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Loslassen von Martin Zenhäusern ([email protected] ) Ein Patron geht nicht. Ein Patron stirbt. Wir erleben dies immer wieder bei Unternehmen, die von einem Pionier oder Patron aufgebaut worden sind. Viele können nicht loslassen, auch wenn sie bereits nicht mehr über die erforderlichen Kräfte verfügen, die für die Führung notwendig sind. Die Jungen warten, dass „der Alte“ endlich geht, und werden selber immer älter. Wenn er dann doch noch geht – oder eben stirbt – dann sind die Jungen oft zu alt, um mit der nötigen Frische das Unternehmen weiterzuentwickeln. In der Politik verhält es sich ähnlich. Wenn wir den Fall Edmund Stoiber von der CSU in Bayern als Beispiel nehmen, dann zeigen sich: Es gibt eine Halbwertszeit für Politiker, auch wenn sie erfolgreich sind. Diese dauert zehn bis zwölf Jahre. Danach wollen die Bürgerinnen und Bürger neue Köpfe sehen. Der alte Kopf ist nicht mehr interessant, die Abnützungserscheinungen sind unübersehbar, die Luft ist raus. Die Basis möchte einen neuen Kopf, der Amtsinhaber klammert sich an die Macht und kann nicht loslassen. Häufig ist dies auch deshalb der Fall, weil er den Bezug zur Realität verloren hat. Er glaubt, es gehe nicht ohne ihn, weil er sich selber für unentbehrlich hält. Wenn er dann doch zurücktreten muss, dann ist die Ernüchterung umso brutaler. Deshalb sind ungeschriebene Gesetze, wie es sie auch im Wallis gibt, dass nämlich ein gewählter Politiker nach zwei Amtsperioden den Weg frei machen sollte, durchaus nachvollziehbar und auch sinnvoll. Wer sich diesem Gesetz widersetzte, hat auch schon mal unangenehme Erfahrungen gemacht. In den Unternehmen gibt es verschiedene Varianten und Ansichten, was die Verweildauer angelangt. Wer ein Unternehmen führt, sollte mindestens fünf Jahre an der Spitze stehen. Warum? Wenn er früher geht (oder gehen muss), kann er wenig bewirken, keine nachhaltigen Erfolge erzielen, keine guten Spuren hinterlassen. Wenn er zu lange bleibt, kann ein Unternehmen bequem werden und sich Neuem möglicherweise verschliessen, weil jede Veränderung auch Anstrengung bedeutet. Wer es sich bequem eingerichtet hat, lässt sich nicht mehr gerne stören. Es braucht also ein gesundes Mass und eine gute Mischung zwischen Mitarbeitern und Kadern, die länger bleiben und ihre Erfahrungen weitergeben können, und den oftmals jungen Wilden, welche mit neuen Ideen auftreten und nach einiger Zeit wieder ein anderes Umfeld suchen. Auch für den Angestellten und Mitarbeiter lohnt es sich, von Zeit zu Zeit eine Standortbestimmung vorzunehmen und sich selber ehrliche Antworten auf die folgenden Fragen zu geben: Mache ich das, was ich tue, gerne? Mache ich es gut? Bringt es mich weiter? Kann ich mich weiterentwickeln? Möchte ich diese Arbeit auch noch in fünf Jahren ausführen? Viele haben die Möglichkeit, sich zu verändern, wenn sie dies wirklich wollen. Schwierig wird es in Berufen, bei denen der Markt nicht gut spielt. Um ein Beispiel zu nennen: Gerade bei Lehrerinnen und Lehrern sind Wechsel des Arbeitsortes eher selten. Dazu kommt, dass die Lehrer immer älter werden, ihre „Klientel“ immer jünger. In diesem Umfeld auf dem neuesten Stand bleiben zu wollen, erfordert einiges an persönlichem Einsatz. Wenn er fehlt, werden auf die obigen Fragen keine vernünftigen Antworten gefunden. Die demographische Entwicklung wird neue Arbeitsmodelle schaffen, neue Arbeitszeiten, neue Zusammensetzungen von Teams und neue Einsatzformen. Nicht, weil wir alle dies primär als gut

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Loslassen von Martin Zenhäusern ([email protected]) Ein Patron geht nicht. Ein Patron stirbt. Wir erleben dies immer wieder bei Unternehmen, die von einem Pionier oder Patron aufgebaut worden sind. Viele können nicht loslassen, auch wenn sie bereits nicht mehr über die erforderlichen Kräfte verfügen, die für die Führung notwendig sind. Die Jungen warten, dass „der Alte“ endlich geht, und werden selber immer älter. Wenn er dann doch noch geht – oder eben stirbt – dann sind die Jungen oft zu alt, um mit der nötigen Frische das Unternehmen weiterzuentwickeln. In der Politik verhält es sich ähnlich. Wenn wir den Fall Edmund Stoiber von der CSU in Bayern als Beispiel nehmen, dann zeigen sich: Es gibt eine Halbwertszeit für Politiker, auch wenn sie erfolgreich sind. Diese dauert zehn bis zwölf Jahre. Danach wollen die Bürgerinnen und Bürger neue Köpfe sehen. Der alte Kopf ist nicht mehr interessant, die Abnützungserscheinungen sind unübersehbar, die Luft ist raus. Die Basis möchte einen neuen Kopf, der Amtsinhaber klammert sich an die Macht und kann nicht loslassen. Häufig ist dies auch deshalb der Fall, weil er den Bezug zur Realität verloren hat. Er glaubt, es gehe nicht ohne ihn, weil er sich selber für unentbehrlich hält. Wenn er dann doch zurücktreten muss, dann ist die Ernüchterung umso brutaler. Deshalb sind ungeschriebene Gesetze, wie es sie auch im Wallis gibt, dass nämlich ein gewählter Politiker nach zwei Amtsperioden den Weg frei machen sollte, durchaus nachvollziehbar und auch sinnvoll. Wer sich diesem Gesetz widersetzte, hat auch schon mal unangenehme Erfahrungen gemacht. In den Unternehmen gibt es verschiedene Varianten und Ansichten, was die Verweildauer angelangt. Wer ein Unternehmen führt, sollte mindestens fünf Jahre an der Spitze stehen. Warum? Wenn er früher geht (oder gehen muss), kann er wenig bewirken, keine nachhaltigen Erfolge erzielen, keine guten Spuren hinterlassen. Wenn er zu lange bleibt, kann ein Unternehmen bequem werden und sich Neuem möglicherweise verschliessen, weil jede Veränderung auch Anstrengung bedeutet. Wer es sich bequem eingerichtet hat, lässt sich nicht mehr gerne stören. Es braucht also ein gesundes Mass und eine gute Mischung zwischen Mitarbeitern und Kadern, die länger bleiben und ihre Erfahrungen weitergeben können, und den oftmals jungen Wilden, welche mit neuen Ideen auftreten und nach einiger Zeit wieder ein anderes Umfeld suchen. Auch für den Angestellten und Mitarbeiter lohnt es sich, von Zeit zu Zeit eine Standortbestimmung vorzunehmen und sich selber ehrliche Antworten auf die folgenden Fragen zu geben: Mache ich das, was ich tue, gerne? Mache ich es gut? Bringt es mich weiter? Kann ich mich weiterentwickeln? Möchte ich diese Arbeit auch noch in fünf Jahren ausführen? Viele haben die Möglichkeit, sich zu verändern, wenn sie dies wirklich wollen. Schwierig wird es in Berufen, bei denen der Markt nicht gut spielt. Um ein Beispiel zu nennen: Gerade bei Lehrerinnen und Lehrern sind Wechsel des Arbeitsortes eher selten. Dazu kommt, dass die Lehrer immer älter werden, ihre „Klientel“ immer jünger. In diesem Umfeld auf dem neuesten Stand bleiben zu wollen, erfordert einiges an persönlichem Einsatz. Wenn er fehlt, werden auf die obigen Fragen keine vernünftigen Antworten gefunden. Die demographische Entwicklung wird neue Arbeitsmodelle schaffen, neue Arbeitszeiten, neue Zusammensetzungen von Teams und neue Einsatzformen. Nicht, weil wir alle dies primär als gut

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und wichtig erachten, sondern weil der Arbeitskräftemangel uns dazu zwingen wird. Es lohnt sich deshalb heute schon, sich darüber klar zu werden, was wir gut können, gerne tun und noch dazulernen möchten. Noch etwas: Der amerikanische Automobilbauer Henry Ford hat schon vor hundert Jahren gesagt: „Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen. Jeder, der weiterlernt, ist jung, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen.“ Das heisst auch: Altes loslassen, um Neuem Platz zu schaffen.