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Editorial Selbstbestimmte Teilhabe Im Blickpunkt Kooperation mit Migranten- organisationen Praxis Berufsorientierung für junge Zuwanderer Nachgedacht Vision einer inklusiven Gesellschaft Migration und Integration – Info 1 • März 2010 1 Migration und Integration – Info 1 • März 2010 LIEBE LESERINNEN UND LESER, selbstbestimmte Teilhabe ist Bürgerrecht – auch für Menschen mit Migrationshinter- grund! Die multikulturelle Gesellschaft ist Realität, jede(r) Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. „Integration beginnt im Kopf“ hieß das Motto der Caritaskampagne 2006.Vieles ist in den letz- ten Jahren in den Köpfen und in der Praxis geschehen. Es gab den Integrationsgipfel, den nationalen Integrationsplan und es gibt viele Projekte zur Förderung der Integrati- on von Menschen mit Migrationshinter- grund. Viele haben auch verstanden, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist von Einheimischen und Zugewanderten. Doch es gibt auch noch viele Baustellen und Fremdheiten. Die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund ist längst noch nicht in allen Bereichen der Gesellschaft realisiert. Der Deutsche Caritasverband engagiert sich mit seiner Initiative für selbstbestimm- te Teilhabe in den Jahren 2009 bis 2011 für die Teilhabe aller Menschen in unserer Ge- sellschaft. Beim Caritaskongress vom 15. bis 17. April 2010 werden 600 Vertreter(innen) aus der Caritas darüber diskutieren, was der Verband in den verschiedenen Arbeitsfel- dern dazu beitragen kann. Migration und Integration – Info Migration und Integration – Info

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EditorialSelbstbestimmte Teilhabe

Im BlickpunktKooperation mit Migranten-organisationen

PraxisBerufsorientierung für junge Zuwanderer

NachgedachtVision einer inklusiven Gesellschaft

Migration und Integration – Info 1 • März 2010 1

Migration und Integration – Info 1 • März 2010

LIEBE LESERINNEN UND LESER,selbstbestimmte Teilhabe ist Bürgerrecht –auch für Menschen mit Migrationshinter-grund! Die multikulturelle Gesellschaft istRealität, jede(r) Fünfte in Deutschland hateinen Migrationshintergrund. „Integrationbeginnt im Kopf“ hieß das Motto derCaritaskampagne 2006.Vieles ist in den letz-ten Jahren in den Köpfen und in der Praxisgeschehen. Es gab den Integrationsgipfel,den nationalen Integrationsplan und es gibtviele Projekte zur Förderung der Integrati-on von Menschen mit Migrationshinter-grund. Viele haben auch verstanden, dassIntegration ein wechselseitiger Prozess ist

von Einheimischen und Zugewanderten.Doch es gibt auch noch viele Baustellen undFremdheiten. Die selbstbestimmte Teilhabevon Menschen mit Migrationshintergrundist längst noch nicht in allen Bereichen derGesellschaft realisiert.

Der Deutsche Caritasverband engagiertsich mit seiner Initiative für selbstbestimm-te Teilhabe in den Jahren 2009 bis 2011 fürdie Teilhabe aller Menschen in unserer Ge-sellschaft. Beim Caritaskongress vom 15. bis17. April 2010 werden 600 Vertreter(innen)aus der Caritas darüber diskutieren, was derVerband in den verschiedenen Arbeitsfel-dern dazu beitragen kann. �

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editorial

Selbstbestimmte Teilhabe ist unverzichtbarSelbstbestimmte Teilhabe ist ein Menschenrecht. Jeder hat einRecht auf selbstbestimmte Teilhabe an politischen und wirt-schaftlichen Prozessen und ebenso auf soziale und kulturelleTeilhabe. Menschsein findet in sozialen und politischen Kontex-ten statt, eine fehlende Teilhabe daran hat existenzielle Folgen.Teilhabe heißt gleiche Zugangsmöglichkeiten zu allen gesell-schaftlichen Bereichen – unabhängig von der eigenen Herkunft,Weltanschauung oder dem sozialen Status. Teilhabe bedeutetdas Gefühl dazuzugehören, einen Platz in der Gesellschaft zuhaben und gebraucht zu werden. Sie heißt auch, Handlungs-spielräume zu haben, die eigene Lebenssituation verändern zukönnen. Menschen, die in verfestigter Armut leben oder sichausgegrenzt fühlen, haben diese Teilhabechancen nicht oder nurkaum. Sie fühlen sich oft abgehängt von den Prozessen und derZukunft der Gesellschaft.

Dieses Gefühl kennen gerade auch viele Jugendliche miteiner Migrationsgeschichte. Überproportional häufig sind sieauf der Haupt- oder Förderschule und haben deutlich schlech-tere Bildungschancen.Nicht weil sie weniger Talente haben,son-dern weil sie oft weniger gefördert werden, schlechtere Sprach-kenntnisse haben und ihnen viele Vorurteile begegnen. DieseSituation trifft längt nicht auf alle jungen Menschen mit Migra-tionshintergrund zu, aber sie sind aus verschiedensten Gründenbesonders häufig von diesen Problemen betroffen. SchlechtereBildungschancen stellen auch ein langfristiges Benachteili-gungsrisiko dar. Deshalb sind Projekte wie „UnternehmenBOB“ (s. S. 6 f. in diesem Info) so wichtig, die jungen Menschenmit Migrationsgeschichte eine Orientierungshilfe geben undhelfen, ihre Stärken zu entdecken und Zugang zum Ausbildungs-und Arbeitsmarkt zu finden. Solche Projekte arbeiten auchdaran, Vorteile bei Arbeitgebern abzubauen.

Die Selbstbestimmung stellt eine wichtige Ergänzung zurTeilhabe dar. Sie gründet in der jedem Menschen von Gott ge-

schenkten Würde. Jeder mussüber seine Teilhabe selbstbestimmen können. Bei derSelbstbestimmung geht es zu-gleich um einen Paradigmen-wechsel, weg vom Modell der„Fürsorge“ und hin zu mehrEigenverantwortung der Men-schen,wie sie ihre Teilhabe ver-wirklichen. SelbstbestimmteTeilhabe ist natürlich nicht alsreiner Egoismus zu verstehen,sondern steht in einem Wech-selverhältnis zur Pflicht des/der Einzelnen zur Solidarität.Viele junge Menschen mitMigrationshintergrund interes-sieren sich sehr für bürgerschaftliches Engagement,doch werdensie auch dabei noch häufig mit Vorbehalten konfrontiert (s. S. 5).

Selbstbestimmte Teilhabe heißt auch, zwischen Berufen wäh-len zu können. Dies bedeutet für die Einrichtungen und Diensteim Gesundheits- und Sozialwesen und ihre Träger, interkulturel-le Öffnung nicht nur im Blick auf ihre Klient(inn)en zu betreiben,sondern auch im Blick auf ihre – künftigen – Mitarbeitenden.

Letztendlich ist selbstbestimmte Teilhabe für Menschen mitMigrationshintergrund dann realisiert, wenn sie sich als Teil derGesellschaft fühlen können.Denn Teilhabe heißt auch,sich gera-de nicht in einer Sonderrolle zu fühlen, sondern alsBürger(innen) wie jeder andere. Dies kann nur gelingen, wennunsere Gesellschaft die Vision von einer multikulturellenGesellschaft weiterentwickelt und lernt, wirklich inklusiv zusein, also jedem die Möglichkeit zu geben, sich frei und solida-risch in diesem Land zu entfalten.

Ulrike Kostka

Interessenselbstvertretung

3 Migrantenorganisationen und die

Caritas: Aspekte der Kooperation

Der Nationale Integrationsplan des Bundes, die Islamkonferenzsowie diverse Spitzengespräche auf Bundesebene sind Beispie-le für Anlässe,die Migrant(inn)enorganisationen verstärkt in dieöffentliche Wahrnehmung bringen. Deren große Zahl von Orga-nisationsformen,Zusammensetzungen und vertretenen Inhaltenspiegelt die Vielfalt der Gesellschaft wider. Bis heute gibt es kei-ne allgemeine Definition für Migrantenorganisationen, die dieunterschiedlichen Formen darstellt und trotzdem konkret ist.

Ein kurzer Blick in die Geschichte: Schon sehr bald nach dengrößeren Zuwanderungswellen ausländischer Arbeitnehmerhatte die Caritas engen Kontakt zu den entstehenden Migran-tenorganisationen insbesondere der katholischen Südeuropäer.Auch heute noch können zwei Dokumente wegweisend sein,wenn es um die Unterstützung und Zusammenarbeit für und mitMigrantenorganisationen geht: „Rahmenrichtlinien zum Sozial-dienst des Caritasverbandes für ausländische Mitbürger“ vom10. Mai 1975 und „Zusammenarbeit der Caritas mit Ausländer-vereinigungen“, Sonderdruck der Zeitschrift „Caritas“ Heft 3,März 1990. Die Unterstützung reichte damals von der Anregungund Organisation erster informeller Treffen über das Bereitstel-len von Räumen und sonstiger Assistenz bis hin zur Förderung

PD Dr. Ulrike Kostka

Abteilungsleiterin Theologischeund Verbandliche Grundlagenbeim DCV, FreiburgE-Mail: [email protected]

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blickpunkt

Ehrenamtlicher und Hilfestellung bei Vereinsgründungen. Aufdiese Weise sind verschiedene Migrantenorganisationen aus derCaritasarbeit hervorgegangen oder durch diese maßgeblichunterstützt worden, um eine selbstbestimmte Interessenvertre-tung der Zuwanderer in ihrer Wohnumwelt, der Arbeitswelt unddem Gemeinwesen insgesamt zu ermöglichen.

Im Lauf der Jahre veränderten sich die Beziehungen zwi-schen Caritas und Migrantenorganisationen immer wieder. Ineinigen Fällen hat sich die Zusammenarbeit aufgelöst, in ande-ren Fällen wurde sie ganz neu aufgebaut oder weiterentwickelt.

Gemeinwesenorientierte IntegrationsprojekteMigrantenorganisationen stehen seit einiger Zeit im Fokus derPolitik. Sie sind inzwischen nicht mehr nur lokal, sondern auchbundesweit als aktiver Teil der Zivilgesellschaft erkannt worden.In vielen Bezügen werden sie als die eigentlichen Kenner derBedarfe und Interessen von Menschen mit Migrationshinter-grund und somit als Brückenbauer und Experten für die Inte-grationsförderung betrachtet.

Auf Bundes- und Landesebene werden Migrantenorganisa-tionen an verschiedenen Programmen der öffentlichen Förde-rung beteiligt. Zum Beispiel werden seit dem 1. Dezember 2009an 15 Standorten bundesgeförderte Modellprojekte mit Mig-rantenorganisationen durchgeführt. Alle diese Projekte stellenBeiträge zu einer gemeinwesenorientierten Integrationsförde-rung dar. Diese Entwicklung hat erst begonnen und könnte nachAnsicht des fördernden Bundesamtes für Migration und Flücht-linge (BAMF) noch deutlich ausgeweitet werden. Es wird span-nend sein,welche Ergebnisse die begleitende Evaluation heraus-arbeitet und wie grundsätzliche Empfehlungen zu Formen undInhalten der Zusammenarbeit aussehen werden.

Kriterien einer ZusammenarbeitDie Vielfalt der Migrantenorganisationen macht es für die Cari-tas nicht einfach, eine eindeutige Haltung einzunehmen, die alleOrganisationsformen, Ziele und Organisationsgrade umfasst.Hier bedarf es zumindest einiger Kriterien zur Zusammenarbeit.Die zu stellenden Fragen lauten beispielsweise:■ Trägt die Migrantenorganisation tatsächlich zum Integrati-

onsprozess ihrer Mitglieder hierzulande bei, oder liegt derFokus der Aktivitäten ausschließlich in der Pflege der Verbin-dung ins Heimatland und der Sicherung der Rückkehroption?

■ Vertritt sie die Interessen einer größeren Gruppe von Men-schen mit Migrationshintergrund, oder stellt sie lediglich dieOrganisation einer speziellen Minderheit dar?

■ Hat sie guten Zugang zu einer größeren Community, odersind nur ein Bruchteil der Menschen des jeweiligen Her-kunftslandes hierzulande repräsentiert?

■ Kann die zumeist ehrenamtliche Struktur der Migrantenor-ganisation die in einer Kooperation notwendige Verlässlich-keit in der Zusammenarbeit gewährleisten?

Die anzulegenden Maßstäbe gelten im Prinzip natürlich für jedeForm der Kooperation der Caritas mit Interessenselbstvertre-tungen. Hier und da kann dieser Kriterienkatalog bei Mitarbei-ter(inne)n in den Fachdiensten für Integration und Migration zueiner Verunsicherung führen, mit wem in welcher Form und mitwelchem Ziel kooperiert werden kann.

Grundsätzlich offen – mit klarem eigenen ProfilDie Vielfalt der Migrantenorganisationen, die auf der einen Sei-te die verschiedenen Lebenswirklichkeiten widerspiegelt, machtes auf der anderen Seite nicht einfach, ein festes Raster der For-men der Zusammenarbeit anzulegen. Die geforderte und sinn-volle „Begegnung auf Augenhöhe“ birgt viel Interpretations-spielraum. So wird sie bei einigen Migrantenorganisationen undCaritasverbänden nur im Sinne der Aufteilung der öffentlichenMittel verstanden und bringt damit den Konkurrenzgedankenmit sich. Im Sinne einer professionellen Arbeit müssen haupt-amtlich Mitarbeitende noch besser ihr Profil stärken, demAnsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ weiter folgen und kompetent mitden verschiedenen Interessenlagen umgehen. Hier bedarf eseiner differenzierten Auseinandersetzung und Standortbestim-mung bei der Wahrnehmung der Rolle der Caritas als Anwältinund Solidaritätsstifterin. Die Ziele selbstbestimmter Teilhabeund verstärkter Sozialraumorientierung in der Integrationsför-derung verpflichten dazu, hier weiterzudenken.

Grundsätzlich ist zu empfehlen, einer Zusammenarbeit offengegenüberzustehen. Entscheidend ist, ob beide Seiten sich aufein gemeinsam definiertes Ziel einigen und die Voraussetzungendafür klären können. Es ist hilfreich herauszuarbeiten, welcheForm der Zusammenarbeit sinnvoll ist: projektbezogen oderregelmäßig-strukturell (zum Beispiel in einem Netzwerk) oderübergreifend (hinsichtlich Themen wie interkulturelle Öffnung,interreligiöser Dialog, Antidiskriminierungsarbeit).Es gibt viele gute Beispiele und verschiedene Formen derZusammenarbeit, und es gibt noch viel ungenutztes Potenzial.Nicht zuletzt verhilft die Zusammenarbeit dazu, die eigene Rol-le immer wieder zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Um Missverständnisse, Unsicherheiten oder negative Ein-drücke weitestgehend auszuschließen, ist im Vorfeld der Zusam-menarbeit miteinander festzulegen, was die jeweiligen Ziele,Teilziele,Rahmenbedingungen,Zuständigkeiten,Kompetenzen,die gegenseitigen Erwartungen und die Schritte zur Zielerrei-chung sind. Dies ist sicher an manchen Stellen mühselig, lohntsich aber für alle Beteiligten: Indem die Kompetenzen undFähigkeiten der Partner zusammengeführt werden, lässt sichgute Arbeit für eine Gesellschaft in Vielfalt leisten.

Eine Orientierungshilfe befindet sich im Carinet (Migrationund Integration/Migrationsdienst) oder ist per E-Mail zu bezie-hen: [email protected] Marie-Luise Tigges

Diözesanreferentin Integration und Migration im DiCV Paderborn

E-Mail: [email protected]

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thema

Junge Menschen in der Illegalität

3 Entschärfte Meldepflicht in Schulen

und im Gesundheitswesen

Slavko (14), Mehmed (11) und Ativa (10) sind alle in Berlingeboren. Bis 2005 gingen sie auch hier zur Schule. Weil der Auf-enthalt der Roma-Familie aber nicht mehr verlängert wurde,reiste die alleinerziehende Mutter zunächst nach Dänemark aus,kehrte jedoch nach knapp einem Jahr wieder – illegal. Vergeb-lich suchte die Mutter damals nach einer Schule, die ihre dreiKinder aufnehmen würde, alle lehnten ab mit der Begründung,dass sie hier gemeldet sein müssten.

Kinder und Jugendliche trifft die aufenthaltsrechtliche Ille-galität in besonderer Weise: Weil Eltern aus Furcht vor Auf-deckung ihres illegalen Aufenthaltes häufig nicht wagen, ihreKinder an Schulen anzumelden, oder Schulleiter aus dem glei-chen Grund diese Kinder nicht aufnehmen, können sie solchejahrelangen Lücken ihrer Schulbildung kaum mehr schließen –Zukunftschancen sind für immer vertan. In Deutschland hat dasKindeswohl eben nicht, so wie es die UN-Kinderrechtskonven-tion eigentlich vorsieht, uneingeschränkten Vorrang vor derDurchsetzung der Ausreisepflicht.

Nachdrücklich hat das „Katholische Forum Leben in der Ille-galität“ in den letzten Jahren deswegen angemahnt, die politi-sche Debatte um Fragen der Illegalität zu enttabuisieren, zu ver-sachlichen und für differenzierte und pragmatischeLösungswege zu werben.

Bewusstseinswandel in der BevölkerungInzwischen gibt es dafür in der Öffentlichkeit eine große Bereit-schaft. Gerade was die Folgen der Illegalität für die Lebenssi-tuation von Kindern und Jugendlichen betrifft, ist heute eineAbkehr von der umstrittenen Position festzustellen, nach derjegliche Unterstützung von Menschen ohne Status mit derRechtsordnung unvereinbar sei. Nunmehr wird eine Abwägungunterschiedlicher Rechtsgüter vorgenommen, bei der im Ergeb-nis das Recht von Kindern auf Bildung höher gewichtet wird alsder Anspruch des Staates, Migrant(inn)en ohne gültigen Auf-enthaltsstatus aufzuspüren.

Bereits die im September 2009 vom Bundesrat beschlossenenVerwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz, eine Art Aus-legungshilfe für die Verwaltungsbehörden, schränken die Pflichtzur Meldung von Ausländer(inne)n ohne Aufenthaltsstatus anmehreren sensiblen Punkten ein.Öffentliche Stellen sind danachnur noch zur Meldung verpflichtet, wenn sie die Kenntnis vomillegalen Aufenthalt „in Erfüllung ihrer Aufgaben“ erhalten. Inden Bundesländern, in denen das Landesrecht bestimmt, dass esnicht zu den Aufgaben einer Schule gehört, den jeweiligen Auf-enthaltsstatus eines Kindes zu erfragen, soll die Meldepflichtnicht mehr greifen. Erste Bundesländer wie Nordrhein-Westfa-

len, Hamburg, Hessen oder Berlin haben entsprechende Klar-stellungen bereits erlassen, andere wollen dies noch tun.

Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierungvon Oktober 2009 fest verankert: „Wir werden die aufenthalts-gesetzlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen dahin-gehend ändern, dass der Schulbesuch von Kindern ermöglichtwird“, heißt es da. Und die Bundesländer, die hierbei zustimmenmüssen, haben auf der letzten Innenministerkonferenz AnfangDezember 2009 Unterstützung signalisiert für alles, was derBund in dieser Sache unternimmt.

Ob dies in Zukunft wirklich dazu führen wird, dass Kinderohne gültige Aufenthaltspapiere wirklich ihr Recht auf Bildungwahrnehmen können,wird davon abhängen, inwieweit die Schu-len und die Betroffenen tatsächlich informiert werden. Hier sinddie Beratungsstellen gefordert.

Kita-Gutschein bleibt verwehrtIm Gegensatz zum Schulbesuch ist der Kitabesuch für die betrof-fenen Kinder so gut wie unmöglich, da ihre Eltern keinen Kita-Gutschein bekommen, der zur Refinanzierung des Platzes zwin-gend erforderlich ist. Wenn statuslose Kinder nicht in die Kitaund in den Hort gehen können, lernen sie die deutsche Sprachenicht und können nicht mit anderen Kindern kommunizieren.Eine Integration in die Gesellschaft ist nicht möglich, vielendroht die soziale Isolation. Humanitäre Hilfe bleibt die Aufgabevon konfessionellen Kindergartenträgern.

Ein weiteres Problem ist die medizinische Versorgung vonKindern und Jugendlichen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus.Für akute Notfälle hat der Gesetzgeber nun immerhin auf diestarke Verunsicherung von Ärzt(inn)en und Kliniken reagiertund Klarheit geschaffen: Die Verwaltungsvorschriften beziehendie ärztliche Schweigepflicht jetzt nicht nur auf medizinischesPersonal, sondern auch auf die Angestellten öffentlicher Kran-kenhäuser und darüber hinaus auf Mitarbeiter(innen) von Sozi-alämtern. Bisher war unklar, ob Krankenhauspersonal die Be-troffenen an die Ausländerbehörde hätte melden müssen; dasGleiche galt bei den Sozialämtern im Zuge der Abrechnung derBehandlungskosten.

Trotzdem werden vermutlich auch weiterhin Eltern aus Angstvor Aufdeckung ihre Kinder nur im äußersten Notfall zum Arztschicken. Gesundheitliche Probleme bleiben unbehandelt, wer-den verschleppt und womöglich chronisch. Faktisch bleiben dieBetroffenen daher auf caritative Einrichtungen wie etwa die„Malteser Migranten Medizin“ und andere nichtstaatliche Orga-nisationen angewiesen, die auch ohne Krankenversicherungmedizinische Hilfe leisten (vgl. Migration und Integration – Info4/2009, S. 6). Schwierig erweist sich vor allem die Finanzierungstationärer Behandlung. In manchen Städten sind lokale Fondsfür Nichtversicherte in Form gemeinnütziger Vereine gegründetworden, die jedoch ausschließlich über private Spenden finan-ziert werden.Letztlich ist es aber eine Frage an die Politik, inwie-

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forschung

weit sich der Staat bundesweit an den Kosten für die Wahrneh-mung des Menschenrechts auf Gesundheitsversorgung beteiligt.

Ein Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Frei-en Wohlfahrtspflege zum Thema „Menschen in der aufenthalts-rechtlichen Illegalität in Deutschland“ erläutert die zentralenProbleme dieser Personengruppe und nennt die entsprechendenForderungen an den Gesetzgeber sowie Möglichkeiten der Hil-fe (vgl. www.caritas.de, Rubrik „Unsere Arbeit“, Arbeitsfeld„Migration und Integration“). P. Martin Stark SJ

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland (JRS)

E-Mail: [email protected]

Freiwilliges Soziales Jahr

3 Forschung ebnet den Weg

für angemessene Teilhabe

„Das FSJ war die beste Erfahrung, die ich gemacht habe. Ichhabe mich selber kennengelernt“, resümiert ein 24-jähriger FSJ-Freiwilliger türkischer Herkunft.Auch eine 16-jährige Freiwilli-ge kroatischer Herkunft äußerst sich positiv: „Das FSJ ist einegute Möglichkeit, wenn man noch nicht entscheiden will, wasman das ganze Leben lang machen will, mal ein Jahr reinzu-schnuppern.“ 1 Trotz solcher positiven Bewertungen ihres Frei-willigen Sozialen Jahrs (FSJ) durch junge Freiwillige und trotzder Tatsache, dass Jugendfreiwilligendienste sich bundesweiteiner steigenden Beliebtheit erfreuen, machen junge Menschenmit Migrationshintergrund 2 vergleichsweise selten ein FSJ: IhrAnteil unter den Teilnehmer(inne)n des FSJ in katholischer Trä-gerschaft liegt beispielsweise bei neun Prozent,während gesamt-gesellschaftlich fast ein Drittel der Personen im Alter der poten-ziellen FSJ-ler(innen) einen Migrationshintergrund hat.

Angesichts dieser Zahlen ist im Frühjahr 2009 das Projekt„Mehr Menschen mit Migrationshintergrund ins FreiwilligeSoziale Jahr (FSJ)“ angelaufen, eine Initiative des DeutschenCaritasverbandes und von IN VIA Deutschland. Hieran beteili-gen sich 14 FSJ-Träger, die relevante Institutionen wie bei-spielsweise Jugendmigrationsdienste und Migrantenselbstorga-nisationen über das FSJ informieren, um vermehrt jungeMenschen mit Migrationshintergrund dafür zu gewinnen. Auchinformieren sie zusammen mit Freiwilligen mit Migrationshin-tergrund in Schulen oder Jugendtreffs über die Chancen vonFreiwilligendiensten.

Als eine Grundlage zur Ausrichtung der jeweiligen Projekt-strategien dienen die Ergebnisse eines studentischen Lehrfor-schungsprojekts der Katholischen Fachhochschule Freiburg imJahr 2009, in dessen Rahmen Schüler(innen) und FSJ-ler(innen)mit Migrationshintergrund zu der Frage interviewt wurden:„Wiekönnen mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund für das FSJgewonnen werden?“ Außerdem wurden Vertreter(innen) ver-schiedener FSJ-Träger sowie von Migrantenvereinen befragt.

Unkenntnis und Vorbehalte überwiegenIn den Antworten der Interviewpartner(innen) wurden folgende Zugangshürden deutlich: Mehrheitlich ziehen jungeMenschen mit Migrationshintergrund einen Freiwilligendienstdeshalb nicht in Betracht, weil sie nicht über das FSJ informiertsind. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass junge Leute mit Migrationshintergrund häufig Hauptschulenbesuchen, das FSJ aber eher unter Abiturient(inn)en bekannt ist. Zudem ist Skepsis anzutreffen, da das Konzept des organi-sierten freiwilligen Engagements in den Herkunftsländern vielfach unbekannt ist, wo Hilfebedarfe über familiäre Netz-werke abgedeckt werden. Somit werden auch die Vorteile desEngagements nicht gesehen, vielmehr erscheint das FSJ als einHinauszögern des Beginns einer Ausbildung oder eines Studi-ums.

Wegen dieser Hürden treffen junge Leute mit Migrations-hintergrund, die sich für ein FSJ entscheiden, im Familien- undFreundeskreis vielfach auf Unverständnis. Auch sind Vorbehal-te der Eltern – so ist sich der Vorsitzende eines islamischen Ver-eins sicher – auf ihre vielfach schlechte ökonomische Situationzurückzuführen. Hiermit einher geht der Wunsch der jungenGeneration nach einem guten Verdienst.

Aus den Interviews geht außerdem hervor, dass sich Freiwil-lige mit Migrationshintergrund in Einsatzstellen immer wiedermit generalisierenden Negativzuschreibungen konfrontiertsehen,die sich mit der Herkunft (ihrer Familien) verbinden.Teil-weise sind auch Vorbehalte der Träger gegen diese Freiwilligenherauszuhören: Es wird pauschal angenommen, dass es währenddes FSJ zu mehr Problemen kommen werde und sich somit derBetreuungsaufwand erhöhe. Dabei konzentrieren sich die nega-tiven Vorbehalte der Träger auf junge Muslime. Für diese kannwiederum die religiöse Gebundenheit vieler Träger ein Hinder-nis bilden. Hinzu kommen immer wieder Schwierigkeiten derFSJ-Träger bei der Platzierung junger Muslime (und vor allemkopftuchtragender junger Frauen) in christlichen Einrichtun-gen.

Auf die Jugendlichen aktiv zugehenBei der Frage nach erfolgreichen Ansprachestrategien für jun-ge Menschen mit Migrationshintergrund überwiegt die Positi-on, dass die FSJ-Anbieter bei der Ansprache dieser Gruppe voneiner Komm- zu einer Gehstruktur gelangen müssen: Es gilt, anbestehende Netzwerke der Jugendlichen anzuknüpfen und rele-vante Informationen an die Orte zu bringen, die von ihnen auf-gesucht werden. Hier werden in erster Linie Schulen und Migrantenselbstorganisationen, die Jugendangebote haben,benannt. Aktive oder ehemalige FSJ-ler(innen) sollten zudemals „Botschafter“ in die Schulen gehen und von ihren Erfah-rungen berichten, wobei die Informationen vor allem an Haupt-schulen zu streuen seien. Den Aussagen der Befragten zufolgesollten auch Informationsangebote für Eltern bereitgehalten

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praxis

werden, da deren Meinung bei Jugendlichen dieser Gruppe ten-denziell höheres Gewicht hat. Genauso geht es darum, Strate-gien zu entwickeln, wie mit konfessioneller Trägerschaft ver-bundene Vorbehalte abgebaut und bestehende FSJ-Konzeptemodifiziert werden können: Sind beispielsweise Übernachtun-gen während der Begleitseminare ein unumstößlicher Bestand-teil eines Freiwilligendienstes,oder kann hier eine andere Rege-lung gefunden werden, um einer jungen Muslima den Zugangzum FSJ zu vereinfachen?

Hier wird deutlich,dass die Öffnung des FSJ strukturelle undkonzeptionelle Änderungen bedingt. Auch geht es um neueEinsatzfelder, neue Kooperationspartner (wie Migrantenverei-ne) sowie veränderte pädagogische Begleitstrukturen. Trotzdieses Mehraufwands ist die Öffnung aber nicht nur vor demHintergrund der demografischen Entwicklung ein notwendigerSchritt, sondern vor allem, um allen gesellschaftlichen Gruppengleichberechtigte Zugangschancen zu Freiwilligendiensten zueröffnen. Hierüber besteht bei den Vertreter(inne)n der TrägerEinigkeit, wobei sie hervorheben, dass der Prozess durch dieEinstellung von Mitarbeiter(inne)n mit Migrationshintergrundbegünstigt würde. Dabei wird jedoch davon ausgegangen, dassein Zuwachs an FSJ-ler(inne)n mit Migrationhintergrund – vorallem aus der Gruppe der tendenziell Bildungsbenachteiligten –einen höheren Begleitungsbedarf mit sich bringt.Dieser beziehtsich auf die Werbung, das Finden von Einsatzstellen, die Kom-munikation mit diesen und die Begleitseminare. Noch zu wenigwerden die Chancen des Öffnungsprozesses gesehen, vor allem,dass junge Menschen mit Migrationshintergrund ein für vielesoziale Einrichtungen wichtiges sprachlich-kulturelles Know-how mitbringen. Genau damit muss die Notwendigkeit der Öff-nung des FSJ begründet werden: Nicht um Defizite auszuglei-chen, sondern mit dem Zugewinn an Vielfalt, neuen Konzeptenund mit dem Blick auf gesellschaftliche Partizipationschancen.

Mehr Infos: www.fsj-mit-migrationshintergrund.deDr. Barbara Schramkowski

Projektleitung „Mehr junge Menschen mit

Migrationshintergrund ins FSJ“

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Nausikaa Schirilla

Katholische Fachhochschule Freiburg

E-Mail: [email protected]

Anmerkungen

1. Die Zitate stammen aus Interviews im Rahmen des im Folgenden

erläuterten Lehrforschungsprojekts.

2. „Menschen mit Migrationshintergrund“ wird in Anlehnung an das

Statistische Bundesamt, 2006, definiert als Personen, die entweder

selbst im Ausland geboren und zugewandert sind oder von denen min-

destens ein Elterteil im Ausland geboren und zugewandert ist.

Berufsförderung

3 Mobile Hilfe zur Berufsorientierung

im Kreis Mettmann

Seit April 2009 bietet der Caritasverband im Kreis Mettmannjungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ein besonderesProjekt an: „Unternehmen BOB: Berufliche Orientierung undBeschäftigung für junge Zuwanderer im Kreis Mettmann.“ Eswendet sich an 16- bis 35-Jährige, die nach Beendigung oderAbbruch der Schule beruflich orientierungslos sind oder ausanderen Gründen Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungs-platz zu finden: Mangelnde Eigenständigkeit, unzureichendeDeutschkenntnisse, die Nichtanerkennung der aus dem Hei-matland mitgebrachten Abschlüsse, fehlende Bereitschaft zurUmorientierung oder Vorbehalte seitens der Arbeitgeber sindnur einige dieser Gründe.

„Unternehmen BOB“ ist Teil des Bundesprogramms„Xenos – Integration und Vielfalt“, das Maßnahmen gegen Aus-grenzung in den Bereichen Betrieb, Verwaltung, Ausbildung,Schule und Qualifizierung fördert.

Das Ziel: Individuelle OrientierungViele junge Zuwanderer finden in ihrem Umfeld niemanden,dersie in der Phase der Berufsorientierung unterstützen kann:Eltern und Bekannte sind oft selbst verunsichert und ratlos. Siemachen sich Sorgen um die berufliche Zukunft ihrer Kinder, füh-len sich aber von der Situation,sich aktiv mit der Berufswahl aus-einandersetzen zu müssen, überfordert. Denn oftmals stammensie aus Kulturkreisen, in denen Berufswege durch Familientra-dition oder staatliche Regelungen vorherbestimmt sind. „Unter-nehmen BOB“ hilft den Jugendlichen, herauszufinden, wo ihreStärken und Interessen liegen und wie sie daraus Nutzen ziehenkönnen.

Das Projekt ist keine Qualifizierungsmaßnahme im her-kömmlichen Sinn, sondern es bietet eine „ambulante Anbin-dung“ dieser Jugendlichen. Es geht um individuell angepassteUnterstützung in allen Bereichen, in denen die JugendlichenUnsicherheiten zeigen: Insbesondere bei der Kommunikationmit Schulen und Behörden fühlen sie sich oft überfordert undbrauchen eine Rückversicherung für ihr Vorgehen. Um Unsi-cherheit und Ängste vor der Bewerbungssituation zu mindern,erhalten die Jugendlichen Unterstützung beim Zusammenstel-len der nötigen Unterlagen.Sie lernen die Erwartungen von Aus-bildungsbetrieben kennen und trainieren Vorstellungsgesprä-che. Auch eine Begleitung zu Beratungsangeboten oder bei derKontaktaufnahme mit Betrieben kann sinnvoll sein. Wo Hilfesinnvoll ist und welche Schritte als nächstes unternommen wer-den, wird gemeinsam mit den Jugendlichen entschieden.

Von Beginn der Beratung an versucht „Unternehmen BOB“,das persönliche Umfeld der jungen Menschen (Eltern, Jugend-

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termine

treff) mit einzubeziehen. Durch gute Kontakte zum Unterneh-merkreis Mettmann kann das Projekt jungen Menschen über diepersönliche Ansprache von Firmeninhaber(inne)n und Abtei-lungsleiter(inne)n vor allem bei der Suche nach Praktikums- undLehrstellen helfen. Sie erhalten Begleitung während ihrer Zeitim Betrieb;bei Problemen vermitteln Projektmitarbeiter(innen)zwischen Arbeitgeber,Schule und Jugendlichen und reflektierenmit ihnen gemeinsam Erfahrungen und Fortschritte. Zudem gibtes eine enge Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, denörtlichen Kompetenzagenturen und der Arge Mettmann.

Interkulturelle Verständigung ist der SchlüsselAndere Länder, andere Sitten – das gilt auch im Arbeitsleben.Das größte Problem junger Migrant(inn)en bei der Jobsuche istoft ihre Unsicherheit in Bezug auf angemessene Umgangsfor-men. Viele Jugendliche haben nie gelernt, welches Verhalten imUmgang mit Kolleg(inn)en oder Vorgesetzten angemessen ist,darum wirken sie desinteressiert, unhöflich oder ablehnend undreagieren auf entsprechende Kritik ihrer Umgebung mit Unver-ständnis. Außerdem führen Konflikte zwischen eingewandertenJugendlichen, die sich mit der deutschen Kultur identifizierthaben,und ihren Eltern,die nach wie vor in der Kultur ihres Hei-matlandes verwurzelt sind, zu Problemen bei der Berufsorien-tierung junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Die Projektmitarbeiter(innen) genießen ein hohes Maß anVertrauen sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern.Durch ihre häufige Präsenz an bekannten Treffpunkten liegt dieHemmschwelle zur Kontaktaufnahme durch die Jugendlichenselbst sehr niedrig. Sie kommen dorthin, wo die Jugendlichensind – in ihr Wohnviertel, in Cafés, Jugendtreffs oder auf Fuß-ballplätze. Die Mitarbeiter(innen) sind nicht an einen Büroplatzgebunden und haben keine festen Sprechzeiten,sondern könnenflexibel auf die Bedürfnisse der Jugendlichen reagieren und sindüber Handy erreichbar.Diese Arbeitsweise lässt sich gut mit denLebensumständen der Jugendlichen vereinbaren und erhöhtihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, da sie ihnen die Angstvor Bevormundung nimmt. Es zählt der Einzelne: Jeder erhältdie Unterstützung, die er benötigt und die zu ihm passt.

Bisherige Projektergebnisse Nach zehn Monaten „Unternehmen BOB“ sind 43 jungeZuwanderer im Projekt, etwa die Hälfte hat bereits für sich einePerspektive erkannt und ist dabei,die Chancen auf dem Arbeits-markt zu verbessern – durch Sprachkurse und weiteren Schul-besuch, Qualifizierungsmaßnahmen oder Praktika. Ein Jugend-licher begann 2009 eine außerbetriebliche Ausbildung, zweiandere fanden eine Arbeitsstelle, zwei weitere erhielten einenVertrag für eine betriebliche Ausbildung ab Mitte 2010.

Kontakt: Caritasverband für den Kreis Mettmann, KlausHagedorn, Turmstr. 5a, 40878 Ratingen, Tel. 02102/100497-4,E-Mail: [email protected]

Termine

3 Interkulturelle Woche im Herbst

Unter dem Motto „Zusammenhalten – Zukunft gewinnen“ stehtdie diesjährige Interkulturelle Woche vom 26. September bis2. Oktober.Sie wird mit einer zentralen Auftaktveranstaltung am24. September in Essen eröffnet. Die Interkulturelle Woche isteine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangeli-schen Kirche in Deutschland und der Griechisch-OrthodoxenMetropolie. Mitgetragen und unterstützt wird sie von denGewerkschaften,Wohlfahrtsverbänden, Kommunen,Ausländer-beiräten und Integrationsbeauftragten, Migrantenorganisatio-nen und Initiativgruppen.

Der Ökumenische Vorbereitungsausschuss unterstützt dieAkteure der „Woche“ mit Materialien, die zur inhaltlichen Ori-entierung sowie zur Verbreitung während der InterkulturellenWoche angeboten werden: das Materialheft, das Plakat sowiePostkarten mit verschiedenen Motiven.Diese können ab AnfangJuni bei der Geschäftsstelle bestellt werden.

Mehr Informationen: www.interkulturellewoche.de; E-Mail:[email protected]

Impressumneue caritas Migration und Integration – Info

POLITIK PRAXIS FORSCHUNGRedaktion: Roberto Alborino (verantwortlich), Elisabeth Götz, Klemens Bögner, Karlstraße 40, 79104 Freiburg

Redaktionssekretariat: Carmen Mateos, Tel. 0761/200-382, Fax: 200-211, E-Mail: [email protected]

Vertrieb: Rupert Weber, Tel. 0761/200-420, Fax: 200-509, E-Mail: [email protected]

Titelfoto: Albert Josef Schmidt

Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung.

Herausgegeben vom Referat Migration und Integration, Deutscher Caritasverband e.V. in Freiburg

Carolyn Dorner und Wadim Chmelnytski vom Projekt„Unternehmen BOB“ sind unterwegs zu den Jugendlichen.

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Page 8: Migration und Integration – Info · PDF file2 Migration und Integration – Info 1 • März 2010 editorial Selbstbestimmte Teilhabe ist unverzichtbar Selbstbestimmte Teilhabe ist

8 Migration und Integration – Info 1 • März 2010

aktuell

NACHGEDACHT

Das bahnbrechende Urteil

des Bundesverfassungs-

gerichts vom 9. Februar

bestätigt, was die laufen-

de Initiative der Caritas für

selbstbestimmte Teilhabe meint: Allein die Befriedigung der

Grundbedürfnisse reicht nicht aus, um Menschen ein Leben in

Würde und gesellschaftlicher Integration zu ermöglichen.

Denn damit hat ein Mensch noch keine Teilhabe am Leben der

Gesellschaft, geschweige denn eine selbstbestimmte Teilha-

be. Hierzu bedarf es wesentlich mehr: Menschen müssen erst

Chancen und Möglichkeiten eröffnet werden, etwas selbst in

die Hand zu nehmen. Sie müssen zum einen solche Verwirkli-

chungsmöglichkeiten erhalten, zum anderen aber auch befä-

higt sein, diese Möglichkeiten zu nutzen. Es geht um Zugän-

ge: Durch die Tätigkeit in einem Freiwilligen Sozialen Jahr

(FSJ) beispielsweise gewinnt ein junger Mensch neue Er-

kenntnisse, Erfahrungen und Befähigungen. Es geht um die

immer wichtiger werdende Entwicklung sozialer Kompetenz,

um Berufsorientierung und -förderung, um formale und non-

formale Bildung, um Fertigkeiten. Wenn vor allem junge Men-

schen ohne Migrationshintergrund diese Möglichkeiten erhal-

ten, geht die Schere zwischen Menschen mit und ohne Migra-

tionshintergrund noch mehr auseinander. Die Ausstellung von

FSJ-Kompetenznachweisen bedeutet für die Träger Mehrar-

beit, aber für die Jugendlichen können sie zu einer Eintritts-

karte ins Berufsleben werden.

Damit das Ideal der selbstbestimmten Teilhabe für alle Bürge-

rinnen und Bürger Wirklichkeit wird, ist eine Ausrichtung von

Beginn an notwendig: auf eine inklusive Gesellschaft hin. Dazu

gehört, dass alle Kinder aus allen sozialen Schichten gemein-

sam aufwachsen, zusammen in die Kita und in die Schule ge-

hen und nicht nur bis zur vierten Klasse, sondern länger ge-

meinsam lernen. Erst wenn in unserer Gesellschaft ein Um-

denken von der Selektion zur Inklusion stattfindet, werden wir

keine Extra-Anstrengungen mehr benötigen, um Menschen,

die „anders“ sind, im Nachhinein zu befähigen.

Bis es so weit ist, ist es jedoch wichtig, dass zur Stärkung der

selbstbestimmten Teilhabe für Menschen mit Migrationshin-

tergrund besondere Angebote in allen Bereichen geschaffen

werden. Dies gilt für Kitas, die Kinder, die in der Illegalität le-

ben, aufnehmen ohne ihren Status weiterzuleiten, dies gilt für

Einrichtungen und Dienste, die FSJ-Plätze zur Verfügung stel-

len, dies gilt für Pfarrgemeinden, die sich explizit überlegen,

wie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in die

Kinder- und Jugendgruppen eingebunden werden, und dies

gilt für Zugänge ins Arbeitsleben.

Ihre Gabriele Göhring

GabrieleGöhring

Projektleiterin Teil-habeinitiative beimDCV in FreiburgE-Mail: [email protected]

Vision einer inklusiven Gesellschaft

3 Honnefer Migrationstage:

„Alter und Migration“

Zum 15.Mal lädt der Deutsche Caritasverband (DCV) in Koope-ration mit dem Katholisch-Sozialen Institut (KSI) der Erzdiöze-se Köln zu den Honnefer Migrationstagen ein, vom 8. bis 10. Juni2010. Im Mittelpunkt der Honnefer Migrationstage 2010 steht imKontext der laufenden Caritaskampagne die Verwirklichung derselbstbestimmten Teilhabe älterer Menschen mit Migrationshin-tergrund: Welche Rahmenbedingungen sind dafür nötig, und wiegestaltet sich ihre Teilhabe derzeit? Welchen Beitrag können dieDienste und Einrichtungen der Caritas zukünftig dafür leisten?Wissenschaftliche Beiträge, die Vorstellung von Praxisbeispielensowie Arbeitsgruppen werden Antworten auf diese Fragen geben.

Die Honnefer Migrationstage 2010 richten sich an haupt- undehrenamtlich Mitarbeitende in den Sozialdiensten (Altenhilfe,Migrationsdienste) sowie an Quartiersmanager(innen) und Verantwortliche für die Sozialplanung in den Kommunen.Anmeldungen ab Mitte April unter www.caritas.de; mehr

Infos: DCV-Referat Migration und Integration, E-Mail: [email protected]; DCV-Referat Altenhilfe, Behindertenhil-fe und Gesundheitsförderung, E-Mail: [email protected]

Mikrozensus 2008

3 Neue statistische Zahlen

Das Statistische Bundesamt hat auf Basis des Mikrozensus 2008neue Zahlen zu Einwohnern mit Migrationshintergrund inDeutschland vorgelegt. Der Bevölkerungsanteil derer, die nach1950 zugewandert sind (einschließlich ihrer Nachkommen)wuchs auf 19 Prozent. Von den 15,6 Millionen Menschen mitMigrationshintergrund waren 7,3 Millionen (8,9 Prozent derGesamtbevölkerung) Ausländer(innen) und 8,3 Millionen Deut-sche mit Migrationshintergrund (10,1 Prozent der Gesamtbe-völkerung). Download unter www.destatis.de. Amin Salim

Referat Migration und Integration im DCV,

Kontakt: [email protected]