Gewebe erheblich gesteigertist, die Platinkomplexe andererseits eine geringeHalbwertszeit im Körper besitzen, werden in erster LinieTumorzellen geschädigt. Doch auch Zellen andererGewebe werden angegriffen, es treten erheblicheNebenwirkungen auf.

Chelatkomplexe

Besitzt ein Molekül mehrere Atome mit freienElektronenpaaren, kann dieses Molekül mehrfach an einZentralion gebunden sein. Es handelt sich um einem"mehrzähnigen" Liganden, einen Chelat-Liganden. DerName leitet sich von der griechischen Bezeichnungchelae = Krebsschere ab.Besonders stabil sind Chelatkomplexe, bei denenfünfgliedrige Ringstrukturen ausgebildet werden.

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Ein oft verwendeter Chelat-Ligand istEthylendiamin. Es handelt sich bei diesem umeinen zweizähnigen Liganden. Ethylendiamin wirdhäufig mit en abgekürzt.Auch die -Aminosäuren können als zweizähnigeChelat-Liganden wirken, sofern die Aminogruppedissoziiert ist.

Bisethylendiaminkupfer(II)-Kation

Chelatkomplexe des Eisens

Eisen(III)komplexe vonPhenol, 4-Chlor-m-Kresol, Salicylsäure, Acetessigester

Fe3+-Ionen bilden mit vielen Liganden stabile Komplexe. Diese können sehr unterschiedlich gefärbtsein. Der Aquakomplex [Fe(H2O)6]

3+ ist gelb, der Thiocyanatokomplex tiefrot. Die Abbildung zeigtEisenkomplexe verschiedener organischer Liganden. Bei Phenol und Chlorkresol handelt es sichum einfache Liganden, Salicylsäure und Acetessigester sind Chelat-Liganden.Eisen-chelatkomplexe nehmen in vielen Stoffwechselprozessen Schlüsselstellungen ein:Hämoglobin ermöglicht den effektiven Sauerstofftransport im Blut, Myoglobin denWeitertransport des Sauerstoffs im Muskel. Die Cytochrome sind wichtige Redox-Systeme, dievor allem in der Atmungskette genutzt werden. Alle drei Metalloproteine enthalten im aktivenZentrum ein Eisen-Porphyrin-System (Häm). In der Atmungskette kommen neben den Häm-haltigen Cytochromen auch Eisen-Schwefel-Proteine als Redox-Systeme vor. In den Eisen-Schwefel-Proteinen werden Eisenionen von Cystein-Resten und freien Sulfidionen komplexiert.Einige Oxidoreduktasen enthalten Eisenionen, die von Carboxylgruppen der AminosäurenAsparaginsäure oder Glutaminsäure komplexiert sind. Hierzu zählen die Ribonukleotid-Reduktasen, die Ribose in Desoxyribose umwandeln. In den Eisen-Transportproteinen, denTransferrinen, wirken neben verschiedenen polaren Aminosäure-Seitenketten auch Carbonationenals Liganden.

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EDTA-Komplexe

EDTA (Ethylendiamin-tetraacetat) ist ein sechszähniger Ligand.An ein Zentralion können sich die beiden Stickstoffatome mitihren freien Elektronenpaaren sowie die vier Carboxylgruppen mitje einem Sauerstoffatom (das die negative Ladung trägt)anlagern. Dieser Ligand bildet daher besonders stabileKomplexe. Da EDTA hierbei vierfach negativ geladen ist, trägt einKomplex mit einem zweifach positiv geladenen Zentralioninsgesamt die Ladung -2.EDTA wird als Komplexbildner in unterschiedlichen Bereichen(Chemie, Biochemie und Medizin) verwendet:

Calcium-EDTA-Komplex[Ca(EDTA)]2–

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-

neu/komplexe/edta.html

In der Analytik werden EDTA-Lösungenzur titrimetrischen Bestimmung vonSchwermetall-Konzentrationen sowie zurBestimmung der Wasserhärte verwendet.

Die Blutgerinnung ist Calcium-abhängig.Durch Komplexierung der Ca2+-Ionenmittels EDTA oder Citrat, kann dieGerinnung von Blutpräparaten verhindertwerden.

Bei Vergiftungen mit bestimmtenSchwermetallen (vor allem Blei undCadmium) kann EDTA gegeben werden.Die Schwermetallionen werdenkomplexiert und können mit dem Urinausgeschieden werden.

In bestimmten (seltenen) Fällen ist esmöglich, calciumreiche Nierensteinedurch die Gabe von EDTA aufzulösen.

Da EDTA insbesondere mit Calciumionen sehrstabile Komplexe bildet, darf dem Organismusnur mit Ca2+ "beladenes" EDTA (meist kommtCaNa2EDTA zum Einsatz) gegeben werden,sonst käme es zu massiven Störungen desCalciumhaushalts.

Ligandenaustausch-Reaktion

Verschiedene Liganden sind unterschiedlich stark an das Zentralion gebunden. Schwachgebundene Liganden werden leicht durch stärker bindende Liganden ersetzt. Andererseits kanndurch einen starken Überschuss schwacher Liganden auch ein starker Ligand aus einem Komplexverdrängt werden. Der Ligandenaustausch läuft über mehrere Teilschritte:

[Cu(H2O)4]2+ + NH3 [Cu(NH3)(H2O)3]2+ + H2O

[Cu(NH3)(H2O)3]2+ + NH3 [Cu(NH3)2(H2O)2]

2+ + H2O

[Cu(NH3)2(H2O)2]2+ + NH3 [Cu(NH3)3(H2O)]2+ + H2O

[Cu(NH3)3(H2O)]2+ + NH3 [Cu(NH3)4]2+ + H2O

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Stabilität von Komplexen

Die Stabilität von Komplexen spiegelt sich in der Bildungskonstante Kk wider. Es handelt sich beider Bildungskonstanten um eine spezielle Gleichgewichtskonstante:

Cu2+ + 4 NH3 [Cu(NH3)4]2+

Der Kehrwert der Bildungskonstante wird als Zerfallskonstante Kz bezeichnet:

Die eckigen Klammern bezeichnen hier den Tetramminkupfer-Komplex und in den Gleichungen dieKonzentrationen der verschiedenen Ionen.

Chelat-Effekt

Chelat-Komplexe sind gegenüber Komplexen einfacher Liganden stabiler. Ihre Bildungskonstante(Kk) ist oft erheblich größer. Hierfür gibt es zwei wichtige Ursachen:

Chelat-Liganden sind mehrfach an das Zentralion gebunden, es wirkendaher insgesamt höhere Bindungskräfte zwischen Zentralion undLigand. Zum Ligandenaustausch müssen (mindestens) zweikoordinative Bindungen gelöst werden.

Eigenschaften von Komplexen

Das Foto zeigt die Bildung des Eisen(III)thiocyanato-Komplexes. In der gelben FeCl3-Lösung liegen[Fe(H2O)6]3+-Komplexe vor. (1) Bei der Zugabe vonKSCN färbt sich die Lösung tiefrot. (2)

[Fe(H2O)6]3+ + 3 SCN– [Fe(H2O)3(SCN)3] + 3 H2ODer entstehende neutrale Komplex ist auch in einigenorganischen Lösungsmitteln, hier z.B. Amylalkohol,löslich. (3) Dies gilt nicht für die [Fe(H2O)6]3+-Kationen.Amylalkohol ist leichter als Wasser, die dunkelroteorganische Phase befindet sich über der jetzt nur nochwenig gefärbten wässrigen Phase.Bei der Komplexbildung bzw. dem Ligandenaustauschändern sich also physikalische und chemischeEigenschaften, z.B.:

Farbe

Löslichkeit

Redox-Potential

Die Änderung der Lösungseigenschaften bei der Komplexierung wird auch in der Medizinangewandt. Auf die Verwendung von EDTA und anderen Komplexbildnern beiSchwermetallvergiftungen wurde bereits hingewiesen.

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Wilsonsche Krankheit – Morbus Wislon

Die Wilsonschen Krankheit beruht auf einer Störung des Kupfer-Stoffwechsels. Bei dieserKrankheit wird mit dem Komplexbildner Penicillamin therapiert.Die Wilsonsche Krankheit beruht auf einem genetisch bedingten Mangel (autosomal-rezessivvererbt) an Caeruloplasmin (einem Transportprotein für Kupferionen). Dadurch ist die Cu2+-Ausscheidung über die Gallenwege gestört. Kupferionen (proteingebundenes Cu2+, in derAbbildung die roten Bereiche) werden in der Leber gespeichert und an das Blut abgegeben. DaCu2+-Ionen nur in kleinen Mengen mit dem Urin ausgeschieden werden können, reichern sie sichüber Jahre im Organismus an.

Kupferablagerungen in der LeberBildquelle: Morbus Wilson e.V.

Aufgrund der Symptome läßt sich dieWilsonsche Krankheit in zwei Kategorienunterteilen:

dem juvenilen Typ, der zwischen dem5. und 15. Lebensjahr auftritt und sichvor allem durch Leberschädenbemerkbar macht, sowie

der sich meist nach dem 20.Lebensjahr manifestierendenErwachsenenform, bei derneurologische Symptome (Sprach-und Schreibstörungen, Tremor (Zitternder Gliedmasse), motorischeStörungen) vorherrschen. Zuweilenkommt es auch zu psychischenVeränderungen.

Kayser-Fleischer-Kornealring

Ein charakteristisches Symptom für Morbus Wilson ist das Auftreteneines hell-olivgrünen oder bräunlichen dünnen Ringes in derperipheren Descemet-Membran der Cornea (Hornhaut des Auges).Diese durch Kupferionen-Einlagerungen verursachte Verfärbungwird als Kayser-Fleischer-Kornealring bezeichnet.

Therapie: Ziel der Behandlung ist die Ausschwemmung von Kupferionen, verbunden mit einerReduktion der Kupferionen-Zufuhr. Dazu werden Komplexbildner oral gegeben, die gebildetenKupferkomplexe können dann mit dem Urin ausgeschieden werden. Meist kommt D-Penicillamin zum Einsatz. Bei Unverträglichkeit gegen Penicillamin kann auch Trientine(Triethylendiamin dihydrochlorid) oder Ammonium-Tetrathiomolybdat verwendet werden, dieWirkung dieser Komplexbildner ist jedoch geringer. Da diese Medikamente auch die Ausscheidunganderer Schwermetallionen (z.B. Kobalt, Nickel, Zink) begünstigt, müssen diese Spurenelementewährend der Therapie zusätzlich aufgenommen werden.Stark kupferhaltige Lebensmittel sind zu meiden. Zu diesen zählen Innereien, Nüsse, Pilze,Vollkornprodukte, Kakao und Schokolade sowie Meeresfrüchte. Die Speisen dürfen nicht inKupfertöpfen zubereitet werden, der Kupfergehalt des Trinkwassers soll 0,1 mg/l nichtüberschreiten. (Vorsicht bei neuen Kupferrohren und Durchlauferhitzern!)Durch eine vermehrte Zinkzufuhr kann die Kupferresorption vermindert werden.

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Biochemisch wichtige Komplexe

Metallionen spielen in der Natur bei vielen Lebensprozessen eine entscheidende Rolle. Währenddie Alkalimetallionen größtenteils als freie, aquatisierte Ionen vorliegen, kommen die anderenMetallionen fast ausschließlich in der Gestalt verschiedener Metallkomplexe im Organismus vor.Als Liganden wirken hier vor allem polare Aminosäure-Seitenketten aus den Proteinen, an die dasMetall gebunden ist. Einige Metalloproteine (Eiweißkörper, die Metallionen enthalten) besitzenspezielle cyclische Chelat-Liganden, in die das Metallion eingebaut wird.Auf den folgenden Seiten werden einige biochemisch wichtige Metallkomplexe vorgestellt.

Cytochrome

Cytochrome sind wichtige Redoxsysteme imOrganismus. Sie kommen bei allen Lebewesenin sehr ähnlichen Formen vor. Bei denCytochromen handelt es sich um Proteine, indenen eine Häm-Gruppe eingelagert ist. Hämbesteht aus einem Eisenion, das von einemvierzähnigen ringförmigen Chelat-Liganden,dem Porphyrin, komplexiert wird. Da Eisen dieKoordinationszahl 6 bevorzugt, werden die zweioffenen Koordinationsstellen durch Aminosäure-Seitengruppen aus dem Protein besetzt.Das Eisenion in einem Cytochrom kann dieOxidationsstufen +2 und +3 annehmen.Cytochrome können an Redox-Reaktionenteilnehmen, ohne zerstört zu werden. In derAtmungskette sind neben dem freienCytochrom c auch mehrere Cytochrome b inden verschiedenen Enzymkomplexen beteiligt.Cytochrom P-450 ist eine Oxygenase, d.h. siekatalysiert die Oxidation organischerVerbindungen durch Sauerstoff. Cytochrom P-450 kommt in vielen verschiedenen Formen vor(Isoenzyme) und ist unter anderem an derHydroxylierung von Steroiden und dem Abbauvieler Pharmazeutika und Gifte beteiligt.

Häm A-Gruppe im Cytochrom c

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Myoglobin & Hämoglobin

Myoglobin ist der rote Farbstoff im Muskelgewebe,Hämoglobin der rote Blutfarbstoff in den Erythrozyten.Diese beiden Proteine dienen dem Sauerstoff-Transport. Hämoglobin besteht aus vier Untereinheiten,wobei diese Untereinheiten ähnlich gebaut sind wie dasmonomere Myoglobin.Auch im Zentrum dieser Proteine ist jeweils ein Häm-System eingebettet. Eine freie axiale Koordinationsstelledes Eisenions wird durch einen Histidin-Rest aus derProtein-Kette besetzt, an die zweite axiale Position kannein Wasser- oder ein Sauerstoff-Molekül gebundenwerden. Im Gegensatz zu den Cytochromen liegt dasEisenion im Hämoglobin und Myoglobin stets in derOxidationsstufe +2 vor, es nimmt nicht an Redox-Prozessen teil.

In der Lunge besteht ein hoher O2-Partialdruck. An den Eisenionen des Hämoglobins verdrängt derSauerstoff den Wasser-Liganden. Es läuft ein Ligandenaustausch O2 H2O ab. ImMuskelgewebe übernimmt das Myoglobin den Sauerstoff, an das Zentralion des Hämoglobins wirdwieder ein Wassermolekül gebunden.Kohlenmonoxid (CO) bildet mit Eisenionen besonders stabile Komplexe (250mal festere Bindungals O2). Daher kann CO Sauerstoff und Wasser aus dem Häm-Komplex verdrängen. Das mit CObeladene Hämoglobin steht nicht mehr für den Sauerstoff-Transport zur Verfügung. Bereits beieiner CO-Konzentration von 0,01% in der Atemluft treten bei längerer ExpositionDurchblutungsstörungen und Kopfschmerzen auf. 0,1% CO in der Luft führen meist innerhalb einerStunde zum Tode, bei Konzentrationen über 0,4% tritt der Tod innerhalb weniger Minuten durchAtemlähmung und Herzstillstand ein.Weitere Informationen zum Hämoglobin im Kapitel Aminosäuren.

Physikums-Frage zum Hämoglobin

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Chlorophyll

Die Chlorophylle enthalten Magnesium-Komplexe. DasMagnesium wird von einem vierzähnigen Ligandenkomplexiert, der sehr nahe mit den Porphyrinen verwandtist und als Chlorin bezeichnet wird. Auch Magnesiumbildet bevorzugt oktaedrische Komplexe mit derKoordinationszahl 6 aus, die zwei offenen Stellen werdenwie bei den Cytochromen von Seitengruppen aus demProtein besetzt. Am Chlorin-Gerüst ist über eineEsterbindung ein Phytyl-Rest (eine längere verzweigteKohlenwasserstoffkette) gebunden.Die Chlorophylle sind wesentlicher Bestandteil desPhotosynthese-Apparates der Pflanzen. Sie dienen zurAbsorption des Lichtes und der Umwandlung derLichtenergie in ein elektrochemisches Potential.

Chlorophyll A

Cobalamin

Das Zentrum der Cobalamine bildet ein oktaedrischer Kobalt-Komplex. Als Chelat-Ligand tritt hierein Corrin-System auf, das wiederum den Porphyrinen ähnelt. An das Corrin-System ist einPseudo-Nukleotid gebunden, das eine axiale Position des Komplexes besetzt. Die sechsteKoordinationsstelle kann beispielsweise von einer Methylgruppe, einem Cyanidion oder einemAdenosylrest eingenommen werden. Aber auch andere Liganden kommen vor.Cobalamine spielen bei vielen katabolen Reaktionen eine wichtige Rolle, beispielsweise beiMethylierungen und bestimmten Isomerisierungen.Cobalamin kann vom Organismus nicht synthetisiert werden, es muß mit der Nahrung als VitaminB12 zugeführt werden. Bei länger andauerndem Cobalamin-Mangel tritt die perniziöse Anämieauf.

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Zinkfinger-Proteine

Der menschliche Organismus enthält durchschnittlich etwa 2 gZink. Zink gehört damit zu den häufigen Spurenelementen.Zinkionen befinden sich im aktiven Zentrum einiger Enzyme,beispielsweise in der Alkohol-Dehydrogenase (ADH, oxidiertEthanol zu Acetaldehyd) und in der Carboanhydrase (katalysiertdie Einstellung des CO2/HCO3

–-Gleichgewichts).In anderen Metalloproteinen dienen Zinkionen zur Stabilisierungder Tertiär- oder Quartärstruktur. Beispielsweise bildet Insulin mitZinkionen Komplexe. Hexamere Zink-Komplexe sind vermutlichdie aktive Form dieses Hormons. Werden die Zinkionen durchandere Komplexbildner entfernt, scheint die Wirkung des Insulinsnachzulassen.Auch in den Zinkfinger-Proteinen dient das Zink zurStrukturstabilisierung.Zinkfinger-Proteine gehören zu den "Gen-anschaltenden"Transkriptionsfaktoren. Insbesondere viele Rezeptoren fürSteroid-Hormone gehören zu diesem Typ. Nach der Aktivierungbinden die Proteine an die DNA. Dieser Vorgang initiiert übernoch nicht vollständig aufgeklärte Prozesse die Transkription.Zink wird in diesen Proteinen durch vier Aminosäurerestekomplexiert. Meist wirken zwei Sulfid-Reste aus Cystein und zweiImidazolringe aus Histidin als Liganden.

schematische Darstellungeines "Zink-Fingers"