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38 HMD 277 Alexander Stocker, Johannes Müller Microblogging als Baustein im IT-gestützten Wissensmanagement von Siemens BT Das Web 2.0 hat über die klassischen Anwendun- gen Wikis, Weblogs und soziale Netzwerke hin- aus mit Twitter eine weitere nützliche An- wendungsklasse hervorgebracht, jene der Microblogging-Dienste. Doch schon längst zei- gen sich nicht mehr nur die Anwender im Web von Microblogging begeistert. Durch aktuelle Trends wie Enterprise 2.0 werden auch Unterneh- men nach und nach von diesem neuen Kommu- nikationskanal überzeugt. Im Zuge dieser Ent- wicklung stellt die Siemens-Division Building Technologies (BT) seit März 2009 einen eigenen Microblogging-Dienst im konzernweiten Intra- net bereit. Dieser wurde als weiterer Baustein in die bestehende Wissensmanagementplattform References@BT integriert. Der Beitrag zeigt ba- sierend auf Analysen, Nutzerbefragungen und Interviews die Einführung, Nutzung und den Mehrwert von unternehmensinternem Micro- blogging anhand einer Fallstudie. Inhaltsübersicht 1 Microblogging als neue Anwendung des Web 2.0 2 Microblogging in Unternehmen 3 Die Wissensmanagementplattform References@BT 4 Der Microblogging-Dienst in References@BT 5 Nutzung und Erfolg von Microblogging 6 Microblogging als nutzungsoffener Dienst 7 Literatur 1 Microblogging als neue Anwendung des Web 2.0 Die Möglichkeit, selbst Informationen zu ge- nerieren und anderen Nutzern – bevorzugt aus dem eigenen Netzwerk – verfügbar zu ma- chen, übt eine unglaubliche Faszination auf Menschen aus. Mit dem Web 2.0 [O’Reilly 2005] haben sich Nutzer von passiven Informations- konsumenten zu aktiven Informationsprodu- zenten gewandelt. Zahlreiche neue IT-Dienste sind im Rahmen dieser Entwicklung entstan- den, die es Menschen einfacher denn je ma- chen, Inhalte mit Gleichgesinnten zu teilen. Dazu gehören Wikis, Weblogs, soziale Netzwer- ke und auch Microblogging mit dem wohl be- kanntesten Dienst Twitter (twitter.com). Seit einiger Zeit kündigt sich eine zweite Evolution an: Anwendungen und Technologien des Web 2.0 finden zunehmend in die Unter- nehmenswelt Einzug. Dort sollen sie Mitarbei- tende verstärkt zur Wissensteilung bewegen, um Organisationen im globalen Wettbewerb zu entscheidenden Vorteilen zu verhelfen – ein Trend, der mit dem Begriff »Enterprise 2.0« [McAfee 2006] bezeichnet wird. Dabei sind nicht die Werkzeuge an sich das Neue, sondern die Paradigmen, die hinter Enterprise 2.0 stehen und die durch die Werkzeuge erst ermöglicht bzw. umgesetzt werden. Unternehmensinterne Anwendungen, die auf den Prinzipen von Web 2.0 basieren, stellen Beteiligte vor sehr spezifische Herausforderun- gen, wie beispielsweise die Einbeziehung von Organisationsstrukturen und Prozessen. Diese gehen weit über die Anforderungen des öffent- lichen Web hinaus, das primär durch informelle Strukturen gekennzeichnet ist [Jahnke 2009], und müssen bei der Einführung von Web 2.0 im Unternehmen [Back et al. 2008] bzw. von Enter- prise 2.0 [Koch & Richter 2009] berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde in zahl- reichen empirischen Studien bereits eine Viel- zahl an klassischen Anwendungen des Web 2.0, wie Wikis und Weblogs [Stocker & Tochter- mann 2010] oder Social Networking Services

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Alexander Stocker, Johannes Müller

Microblogging als Baustein im IT-gestützten Wissensmanagement von Siemens BT

Das Web 2.0 hat über die klassischen Anwendun-gen Wikis, Weblogs und soziale Netzwerke hin-aus mit Twitter eine weitere nützliche An-wendungsklasse hervorgebracht, jene derMicroblogging-Dienste. Doch schon längst zei-gen sich nicht mehr nur die Anwender im Webvon Microblogging begeistert. Durch aktuelleTrends wie Enterprise 2.0 werden auch Unterneh-men nach und nach von diesem neuen Kommu-nikationskanal überzeugt. Im Zuge dieser Ent-wicklung stellt die Siemens-Division BuildingTechnologies (BT) seit März 2009 einen eigenenMicroblogging-Dienst im konzernweiten Intra-net bereit. Dieser wurde als weiterer Baustein indie bestehende WissensmanagementplattformReferences@BT integriert. Der Beitrag zeigt ba-sierend auf Analysen, Nutzerbefragungen undInterviews die Einführung, Nutzung und denMehrwert von unternehmensinternem Micro-blogging anhand einer Fallstudie.

Inhaltsübersicht1 Microblogging als neue Anwendung des

Web 2.02 Microblogging in Unternehmen3 Die Wissensmanagementplattform

References@BT4 Der Microblogging-Dienst in References@BT5 Nutzung und Erfolg von Microblogging6 Microblogging als nutzungsoffener Dienst7 Literatur

1 Microblogging als neue Anwendung des Web 2.0

Die Möglichkeit, selbst Informationen zu ge-nerieren und anderen Nutzern – bevorzugt ausdem eigenen Netzwerk – verfügbar zu ma-chen, übt eine unglaubliche Faszination auf

Menschen aus. Mit dem Web 2.0 [O’Reilly 2005]haben sich Nutzer von passiven Informations-konsumenten zu aktiven Informationsprodu-zenten gewandelt. Zahlreiche neue IT-Dienstesind im Rahmen dieser Entwicklung entstan-den, die es Menschen einfacher denn je ma-chen, Inhalte mit Gleichgesinnten zu teilen.Dazu gehören Wikis, Weblogs, soziale Netzwer-ke und auch Microblogging mit dem wohl be-kanntesten Dienst Twitter (twitter.com).

Seit einiger Zeit kündigt sich eine zweiteEvolution an: Anwendungen und Technologiendes Web 2.0 finden zunehmend in die Unter-nehmenswelt Einzug. Dort sollen sie Mitarbei-tende verstärkt zur Wissensteilung bewegen,um Organisationen im globalen Wettbewerb zuentscheidenden Vorteilen zu verhelfen – einTrend, der mit dem Begriff »Enterprise 2.0«[McAfee 2006] bezeichnet wird. Dabei sindnicht die Werkzeuge an sich das Neue, sonderndie Paradigmen, die hinter Enterprise 2.0 stehenund die durch die Werkzeuge erst ermöglichtbzw. umgesetzt werden.

Unternehmensinterne Anwendungen, dieauf den Prinzipen von Web 2.0 basieren, stellenBeteiligte vor sehr spezifische Herausforderun-gen, wie beispielsweise die Einbeziehung vonOrganisationsstrukturen und Prozessen. Diesegehen weit über die Anforderungen des öffent-lichen Web hinaus, das primär durch informelleStrukturen gekennzeichnet ist [Jahnke 2009],und müssen bei der Einführung von Web 2.0 imUnternehmen [Back et al. 2008] bzw. von Enter-prise 2.0 [Koch & Richter 2009] berücksichtigtwerden. Vor diesem Hintergrund wurde in zahl-reichen empirischen Studien bereits eine Viel-zahl an klassischen Anwendungen des Web 2.0,wie Wikis und Weblogs [Stocker & Tochter-mann 2010] oder Social Networking Services

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[Richter 2010], im Kontext von Unternehmenuntersucht.

Verglichen mit den klassischen Web-2.0-Anwendungen stellt Microblogging noch einenrelativ wenig untersuchten Anwendungstyp imKontext von Unternehmen dar. Gerade Fallstu-dien von großen, multinationalen Unterneh-men, die Microblogging im Intranet bereitsüber eine längere Zeit einsetzen und damit eingewisses Maß an Erfahrung aufgebaut haben,fehlen noch weitestgehend. Dieser neue Dienstbietet jedoch ein erhebliches Potenzial, um dieZusammenarbeit zwischen Mitarbeitendennachhaltig zu verbessern und Unternehmen zumehr Effizienz zu verhelfen, wie die in diesemBeitrag beschriebene Fallstudie der global agie-renden Building Technologies Division des Sie-mens-Konzerns (im Folgenden als Siemens BTabgekürzt) zeigt.

Siemens gilt in besonderem Maße als Vor-reiter, wenn innovative Technologien im Wis-sensmanagement eingesetzt werden. Den Mit-arbeitenden von Siemens BT steht mit Refe-rences@BT seit 2005 eine im Haus entwickelteWeb-2.0-Anwendung zum globalen und unter-nehmensinternen Austausch von Wissen, Er-fahrungen und Best Practices zur Verfügung.Den Hauptfokus für den IT-gestützten Wissens-austausch bildet die derzeit ca. 7.100 Mitgliederumfassende Nutzer-Community. So will Refe-rences@BT ganz im Sinne des Social Networ-king Mitarbeiter über organisatorische, hierar-chische und geografische Grenzen hinweg mit-einander vernetzen. Aus diesem Grund wurdeauch ein eigener Microblogging-Dienst entwi-ckelt und in References@BT integriert.

2 Microblogging in UnternehmenMicroblogging ist eine neue Form der Web-2.0-typischen leichtgewichtigen Kommunikation,bei der die Teilnehmer kurze textbasierte Beiträ-ge über sich selbst, ihre Gedanken und Aktivitä-ten im Web mit anderen teilen. Populär gewor-den ist Microblogging vor allem im Zusammen-

hang mit der Plattform Twitter (twitter.com).Das Wort »micro« bezieht sich auf die Länge derBeiträge. Twitter limitiert beispielsweise dieLänge der Microblog-Postings auf 140 Zeichenund verlangt damit den Autoren mitunter eini-ges an Kreativität ab, um einen bestimmten In-halt an die gewünschte Zielgruppe zu kommu-nizieren.

Dynamische soziale Netzwerke entstehenauf Twitter indem man Personen folgt. SolcheFolgebeziehungen sind aber grundsätzlich uni-direktional, was bedeutet, dass man einer Per-son folgen kann, die einem selbst nicht folgt –und umgekehrt.

Im Vergleich zu klassischen Weblogs bietetMicroblogging à la Twitter völlig unterschiedli-che Funktionen. Twitter-Beiträge können

! öffentlich oder privat sein (durch Verwen-dung des »DM«-Befehls für »Direct Mes-sage«),

! durch weitere Nutzer republiziert werden(durch Verwendung des »RT«-Befehls für»Retweet«),

! an eine oder mehrere Personen gerichtet wer-den (durch Verwendung des »@«-Symbols voreinem Twitter-Benutzernamen für »Menti-on« oder »Reply«) und

! einem oder mehreren Themen gewidmetsein (durch Verwendung des »#«-Symbols,auch als »Hash Tag« bezeichnet, vor einembestimmten Thema).

Da Microblogging ein relativ neues Phänomendarstellt, existieren noch vergleichsweise weni-ge Forschungsarbeiten. Ein Teil der bestehen-den Arbeiten beschäftigt sich damit, einerseitsdas Phänomen Microblogging grundsätzlich zuverstehen und andererseits zu analysieren, wel-che Arten von Informationen am Web »getwit-tert« werden.

[Java et al. 2007] beschreiben Microbloggingals eine vollkommen neue Form der Kommuni-kation, bei der Nutzer ihren derzeitigen Status inkurzen Textbeiträgen veröffentlichen. Sie stu-dieren in ihrem Beitrag sowohl topologische als

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auch geografische Eigenschaften des auf derPlattform Twitter entstehenden sozialen Netz-werks und finden dabei unter anderem heraus,dass Menschen Microblogging dafür einsetzen,um über ihre täglichen Aktivitäten zu berichten,nach Informationen zu suchen und um Inhaltefür andere bereitzustellen.

Microblogging gilt als soziales Medium. Indiesem Kontext untersuchen [Naaman et al.2010] auffallende Charakteristika der sozialenAktivität sowie der Kommunikationsmuster aufTwitter. Sie bezeichnen den Kommunikations-strom auf solchen Plattformen als »social awa-reness stream«. Im Gegensatz zur eher netz-werkbasierten Untersuchung von [Java et al.2007] befassen sich Naaman et al. stärker mitden »twitternden« Personen und den »getwit-terten« Inhalten. Sie finden beispielsweise her-aus, dass sich die Mehrheit der Nutzer (sog.»Me-Former«) auf sich selbst fokussiert und nureine Minderheit (sog. »Informer«) interessanteInformationen mit anderen teilt. Die letztge-nannte Gruppe zeigt sich kommunikations-orientierter und publiziert mehr »Mentions«,»Replies« und »Retweets«. Sie ist stärker mit so-zialer Interaktion beschäftigt und hat auch weitmehr Follower auf Twitter.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dassAnwendungen und Technologien aus dem Webfrüher oder später in die UnternehmensweltEinzug halten. Diese Aussage treffen mittler-weile zahlreiche Forscher aus den BereichenComputer Supported Collaborative Work[Koch & Richter 2009; Richter & Stocker 2011]und Wissensmanagement [Back et al. 2008;Stocker & Tochtermann 2010], die eine Reihe andiesbezüglichen Fallstudien erhoben haben.

Aufgrund der Novität von Microbloggingwurden in bestehenden Untersuchungen zu Mi-croblogging noch vor allem »Early Adopter« undsomit sehr frühe Stadien des Einsatzes unter-sucht. Außerdem finden sich zu internem Micro-blogging im Gegensatz zu Wikis, Weblogs undSocial Networking Services noch vergleichsweisewenige ausführlich dokumentierte Fallstudien.

Die IT-gestützte Kommunikation in Unter-nehmen wird zunehmend wichtiger, abergleichzeitig auch komplexer. Mitarbeiter sehensich einem Überfluss an Informationen durch E-Mail ausgesetzt, weil sich viele Nutzer ange-wöhnt haben, ihre Nachrichten via CC gleich aneine ganze Reihe von Empfängern zu verteilen.So wird ein Großteil der Mitarbeiter mit einermeist unsortierten und ungefilterten Masse anNachrichten konfrontiert, von denen nur einkleiner Bruchteil wirklich relevant ist. Gerade indiesem Kontext verspricht Microblogging einhohes Potenzial, um einen neuen Kanal für dieUnternehmens- und Gruppenkommunikationzu etablieren [Riemer et al. 2010]. Zusammen-fassend ist Enterprise Microblogging in Wissen-schaft und Praxis immer noch ein relativ neuesPhänomen. Es erfolgt ein kurzer Review bekann-ter Fallstudien.

[Zhang et al. 2010] untersuchen in ihrer Fall-studie die Einführung und den Einsatz von Mic-roblogging am Beispiel von Yammer (yam-mer.com) in einem Fortune-500-Unternehmenwährend der ersten fünf Monate. Sie wollen einerstes Verständnis darüber schaffen, wie Wis-sensarbeiter Microblogging im Kontext von Un-ternehmen einsetzen. Beispielsweise fanden sieheraus, dass Mitarbeitende im untersuchtenFall viel weniger über sich selbst schreiben, son-dern mehr über ihr Team bzw. über ihre organi-satorische Einheit berichten.

[Ehrlich & Shami 2010] führen einen Ver-gleich der Inhalte in internen Microblogs (IBM»Blue Twit«) und externen Microblogs (Twit-ter) derselben Gruppe von Nutzern durch. Siefinden heraus, dass interne Microblogs vor al-lem dazu genutzt werden, um nach techni-scher Unterstützung zu fragen bzw. um sichmit Kollegen auszutauschen. Externe Micro-blogs werden vor allem für Status-Updatesund für die Verteilung allgemeiner Informatio-nen verwendet. Aus den durchgeführten Nut-zerinterviews geht hervor, dass Microbloggingsehr geschätzt wird, um rasch Informationenin hoher Qualität durch vertrauenswürdige

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Quellen, also durch bekannte menschlicheKontakte, zu erhalten.

[Barnes et al. 2010] haben in ihrer Fallstudieden Einsatz der Anwendung »Arinia« in einemmittelgroßen IT-Unternehmen untersucht, dieals selbst entwickelte Software mit Funktionali-tät vergleichbar zu Microblogging seit mehr alszehn Jahren eingesetzt wird. Dabei hat sich ge-zeigt, dass Anwendungen vergleichbar mit Mic-roblogging das Potenzial besitzen, einen Teil dervorher über E-Mail ablaufenden Kommunikati-on auf ein für alle Mitarbeiter einsehbares Por-tal zu verlagern.

[Böhringer & Röhrborn 2009] sowie[Böhringer & Richter 2009] präsentieren mit derFallstudie »Communardo«, wie eine selbst ent-wickelte Microblogging-Lösung für die interneund externe Zusammenarbeit genutzt werdenkann. Den Autoren geht es dabei vor allem umdie Konkretisierung von Anwendungsfällen fürden Einsatz von Microblogging im Unterneh-men und um eine präzisierte Beschreibung desPhänomens »Enterprise Microblogging«. Vor-teile des neuen Dienstes werden unter ande-rem in der Verminderung von E-Mails und in derSchaffung einer umfassenden Informiertheit(Awareness) erkannt.

Des Weiteren ist bekannt, dass CapgeminiMicroblogging zum Austausch über Themennutzt [Schaefer 2010], wobei die Internetplatt-form Yammer (yammer.com) zum Einsatzkommt. Capgemini ist es dabei nach eigenenWorten gelungen, dass sich aus einer Bottom-up-Initiative heraus mittlerweile über 5.000Mitarbeitende in über 100 Themengruppen or-ganisieren und austauschen. Auch Vertreter deshöheren Managements sind auf den Zug auf-gesprungen und nutzen mittlerweile diesenneuen Nachrichtenkanal.

In der vorliegenden Fallstudie geht es nunvor allem darum, Entscheidern aus der Praxisdetaillierte Einblicke zu vermitteln, wie Micro-blogging in einem großen, multinationalen Un-ternehmen als zusätzlicher Baustein in das IT-gestützte Wissensmanagement aufgenommen

werden kann. Vor allem werden die Aspekte In-tegration in die bestehende Wissensmanage-mentwelt, Anwendung von Microblogging imTagesgeschäft und durch Microblogging ge-schaffener Nutzen detailliert erläutert.

3 Die Wissensmanagementplattform References@BT

Bei Siemens BT entwickeln und implementierenweltweit rund 40.000 Mitarbeiter Produkte,Software, Systeme und komplexe Lösungen fürGebäude. Des Weiteren werden bei Kundenhochwertige Services zur Wartung, Optimie-rung und Modernisierung der installierten Sys-teme durchgeführt. Damit diese hochgradig in-novativen, komplexen und – technologiebe-dingt – einer fortlaufenden Weiterentwicklungunterliegenden Aufgaben bestmöglich erfolgenkönnen, bedarf es einer geeigneten Unterstüt-zung für die im Unternehmen stattfindendeWissensarbeit. An dieser Stelle kommen An-wendungen und Technologien aus dem Web2.0 ins Spiel.

Seit 2005 steht den Mitarbeitern die Wissens-managementplattform References@BT im Intra-net zur Verfügung [Müller 2007]. Hinter Refe-rences@BT verbirgt sich eine Community ausderzeit über 7.300 aktiven Mitgliedern, die in72 Ländern tätig sind. References@BT zielt dar-auf ab, Mitarbeitende weltweit besser zu ver-netzen und zur direkten Kommunikation undInteraktion zu animieren. Damit soll das für dasKerngeschäft relevante Wissen rascher im Un-ternehmen verfügbar gemacht werden. Abbil-dung 1 veranschaulicht die im Siemens-spezifi-schen Intranetdesign erstellte Startseite vonReferences@BT.

Der Funktionsumfang orientiert sich kurzgesagt an dem, was auch im Internet State-of-the-Art ist. References@BT umfasst, wie in Ta-belle 1 dargestellt, umfangreiche Funktionenzur Suche mit Freitext und Metadaten, zur Sub-skription von Inhalten, zur Diskussion mit Kolle-gen und zum Social Networking.

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Tab. 1: Allgemeiner Funktionsumfang von References@BT

Inhalte und Suche Subskription Nutzerprofile Weitere Services• Wissensreferenzen

• Feedback-Funktion

• Diskussionsforen

• Microblog-Postings

• Volltextsuche

• Metadatensuche

• Geografische Suche (mit Google Maps)

• Bewertungsfunktion

• Benachrichtigungen durch E-Mail-Alerts

• RSS-Feeds

• Newsletter

• Member Page mit Profilbild und »About me«-Text

• Anzeige der gegenwär-tigen Lokalzeit

• SMS-Versand

• Instant Messaging

• LDAPa-Kopplung an das Mitarbeiterver-zeichnis

• Anzeigen von Portraits bei Microblog-Postings

• Barrierefreier Zugang durch automatische Authentifizierung

• Content-Export auf andere Intranet-seiten

• KMLb-Schnittstelle zu Google Earth

• Content-Import von externen Webplatt-formen

a. LDAP – Lightweight Directory Access Protocolb. KML – Keyhole Markup Language

Abb. 1: Startseite von References@BT

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Mitarbeiter können in References@BT drei un-terschiedliche Typen von Beiträgen erstellen:Wissensreferenzen, Forenbeiträge und – seitMärz 2009 – auch Microblog-Postings.

! Wissensreferenzen sind strukturierte und ausmehreren Text-, Zahlen- und Metadatenfel-dern bestehende Informationsobjekte. Auf-grund mehrerer voneinander unabhängigerMetadaten (Disziplin, vertikaler Markt, Staat,Jahr der Fertigstellung usw.) sind umfangrei-che mehrdimensionale Suchabfragen mög-lich, wie beispielsweise eine Abfrage nach»allen Kundenprojekten, in denen nach 2005in Bürogebäuden in Deutschland Brand-schutz implementiert wurde«. Jedes Commu-nity-Mitglied kann zudem Wissensreferenzendurch »Feedback« für andere Leser sichtbarkommentieren und optional eine Bewertung,symbolisiert durch bis zu 5 Sterne, abgeben.

! Diskussionsforen ermöglichen den Teilneh-mern, sich zu technologischen oder funktio-nalen Themenfeldern auszutauschen. Bei-spielsweise können im sehr häufig genutzten»Urgent Requests«-Forum geschäftsrelevan-te Fragen aller Art zu Produkten, Schnittstel-len, Technologien, Kunden, Kontakten u.v.m.gestellt werden. Diese Fragen werden über E-Mail-Alerts und RSS-Feeds an die Leser ver-teilt. Da jedes neu registrierte Community-Mitglied automatisch einen E-Mail-Alert aufdas »Urgent Requests«-Forum zugewiesenbekommt, existieren mittlerweile mehrereTausend Empfänger für diese Art von Anfra-gen. Deutlich mehr als 90 Prozent aller Anfra-gen erhalten daher auch mindestens eineAntwort. Sehr oft werden pro Anfrage sogarzwei bis drei Antworten geliefert.

! Microblog-Postings sind kurze Textbeiträge,die ganz im Stil von Twitter oder Yammerdurch alle Mitarbeitenden auf Refe-rences@BT veröffentlicht werden können.Wesentliche Aspekte der Einführung, Nut-zung und des Erfolgs von Microblogging beiSiemens werden in Abschnitt 4 erläutert.

Aufgrund der engen Integration von Micro-blogging in References@BT ist es jedoch we-sentlich, dass diese Community-Plattform ineinem größeren Kontext beschrieben wird.

Die Nutzung von References@BT geschieht bisauf wenige Ausnahmen freiwillig. Ein wesentli-ches Element für den Erfolg ist jedoch die ideelleUnterstützung der Unternehmensführung – dersogenannte »Topmanagement-Support«. NachEinführung von References@BT hat sich schnellgezeigt, dass der Kulturwandel, eigene Erfahrun-gen über eine Intranetplattform anderen Mitar-beitenden zugänglich zu machen, nur dann ge-lingt, wenn sich die Autoren sicher sind, ganz imSinne ihres Managements zu handeln. Nicht nuraus diesem Grund fordert Johannes Milde, CEOder Building Technologies Division, auf der Refe-rences@BT-Startseite (vgl. Abb. 1) die Mitarbeiterzur aktiven Nutzung der Plattform auf:

»References@BT provides a platform for sha-ring and leveraging our knowledge and expe-rience across geographic and organizationalborders. By learning from each other, we cansave valuable time, react faster to our custo-mers’ demands, provide better solution andservice quality, and thus obtain a higher cus-tomer satisfaction. This will only work, if youmake your local knowledge globally availableby personally contributing your experiencesand best-practices into References@BT. Pleasetake this opportunity and participate!«

Um die Wissensmanagementplattform mit wei-teren Beiträgen anzureichern und in der Folgedie Community zu vergrößern, wurden vor allemnach der Einführung von References@BT einigeIncentive-Maßnahmen in Form von Wettbewer-ben durchgeführt. Die aktivsten Autoren konn-ten dabei Preise gewinnen, die zusammen miteiner vom CEO unterzeichneten Urkunde durchden jeweiligen Vorgesetzten persönlich über-reicht wurden. Fotos dieser Überreichung wur-den anschließend im Intranet sowie in der Mitar-beiterzeitschrift veröffentlicht. Die Anerkennung

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und Wertschätzung der Unternehmensführungzusammen mit der Veröffentlichung der Preis-träger wirkte dabei wesentlich motivierender alsdie reinen Sachpreise.

Etwa alle zwei bis drei Monate erhaltenCommunity-Mitglieder den »References@BTNewsflash« als personalisierte E-Mail. DieserNewsletter informiert über neue Funktionen,interessante Beiträge, Informationen aus derCommunity und andere Themen. Darüber hin-aus ist dieses Medium auch ein geeignetes Mit-tel, um sporadische Nutzer zum Öffnen von Re-ferences@BT im Browser zu animieren.

References@BT wird überaus intensiv durcheinen der Autoren dieses Beitrags und Commu-nity-Manager Johannes Müller betreut. Dieserkontaktiert immer wieder potenzielle Autorenund ruft sie dazu auf, Beiträge auf der Plattformzu erstellen. Die persönliche Betreuung vonMitarbeitenden nimmt weit mehr Zeit in An-spruch als die rein IT-technische Administrationund Weiterentwicklung der Intranetanwen-dung. In der soziotechnischen Kompetenz einesCommunity-Managers liegt ein wesentlicherErfolgsfaktor beim Einsatz von Web-2.0-Techno-logien im Wissensmanagement. Mittlerweilebeherbergt References@BT daher mehr als2.200 Wissensreferenzen und mehr als 5.000Beiträge in Diskussionsforen.

4 Der Microblogging-Dienst in References@BT

Microblogging – analog zu Twitter, Yammer, So-cialcast oder Chatter – ist die dritte Beitragsartin References@BT und ein wesentlicher Bau-stein im IT-gestützten Wissensmanagementvon Siemens BT.

Ein Grund für die Entwicklung und Einfüh-rung eines eigenen Microblogging-Dienstes be-stand darin, dass eine Vielzahl von Mitarbeitern»bottom-up« das im Internet gehostete Yam-mer (yammer.com) für den Ad-hoc-Erfahrungs-austausch in Anspruch genommen hat. Umjedoch zu vermeiden, dass vertrauliche und

unternehmenskritische Inhalte auf externenWeb-2.0-Anwendungen durch Mitarbeiter aus-getauscht werden, wurde für References@BTein eigener Microblogging-Dienst konzipiertund entwickelt.

Microblogging im Kontext von Unterneh-men unterscheidet sich von Microblogging imöffentlichen Web häufig im Hinblick auf die an-gebotene Funktionalität: So sind im Unterschiedzu Twitter, aber analog zu Yammer, Micro-blogging-Beiträge in References@BT nicht aufeine vorgegebene Zeichenzahl begrenzt. Außer-dem werden ähnlich zu Yammer direkte Antwor-ten auf Beiträge angezeigt sowie die entstehen-de Struktur der verschachtelten Beiträge als »To-pic« visualisiert (vgl. Abb. 2). Ferner muss jederinitiale Beitrag verpflichtend mit mindestens ei-nem frei wählbaren Schlagwort oder »Tag«versehen werden. Bei Antworten kann dieseVerschlagwortung optional erfolgen. Dadurchkönnen themenverwandte Beiträge und Mitar-beiter, die sich mit ähnlichen Fragestellungenbeschäftigen, schneller identifiziert werden.

Sämtliche Microblog-Postings sind mit demNamen des jeweiligen Autors versehen und las-sen sich durch individuell einstellbare E-Mail-Benachrichtigungen und RSS-Feeds entspre-chend den eigenen Interessenschwerpunktenabonnieren.

Web-2.0-typisch erlaubt References@BT denNutzern, anderen Community-Mitgliedern zufolgen und damit ein persönliches Netzwerkaufzubauen, das für andere Community-Mitglie-der transparent ist. Folgebeziehungen sind stan-dardmäßig unidirektional, können allerdingsvon der Gegenpartei erwidert werden. Weil ge-rade die Folgefunktion nach der Einführung desMicroblogging-Dienstes von den Teilnehmernnur sehr sporadisch genutzt wurde, griff derCommunity-Manager auf eine geschickte Kom-munikationsmaßnahme zurück: Über E-Mail er-hielten alle registrierten Mitglieder auf Refe-rences@BT zufällig ausgewählte, jedoch am glei-chen Ort des E-Mail-Empfängers arbeitendeCommunity-Mitglieder zum Folgen vorgeschla-

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gen. Diese Maßnahme erwies sich als sehr er-folgreich und führte dazu, dass in wenigen Ta-gen über 3.500 neue Folgebeziehungen einge-gangen wurden. Aufgrund dieses Erfolgs erhältnun jedes neue Community-Mitglied eine ähnli-che E-Mail nach abgeschlossener Registrierung.

Der neue Microblogging-Dienst integriert sichnahtlos in die Wissensmanagementplattform Re-ferences@BT. Im Vergleich zu Wissensreferenzenund Diskussionsforen ist Microblogging ein nut-zungsoffener Dienst und ermöglicht daher eineVielzahl an Anwendungsfällen. Mit der Zeit habensich bei den Mitarbeitenden jedoch bereits kon-krete Nutzungspraktiken herauskristallisiert undbestimmte Kommunikationsschemata etabliert.Tabelle 2 gibt an, welche Informationen mithilfewelchen Beitragstyps auf References@BT veröf-fentlicht werden.

5 Nutzung und Erfolg von Microblogging

Die quantitative Darstellung des Mehrwerts ei-ner Wissensmanagementlösung ist nicht ein-fach. Sehr oft wird bei Analysen dazu auf Sekun-därquellen zurückgegriffen, beispielsweise aufInterviews und Befragungen von Intensivnut-zern, um Erfolgsgeschichten und Best Practiceszu identifizieren und an Management und Mit-arbeitende zu kommunizieren. Eine strukturier-te Befragung von acht Intensivnutzern nachdem Verwendungsgrund, dem wahrgenomme-nen persönlichen Nutzen und dem wahrge-nommenen Nutzen für die Organisation hatAnfang 2010 stattgefunden. Tabelle 3 stellt diezusammengefassten Ergebnisse dieser Befra-gung auf einen Blick dar.

Abb. 2: Beispiel eines Microblog-Topics in References@BT

5

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Unternehmensinternes Microblogging erhöhtdie Wahrscheinlichkeit, dass relevante und zu-gleich wertvolle Informationen sowie die jewei-ligen Informationsträger im Unternehmenidentifiziert werden können – und zwar vor al-lem solche, für die Mitarbeiter noch wenig bis

überhaupt keine Awareness besitzen. Zwei In-tensivnutzer bringen den Mehrwert bei Sie-mens BT wie folgt auf den Punkt und bestätigendamit, dass gerade Enterprise Microbloggingdie Bildung sozialer Netzwerke in Unterneh-men fördert:

Wissensreferenzen als strukturierte Datenobjekte mit Bezug zum Kern-geschäft

Diskussionsforen zum unstrukturierten fachlichen Austausch zu aktuellen Themen

Microblogging als unstrukturierter, spontaner »Real-Time«-Nachrichtendienst

Mitarbeiterprofile als Grundfunktion für aktives soziales Netzwerken

• Kundenprojekte

• Lösungskonzepte

• Servicekonzepte

• Marktanalysen

• Technologie-infor-mationen

• Berichte über Aus-zeichnungen

• Interne Projekte zur Prozessverbesse-rung

• Lessons Learned

• Dringende Anfragen

• Messe- und Konfe-renzberichte

• Technologiebezoge-ner Austausch

• Projektmanagement

• Feedback, Verbesserungsvor-schläge und Hilfe zu References@BT

• u.v.m.

• Persönliche Botschaf-ten (»ich mach(t)e«, »ich habe vor«, »ich habe erfahren«)

• Verweise auf neue oder interessante Webseiten

• Tipps und Tricks

• Erfolgsmeldungen (zum Beispiel soeben abgeschlossene Pro-jektverträge)

• Mitarbeitername

• Mitarbeiterstandort

• E-Mail-Adresse

• Telefon-/Handy-/ Faxnummern (via LDAP)

• Abteilung (via LDAP)

• »Über mich«-Seite(optional)

• Portrait(optional)

Gründe für die Nutzung des Microblogging-Dienstes

Durch die Mitarbeiter wahrgenommener persönlicher Nutzen

Durch die Mitarbeiter wahrgenommener organisationaler Nutzen

• Informationen für alle Mitarbeiter ersichtlich teilen (5 Pers.)

• Ankündigung interessanter Veranstaltungen (2 Pers.)

• Verbesserung der eigenen Schreibfertigkeit (2 Pers.)

• Experten im Unternehmen folgen (1 Pers.)

• Rasch Trends identifizieren (1 Pers.)

• Transparenz über interes-sante Ereignisse im Unternehmen (1 Pers.)

• Suche nach relevanten Kontakten (5 Pers.)

• Suche nach relevanten Informationen (2 Pers.)

• Einfacher Zugang zu Expertenwissen (2 Pers.)

• Effektive Erweiterung des eigenen Netzwerks (1 Pers.)

• Lernen von »Followern« (1 Pers.)

• Erzielen eines Informations-vorsprungs (1 Pers.)

• Besserer Informationsfluss im Unternehmen (4 Pers.)

• Unterstützung bei der welt-weiten Vernetzung (4 Pers.)

• Drive auf Wissensmanage-mentpraktiken und Lernen (1 Pers.)

• Diskussion über Erfahrun-gen, die zu innovativerem Denken und besseren Produkten verhelfen (1 Pers.)

Tab. 3: Nutzungsgründe sowie wahrgenommener persönlicher und organisationaler Nutzen

Tab. 2: Welche Information wird über welchen Beitragstyp veröffentlicht?

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Microblogging im IT-gestützten Wissensmanagement

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»Das neue Microblogging-Tool unterstütztuns dabei, aktuelle Ereignisse zu Produktver-öffentlichungen, Features und Marktbewe-gungen in der Building Technologies Divisionzu erfahren. Für jemanden aus der Industrieist es wichtig, sich auch mit Kollegen, die inanderen Unternehmensbereichen arbeiten,zu vernetzen.«

»Das Auffinden anderer Personen im Un-ternehmen, die über Fähigkeiten oder Wissenzur Lösung eines eigenen Problems verfügen,ist in den meisten Fällen äußerst schwierig. Mi-croblogging ist eine große Hilfe, wenn es dar-um geht, solches Wissen mit anderen Personenim Unternehmen auszutauschen und raschBest Practices mit anderen zu teilen. Es führt zueiner Reduktion des Kommunikationsauf-wands im Vergleich zu E-Mail, weil Nutzer ebennur solche Beiträge durchsuchen können, diefür sie einen Wert besitzen, und nicht mehr mitInformationen zugeschüttet werden.«

Der seit März 2009 verfügbare Microblogging-Dienst wurde von den Nutzern der Wissens-managementplattform References@BT sehrbegrüßt. Vor allem Entscheider aus der Praxissind jedoch an konkreten Nutzungszahlen inte-ressiert, wenn es um die Messung des Mehr-werts eines neuen Dienstes geht. Tabelle 4

veranschaulicht primäre Nutzungskennzahlenwie Anzahl von Beiträgen, Anzahl unterschiedli-cher Autoren und Anzahl neuer Folgebeziehun-gen des References@BT-Microblogs und zeigt,dass sich die Nutzungsfrequenz von »EnterpriseMicroblogging« von der Nutzung von Micro-blogging im Internet deutlich unterscheidet.Insgesamt wurden in References@BT innerhalbvon 19 Monaten 2193 Microblog-Beiträge durch548 unterschiedliche Autoren erstellt. Diedurchschnittliche Anzahl an Beiträgen beläuftsich pro Monat seit Einführung auf rund 115 Bei-träge. Von einem »Information Overload« kanndaher nicht die Rede sein. Die beiden Spitzender Monate September 2009 (292 Beiträge) undDezember 2009 (155 Beiträge) resultieren auseinem Aufruf des Community-Managers, einenMicroblogging-Beitrag als Feedback zu einerUmfrage zu erstellen bzw. den Weihnachtsgrußin einem Microblogging-Beitrag zu verpacken.Diese Aufrufe ermunterten Mitarbeiter zur Ex-ploration des neuen Dienstes und sorgten füreine Reihe neuer Autoren, die die Nutzung auchweiterführten. Die in der Tabelle angeführtenAktivitätszahlen zeigen, dass die Nutzung desMicroblogs nach diesen beiden Monaten ten-denziell höher ist als die Nutzung vor diesenMonaten. Die Spitze der neuen Folgebeziehun-gen im August 2010 (2988 Folgebeziehungen)

Monat Jan.10

Feb.10

Mär.10

Apr.10

Mai 10

Jun.10

Jul.10

Aug.10

Sep.10

Neue Beiträge 101 101 102 88 90 158 159 163 204

Unterschied-liche Autoren

24 31 34 39 33 37 58 40 63

Neue Folge-beziehungen

68 60 108 48 45 67 53 2988 731

Monat Mär.09

Apr.09

Mai 09

Jun.09

Jul.09

Aug.09

Sep.09

Okt.09

Nov.09

Dez.09

Neue Beiträge 38 48 63 55 81 44 292 129 122 155

Unterschied-liche Autoren

15 22 21 27 35 21 189 43 40 101

Neue Folge-beziehungen

26 10 28 7 31 29 51 53 133 77

Tab. 4: Nutzungskennzahlen des References@BT-Microblogs

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Microblogging im IT-gestützten Wissensmanagement

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ist ein Resultat der in Abschnitt 4 beschriebenenPromotions-E-Mail, in der am selben Ort arbei-tende Kollegen zum Folgen vorgeschlagen wur-den. Der Vernetzungsgrad der Mitarbeiter wur-de durch neue Folgebeziehungen weiter erhöht.

Im Folgenden werden die Top-10-Nutzernach Beiträgen und Followern sowie die zehnam häufigsten genannten Themen präsentiert(vgl. Tab. 5). Mit wenigen Ausnahmen beinhal-ten die Microblog-Beiträge geschäftsrelevanteAspekte, zum Teil mit direktem Bezug zu einerGeschäftseinheit. Die übrigen Beiträge befas-sen sich mit Wissensmanagement an sich, mitReferences@BT und mit TechnoWeb, einer wei-teren Siemens-internen Community-Plattform[Heiss & Jankowsky 2001]. Bisher haben dreiMitarbeiter mehr als 100 Microblog-Beiträgeveröffentlicht, einer davon sogar mehr als 200.Ebenfalls drei Mitarbeiter besitzen mehr als 25Follower, einer davon mehr als 50.

Eine Analyse der Mitarbeiter mit der höchs-ten Anzahl an Microblog-Beiträgen sowie jenermit der höchsten Anzahl an Followern brachteein interessantes Ergebnis zutage: Nur zwei derTop-Gefolgten zählen auch zu den Top-Beitra-genden, was bedeutet, dass der Großteil der

Beitragenden ihre Gefolgschaft nicht durch vie-le Beiträge erhielt, sondern durch das Eingehenvieler Folgebeziehungen. Dieses Phänomenkann auch bei Twitter beobachtet werden.

Ein Vergleich der häufig aktiven Microblog-ger mit den Autoren von Wissensreferenzen undForen-Postings lieferte ein weiteres interessan-tes Ergebnis: Die Top-10-Microblogger erstellenderzeit keine oder eher sporadisch Wissensrefe-renzen bzw. Beiträge in Diskussionsforen. In an-derer Richtung betrachtet sind Autoren von je-weils vielen Wissensreferenzen oder Foren-Pos-tings in der Regel wenig im Microblog aktiv.

Letztendlich stellt sich auch die Frage, wiedie Nutzung des Microblogs verglichen mit derGrundgesamtheit an Community-Mitgliedernbzw. an Mitarbeitern ausgestaltet ist: Derzeiterstellen durchschnittlich rund 7,7 Prozent derüber 7.000 Community-Mitglieder Beiträge imMicroblog, was etwa 1,4 Prozent der Mitarbeitervon Siemens BT ausmacht. Eine Interpretationdieser Zahlen vor dem Hintergrund der durch-geführten Intensivnutzerinterviews beschei-nigt, dass trotz der noch relativ geringen Durch-dringung des Microblogging-Dienstes im Un-ternehmen bereits ein Nutzen gestiftet wird.

Top-10-Nutzer nach Beiträgen

Top-10-Nutzer nach Followern

Top-10-Themen nach Beiträgen Beiträge

MiGr 219 HaKe 53 References@BT 263

HaKe 132 ThMa 43 FS (Business Unit »Fire Safety and Security Products«)

229

ThSc 102 AnSc 26 SES (Business Unit »Security Solutions«) 180

SiHo 77 LuBa 24 PLN (»Product Lifecycle News«) 159

TeTe 64 SuSt 24 Walk to Santiago (internationaler Team-Event)

128

AnBü 56 TiWa 24 LV (Business Unit »Low Voltage Distribution«)

126

TaBe 54 KaCo 22 TechnoWeb (unternehmensinterne Community-Platform)

98

RaRa 49 MaHa 22 United States 82

NoPe 37 AnTh 20 Knowledge Management 78

AnMa 36 THSC 19 Access Control 70

Tab. 5: Top-10-Nutzer nach Beiträgen und Followern sowie Top-10-Themen

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Microblogging im IT-gestützten Wissensmanagement

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Des Weiteren stellt sich die Frage, wie hoch derDurchdringungsgrad von »Enterprise Micro-blogging« in einem multinationalen Groß-unternehmen wirklich sein muss, um das zu-sätzliche Informationsangebot noch handhab-bar erscheinen zu lassen. Wesentlich ist ausSicht der Autoren, dass relevante Personen (Pro-jektleiter, Innovationsträger, Kommunikatorenusw.) und relevante Informationen (wichtigeTrends, neue Projekte, Produkte, Dienstleistun-gen usw.) im Microblog zu finden sind. Dasmuss allerdings nicht bedeuten, dass alle Com-munity-Mitglieder bzw. alle Mitarbeitendenbloggen müssen. Ein Nutzen ergibt sich ja pri-mär auch aus dem Lesen von Beiträgen und ausder Vernetzung, die durch das Folgen andererTeilnehmer entsteht. Das mittelfristige Ziel vonMicroblogging bei Siemens BT besteht darin,die Anzahl an bloggenden Mitarbeitern undden dadurch erzielten Nutzen auf das Tagesge-schäft weiter zu erhöhen.

6 Microblogging als nutzungsoffener Dienst

In diesem Beitrag wurde nach einer kurzen Dis-kussion vorhandener wissenschaftlicher Litera-tur dargestellt, wie Siemens BT unternehmens-internes Microblogging als zusätzlichen Bau-stein im IT-gestützten Wissensmanagementeinsetzt. Motiviert durch eine Bottom-up-Initia-tive innovativer Mitarbeiter wurde ein eigenerMicroblogging-Dienst entwickelt und im März2009 in die WissensmanagementplattformReferences@BT integriert. Neben Wissensrefe-renzen und Diskussionsforen kann die Nutzer-Community somit auch auf kurze Textnachrich-ten und Statusmeldungen zurückgreifen.

Der Community-Manager von References@BTzeigt sich mit der Nutzung des Microblogging-Dienstes sehr zufrieden. Im Vergleich zu den be-reits etablierten Beitragstypen Wissensreferen-zen und Diskussionsforen ist Microblogging einviel nutzungsoffenerer Dienst. Nutzungsoffen-heit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass

der Dienst den Teilnehmern nicht vorgibt, wiesie ihn zu nutzen haben (im Gegensatz zu ande-ren Enterprise-Technologien wie EnterpriseResource Planning). Diese Nutzungsoffenheitzwingt die Beteiligten dazu, einen neuen Diensterst einmal zu explorieren. Schon aus diesemGrund kann ein möglicher Mehrwert nicht so-fort für alle Mitarbeitende transparent sein,denn dieser ist immer das Resultat einer ge-schickten Nutzung. Zielgerichtet eingesetzteKommunikationsmaßnahmen haben dafür ge-sorgt, dass noch mehr Mitarbeiter durch Explo-ration von Microblogging erste Erfahrungensammeln konnten und zum Teil zu regelmäßi-gen Autoren wurden.

Eine Befragung von acht Intensivnutzernkonnte veranschaulichen, dass MicrobloggingMitarbeitende dabei unterstützen kann, besserüber aktuelle Ereignisse wie Produktveröffentli-chungen, Marktbewegungen und neue Featuresinformiert zu sein. Microblogging erhöht also dieWahrscheinlichkeit, dass wertvolle Informatio-nen sowie relevante Informationsträger im Un-ternehmen identifiziert werden können. Fernerhat sich gezeigt, dass Microblogging ein geeig-netes Tool darstellt, um dezentral operierendeMitarbeiter besser miteinander zu vernetzen.

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Microblogging im IT-gestützten Wissensmanagement

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Dr. Alexander StockerJOANNEUM RESEARCHInstitut DIGITALSteyrergasse 17-19A-8010 [email protected]

Dr. Johannes MüllerSiemens Schweiz AGBuilding Technologies DivisionGubelstr. 22CH-6301 [email protected]