1
Rechtsprechung 146 bbl 2009, Heft 4 August © Springer-Verlag 2009 für Tirol erlassen wird – Tir BauO 1998). Diese Bestim- mung ist in § 2 Abs 16 TBO 2001 wiederverlautbart. Der VwGH hat dazu ausgeführt, dass auch Lauben- und Erschließungsgänge, mögen sie auch an drei Seiten of- fen sein, nicht allein deshalb, also ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk, als „untergeordneter Bauteil“ anzusehen sind (vgl das Erk v 5.12.2000, 99/06/0089). Damit hat der VwGH klargestellt, dass bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, auch auf die Di- mensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist. Auch ohne dass ein Bauteil eine „Raumbildung“ entfaltet, kann im Hinblick auf seine Größe das Vorliegen eines untergeordneten Bauteils zu verneinen sein. Dies geht auch klar aus der Bestim- mung des § 2 Abs 16 TBO 2001 hervor, worin vom Merkmal der Raumbildung keine Rede ist. Ein Vergleich der in des § 2 Abs 16 TBO 2001 ange- führten Bauteile mit der im vorliegenden Fall gegebe- nen „Wandscheibe“ lässt hier keinen Zweifel auom- men, dass die Baubeh und dieser folgend die bel Beh die gegenständliche Wandscheibe auf Grund ihrer Größe und Bauart ohne Rechtsirrtum nicht als untergeordne- ten Bauteil iSd § 2 Abs 16 TBO 2001 qualifiziert hat. Auf das Vorbringen, wonach die Sachverständigen die Fra- ge der Raumbildung nicht schlüssig beantwortet hät- ten, war daher nicht einzugehen. (Abweisung) Wien „Schanigarten“; Flugdach; Markise; bewilligungs- pflichtige Baumaßnahmen DOI 10.1007/s00738-009-0673-6 §§ 60 Abs 1 lit a, 62a Abs 1 Z 13 und 33 wr BauO Eine seitlich offene, auf mehreren Stützen ruhen- de, freistehende Dachvorrichtung ist (als „Flug- dach“) auch dann baubewilligungspflichtig, wenn das Dach aus einer ausrollbaren Markise besteht. VwGH 30.4.2009, 2006/05/0264 <114> Aus der Begründung: Entgegen der Beschwerde erweist sich die von der bel Beh vertretene – oben wiedergege- bene – Auffassung, dass die vorliegende Konstruktion (eine – seitlich offen und freistehend – auf mehreren Stützen ruhende Dachvorrichtung) aus grammatikali- scher, aus normsystematischer und (nach den Gesetzes- mat) aus historischer Sicht nicht als „Markise“ iSd § 62a Abs 1 Z 33 BO eingestuſt werden kann, als rechtskon- form. Daran vermag der geltend gemachte Umstand nichts zu ändern, dass das Dach im vorliegenden Fall aus einer (ausrollbaren) Markise besteht, zumal sich jedenfalls im ausgerollten Zustand (offensichtlich be- stimmungsgemäß zum Schutz der Gäste im „Schanig- arten“) eine im Kontext der angesprochenen Regelun- gen der BO als Flugdach einordenbare Baulichkeit er- gibt, die angesichts ihrer unbestrittenen Ausmaße nicht Mindestabstände; untergeordnete Bauteile; überdi- mensionale Wandscheibe an der Außenfassade DOI 10.1007/s00738-009-0672-7 § 2 Abs 16 tir BauO 2001 Bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, ist auch auf die Dimensionie- rung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk Be- dacht zu nehmen. Eine schräggestellte „Wandscheibe“ an der Außenfassade des Gebäudes mit einer Höhe von 6,50 m und eine Tiefe von 50 cm stellt keinen untergeordneten fassadengestaltenden Bauteil mehr dar. VwGH 31.3.2009, 2005/06/0064 <113> Aus der Begründung: Der Bf bringt zusammengefasst in seiner Beschwerde vor, dass die gegenständliche Wandscheibe einen untergeordneten Bauteil iSd § 2 Abs 16 TBO darstelle. Grundsätzlich sei von der Bau- freiheit auszugehen, das heiße, Einschränkungen be- treffend das Bauen müssten gesetzlich normiert sein. Unter Hinweis auf die Rsp des VwGH insb zum frühe- ren § 7 Abs 4 lit b TBO 1978 verweist er darauf, dass es sich bei „untergeordneten Bauteilen“ durchwegs um vorspringende – horizontale oder vertikale – Gliede- rungen des Gebäudes handle, denen der Charakter ei- nes Raumes fehle. Auch bei ähnlichen Bauteilen sei das Vorspringen in horizontaler oder vertikaler Richtung ein wesentliches Merkmal. Im gegenständlichen Fall springe die gegenständliche Mauerscheibe vertikal in den Mindestabstand vor. Der Charakter des Raumes fehle vollständig. Die Ansicht, dass die Wandscheibe auf Grund ihrer Höhe nicht mehr als untergeordnet angesehen werden könne, sei verfehlt, da auch ein Ka- min von 6,5 m Höhe oder ein Windfang von 6,5 m zulässig sei. Der Begriff „untergeordnet“ bedeute nicht, dass dabei auf die Größe abzustellen sei, sondern einzig und allein darauf, ob es sich um eine raumbildende Gestaltung handle oder nicht. Die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Wand- scheibe schließt nach dem, dem Verwaltungsakt einlie- genden Einreichplan an das in diesem Bereich als Ter- rasse ausgebaute Dach des Hauses an und verläuſt in einer Länge von 2,5 m mit einem Winkel von ca 30 Grad in südöstlicher Richtung zur südlichen Hausfront. Nur am Schnittpunkt Hausaußenwand und Wandscheibe kommt der Wandscheibe Trägerfunktion zu. Der Bau- teil weist eine Höhe von ca 6,50 m und eine Tiefe von ca. 50 cm auf. Die Wandscheibe liegt unbestrittener Maßen zu einem großen Teil im Mindestabstandsbe- reich von 4 m zu den Nachbargrundstücken, ragt aber auf Grund der Schrägstellung nicht mehr als 1,5 m in diesen. Mit der Tir BauO 1998 wurde die Begriffsbestim- mung der „untergeordneten Bauteile“ in § 2 Abs 16 neu aufgenommen (vgl die Ausführungen auf S 21 f der Erl Bem zum Entwurf eines G, mit dem eine Bauordnung

Mindestabstände; untergeordnete Bauteile; überdimensionale Wandscheibe an der Außenfassade

  • Upload
    k-giese

  • View
    217

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Mindestabstände; untergeordnete Bauteile; überdimensionale Wandscheibe an der Außenfassade

Rechtsprechung146bbl2009, Heft 4

August

© Springer-Verlag 2009

für Tirol erlassen wird – Tir BauO 1998). Diese Bestim-mung ist in § 2 Abs 16 TBO 2001 wiederverlautbart. Der VwGH hat dazu ausgeführt, dass auch Lauben- und Erschließungsgänge, mögen sie auch an drei Seiten of-fen sein, nicht allein deshalb, also ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk, als „untergeordneter Bauteil“ anzusehen sind (vgl das Erk v 5.12.2000, 99/06/0089). Damit hat der VwGH klargestellt, dass bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, auch auf die Di-mensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist. Auch ohne dass ein Bauteil eine „Raumbildung“ entfaltet, kann im Hinblick auf seine Größe das Vorliegen eines untergeordneten Bauteils zu verneinen sein. Dies geht auch klar aus der Bestim-mung des §  2 Abs 16 TBO 2001 hervor, worin vom Merkmal der Raumbildung keine Rede ist.

Ein Vergleich der in des § 2 Abs 16 TBO 2001 ange-führten Bauteile mit der im vorliegenden Fall gegebe-nen „Wandscheibe“ lässt hier keinen Zweifel aufkom-men, dass die Baubeh und dieser folgend die bel Beh die gegenständliche Wandscheibe auf Grund ihrer Größe und Bauart ohne Rechtsirrtum nicht als untergeordne-ten Bauteil iSd § 2 Abs 16 TBO 2001 qualifiziert hat. Auf das Vorbringen, wonach die Sachverständigen die Fra-ge der Raumbildung nicht schlüssig beantwortet hät-ten, war daher nicht einzugehen. (Abweisung)

Wien

„Schanigarten“; Flugdach; Markise; bewilligungs-pflichtige Baumaßnahmen

DOI 10.1007/s00738-009-0673-6

§§ 60 Abs 1 lit a, 62a Abs 1 Z 13 und 33 wr BauO

Eine seitlich offene, auf mehreren Stützen ruhen-de, freistehende Dachvorrichtung ist (als „Flug-dach“) auch dann baubewilligungspflichtig, wenn das Dach aus einer ausrollbaren Markise besteht.

VwGH 30.4.2009, 2006/05/0264 <114>

Aus der Begründung: Entgegen der Beschwerde erweist sich die von der bel Beh vertretene – oben wiedergege-bene – Auffassung, dass die vorliegende Konstruktion (eine – seitlich offen und freistehend – auf mehreren Stützen ruhende Dachvorrichtung) aus grammatikali-scher, aus normsystematischer und (nach den Gesetzes-mat) aus historischer Sicht nicht als „Markise“ iSd § 62a Abs 1 Z 33 BO eingestuft werden kann, als rechtskon-form. Daran vermag der geltend gemachte Umstand nichts zu ändern, dass das Dach im vorliegenden Fall aus einer (ausrollbaren) Markise besteht, zumal sich jedenfalls im ausgerollten Zustand (offensichtlich be-stimmungsgemäß zum Schutz der Gäste im „Schanig-arten“) eine im Kontext der angesprochenen Regelun-gen der BO als Flugdach einordenbare Baulichkeit er-gibt, die angesichts ihrer unbestrittenen Ausmaße nicht

Mindestabstände; untergeordnete Bauteile; überdi-mensionale Wandscheibe an der Außenfassade

DOI 10.1007/s00738-009-0672-7

§ 2 Abs 16 tir BauO 2001

Bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, ist auch auf die Dimensionie-rung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk Be-dacht zu nehmen.

Eine schräggestellte „Wandscheibe“ an der Außenfassade des Gebäudes mit einer Höhe von 6,50 m und eine Tiefe von 50 cm stellt keinen untergeordneten fassadengestaltenden Bauteil mehr dar.

VwGH 31.3.2009, 2005/06/0064 <113>

Aus der Begründung: Der Bf bringt zusammengefasst in seiner Beschwerde vor, dass die gegenständliche Wandscheibe einen untergeordneten Bauteil iSd §  2 Abs 16 TBO darstelle. Grundsätzlich sei von der Bau-freiheit auszugehen, das heiße, Einschränkungen be-treffend das Bauen müssten gesetzlich normiert sein. Unter Hinweis auf die Rsp des VwGH insb zum frühe-ren § 7 Abs 4 lit b TBO 1978 verweist er darauf, dass es sich bei „untergeordneten Bauteilen“ durchwegs um vorspringende – horizontale oder vertikale – Gliede-rungen des Gebäudes handle, denen der Charakter ei-nes Raumes fehle. Auch bei ähnlichen Bauteilen sei das Vorspringen in horizontaler oder vertikaler Richtung ein wesentliches Merkmal. Im gegenständlichen Fall springe die gegenständliche Mauerscheibe vertikal in den Mindestabstand vor. Der Charakter des Raumes fehle vollständig. Die Ansicht, dass die Wandscheibe auf Grund ihrer Höhe nicht mehr als untergeordnet angesehen werden könne, sei verfehlt, da auch ein Ka-min von 6,5 m Höhe oder ein Windfang von 6,5 m zulässig sei. Der Begriff „untergeordnet“ bedeute nicht, dass dabei auf die Größe abzustellen sei, sondern einzig und allein darauf, ob es sich um eine raumbildende Gestaltung handle oder nicht.

Die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Wand-scheibe schließt nach dem, dem Verwaltungsakt einlie-genden Einreichplan an das in diesem Bereich als Ter-rasse ausgebaute Dach des Hauses an und verläuft in einer Länge von 2,5 m mit einem Winkel von ca 30 Grad in südöstlicher Richtung zur südlichen Hausfront. Nur am Schnittpunkt Hausaußenwand und Wandscheibe kommt der Wandscheibe Trägerfunktion zu. Der Bau-teil weist eine Höhe von ca 6,50 m und eine Tiefe von ca. 50 cm auf. Die Wandscheibe liegt unbestrittener Maßen zu einem großen Teil im Mindestabstandsbe-reich von 4 m zu den Nachbargrundstücken, ragt aber auf Grund der Schrägstellung nicht mehr als 1,5 m in diesen.

Mit der Tir BauO 1998 wurde die Begriffsbestim-mung der „untergeordneten Bauteile“ in § 2 Abs 16 neu aufgenommen (vgl die Ausführungen auf S 21 f der Erl Bem zum Entwurf eines G, mit dem eine Bauordnung