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394 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 6 Michael Amsler, Karel Thoma, Daniel Heinzmann DOI: 10.1002/best.201400003 FACHTHEMA Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte Versuch und Nachrechnungen 1 Einleitung und Versuchsziel 1.1 Einleitung Die Verstärkung von bestehenden Flachdecken aufgrund von Defiziten im Durchstanzwiderstand ist in der Bau- praxis eine aktuelle Aufgabenstellung. Zur Erhöhung des Durchstanzwiderstands kommen nachträglich eingebohr- te Querkraftbewehrungen [1], externe Vorspannsyste- me [2] und gelegentlich externe Stahlpilze [3] zum Ein- satz. Sind die geometrischen Randbedingungen eng und/oder muss der Durchstanzwiderstand erheblich er- höht werden, ist die Anwendung eines bewehrten Auf- betons in Kombination mit den erwähnten Verstärkungs- maßnahmen zielführend. Aufgrund fehlender experimenteller und theoretischer Grundlagen für mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplat- ten wurde an der Hochschule Luzern – Technik & Archi- tektur ein mit Aufbeton und nachträglich eingebauter Querkraftbewehrung verstärkter Durchstanzversuch durchgeführt [4]. Die Versuchsergebnisse werden mit den Normvorgaben des Eurocode 2 [5] und der Theorie des kritischen Schubrisses [6, 7] verglichen; letzteres bildet die Grundlage für die Norm SIA 262:2013 [8] und für den Model Code 2010 [9]. 1.2 Versuchsziel Ziel des Versuchs war es, den Einfluss einer nachträglich eingebauten Querkraftbewehrung in Kombination mit ei- nem Aufbeton auf das Last-Verformungs-Verhalten resp. den Durchstanzwiderstand zu untersuchen. Der Versuch wurde so konzipiert, dass ein Versagen der Druckstrebe in Stützennähe zu erwarten war. 2 Versuch 2.1 Geometrie und Bewehrung Der in Bild 1 dargestellte Versuchskörper weist eine Sei- tenlänge von 3,30 m und eine gesamte Plattendicke von 30 cm auf. Diese setzt sich aus einer unverstärkten 22 cm dicken Platte und einer Verstärkung mit 8 cm Aufbeton zusammen. Die unverstärkte Platte wies sowohl in x- als auch in y-Richtung die gleiche Biegebewehrung auf; die obere Be- wehrung wurde mit 31 16 und die untere Bewehrung mit 31 10 Stäben ausgeführt. Der Aufbeton enthält zwei Bewehrungslagen mit einem Durchmesser von 14 mm, deren Enden mit aufgestauchten Köpfen versehen waren Sowohl restriktivere Anforderungen an den Durchstanzwider- stand [5, 8, 9] als auch höhere Einwirkungen erfordern bei punktgestützten Flachdecken oft deren Verstärkungen. In die- sem Beitrag wird eine Verstärkung mit Aufbeton und zusätz- licher Querkraftbewehrung diskutiert. Dazu wird ein an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur durchgeführter Durchstanzversuch mit Aufbeton [4] vorgestellt. Bei diesem Versuch wurde eine unverstärkte Durchstanzplatte vorbelastet und nach einer teilweisen Entlastung mit einem bewehrten Aufbeton und nachträglich eingebauter Querkraftbewehrung verstärkt und bis zum Bruch belastet. Nach der Beschreibung des Bauteilversuchs werden die Messresultate dargestellt und die Bruchlast mit den Berechnungsergebnissen ausgewählter Theorien zur Berechnung des Durchstanzwiderstands vergli- chen. Dabei wird untersucht, wie sich die Wahl der statischen Nutzhöhe der verstärkten Platte auf das Last-Verformungs-Ver- halten resp. den Durchstanzwiderstand der Platte auswirkt. Zum Abschluss wird aufgezeigt, in welchen Bereichen weiterer Forschungsbedarf besteht. Punching slab strengthened with an additional concrete layer – Test and recalculations Due to more restrictive requirements for the punching resist- ance [5, 8, 9] as well as increased loads, point supported flat slabs often need strengthening. In this paper, a strengthening method consisting of an additional concrete layer and addition- al shear reinforcement is discussed. Thereto a punching test with an additional concrete layer [4] carried out at the Depart- ment of Engineering and Architecture of the Lucerne University of Applied Sciences and Arts is presented. In this test a non- strengthened punching slab is preloaded, partially unloaded, reinforced with an additional concrete layer and shear rein- forcement and then loaded to failure. After a description of the structural member test, the measurements are presented and the failure load is compared to the punching resistances calcu- lated with selected theoretical models. Within this context it is analysed how the chosen effective depth of the strengthened slab influences the load and deformation behaviour as well as the punching resistance of the slab. Finally, areas requiring fur- ther research are pointed out.

Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte

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Page 1: Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte

394 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 6

Michael Amsler, Karel Thoma, Daniel Heinzmann

DOI: 10.1002/best.201400003

FACHTHEMA

Mit Aufbeton verstärkte DurchstanzplatteVersuch und Nachrechnungen

1 Einleitung und Versuchsziel1.1 Einleitung

Die Verstärkung von bestehenden Flachdecken aufgrundvon Defiziten im Durchstanzwiderstand ist in der Bau-praxis eine aktuelle Aufgabenstellung. Zur Erhöhung desDurchstanzwiderstands kommen nachträglich eingebohr-te Querkraftbewehrungen  [1], externe Vorspannsyste-me  [2] und gelegentlich externe Stahlpilze  [3] zum Ein-satz. Sind die geometrischen Randbedingungen engund/oder muss der Durchstanzwiderstand erheblich er-höht werden, ist die Anwendung eines bewehrten Auf -betons in Kombination mit den erwähnten Verstärkungs-maßnahmen zielführend.

Aufgrund fehlender experimenteller und theoretischerGrundlagen für mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplat-ten wurde an der Hochschule Luzern – Technik & Archi-tektur ein mit Aufbeton und nachträglich eingebauterQuerkraftbewehrung verstärkter Durchstanzversuchdurchgeführt [4]. Die Versuchsergebnisse werden mit denNormvorgaben des Eurocode 2  [5] und der Theorie deskritischen Schubrisses  [6, 7] verglichen; letzteres bildetdie Grundlage für die Norm SIA 262:2013 [8] und für denModel Code 2010 [9].

1.2 Versuchsziel

Ziel des Versuchs war es, den Einfluss einer nachträglicheingebauten Querkraftbewehrung in Kombination mit ei-nem Aufbeton auf das Last-Verformungs-Verhalten resp.den Durchstanzwiderstand zu untersuchen. Der Versuchwurde so konzipiert, dass ein Versagen der Druckstrebein Stützennähe zu erwarten war.

2 Versuch2.1 Geometrie und Bewehrung

Der in Bild 1 dargestellte Versuchskörper weist eine Sei-tenlänge von 3,30 m und eine gesamte Plattendicke von30 cm auf. Diese setzt sich aus einer unverstärkten 22 cmdicken Platte und einer Verstärkung mit 8 cm Aufbetonzusammen.

Die unverstärkte Platte wies sowohl in x- als auch in y-Richtung die gleiche Biegebewehrung auf; die obere Be-wehrung wurde mit 31∅16 und die untere Bewehrungmit 31∅10 Stäben ausgeführt. Der Aufbeton enthält zweiBewehrungslagen mit einem Durchmesser von 14  mm,deren Enden mit aufgestauchten Köpfen versehen waren

Sowohl restriktivere Anforderungen an den Durchstanzwider-stand [5, 8, 9] als auch höhere Einwirkungen erfordern beipunktgestützten Flachdecken oft deren Verstärkungen. In die-sem Beitrag wird eine Verstärkung mit Aufbeton und zusätz -licher Querkraftbewehrung diskutiert. Dazu wird ein an derHochschule Luzern – Technik & Architektur durchgeführterDurchstanzversuch mit Aufbeton [4] vorgestellt. Bei diesemVersuch wurde eine unverstärkte Durchstanzplatte vorbelastetund nach einer teilweisen Entlastung mit einem bewehrtenAufbeton und nachträglich eingebauter Querkraftbewehrungverstärkt und bis zum Bruch belastet. Nach der Beschreibungdes Bauteilversuchs werden die Messresultate dargestellt unddie Bruchlast mit den Berechnungsergebnissen ausgewählterTheorien zur Berechnung des Durchstanzwiderstands vergli-chen. Dabei wird untersucht, wie sich die Wahl der statischenNutzhöhe der verstärkten Platte auf das Last-Verformungs-Ver-halten resp. den Durchstanzwiderstand der Platte auswirkt.Zum Abschluss wird aufgezeigt, in welchen Bereichen weitererForschungsbedarf besteht.

Punching slab strengthened with an additional concrete layer– Test and recalculationsDue to more restrictive requirements for the punching resist-ance [5, 8, 9] as well as increased loads, point supported flatslabs often need strengthening. In this paper, a strengtheningmethod consisting of an additional concrete layer and addition-al shear reinforcement is discussed. Thereto a punching testwith an additional concrete layer [4] carried out at the Depart-ment of Engineering and Architecture of the Lucerne Universityof Applied Sciences and Arts is presented. In this test a non-strengthened punching slab is preloaded, partially unloaded,reinforced with an additional concrete layer and shear rein-forcement and then loaded to failure. After a description of thestructural member test, the measurements are presented andthe failure load is compared to the punching resistances calcu-lated with selected theoretical models. Within this context it isanalysed how the chosen effective depth of the strengthenedslab influences the load and deformation behaviour as well asthe punching resistance of the slab. Finally, areas requiring fur-ther research are pointed out.

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Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 6 395

M. Amsler, K. Thoma, D. Heinzmann: Punching slab strengthened with an additional concrete layer

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(System: anco-Fix). Die Bewehrungsüberdeckung betrug20 mm.

Zur Verstärkung der Platte wurden von der Mitte des Ver-suchskörpers aus in radialer Richtung acht Reihen mit jefünf Gewindestangen als Querkraftbewehrung eingebaut,Bilder 1 und 2. Die Gewindestangen wiesen einen Durch-messer von 16 mm auf. Um die Lagegenauigkeit der Ge-windestangen sicherzustellen und um Abplatzungen derBetonoberfläche beim Durchbohren der Platte zu verhin-dern, wurden in der unverstärkten Platte Plexiglas-Rohre∅16 mm vorgesehen, die im Rahmen der Verstärkung derPlatte auf einen Durchmesser ∅20 mm aufgebohrt wur-den. Außerhalb dieses querkraftverstärkten Bereichs wur-den in der aufgerauten Verbundfuge zwischen der unver-stärkten Platte und dem Aufbeton 124 Schubverbindervom Typ Hilti HCC-B eingebracht [10]. Der Schubwider-stand der Schubverbinder entsprach dabei der Fließzug-

kraft der im Aufbeton vorgesehenen Biegebewehrung. Inden Randbereichen der Platte wurden abgebogene Be-wehrungsstäbe eingebaut, um ein Aufreißen der Verbund-fuge am Plattenrand infolge Schwindens zu verhindern.In Bild 3 sind die vorgesehenen Verstärkungen vor demEinbringen des Aufbetons dargestellt.

2.2 Baustoffe

Der Beton der unverstärkten Platte wies ein Größtkornvon d  = 32  mm und der des Aufbetons eines vond = 16 mm auf. Die Werkstoffeigenschaften des Betonssind in den Tab. 1 und 2 zusammengestellt. Diese wurdenan fünf Prüfzylindern mit einer Höhe von 320 mm und ei-nem Durchmesser von 160 mm an den Versuchstagen be-stimmt. Die Zugfestigkeit wurde mittels vier Double-Punch-Versuchen [12, 13] ermittelt. Drei Zylinder wurdenzur Ermittlung des Elastizitätsmoduls Ec und der Zylin-derdruckfestigkeit fcc verwendet. Der Elastizitätsmodulentspricht dem Sekantenmodul zwischen 0,75 MPa und

Bild 1 Versuchskörper: (a) Grundriss, (b) Schnitt; Abmessungen in cmTest specimen: (a) plan view, (b) section; Dimensions in cm

Bild 2 Bewehrungsdetails: (a) Verbundbewehrung, (b) Querkraftbewehrung;Abmessungen in [mm]Reinforcement details: (a) bond reinforcement; (b) shear reinforce-ment; Dimensions in [mm]

Bild 3 Versuchskörper vor dem Einbringen des AufbetonsTest specimen before the additional concrete layer is cast

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M. Amsler, K. Thoma, D. Heinzmann: Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte

fcc/3. Der Spannungszuwachs betrug in allen Werkstoff-prüfungen für den Beton 0,28 MPa/s.

Die Werkstoffparameter der Betonstähle resp. der Gewin-destangen sind in Tab. 3 zusammengefasst. Es wurdenmindestens drei Zugversuche pro Stahlqualität durchge-führt. Zur Bestimmung der statischen Festigkeitswertewurde vor der Fließgrenze, bei etwa 2,2 ‰, und im Be-reich der plastischen Verformungen, bei etwa 3,5 % undbei etwa 7 % der Dehnung bezogen auf eine Messlängevon rund 200 mm, die Dehnung für zwei Minuten kon-stant gehalten. Der Spannungszuwachs bis zum Errei-chen der Fließgrenze betrug 10  MPa/s; anschließendwurde der Versuch mit der zehnfachen Geschwindigkeitfortgesetzt; dies entsprach einer Zunahme der Dehnungvon zirka 30 ‰/min.

2.3 Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung

Wie in Bild 1  (b) dargestellt, wurde der Versuchskörpermittig auf ein Stahlauflager mit einem Durchmesser von300 mm gelagert, und mit 16 radial gleichmäßig angeord-neten Zylindern belastet, deren Abstand rq von der Mittedes Auflagers 1,50 m betrug. Die Kraft in den Zylindernwurde mithilfe von Kraftmessdosen aufgezeichnet. DieKrafteinleitung erfolgte während des gesamten Versuchsauf der Höhe der unverstärkten Platte, Bild 1 (b).

Der Versuch ist in zwei Phasen durchgeführt worden. Inder ersten Phase wurde die unverstärkte Betonplatte inzwei Laststufen auf 500 kN (inkl. Eigenlast) belastet. Umden Effekt von Langzeiteinflüssen zu simulieren, wurdediese Last für 21 Tage konstant gehalten. Die Verstärkungerfolgte anschließend nach einer Entlastung auf 300 kN.Der Einbau der Schubverbinder (Bild  2  (a)), der Quer-kraftbewehrung (Bild 2 (b)), der Biegebewehrung (Bild 3)und das Aufbetonieren erfolgten während dieser Last -stufe. Letzteres verursachte eine Erhöhung der Last auf320  kN. Die Betonoberfläche der unverstärkten Plattewurde vor dem Versuchsstart mittels Hochdruckwasser-strahlens aufgeraut. Die Rautiefe der Oberfläche betrugnach dem Sandflächenverfahren 2,2 mm [13]. Unmittel-bar vor dem Aufbetonieren wurde die Oberfläche gerei-nigt und mit Wasser befeuchtet. Sieben Tage nach demEinbringen des Aufbetons wurde der Versuchskörper infünf Laststufen bis zum Bruch belastet.

Tab. 1 Werkstoffparameter Beton unverstärkte Platte (Mittelwerte)Concrete material parameters of the non-strengthened slab (average values)

Alter Prüfkörper [d] 14 36 42 49 53

Datum 07.05. 29.05. 04.06. 11.06. 15.06.

Versuchstag 2 24 30 37 41

Zylinderdruckfestigkeit fcc [N/mm2] 47,2 51,9 51,6 53,8 52,5

Spaltzugfestigkeit fcts [N/mm2] 3,6 4,2 4,1 4,2 4,4

Elastizitätsmodul Ec [kN/mm2] 31,7 33,0 32,6 33,0 33,3

Tab. 2 Werkstoffparameter Aufbeton (Mittelwerte)Material parameters of the additional concrete layer (average values)

Alter Prüfkörper [d] 7 9 11

Datum 11.06 13.06. 15.06.

Versuchstag 37 39 41

Zylinderdruckfestigkeitfcc [N/mm2] 23,2 24,7 25,1

Spaltzugfestigkeitfcts [N/mm2] 2,2 – 2,4

ElastizitätsmodulEc [kN/mm2] 22,9 – 23,2

Tab. 3 Werkstoffparameter Betonstahl (Mittelwerte)Reinforcing steel material parameters (average values)

Durchmesser [mm] 10 12 14 16 16

Qualität B500B1) B500B1) anco FIX2) B500B1) Gew.-stangen1)

Anzahl Prüfstäbe [Stk.] 3 3 3 3 4

Dynamische Fließgrenze fsy,dyn [N/mm2] 4993) 4763) 553 4963) 6083)

Statische Fließgrenze fsy,stat [N/mm2] 480 461 533 478 593

Dynamische Zugfestigkeit fsu,dyn [N/mm2] 632 610 641 634 739

Statische Zugfestigkeit fsu,stat [N/mm2] 592 571 592 600 693

Dehnung bei Höchstlast Agt [‰] 101 101 82 101 55

Dehnung bei Verfestigungsbeginn εsv [‰] – – 22,5 – –

Bruchdehnung εsu [‰] 115 129 107 127 62

Elastizitätsmodul Es [kN/mm2] 190 186 203 193 180

1) kaltverformter Stahl; 2) warmgewalzter Stahl; 3) 2 ‰-Dehngrenze

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M. Amsler, K. Thoma, D. Heinzmann: Punching slab strengthened with an additional concrete layer

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Die vertikalen Deformationen wurden mit insgesamt 16induktiven Wegaufnehmern kontinuierlich gemessen.Bild 4 (d) zeigt die Lage der vier Wegaufnehmer W4, W8,W12 und W16, deren Resultate als Grundlage für dienachfolgende Nachrechnung verwendet wurden. Eineausführliche Zusammenstellung der Versuchsergebnisseist in [4] ersichtlich.

2.4 Versuchsergebnisse

Bild 4 (c) zeigt die Verformungen w in Abhängigkeit vonder Zeit t ab Versuchsstart, und in Bild 4 (a) ist der Ver-lauf der Last V in Abhängigkeit von der Zeit t dargestellt.Beide Kurvenverläufe zeigen, dass die Verformungen beikonstanter Last zwischen dem zweiten und dem 23. Ver-suchstag weiter zugenommen haben, und dass die Verfor-mungen entlang der y-Achse generell größer sind als die-jenigen entlang der x-Achse; dies liegt an den unterschied-lichen inneren Hebelarmen der Bewehrungen. Die Ver-formung w entspricht dem Mittelwert der Verformungender Wegaufnehmer W4 und W12 bzw. W8 und W16.

In Bild 4 (b) ist die Last V in Abhängigkeit von den Ver-formungen w dargestellt. Nach der Entlastung und derVerstärkung des Versuchskörpers ist die Biegesteifigkeitgrößer als die der unverstärkten Platte. Im Allgemeinensetzt sich die Last V aus der Summe aller Kräfte der Zylin-der, dem Eigengewicht des unverstärkten resp. verstärk-ten Versuchskörpers von 59,9 resp. 80,5 kN und dem Ei-gengewicht der Zugpressen inkl. Lagerplatten von 1,4 kNzusammen. Die Bruchlast Vu betrug 2,4 MN.

Der Bruch trat in der Nähe des Auflagers ein. Aus dennachträglich erstellten Sägeschnitten durch den Versuchs-körper (Bilder  5 und 6) ist ersichtlich, dass in der Platte eine ausgeprägte Rissbildung im auflagernahen Be-

reich vorhanden ist. Dies lässt auf eine Aktivierung dernachträglich eingebohrten Querkraftbewehrungen schlie-ßen.

3 Versuchsnachrechnungen und Interpretation3.1 Annahmen

Die Versuchsergebnisse wurden mit den Normvorgabendes EC2  [5] und der Theorie des kritischen Schubrisses(CSCT) [6, 7] verglichen. Für die Berechnungen ist einestarr-ideal plastische Werkstoffbeziehung für den Stahl

Bild 4 Versuchsresultate: (a) Last-Zeit-Diagramm, (b) Last-Deformations-Diagramm, (c) Weg-Zeit-Diagramm, (d) Lage der Wegaufnehmer [mm]Test results: (a) load vs. time diagram, (b) load vs. deformation diagram, (c) deformation vs. time diagram, (d) location of the displacement transducers in [mm]

Bild 5 Rissbilder im BruchzustandCrack patterns at failure

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angenommen worden. Der Umfang des Nachweisschnittsu0 resp. b0,col musste aufgrund der Bohrungen der nach-träglichen Querkraftbewehrung um Δu0 bzw. Δb0,col redu-ziert werden; die der Berechnung zugrunde gelegten Wer-te sind in Tab. 1 angeben.

Die unverstärkte Platte wurde in der ersten Phase desVersuchs auf 500 kN inkl. Eigenlast belastet. Diese Lastentspricht 69 % resp. 70 % des Durchstanzwiderstandsnach EC2 resp. CSCT ohne Querkraftbewehrung; denBerechnungen wurde der Mittelwert der Zylinderdruck-festigkeit nach 14 Tagen zugrunde gelegt, Tab. 1.

Für die Versuchsnachrechnung der verstärkten Plattenach EC2 und CSCT sind die Betoneigenschaften der un-verstärkten Platte mit der Zylinderdruckfestigkeit nach49 Tagen (Tab. 1) und dem Größtkorn von 32 mm für diegesamte mit Aufbeton verstärkte Platte angenommenworden. Die Zylinderdruckfestigkeit wurde zur Berück-sichtigung der Langzeitbeanspruchung mit dem Faktor0,85 multipliziert [14]. Die statische Nutzhöhe ist zum ei-nen auf den Schwerpunkt der gesamten resultierendenZugkraft (Biegebewehrung) der verstärkten Platte mitd = 222 mm und zum anderen auf den Schwerpunkt derresultierenden Zugkraft der Bewehrung im Aufbeton mitd = 266 mm bezogen worden, Bild 8. Die zugehörigen Be-wehrungsgehälter in x- resp. y-Richtung betrugen 1,45 %resp. 1,56 % für d = 222 mm und 1,22 % resp. 1,29 % fürd = 266 mm.

3.2 Versuchsnachrechnung mit EC2-Ansatz

Die Durchstanzwiderstände VR,EC2 nach EC2 in Abhän-gigkeit von der statischen Nutzhöhen d sind in Tab. 4 auf-geführt. Die angegebenen Werte ergeben sich aus der Be-

messungsgleichung für den maximalen Durchstanzwider-stand [15] unter Berücksichtigung des Korrigendums in[16] zu

(1)

mit:

(2)

und:fck 5 %-Fraktilwert der Betonzylinderdruckfestigkeitu0 Umfang entlang des Stützenrundschnittsd statische Nutzhöheγc Partialsicherheitsbeiwert für Beton (γc = 1,50)

Unter Beachtung der statischen Nutzhöhe von 222 mmist der Durchstanzwiderstand außerhalb des mit Durch-stanzbewehrung verstärkten Bereichs der Platte im Ver-gleich zu VR,EC2 um 7 % tiefer. Ansonsten wird das Versagen im Nahbereich des Auflagers mit den Normbe-stimmungen des EC2 korrekt wiedergegeben. Die Durch-stanzwiderstände, berechnet nach dem EC2, unterschät-zen die im Versuch ermittelte Bruchlast Vu. Unter Berück-sichtigung des Grundsatzes, dass die Regelungen des EC2für die Bemessung von Neubauten gelten, ist die Überein-stimmung ausreichend genau.

3.3 Versuchsnachrechnung mit CSC-Theorie

Die auf Basis der Theorie des kritischen Schubrisses [6, 7]ermittelten Durchstanzwiderstände VR,CSCT sind in Tab. 4zusammengestellt. Dabei wird zwischen einem Durch-stanzwiderstand ohne Durchstanzbewehrung VR,CSCT,c(3) und einem kombinierten Querkraftversagen des Be-tons unter Berücksichtigung der QuerkraftbewehrungVR,CSCT,in (4) unterschieden:

V VR EC Rd max c2 ·, ,

Vf f

u d0.4 · 0.6 1250MPaRd max

ck ck

c0· · · ·,

Bild 6 Schnitte durch den Versuchskörper: (a) Schnitt in x-Richtung, (b) Schnitt in y-RichtungSectional views of the specimen: (a) section in x-direction, (b) sectionin y-direction

Tab. 4 Zusammenfassung der Versuchs- und BerechnungsergebnisseSummary of the experimental and analytical results

Statische Nutzhöhe d [mm] 222 266

Vu [MN] 2,40 2,40

VR,EC2 [MN] 1,69 2,03

VR,CSCT,in [MN] 2,182 1,964

VR,CSCT,crush (λ = 2,00) [MN] 1,552 1,785

VR,CSCT,crush (λ = 2,50) [MN] 1,774 2,033

VR,CSCT,crush (λ = 3,00) [MN] 1,971 2,251

VR,CSCT,crush (λ = 3,50) [MN] 2,149 2,448

Vflex,line [MN] 2,555 2,555

Vflex,fan [MN] 2,885 2,885

u0 (EC2)1) [mm] 942 942

Δu0 (EC2) 1) [mm] 92 92

b0,col (CSCT) 2) [mm] 1480 1605

Δb0,col (CSCT) 2) [mm] 160 174

Umfang Stützenrundschnitt: 1) Stützenrand 2) Abstand 0.5 · d vom Stützenrand

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mit:ψser Plattenrotation infolge VorbelastungψΔ Differenz zwischen der Plattenrotation rs Abstand Stützenzentrum zu Momentennullpunktfsy Fließspannung der Biegebewehrung im AufbetonEs Elastizitätsmodul der Biegebewehrung im Auf -

betonVflex,fan rotationssymmetrischer Biegemechanismus

Der zur Bestimmung der Plattenrotation ψ erforderlicheobere Grenzwert der Plastizitätstheorie der verstärktenPlatte Vflex,fan wurde über das Affinitätstheorem [17] be-stimmt. Dazu wurde der in Bild 7 (a) resp. Bild 7 (b) dar-gestellte Mechanismus angenommen. Der aus dem Lini-enmechanismus in Bild 7 (c) resultierende obere Grenz-wert der Plastizitätstheorie Vflex,line liegt tiefer als der rota-tionssymmetrische Mechanismus und entspricht derBiegetraglast der Platte, wie Bild 9 verdeutlicht. Zur Be-stimmung der Biegewiderstände wurde die effektive Be-tondruckfestigkeit aus der Zylinderdruckfestigkeit mit Be-rücksichtigung des Langzeiteffekts mit 2,7 · (0,85 · fcc)2/3

bestimmt [18]. Die dabei verwendeten Fließgrenzen derBewehrungen entsprechen den statischen Werten inTab. 3. Der Radius rs wurde über die Beziehung (8)

(8)

mit: rq Abstand Stützenzentrum zur Lasteinleitungrc StützenradiusmRx,mRy Biegewiderstände in x- bzw. in y-Richtung

ermittelt [7, 19]. Dies entspricht einer Transformation desMechanismus aus Bild  7  (a) in den Mechanismus ausBild 7 (b).

Die Berechnungen nach der Theorie des kritischenSchubrisses [6, 7] wurden ebenfalls für die zwei in Bild 8dargestellten statischen Nutzhöhen d durchgeführt.

Um einen Vergleich mit den Versuchsresultaten zu er-möglichen, wurden die Verschiebungen der vier Wegauf-nehmer W4, W8, W12 und W16 in z-Richtung gemitteltund entsprechend [20] in die Plattenrotation ψ am Stüt-zenrand (9) umgerechnet.

r V r r

m m( ) 1

2s flex fan q c

Rx Ry,

(3)

(4)

mit:b0,col Länge des Nachweisschnittsdg0 Größtkorndurchmesserdg Referenzkorndurchmesser (16 mm)ψ Plattenrotation

Aufgrund der bereits vorhandenen Plattenrotation beimEinbau der Querkraftbewehrung wurde zur Ermittlungdes Querkraftwiderstands der Querkraftbewehrung, inErgänzung zu [6] die Vorverformung ψser berücksichtigt.Da der Einbau der Querkraftbewehrung ohne Verbunderfolgte, reduziert sich die in [6] bzw. [9] angegebene Be-messungsgleichung zu:

(5)

mit:ψser Plattenrotation infolge VorbelastungAsw Fläche der aktivierten QuerkraftbewehrungEsw Elastizitätsmodul der Querkraftbewehrungfyw Fließspannung der Querkraftbewehrung

Der maximale Durchstanzwiderstand VR,CSCT,crush (6) istdurch ein Versagen der Druckstrebe im stützennahen Be-reich begrenzt. Es gilt

(6)

mit:λ Beiwert (λ ≥ 2,0)

Zur Berücksichtigung der Vorverformung der unverstärk-ten Platte wurde die Plattenrotation ψ in Funktion derdurchstanzwirksamen Last V entsprechend Bild 9 um dieTerme ψser und ψΔ ergänzt Gl. (7):

(7)

V V( ) ( )R CSCT crush R CSCT c·, , , ,

VE

A f A( ) 0( )

6R CSCT ssw ser

sw yw sw, ,

Vb d f

dd d

( ) 0.75 ·1 15

R CSCT ccol cc

g g

0

0

, ,,

V V V( ) ( ) ( )R CSCT in R CSCT c R CSCT s, , , , , ,

Vrd

f

EV

V( ) 1.50 ·ser

s sy

s flex fan

32

,

Bild 7 Biegemechanismen: (a) maßgebender Mechanismus, (b) transformier-ter Mechanismus, (c) LinienmechanismusBending mechanisms: (a) decisive mechanism, (b) transformed mech-anism; (c) yield line failure mechanism

Bild 8 Nachweisschnitte: (a) statische Nutzhöhe d bis zur Resultierenden derZugkraft, (b) statische Nutzhöhe d bis zum Schwerpunkt der Beweh-rung im AufbetonDesign sections: (a) effective depth d to the resultant tensile force, (b) effective depth d to the centroid of the reinforcement in the addi-tional concrete layer

Page 7: Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte

400 Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 6

M. Amsler, K. Thoma, D. Heinzmann: Mit Aufbeton verstärkte Durchstanzplatte

keit der verstärkten Platte mit der größeren statischenNutzhöhe d = 266 mm genauer abgebildet. Es zeigt sichhingegen, dass der Querkraftwiderstand VR,CSCT,in gerin-ger ist als für d = 222 mm. Dies ist darauf zurückzuführen,dass die Aktivierung der Querkraftbewehrung abhängigvon der Plattenrotation ψ ist. Für d = 222 mm würde theo-retisch die Fließspannung der Querkraftbewehrung er-reicht; für d = 266 mm hingegen verbleibt die Querkraftbe-wehrung im linear elastischen Bereich.

In Bild  10 ist der maximale DurchstanzwiderstandVR,CSCT,crush in Funktion der Plattenrotation ψ und desBeiwerts λ dargestellt. Im Gegensatz zur Berechnung mitλ = 2,0 kann für λ ≥ 3,0 ein Versagen außerhalb des quer-kraftverstärkten Bereichs nicht mehr ausgeschlossen wer-den. Für die statische Nutzhöhe d = 266  mm wird

(9)

Zur Berechnung der oberen Grenze des Durchstanzwi-derstands VR,CSCT,crush in Funktion der Plattenrotation ψwurde im ersten Schritt der Beiwert λ = 2,0 angenommen,Bild  9. Dieser entspricht dem maximal zulässigen Wertfür λ gemäß Norm SIA 262:2013 [8] falls keine vertieftenexperimentellen Untersuchungen vorliegen.

Für die beiden statischen Nutzhöhen d zeigt sich, dassVR,CSCT,crush deutlich tiefer liegt als die im Versuch erreich-te Bruchlast Vu. Da ein Versagen außerhalb des querkraft-verstärkten Bereichs VR,CSCT,out rechnerisch nicht maßge-bend wurde, wurde auf die Darstellung dieser Kurven ver-zichtet. Wie in Bild 9 zu erkennen, wird die Biegesteifig-

W4 W8 W12 W164 ( )· r – rq c

Bild 9 Versuchsnachrechnungen auf der Basis der CSCT [6] ohne vertiefte experimentelle Untersuchungen zur Wirksamkeit der DurchstanzbewehrungTest recalculation based on the CSCT [6] without a detailed experimental verification of the effectiveness of the shear reinforcement

Bild 10 Versuchsnachrechnungen auf der Basis der CSCT [6] in Abhängigkeit vom Beiwert λTest recalculation based on the CSCT [6] as a function of the parameter λ

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M. Amsler, K. Thoma, D. Heinzmann: Punching slab strengthened with an additional concrete layer

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Literatur

[1] FERNÁNDEZ RUIZ, M.; MUTTONI, A.; KUNZ J.: Strengthen-ing of Flat Slabs Against Punching Shear Using Post-In-stalled Shear Reinforcement. ACI Structural Journal 107(2010), H. 4, pp. 434–442.

[2] KELLER T.; KENEL A.; KOPPITZ, R.: Carbon Fiber-Rein-forced Polymer Punching Reinforcement and Strengtheningof Concrete Flat Slabs. ACI Structural Journal 110 (2013),H. 6, pp. 919–927.

VR,CSCT,in maßgebend, wohingegen für d = 222 mm auch ein Versagen des Betons im stützennahen BereichVR,CSCT,crush maßgebend werden kann.

Die Bruchbilder des Versuchs bestätigen, dass ein Versa-gen außerhalb des querkraftverstärkten Bereichs nichteingetreten ist. Somit sind entweder der kombinierte Ver-sagensmechanismus VR,CSCT,in oder, bei entsprechendemBeiwert λ, ein Versagen infolge VR,CSCT,crush möglich. Eskann vermutet werden, dass die Aktivierung der Quer-kraftbewehrung unterschätzt wird. Unter Verwendung ei-ner statischen Nutzhöhe von d = 266  mm stimmt dieNachrechnung genauer mit dem gemessenen Last-Verfor-mungs-Verhalten überein, der Durchstanzwiderstandwird dabei hingegen deutlich unterschätzt.

4 Zusammenfassung

Die Verstärkung von Flachdecken gegen das Durchstan-zen ist eine in der Baupraxis häufig vorkommende Auf -gabenstellung. Falls der Durchstanzwiderstand erheblicherhöht werden muss, ist eine kombinierte Verstärkungmit nachträglich eingebohrter Querkraftbewehrung undbewehrtem Aufbeton oft zielführend. Die aktuell gülti-gen Normvorgaben des Eurocode  2  [5], der NormSIA262:2013 [8] und des Model Code 2010 [9] stellen dieGrundlagen für die Bemessung und/oder Überprüfungvon Tragwerken zur Verfügung. Der Fall der Durchstanz-verstärkung von Platten mit Aufbeton und Querkraft -bewehrung wird von den genannten Normen nicht odernur unzureichend behandelt. Aufgrund dessen wurde zurKlärung des Last-Verformungs-Verhaltens von mit Auf -beton verstärkten Flachdecken an der Hochschule Lu-zern – Technik & Architektur ein Durchstanzversuch ei-ner mit Aufbeton verstärkten Betonplatte durchgeführt.Insbesondere wurde der Einfluss einer Vorbelastung undder damit einhergehenden Vorverformung berücksichtigt.

Zu Beginn wurde die Vorbelastung aufgebracht und für21 Tage konstant gehalten; anschließend wurde der Prüf-körper teilweise entlastet, dann verstärkt und folgend biszum Bruch belastet. Die Versuchsergebnisse lassen denSchluss zu, dass die nachträglich eingebohrte Querkraft-bewehrung aktiviert wurde und sich wie geplant ein Ver-sagen der Druckstrebe des Betons im auflagernahen Be-reich einstellte. Die mit Schubverbindern bewehrte Ver-bundfuge zeigte keine signifikante Schädigung.

Die Nachrechnung des Versuchs erfolgte sowohl nachdem Ansatz aus dem Eurocode 2  [5] als auch nach derTheorie des kritischen Schubrisses von MUTTONI et al. [6,

7] (Grundlage der SIA262:2013 [8] und des Model Code2010 [9]). Mit beiden Ansätzen konnte der Durchstanzwi-derstand genügend genau berechnet werden, obwohlbeim Eurocode 2 [5] der Einfluss einer Vorbeanspruchungnicht berücksichtigt wird. Die Theorie des kritischenSchubrisses erlaubte eine detaillierte Analyse des Last-Verformungsverhaltens einfacher rotationssymmetrischerFälle; insbesondere konnte der Einfluss einer Vorbelas-tung und einer nachträglichen Verstärkung berücksichtigtwerden. Die Versuchsauswertung lässt jedoch denSchluss zu, dass die Aktivierung der Querkraftbewehrungin dem hier untersuchten Fall unterschätzt wird.

5 Ausblick

Die Versuchsauswertung und die theoretische Diskussionzeigten auf, dass zur Klärung offener Fragen weiterer For-schungsdarf besteht. Dabei stehen folgende Punkte imVordergrund:

– Wie der Versuch verdeutlich, kommt der Wahl der sta-tischen Nutzhöhe eine zentrale Bedeutung zu (Last-Verformungs-Verhalten, Aktivierung Querkraftbeweh-rung); mit weiteren Versuchen sollte geklärt werden,wie die statische Nutzhöhe bei einer Verstärkung mitQuerkraftbewehrung und Aufbeton zu wählen ist.

– Der Einfluss der Rautiefe der Verbundfuge und der An-zahl Schubverbinder pro Flächeneinheit auf das Last-Verformungs-Verhalten von Platten im Bereich vonkonzentrierten Lasten ist nicht abschließend geklärt.Da im Versuch keine Schädigung der Verbundfugenfestgestellt wurde, sollten aufgrund wirtschaftlicherÜberlegungen weitere theoretische und experimentelleArbeiten zum Wirkungsgrad der Schubverbinder undder erforderlichen Rautiefe durchgeführt werden.

– Für die Berechnung der Vorverformung unter Berück-sichtigung von Langzeitvorgängen (Kriechen, Schwin-den) sind in den aktuell gültigen Normen keine Hin-weise zu finden. Die Angabe von Bemessungsansät-zen wäre zielführend.

Dank

Der Versuch wurde von der Hochschule Luzern – Tech-nik & Architektur finanziert. Bei der Hilti Schweiz AGund der ancotech AG Schweiz bedanken wir uns für diegroßzügige Unterstützung. Zudem möchten wir uns beiProf. Dr. A. KENEL (Hochschule für Technik Rapperswil)für die technische Unterstützung bei der Konzipierungdes Versuchs bedanken.

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[3] KOPPITZ, R.; KENEL, A.; KELLER, T.: Punching shear of RCflat slabs – Review of analytical models for new andstrengthening of existing slabs. Engineering Structures 52(2013), pp. 123–130.

[4] AMSLER, M.; THOMA, K.: Durchstanzversuch mit Aufbeton.Versuchsbericht zum Versuch VA1, Hochschule Luzern –Technik & Architektur, Horw, 2012, 70 pp.

[5] EC 2, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahl-beton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: AllgemeineBemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. DeutscheFassung EN 1992-1-1:2004, 2004, 246 pp.

[6] FERNÁNDEZ RUIZ, M.; MUTTONI, A.: Applications of Criti-cal Shear Crack Theory to Punching of Reinforced ConcreteSlabs with Transverse Reinforcement. ACI Structural Jour-nal 106 (2009), H. 4, pp. 485–494.

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[10] Hilti: Handbuch der Befestigungstechnik für Hoch- und Ingenieurbau. 2013.

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[18] MUTTONI, A.: Die Anwendbarkeit der Plastizitätstheorie inder Bemessung von Stahlbeton. Institut für Baustatik undKonstruktion, IBK Bericht Nr. 83, Dissertation, ETH Zü-rich, Birkhäuser, Basel, 1990, pp. 158.

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[20] MUTTONI, A.: Schubfestigkeit und Durchstanzen von Plat-ten ohne Querkraftbewehrung. Beton- und Stahlbetonbau98 (2003), H. 2, S. 74–84.

Autoren

Dr. Daniel HeinzmannHochschule LuzernTechnik & ArchitekturTechnikumstr. 216048 Horw, [email protected]

Prof. Dr. Karel Thoma Hochschule LuzernTechnik & ArchitekturTechnikumstr. 216048 Horw, [email protected]

Michael Amsler, MSc.ewp AG EffretikonRikonerstr. 48307 Effretikon, [email protected]