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238 Mitscherlich: Entdeckung des Phosphors Propionsaure sich bilde, verdienen stets genauere Prufung, ob es nicht Butteressigsaure sei; dies gilt namentlich fur die Saure, welche B o h m e aus gahrenden Erbsen und Lin- sen und How aus gahrender Citronensaure erhielt. Bus mit Lederabfallen gahrender Kleie konnten die Verf. keine Propionsaure, nur Buttersaure gewinnen. XXXII. Methode zur Entdeckung des Phosphors bei Vergiftungen. Von E. Mitscherlich. (Vom Verf. mitgetheilt.) Bei Gelegenheit einer zweifelhaften Vergiftung, welche durch Phosphor-Latwerge herbeigefiihrt sein sollte, hat der Verf. auf Veranlassung des Konigl. Preuss. Medicinal- Collegiums Versuche zur Entdeckung des Phosphors an- gestellt, welche nachstehend folgen. Das empfindlichste Mittel, Phosphor zu entdecken, besteht darin, dnss man die verdachtige Substanz, beson- ders wenn es Mehl ist, mit etwas Schwefelsaure und der nothigen Menge Wasser versetzt und in einem Kolben A der Destillation unterwirft ; mit dem Kolben bringt man ein Entbindungsrohr b in Verbindung, und dieses rnit einem glasernen Kiihlrohr ccc, welches durch den Boden des Cy- linders B, worin es mit einem Kork n befestigt ist, hin- durch geht und in ein Gefass Cmiindet. Aus dem Gefkss D lasst man durch einen Hahn kaltes Wasser in den Trichter ii fliessen, dessen unteres offenes Ende auf dem Boden des Gefasses B ruht; dadurch findet in diesem ein aufsteigender Strom von kaltem Wasser statt, wodurch die in das Rohr c einstromenden Wasserdampfe abgekiihlt werden, das erwarmte Wasser fliesst durch das Rohr g in

Methode zur Entdeckung des Phosphors bei Vergiftungen

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238 Mitscherlich: Entdeckung des Phosphors

Propionsaure sich bilde, verdienen stets genauere Prufung, ob es nicht Butteressigsaure sei; dies gilt namentlich fur die Saure, welche B o h m e aus gahrenden Erbsen und Lin- sen und How aus gahrender Citronensaure erhielt. Bus mit Lederabfallen gahrender Kleie konnten die Verf. keine Propionsaure, nur Buttersaure gewinnen.

XXXII. Methode zur Entdeckung des Phosphors

bei Vergiftungen. Von

E. Mitscherlich.

(Vom Verf. mitgetheilt.)

Bei Gelegenheit einer zweifelhaften Vergiftung, welche durch Phosphor-Latwerge herbeigefiihrt sein sollte, hat der Verf. auf Veranlassung des Konigl. Preuss. Medicinal- Collegiums Versuche zur Entdeckung des Phosphors an- gestellt, welche nachstehend folgen.

Das empfindlichste Mittel, Phosphor zu entdecken, besteht darin, dnss man die verdachtige Substanz, beson- ders wenn es Mehl ist, mit etwas Schwefelsaure und der nothigen Menge Wasser versetzt und in einem Kolben A der Destillation unterwirft ; mit dem Kolben bringt man ein Entbindungsrohr b in Verbindung, und dieses rnit einem glasernen Kiihlrohr ccc, welches durch den Boden des Cy- linders B , worin es mit einem Kork n befestigt ist, hin- durch geht und in ein Gefass Cmiindet. Aus dem Gefkss D lasst man durch einen Hahn kaltes Wasser in den Trichter ii fliessen, dessen unteres offenes Ende auf dem Boden des Gefasses B ruht; dadurch findet in diesem ein aufsteigender Strom von kaltem Wasser statt, wodurch die in das Rohr c einstromenden Wasserdampfe abgekiihlt werden, das erwarmte Wasser fliesst durch das Rohr g in

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das Gefass B ab. - Da, wo die Wasserdampfe oben bei T

in den abgekiihlten Theil des Kuhlrohrs einstromen, be- merkt man im Dunkeln fortdauernd das deutlichste Leuchten,

gewahnlich einen leuchtenden Ring. Man kann, wenn man funf Unzen einer Nasse zur Destillation verwendet, die nur ‘/40 Gran Phosphor, also nur i/rooo p. C. oder l/,ooooo Phosphor enthalt, uber drei Unzen abdestilliren , welches uber eine halbe Stunde dsuert, ohne dass das Leuchten aufhort; es konnte ununterbrochen deutlich wahrgenommen werden. Die Destillation wurde bei einem fur diesen Zweck angestellten Versuch nach einer halben Stunde unter- brochen und der Kolhen offen vierzehn Tage hingestellt, dann die Destillation wiederholt und das Leuchten eben so vollstandig, wie vorher beohachtet. Enthalt die Flus- sigkeit Substanzen, welche das Leuchten des Phosphors iiberhaupt verhindern, wie Aether, Alkohol oder Terpen- thinol, so findet, so lange diese noch ubergehen, kein

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Leuchten statt; da Aether und Allrohol jedoch sehr bald abdestillirt sind, so tritt auch das Leuchten sehr bald ein. Ein Zusatz von Terpenthinol verhindert das Leuchten. Bei forensischen Untersuchungen kommt eine solche Bei- mengung jedoch nicht vor; da die Fliissigkeit mit Schwe- felsaure versetzt wird, ist Ammonialr nicht weiter stiirend.

Am Boden der Flasche, in welche das Destillat ab- fliesst, findet man Phosphor-Kugelchen. Funf Unzen ciner Masse, welche Gran Phosphor enthielt, gab so viel Phosphor-Kugelchen, dass der zehnte Theil hinreichend war, um sie als Phosphor zu erkennen; einen Theil des- selben kann man rnit Allrohol abwaschen und aufs Filtrum bringen; wenn dies an einem warmen Ort getrocknet wird, so schmilzt der Phosphor und entziindet sich unter den ihm eigenthumlichen Erscheinungen. (Bei forensischen Untersuchungen kann sowohl die Flussiglreit, welche das Leuchten bei der Destillstion zeigt, als auch das Destillat rnit einem Theil der Phosphor - Kiigelchen zur weitern Priifung eingesandt werden.) - Bei der Destillation gros- serer Massen, welche grosse Mengen Phosphor enthalten, bildet sich durch Oxydation des ubergehenden Phosphors so viel phosphorige Saure, dass sie durch sdpetersaures Silberoxyd und Quecksilberchlorid nachgewiesen und durch Sdpetersaure in Phosphorsaure umgewandelt werden kann. So scheint die phosphorige Siiure und Phosphorsaure, die besonders S c h a c h t hei der Untersuchung phosphorhalti- ger Substanzen nachgewiesen hat, entstanden zu sein. Aus diesen Reactionen kann man aber keinen Beweis fur Phos- phor-Vergiftungen entnehmen, wenn nicht Phosphor selbst nachgewiesen ist und dann sind sie yon keiner weitern Wichtigkeit.

Fur diesen Fall, so wie fur die Vergiftungen mit Phos- phor im Allgemeinen, war es Ton Wichtigkeit, mit Be- stimmtheit zu ermittteln, ob die phosphorige Saure und die Phosphorsaure, wenn ihre wassrigen Losungen destil- lirt werden, mit den Wasserdampfen sich verfluchtigen lassen: eine solche Destillstion darf nicht in einer Retorte vorgenommen werden , weil beim Kochen kleine Tropfen leicht mechanisch herubergerissen werden konnen, die

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beim Platzen von Blasen, besonders bei Flussigkeiten, die organische Substanzen enthalten , sich bilden. Man muss dazu den vorher erwahnten Apparat anwenden, und an Sicherheit gewinnt man noch, wenn man die Dampfe durch eine Zwischenflasche leitet.

Zwei Drachmen einer durch Oxydation des Phosphors, an der Luft erhaltenen Saure von 1,310 specif. Gewichts welche Phosphorsaure und 10,s p. C. phosphorige SHure enthielt, wurden zu wiederholteri Malm mit funf Unzen Wasser versetzt und der Destillation unterworfen ; am Ende jeder Destillation war die Flussigkeit so concentrirt, dass sie ungefahr das friihere specifische Gewicht hatte. Das Destillat rothete nicht bemerkbar das Lakmuspapier, we- niger als eine Fliissigkeit die l/loooooo Phosphorsaure ent- hielt. Drei Unzen aus der Zwischenflasche und vier Un- zen, die durch das Kuhlrohr abgekuhlt worden waren, wurden gesondert mit etwas Natron versetzt und einge- dampft ; -der Ruckstand mit einigen Tropfen rauchender Sslpetersaure erhitzt und die Fliissigkeit, die etma zehn Gran betrug, mit einer Magnesin-Auflosung und Ammoniak versetzt; es zeigte sich keine Spur einer Triibung; es war also keine Phosphorsaure oder phosphorige Saure uberge- gangen.

Drei Unzen des Destillats farbten sich mit salpeter- saurer Silheroxydlosung schwach hraun und setzten sp5- terhin an einem warmen Orte einige unwagbare braune Flocken ab; dieselbe Menge mit einer Quecksilberchlorid- losung versetzt, triibte sich sehr unbedeutend, indem eine geringe Menge Quecksilberchlorur sich bildete. Verdunnte Phosphorsaure mit etwas Staub aus einem unbemohnten der Strasse zugekehrten Raum der Destillation unterwor- fen, zeigte dieselben Erscheinungen. Die mikroskopische Untersuchung eines solchen Staubes zeigt, dass er zum Theil aus zerkleinerten organischen Substanzen, von Pfer- demist u. s. w. herruhrt, auch wohl Infusionsthiere, Syo- ren von Pilzen u. s. w. enthalt. Die Reduction des Sil- beroxyds und die Bildung von Quecksilberchlorur ruhrt also von Destillationsprodukten des Staubes her , welche rnit den Wasserdampfen ubergehen. Substanzen, die diese

Joiirn. L prakt. Chemie LIVI. 4, 16

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Zersetzungen bewirken, kijnnen sehr leicht bei der Destil- lation thierischer Substanzen und Nahrungsmittel , beson- ders wenn in diesen schon ein Zersetzungsprocess durch Gahrung und Faulniss begonnen hat, rnit den Wasser- dampfen ubergehen. Wasser wurde mit einem kleinen Stuck eines verfaulten Menschenmagens destillirt, das Destillat zeigte dieselbe Erscheinung. Bei forensischen Untersuchungen ist auf diese Reductionen also gar kein Werth zu legen.

Da phosphorige Saure und Phosphorsiiure nicht fliichtig sind, so kann in dem vorliegenden Fall bei der von den Apothekern S. und K. angestellten Untersuchung nur durch Heriiberspritzen der der Destillation unterworfenen Flus- sigkeit, welche phosphorsaure Salze enthielt, Phosphor- saure in das Destillat hineingekommen sein. Die sehr starken Reactionen auf phosphorige Saure, die das salpe- tersaure Silberoxyd und Quecksilberchlorid ihnen zeigten, riihrten unstreitig von iibergegangenen Substsnzen organi- schen Ursprungs her. Das als pyrophosphorsaures Silber- oxyd beigelegte Product gab ubrigens in kochender Sal- petersaure gelost und mit Ammoniak und Magnesiasalz versetzt, keine Triibung; der Niederschlag ruhrt also nicht von Phosphorslure oder einer Modification derselben her. Das Destillat von einem Stuclrchen des eingesandten Ma- gens, w-elches rnit Wasser versetzt und der Destillation unterworfen wurde , zeigte auf salpetersaures Silberoxyd und Quecksilberchlorid keine starkere Reaction, als eine Flussigkeit, die durch Destillation eines eben so grossen Stucks yon einem unverdachtigen verfaulten Magen erhal- ten worden war.

In dem Magen sucht das Konigl. Medicinal-Collegium Phosphorsaure, von dem etwa genossenen Phosphor her- ruhrend, naclizuweisen. 'Ein Stuck des Magens, 1 Unze an Gewicht , wurde zu dieser Untersuchung mit Wasser aus- gekocht; die Flusaigkeit, welche schwach alkalisch reagirte, wurde filtrirt, mit Ammoniak versetzt und wieder filtrirt, und die Halfte davon mit einer Lijsung von schwefelssu- rer Magnesia gefallt, wodurch ein weisser krystallinischer Niederschlag von 2 Gran erhalterl wurde, der aus phos-

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phorsaurer Ammoniakmagnesia bestand. Dieser auffallende Gehalt an loslichen phosphorssuren Salzen beaog die ais- senschaftliche Deputation, selbst einige Versuche anzustel- len: ein frischer Menschenmagen gab mit Wasser ausge- kocht daran kein losliches phosphorsaures Salz ab; ein Stuckchen des ihr ubersandten Magens, der ganz in Faul- niss ubergegangen war, gab dagegen ungefahr 1 p. C . pyrophosphorsaure Magnesia. - Das Konigl. Medicinal- Collegium nimmt a n , dass das Gewicht des Magens und Zwolffingerdarms in dem Zustand, in welchem das Stuck- chen, welchen es untersuchte, sich befand, 6 Unzen gleich- zusetzen sei, danach wiirde der ganze Magen und Zwolf- fingerdarm 24 Griin phosphorsaurer Ammonikmagnesia ge- geben haben, worin 7 Gran Phosphorsaure und 3 Gran Phosphor nach unserer Berechnung enthalten sind. (Die phosphorsaure Ammoniakrnagnesis enthll t 2'3 p. C. Phos- phorsaure.) Von dem Magen und dem Zwolffingerdarm sollte in der Kruke, wie die wissenschaftliche Deputation sie erhielt, noch ein Drittel (vergl. fol. 63 und 1'36.) vor- handen sein; dieses war aber so weit zersetzt, dass des- sen Gewicht nur noch 320 Gran betrug, in diesem musste der ganze Gehalt des Drittels vom Magen und Zwolffinger- darm an Phosphorsiiure enthalten sein, also wurde der ganze Magen und Zwolffingerdarm nach unserer Untersu- chung 9,6 Gran phosphorsaure Magnesia, worin 6,14 Phos- phorsaure und 2,7 Grail Phosphor enthalten sind, gegeben hnben. Ein Resultat, welches so nahe, als zu eraarten ist, mit dem der Untersuchung des IConigl. Medicinal-Col- legiums ubereinstimmt.

Das Medicinal-Collegium folgert aus der Ton demsel- ben angestellten Untersuchung: dass die an das Ammo- niak gebundene Phosphorsaure sich aus Phosphor gebil- det habe, deren Entstehen in normalen Zustanden (Nah- rungsmittel und dergleichen) nicht zu suchen ist; u;d sol- chergestalt eine stattgehabte Vergiftung mit Phosphor, als hochst wahrscheinlich hinstellt. - Was aber die Angahe anbetrifft, das aus den Nahrungsmitteln die Phosphorsaure nicht herriihren konne, so muss die wissenschaftliche De- putation hierzu bemerken, dass das gewohnlichste Nah-

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rungsmittel , Brot , viel phosphorsaure Sahe enthalt. Die Samen der Cerealien enthalten ungefjhr 1 p. C. Phosphor- saure, wovon nur die Halfte , wenn die phosphorsauren Salze gelost werden,_ mit Kalkerde und Magnesia verbun- den, durch Ammoniak gefallt wird, die andere Halfte zum gossten Theil an Kali gebunden, in der Losung gelost bleibt und durch schwefelsaure Magnesia gefillt werden kann. In vier Unzen Brot wiirde daher viel mehr anPhos- phorsaure, die an Kali gebunden ist, enthalten sein, als das Medicinal-Collegium in dem zersetzten Mtlgen als vor- handen annimmt. Aber auch im Faserstoff und im Ei- weiss sind p. C. Phosphor enthalten, welches 3 / p p. C. Phosphorsaure entspricht, so dass also in 2 Unzen ge- trocknetem Faserstoff, aus welchem vorzugsweise der Ma- gen besteht, so viel Phosphor enthalten ist, als nach den von dem Medicinal - Collegium und von uns angestellten Versuchen in den untersuchten Gegenstanden anzuneh- men ist.

Die Phosphorsaure , welche das Medicinal - Collegium in dem Magen gefunden hat , riihrt unstreitig yon dem ganz in Faulniss ubergegangenen Magen selbst her und nicht von Phosphor, der sich oxydirt hat. Es musste sonst fast die ganze Quantitat Phosphor, da der R. nicht mehr als hochstens 33/, Gran Phosphor mit der Latwerge ge- nossen haben kiinnte, im Magen sich oxydirt haben und darin zuriickgeblieben sein, was anzunehmen ganz unmog- lich ist, da der R. noch langer als 2i/2 Tag, nachdem er den verdichtigen Kaffee genossen, gelebt und in dieser Zeit sehr viel getrunken und gebrochen hat, und von den Obducenten der Inhalt des Magens herausgenommen und die Wande desselben gereinigt worden sind, um- die Schleimhaut auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen.