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VERTRAGSANWÄLTE Nr. 18/2014 07.04.2014 Ni ITALIEN: Geltendmachung von Bußgeldforderungen durch das Inkassobüro EMO / Nivi Credit Sehr geehrte Damen und Herren, seit einiger Zeit beauftragen italienische Bußgeldstellen das in Florenz ansässige In- kassobüro EMO (European Municipality Outsourcing) mit der Geltendmachung von Bußgeldforderungen gegenüber ausländischen Kfz-Haltern. Zu den Auftraggebern der EMO gehören vorwiegend Gemeindepolizeibehörden (Polizia Municipale), die – nach nach Informationen, die dem ADAC vorliegen – mit der Handhabung von Bußgeldfällen mit Auslandsbezug häufig überfordert sind. EMO versucht mit ihren Schreiben, Betrof- fene zur unbürokratischen Zahlung zu bewegen. Im Gegensatz zu anderen international tätigen Inkassounternehmen droht EMO nicht mit der Vollstreckung der Sanktion in Deutschland, sondern kündigt lediglich die förmliche Zustellung eines rechtsmittelfähi- gen Bußgeldbescheids an. Die – in der Landessprache des Adressaten (hier: deutsch) abgefasste – Zahlungsauf- forderung enthält eine internationale Bankverbindung (mit IBAN und BIC), die eine kos- tengünstige SEPA-Überweisung ermöglicht. Daneben kann über die Internetseite der EMO (www.emo.nivi.it ) auch eine Online-Überweisung mittels Kreditkarte vorgenom- men werden. Zwar sind im Hinblick auf ausländische Bußgeldbescheide derartige Er- leichterungen im internationalen Zahlungsverkehr grundsätzlich zu begrüßen; zu beach- ten ist allerdings, dass sich die Schreiben der EMO oftmals auf Zuwiderhandlungen be- ziehen, für die bereits die für ausländische Verkehrssünder maßgebliche Zustellungs- frist abgelaufen ist. Es empfiehlt sich daher, jeden Einzelfall zu prüfen. Die Juristische Zentrale informiert Sie im Folgenden über die Besonderheiten der ein- schlägigen italienischen Zustellungs- und Verfahrensvorschriften. Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ulrich May Leiter Juristische Zentrale Mitteilungen der Juristischen Zentrale

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VERTRAGSANWÄLTE Nr. 18/2014 07.04.2014 Ni

ITALIEN: Geltendmachung von Bußgeldforderungen durch das Inkassobüro EMO / Nivi Credit

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit einiger Zeit beauftragen italienische Bußgeldstellen das in Florenz ansässige In-kassobüro EMO (European Municipality Outsourcing) mit der Geltendmachung von Bußgeldforderungen gegenüber ausländischen Kfz-Haltern. Zu den Auftraggebern der EMO gehören vorwiegend Gemeindepolizeibehörden (Polizia Municipale), die – nach nach Informationen, die dem ADAC vorliegen – mit der Handhabung von Bußgeldfällen mit Auslandsbezug häufig überfordert sind. EMO versucht mit ihren Schreiben, Betrof-fene zur unbürokratischen Zahlung zu bewegen. Im Gegensatz zu anderen international tätigen Inkassounternehmen droht EMO nicht mit der Vollstreckung der Sanktion in Deutschland, sondern kündigt lediglich die förmliche Zustellung eines rechtsmittelfähi-gen Bußgeldbescheids an.

Die – in der Landessprache des Adressaten (hier: deutsch) abgefasste – Zahlungsauf-forderung enthält eine internationale Bankverbindung (mit IBAN und BIC), die eine kos-tengünstige SEPA-Überweisung ermöglicht. Daneben kann über die Internetseite der EMO (www.emo.nivi.it) auch eine Online-Überweisung mittels Kreditkarte vorgenom-men werden. Zwar sind im Hinblick auf ausländische Bußgeldbescheide derartige Er-leichterungen im internationalen Zahlungsverkehr grundsätzlich zu begrüßen; zu beach-ten ist allerdings, dass sich die Schreiben der EMO oftmals auf Zuwiderhandlungen be-ziehen, für die bereits die für ausländische Verkehrssünder maßgebliche Zustellungs-frist abgelaufen ist. Es empfiehlt sich daher, jeden Einzelfall zu prüfen.

Die Juristische Zentrale informiert Sie im Folgenden über die Besonderheiten der ein-schlägigen italienischen Zustellungs- und Verfahrensvorschriften.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Ulrich MayLeiter Juristische Zentrale

Mitteilungen der Juristischen Zentrale

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Besondere Verfahrens- und Zustellungsvorschriften im italienischen Bußgeldverfahren

1. Grundsatz der sofortigen Vorhaltung

Verkehrsverstöße sind dem Betroffenen grundsätzlich sofort vorzuhalten und zu proto-kollieren (Art.200 Abs.1 Codice della Strada). Diejenigen Fälle, in denen von einer so-fortigen Vorhaltung abgesehen werden kann, sind abschließend geregelt (Art. 201 Abs.1-bis Codice della Strada):

• Keine Möglichkeit, ein mit überhöhter Geschwindigkeit fahrendes Kfz einzuholen;• Rotlichtverstöße an Kreuzungen;• Missachtung eines Überholverbots;• Feststellung des Verstoßes in Abwesenheit des Fahrers und des Halters;• Übertretungen, die mittels automatischer Geräte festgestellt wurden;• Unerlaubtes Befahren von Fußgängerzonen oder besonderen Fahrzeugarten vorbe-

haltenen Fahrstreifen, sofern dies mittels automatischer Geräte festgestellt wird.

In allen anderen Fällen muss der Bußgeldbescheid eine Begründung enthalten, warum eine sofortige Vorhaltung des Verstoßes nicht möglich war.

2. Zustellungsfrist bei Kennzeichenanzeigen

Wird der Verstoß nicht sofort vorgehalten, muss dem Betroffenen oder – bei Kennzei-chenanzeigen – dem Fahrzeughalter bzw. Eigentümer mit Wohnsitz in Italien der Bußgeldbescheid innerhalb von 150 Tagen ab dem Tatzeitpunkt zugestellt werden. Ist zuvor noch die Identifizierung des Halters erforderlich, laufen diese Fristen ab dem Zeitpunkt der Halterermittlung; dasselbe gilt, wenn erst der Fahrer festgestellt werden muss.

Die Zustellung bei Betroffenen mit Wohnsitz im Ausland muss dagegen innerhalb von 360 Tagen ab Feststellung der Übertretung erfolgen, anderenfalls erlischt die Verpflich-tung zur Bezahlung der Buße, Art. 201 Abs.1 Satz 4 und Abs. 5 Codice della Strada.

Seitens EMO wird der Standpunkt vertreten, dass auch in diesem Fall die Frist für Zu-stellung ab dem Zeitpunkt der Identifizierung des Kfz-Halters zu laufen beginne. Dies ist allerdings unzutreffend: Der Gesetzgeber hat für Ausländer in Art. 201 Abs.1 Satz 4 Codice della Strada die längere Frist von 360 Tagen für die Zustellung festgelegt und zwar ohne Möglichkeit der Verlängerung für den Fall einer späteren Ermittlung des Hal-ters. Maßgeblich für den Fristbeginn ist hier ausschließlich der Übertretungszeitpunkt.

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Bei den Zahlungsaufforderungen der EMO handelt es sich nicht um förmlich zugestellte Bußgeldbescheide. Für den Fall der Nichtzahlung wird lediglich die Zustellung eines förmlichen Bescheids angekündigt; negative Folgen für den Betroffenen wie Erhöhung des Bußgeldes oder Ablauf der Einspruchsfrist dürften hiermit nicht verbunden sein. Wenn anhand des im EMO-Schreiben genannten Übertretungszeitpunkts ersichtlich ist, dass die Zustellungsfrist abgelaufen sein könnte bzw. in Kürze ablaufen wird, kann eine Nichtzahlung in Erwägung gezogen und abgewartet werden, ob dem Betroffenen in Deutschland noch ein förmlicher Bescheid zugestellt wird. Gegen diesen ist könnte in geeigneten Fällen Einspruch eingelegt werden.

3. Rechtsmittel

Ist bei Zustellung des förmlichen Bußgeldbescheids die Zustellungsfrist bereits abgelau-fen, empfiehlt sich die Einlegung eines Einspruchs (mit der Einrede der Verjährung als Begründung). Der Einspruch ist (mittels Einschreiben und Rückschein!) innerhalb von 60 Tagen ab Datum der Zustellung beim zuständigen Präfekten oder Friedensrichter (Giudice di Pace) einzulegen.

4. Rechtshilfe zwischen Italien und Deutschland

Der Rechtshilfeverkehr zwischen Italien und Deutschland richtet sich im wesentlichen nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.04.1959, dem in Ergänzung hierzu zwischen beiden Staaten abgeschlossenen Rechtshilfevertrag vom 24.10.1979 sowie nach dem Schengener Übereinkommen vom 19.6.1990 (Schengener Durchführungsabkommen). Danach wird Rechtshilfe u. a. ge-leistet bei Verkehrsordnungswidrigkeiten und bei Ersuchen um Zustellung von Aufforde-rungen zur Zahlung von Geldbußen, Geldstrafen und Verfahrenskosten. Ebenso wer-den Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen gegenseitig zugestellt. Einzelhei-ten und Fundstellen enthalten die Richtlinien für den Verkehrs mit dem Ausland in straf-rechtlichen Angelegenheiten (RiVASt), die im Internet unter www.bmjv.de (Rubrik: Ser-vice / Fachinformationen) abgerufen werden können.

5. Vollstreckungshilfe zwischen Italien und Deutschland

Bevor der EU-Rahmenbeschluss zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Geldsanktionen in nationales Recht umgesetzt ist, werden italienische Bußgelder in Deutschland nicht vollstreckt. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass es nach Umset-zung des Rahmenbeschlusses auch zu rückwirkenden Vollstreckungsmaßnahmen hin-sichtlich italienischer Bußgelder kommen wird. Gemäß Art.7 Abs.2 des Rahmenbe-schlusses kann die Vollstreckung jedoch dann versagt werden, wenn die Geldsanktion nach Maßgabe des Rechts des Vollstreckungsstaates (hier Deutschland) verjährt ist, also bei Verkehrsordnungswidrigkeiten im Regelfall nach drei Jahren ab Rechtskraft

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des Bescheides. Der Zeitpunkt der Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses zur ge-genseitigen Vollstreckung von Geldsanktionen in Deutschland ist derzeit immer noch offen.