5
K. Quabeck · M. Schaefers Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Internistische Onkologie, Duisburg Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch- onkologischen Diagnostik und Therapie Aufenthalt nach Möglichkeit überflüs- sig zu machen. Dies betrifft Diagnostik und Therapie gleichermaßen. Bei gün- stigen Bedingungen wird beispielswei- se ein Patient mit einer Lymphadeno- pathie, die sich als malignes Lymphom herausstellt, die gesamte erforderliche Diagnostik und Therapie ambulant durchlaufen. Die Erreichbarkeit dieser Zielset- zung hängt ab von der personellen, technischen und räumlichen Ausstat- tung der Praxis, vom medizinischen Umfeld und, nicht zuletzt, von der Ein- satzfreude der Praxisbetreiber. Je nach Gegebenheit wird das Spektrum der Möglichkeiten demnach sehr unter- schiedlich sein. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Krankheitsbilder, mit denen man in der Schwerpunktpra- xis zu tun haben wird; in Tabelle 2 ist das apparative Leistungsspektrum auf- geführt, das eine solche Praxis vorhal- ten sollte. Eine umfassende Computerisie- rung mit mehreren vernetzten Arbeits- plätzen stellt eine Grundvoraussetzung dar. Die Verfügbarkeit eines Geräts zur maschinellen Zählung von Blutzellen ist ebenso obligat, wie die Durchfüh- rung von Knochenmarkpunktionen mit anschließender zytologischer bzw. zytochemischer Aufarbeitung und mi- kroskopischer Beurteilung im eigenen hämatologischen Labor. Bei entspre- Bis vor wenigen Jahren war es selbst- verständlich, Patienten, bei denen der Verdacht auf eine hämatologische oder onkologische Erkrankung bestand, zur weiteren Diagnostik stationär einzu- weisen. Bei einem Großteil solcher Er- krankungen galt dies um so mehr für die Durchführung von Therapien. Die- se Grundsätze haben sich geändert. Wie für andere Teilgebiete, beispielsweise die Kardiologie und die Gastroentero- logie, so gilt auch für die Hämatologie und Internistische Onkologie, daß ein Großteil der diagnostischen und thera- peutischen Maßnahmen ambulant er- folgen können. Mit der zunehmenden Präsenz von entsprechenden Schwer- punktpraxen entwickelt sich mittler- weile auch hier die Akzeptanz seitens der zuweisenden niedergelassenen Ärz- te und Kliniken. Eine Reihe besonderer struktureller Gegebenheiten sind erforderlich, um ei- ne umfassende ambulante Versorgung hämatologisch-onkologischer Patienten zu gewährleisten. Sind diese Gegeben- heiten realisiert, so werden stationäre Aufenthalte zur Ausnahme.In aller Regel kommt dies den Bedürfnissen der Pati- enten entgegen. Darüber hinaus ist eine solche Lösung kostengünstiger und kann in mancher Hinsicht auch medizi- nisch vorteilhaft sein. Dies betrifft insbe- sondere die infektiologische Problema- tik immunsupprimierter Patienten. Zielsetzung und diagnostische Möglichkeiten Grundlegendes Ziel einer umfassenden Betreuung sollte sein, den stationären Der Onkologe Suppl 1·97 | S 33 Zum Thema: Hämatologisch-onkologische Diagnostik Onkologe 1997 · 3 · [Suppl 1]:S33–S37 © Springer-Verlag 1997 Diagnostische und therapeutische Maß- nahmen in der Hämatologie und Interni- stischen Onkologie, die traditionell grund- sätzlich unter stationären Bedingungen durchgeführt wurden, sind in den letzten Jahren zunehmend ambulant realisierbar geworden – eine Entwicklung, die den Be- dürfnissen der betroffenen Patienten und dem Gebot einer kostengünstigen Medizin gleichermaßen entgegenkommt. Neben den bestehenden Fachambulanzen wird diese Entwicklung durch den zunehmen- den Aufbau von Schwerpunktpraxen er- möglicht und durch Neuerungen im Be- reich der Medizintechnik wie auch der me- dikamentösen Therapie begünstigt. Der vorliegende Artikel beschreibt Zielsetzun- gen, Möglichkeiten und Voraussetzungen einer umfassenden ambulanten Versor- gung, Unterschiede zur Klinik und Perspek- tiven. Dr. K. Quabeck · Dr. M. Schaefers Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Internistische Onkologie, Mercatorstraße 58, D-47051 Duisburg& / f n - b l o c k : & b d y :

Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

  • Upload
    m

  • View
    216

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

K. Quabeck · M. SchaefersGemeinschaftspraxis für Hämatologie und Internistische Onkologie, Duisburg

Möglichkeiten derambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostikund Therapie

Aufenthalt nach Möglichkeit überflüs-sig zu machen. Dies betrifft Diagnostikund Therapie gleichermaßen. Bei gün-stigen Bedingungen wird beispielswei-se ein Patient mit einer Lymphadeno-pathie, die sich als malignes Lymphomherausstellt, die gesamte erforderlicheDiagnostik und Therapie ambulantdurchlaufen.

Die Erreichbarkeit dieser Zielset-zung hängt ab von der personellen,technischen und räumlichen Ausstat-tung der Praxis, vom medizinischenUmfeld und, nicht zuletzt, von der Ein-satzfreude der Praxisbetreiber. Je nachGegebenheit wird das Spektrum derMöglichkeiten demnach sehr unter-schiedlich sein. Tabelle 1 gibt einenÜberblick über die Krankheitsbilder,mit denen man in der Schwerpunktpra-xis zu tun haben wird; in Tabelle 2 istdas apparative Leistungsspektrum auf-geführt, das eine solche Praxis vorhal-ten sollte.

Eine umfassende Computerisie-rung mit mehreren vernetzten Arbeits-plätzen stellt eine Grundvoraussetzungdar. Die Verfügbarkeit eines Geräts zurmaschinellen Zählung von Blutzellenist ebenso obligat, wie die Durchfüh-rung von Knochenmarkpunktionenmit anschließender zytologischer bzw.zytochemischer Aufarbeitung und mi-kroskopischer Beurteilung im eigenenhämatologischen Labor. Bei entspre-

Bis vor wenigen Jahren war es selbst-verständlich, Patienten, bei denen derVerdacht auf eine hämatologische oderonkologische Erkrankung bestand, zurweiteren Diagnostik stationär einzu-weisen. Bei einem Großteil solcher Er-krankungen galt dies um so mehr fürdie Durchführung von Therapien. Die-se Grundsätze haben sich geändert.Wiefür andere Teilgebiete, beispielsweisedie Kardiologie und die Gastroentero-logie, so gilt auch für die Hämatologieund Internistische Onkologie, daß einGroßteil der diagnostischen und thera-peutischen Maßnahmen ambulant er-folgen können. Mit der zunehmendenPräsenz von entsprechenden Schwer-punktpraxen entwickelt sich mittler-weile auch hier die Akzeptanz seitensder zuweisenden niedergelassenen Ärz-te und Kliniken.

Eine Reihe besonderer strukturellerGegebenheiten sind erforderlich, um ei-ne umfassende ambulante Versorgunghämatologisch-onkologischer Patientenzu gewährleisten. Sind diese Gegeben-heiten realisiert, so werden stationäreAufenthalte zur Ausnahme.In aller Regelkommt dies den Bedürfnissen der Pati-enten entgegen. Darüber hinaus ist einesolche Lösung kostengünstiger undkann in mancher Hinsicht auch medizi-nisch vorteilhaft sein.Dies betrifft insbe-sondere die infektiologische Problema-tik immunsupprimierter Patienten.

Zielsetzung und diagnostischeMöglichkeiten

Grundlegendes Ziel einer umfassendenBetreuung sollte sein, den stationären

Der Onkologe Suppl 1·97 | S 33

Zum Thema: Hämatologisch-onkologische DiagnostikOnkologe1997 · 3 · [Suppl 1]:S33–S37 © Springer-Verlag 1997

Diagnostische und therapeutische Maß-nahmen in der Hämatologie und Interni-stischen Onkologie, die traditionell grund-sätzlich unter stationären Bedingungendurchgeführt wurden, sind in den letztenJahren zunehmend ambulant realisierbargeworden – eine Entwicklung, die den Be-dürfnissen der betroffenen Patienten unddem Gebot einer kostengünstigen Medizingleichermaßen entgegenkommt. Nebenden bestehenden Fachambulanzen wirddiese Entwicklung durch den zunehmen-den Aufbau von Schwerpunktpraxen er-möglicht und durch Neuerungen im Be-reich der Medizintechnik wie auch der me-dikamentösen Therapie begünstigt. Dervorliegende Artikel beschreibt Zielsetzun-gen, Möglichkeiten und Voraussetzungeneiner umfassenden ambulanten Versor-gung, Unterschiede zur Klinik und Perspek-tiven.

Dr. K. Quabeck · Dr. M. SchaefersGemeinschaftspraxis für Hämatologieund Internistische Onkologie,Mercatorstraße 58, D-47051 Duisburg&/fn-block:&bdy:

Page 2: Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

ne der Gastroenterologie. Bekannter-maßen handelt es sich nicht um eineisolierte Hepatitis, sondern um eineAllgemeininfektion, die zudem nichtselten mit hämatologischen Sympto-mem einhergeht (periphere Zytopenie,Hypersplenismus) und im Falle der He-patitis C durch eine auffallend häufigeKoinzidenz mit Non-Hodgkin-Lym-phomen gekennzeichnet ist. Die bei derPrimärdiagnostik und im Verlauf erfor-derlichen Leberbiopsien können, untergeeigneten personellen Bedingungenund entsprechenden Vorsichtsmaßnah-men, ohne weiteres in einer gut ausge-statteten hämatologisch-onkologischenPraxis durchgeführt werden. Das glei-che betrifft die laborchemische und so-nographische Diagnostik. Bei der der-zeitigen Basistherapie mit Interferonhandelt es sich schließlich um eine Sub-stanz, mit der im hämatologisch-onko-logischen Fachgebiet langjährige Er-fahrung existiert.

In unserer Praxis werden derzeitetwa 50 Patienten mit chronischer Vi-rushepatitis kontinuierlich betreut. Beider offenbar hohen Dunkelziffer der Vi-rushepatitis C dürfte sich der Anteildieser Patienten zukünftig weiter erhö-hen.

Je nach persönlicher Schwerpunkt-setzung wird die Betreuung von Patien-ten mit HIV-Infektion einen mehr oderweniger großen Raum einnehmen. DieIntegration dieser Patienten in den Ge-samtrahmen einer Schwerpunktpraxiskann ggf. zusätzliche Probleme mit sichbringen, die bei der Planung berück-sichtigt werden sollten.

Die Betreuung Sterbender gehörtzu den ureigensten und relativ häufigenAufgaben unseres Fachgebiets. Der

chender Kapazität können zudem Ma-terialeinsendungen von anderen Insti-tutionen bearbeitet werden.

Sonographie, EKG und eine Not-fallausrüstung (Defibrillator) sind un-verzichtbar. Die ultraschallgesteuerteGewinnung von Organ- oder Erguß-punktat, wiederum verbunden mit ei-gener zytologischer Beurteilung, istwünschenswert. Damit wird das dia-gnostische Spektrum deutlich erweitertund oft eine rasche therapeutische Ein-flußnahme ermöglicht.

Die weitere gerätetechnische Aus-stattung ist fakultativ und orientiertsich an der jeweiligen Ausbildung derPraxisbetreiber. Eine sinnvolle Erweite-rung des Spektrums stellt beispielswei-se die Fiberbronchoskopie dar, die so-wohl zur raschen Abklärung infektiöseroder tumoröser bronchopulmonalerErkrankungen wie auch zur Verlaufs-kontrolle bei Patienten mit Bronchial-karzinom oder Sarkoidose eingesetztwerden kann.

Bei den weitaus meisten Patienten,die zur Abklärung von Blutbildverän-derungen, Tumorbildungen oder infek-tiologischen Symptomen überwiesenwerden, kann mit diesem Instrumenta-rium, unter zusätzlicher Inanspruch-nahme der unten genannten Kooperati-onsmöglichkeiten, die Ursache ausfin-dig gemacht werden.

Die Teilnahme an den vorhandenenMöglichkeiten der Qualitätssicherung(Ringversuche u. ä.) sollte obligat sein.

| Der Onkologe Suppl 1·97

Zum Thema: Hämatologisch-onkologische Diagnostik

S 34

Therapeutische Möglichkeiten

Das therapeutische Leistungsspektrumsollte die Gesamtheit der Behandlungs-methoden solider Tumoren und Hämo-blastosen umfassen. Eine Ausnahmebildet dabei lediglich die Induktions-bzw. Konsolidierungstherapie bei aku-ter Leukämie, die auch weiterhingrundsätzlich der stationären Betreu-ung vorbehalten bleiben dürfte. Nachpersönlicher Erfahrung ist jedoch auchhier eine erfolgreiche Therapie keines-falls unmöglich.

Neben diesem Behandlungsange-bot sollten alle Formen der Substituti-on von Blutprodukten zur Verfügungstehen. Dies betrifft in erster Linie Pati-enten mit Hämoblastosen, gelegentlichjedoch auch nicht-hämatologische Pati-enten. Bei guter Kooperation mit eineminterventionell tätigen Gastroenterolo-gen kann beispielsweise ein Patient mitBlutungsanämie bei Ulcuskrankheittäglich wechselseitig betreut werden, sodaß ein stationärer Aufenthalt nicht er-forderlich ist.

Ebenso können immundefizientePatienten mit Immunglobulinen odermit antiinfektiösen Substanzen, falls er-forderlich mehrmals täglich ambulantbehandelt werden.

Der Einsatz von Infusionspumpenzur kontinuierlichen Medikamentenap-plikation hat in den letzten Jahren zueiner Ausweitung der Behandlungs-möglichkeiten bei Tumorkranken wieauch bei Patienten mit Hämosiderose,die einer Eisenentzugstherapie bedür-fen, geführt. Das Legen zentraler Ve-nenkatheter zur zeitlich begrenztenVerwendung sollte in der Praxis erfol-gen können. Implantationen von Port-Systemen, die sich bei inkurablen Pati-enten zunehmend durchsetzen, solltenin einer nahen chirurgischen Praxisoder Klinikambulanz möglich sein. Ne-ben den genannten spezifischen Thera-pien kann über diese Systeme eine imEinzelfall notwendige parenterale Er-nährung erfolgen.

Entlastende Punktionen beiPleuraerguß oder Aszites mit eventuel-ler intrakavitärer Therapie können un-ter sonographischer Kontrolle in allerRegel problemlos ambulant durchge-führt werden.

Die Diagnostik und Therapie derchronischen Virushepatitis B oder C istbislang zu unrecht eine alleinige Domä-

Tabelle 1Krankheitsbilder

● Solider Tumor● Chronische Virushepatitis● Malignes Lymphom● HIV-Infektion● Akute Hämoblastose● Sarkoidose● Myeloproliferatives Syndrom● Zustand nach Stammzelltransplantation● Zustand nach anderweitiger

Organtransplantation● Myelodysplasie● Immunthrombozytopenie● Chronische Hämolyse● Hämosiderose● Blutungsleiden● Monoklonale Gammopathie● Thrombophile Diathese● Hämoglobinopathie● Diagnostikpatienten

Tabelle 2Apparatives Leistungsspektrum

Obligat Fakultativ

UmfassendeComputerisierung

Blutzell-Counter

Hämatologisches Labor(Zytologie und -chemie)

Sonographie

EKG, Defibrillator,O2-Gerät

Infusionspumpen

FACS-Gerät

Endoskopie

Pulsoxymeter

Lungenfunktion

EKG-Monitoring

Page 3: Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

Wunsch nach häuslicher Betreuungwird dabei in den letzten Jahren zuneh-mend von Betroffenen und deren Ange-hörigen geäußert. Die Zielsetzung einerumfassenden ambulanten Versorgungbeinhaltet insbesondere auch diesenletzten Teil der Therapie. Die praktischeDurchführung wird erleichtert durchdie Zusammenarbeit mit ambulantenPflegediensten und durch die Verfüg-barkeit neuer medikamentöser undmedizintechnischer Voraussetzungen,die eine gute Palliation ermöglichen.Sie wird erschwert durch das Unvermö-gen Vieler, sich der Situation eines Ster-benden auszusetzen, die bislang haupt-sächlich in der Klinik, und damit unterweniger direkten Begleitumständen er-lebt bzw. delegiert wurde.

Die Haltung der Angehörigen istdeshalb oft ambivalent. Dem dringen-den Wunsch, daß der Betreffende in sei-ner gewohnten Umgebung sterben mö-ge, steht nicht selten eine ausgeprägteHilflosigkeit bei der Verwirklichung ge-genüber. Verantwortlich dafür sind dieallgemein übliche Verdrängung vonSterben und Tod in unserer Gesell-schaft, ebenso wie der Mangel an per-sönlicher Erfahrung mit dem Umgangmit einem Sterbenden, der aufgrundder genannten bisherigen Entwicklungzustandegekommen ist.

Die Konsequenz für den behan-delnden Arzt ist oft eine höchst um-fangreiche zeitliche Inanspruchnahme,um allen persönlichen und medizini-schen Bedürfnissen annähernd gerechtzu werden. Es muß nicht besonders be-tont werden, daß diese Arbeit, wie vie-les andere in unserem Vergütungssy-stem, kaum adäquat honoriert wird.

Bis vor kurzem war für vieleSchwerpunktpraxen die eigene Mög-lichkeit der Zytostatikazubereitung einwichtiger Grundstein für eine flexible,bedarfsgerechte Patientenbetreuung.An dieser Einschätzung, die sich bei-spielhaft belegen läßt, hat sich nichtsgeändert. Dennoch werden die meisten,wenn nicht alle Praxen, ihre Autarkie indiesem Punkt in Kürze aufgeben. DerGrund ist eine geänderte Gesetzeslage,die sowohl die arbeitsmedizinischenwie auch die umwelthygienischenAspekte der Zubereitung betrifft. BeiAnerkennung der ursprünglichen Zielesolcher Vorschriften, muß mit aller Zu-rückhaltung gesagt werden, daß Kern-teile der neuen Regelungen und Aufla-

kehrsanbindung, ist vorteilhaft. Eineausreichende Zahl von geeigneten Sitz-gelegenheiten für Patienten mit Che-motherapie ist erforderlich.Viele thera-peutische Optionen lassen sich dar-über hinaus nur durch die Verfügbar-keit von Betten, mit einfachem Zugangfür Liegendkranke, verwirklichen. Diesbetrifft die Betreuung von Schwerst-kranken wie auch die Durchführunglängerdauernder parenteraler Chemo-therapien. Der tagesklinische Charak-ter, den die Praxis dadurch erhält, mußauf der personellen Seite durch ent-sprechende Mitarbeiter in der Pflege,im Labor und für das Praxismanage-ment erfüllt sein. Wie auch in anderenInstitutionen, so erst recht im begrenz-ten Rahmen einer Praxis, sind dieseMitarbeiter die Säulen des Betriebs.

Nicht selten wird der Standpunktvertreten, daß eine weitgehende Ab-schirmung von Tumorkranken wäh-rend der Chemotherapie erfolgen soll-te, wobei argumentativ der Schutz derIntimsphäre bei diesen besonders sen-sibilisierten und seelisch belasteten Pa-tienten angeführt wird. Wir machen inunserem Praxisalltag, in dem räumlicheAbschirmung nur bedingt vorgesehenist, die gegenteilige Erfahrung. Daszwangsläufige Kennenlernen andererBetroffener und die gemeinsam erleb-ten Therapien wirken sich, auch bei al-len damit verbundenen nachteiligenAspekten (beispielsweise der Tod einesMitpatienten) durchweg positiv aus.Vielen wird erstmals in ihrem Krank-heitsverlauf die Möglichkeit eröffnet,sich über ihre Probleme und Ängste of-fen auszutauschen, ohne daß irrationa-le Berührungsängste dies verhindern.Bekanntermaßen verliert die Krankheitdadurch zumindest einen Teil ihresSchreckens. Die Tabelle 3 faßt die räum-lichen und personellen Rahmenbedin-gungen zusammen.

Medizinisches Umfeld

Bei Patienten mit hämatologisch-onko-logischer Erkrankung sind grundsätz-lich 2 Wege denkbar, die zur Versorgungin einer Schwerpunktpraxis führen. Im1. Fall erfolgt die Überweisung zur Dia-gnostik und Therapie direkt durch ei-nen anderen niedergelassenen Arzt, inder Regel durch den Hausarzt des Pati-enten. Im 2. Fall erfolgt die Überwei-sung auf Veranlassung einer Klinikab-

gen mehr als fragwürdig sind. Ohneauch nur annähernd unter Beweis zustellen, daß mit diesen Änderungen derArbeitsschutz oder die Umwelthygieneeine Verbesserung erleben, führen diesenunmehr zur Aufgabe der eigenen Zu-bereitung.

Während der Sinn der neuen Rege-lungen in vieler Beziehung unklarbleibt, sind die Konsequenzen um so of-fensichtlicher. Die Therapieführungwird zwangsläufig unflexibler, zumNachteil der betroffenen Patienten. Siewird zwangsläufig um ein Etliches teu-rer, da die Zubereitung nunmehr nurnoch in Apotheken mit spezieller Aus-stattung möglich sein wird, die ihrer-seits in Rechnung stellen werden, wasbisher nicht berechnet wurde.

Maßnahmen zur Qualitätssiche-rung gewinnen auch im therapeuti-schen Bereich zunehmend an Bedeu-tung. Die Schaffung entsprechender Ar-beitskreise und die regelmäßige Teil-nahme an deren Verantstaltungen sollteobligatorisch sein.

Personelle und räumlicheVoraussetzungen

Hat man sich entschlossen, eine Versor-gung in diesem Umfang zu betreiben,so ist von ärztlicher Seite eine perma-nente Erreichbarkeit über geeigneteKommunikationssysteme ebenso uner-läßlich wie regelmäßige, zeitbegrenzteÖffnung der Praxis an Wochenendenund Feiertagen. Eine solche flexible undtägliche Präsenz ermöglicht beispiels-weise die Durchführung aggressiverund zeitlich komplexer Chemotherapi-en mit den dann zusätzlich notwendi-gen Blutbildkontrollen und supporti-ven Therapiemaßnahmen. Eine Inter-vention zur Unzeit bei Auftreten vonKomplikationen oder von technischenProblemen beim Einsatz von tragbarenInfusionspumpen ist zwar relativ seltennotwendig, sollte aber von den behan-delnden Ärzten selbst und nicht überanderweitige Notdienste oder mittelsKrankenhauseinweisung vorgenom-men werden. Auf längere Sicht sind zurAufrechterhaltung solcher Vorausset-zungen mindestens 2 Ärzte erforder-lich.

Die Schaffung guter räumlicherund personeller Bedingungen ist einkritischer Punkt. Eine zentrale Lage derPraxis, mit entsprechend guter Ver-

Der Onkologe Suppl 1·97 | S 35

Page 4: Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

teilung, in der die Diagnostik und Pri-märtherapie, zumeist in Form einerchirurgischen Behandlung, abgeschlos-sen wurde, und nunmehr eine Weiter-behandlung angeschlossen werden soll.

Wenngleich der Schwerpunktpra-xis die Koordination der spezifischenDiagnostik und Therapie zukommt, be-hält der Hausarzt in beiden Fällen einezentrale Stellung in der weiteren Betreu-ung. Eine enge Kooperation mit ihm istunerläßlich. Eine Arbeitsteilung bei-spielsweise bei laborchemischen Ver-laufskontrollen oder auch bei notwendi-gen Hausbesuchen kann für alle Betei-ligten sinnvoll sein. Die Zuständigkeitdes Hausarztes für die Erkrankungen,die nicht unmittelbar mit der hämatolo-gisch-onkologischen Problematik ver-bunden sind, bleibt unbenommen.

Eine erfolgreiche Arbeit im Sinneder oben genannten Zielsetzung wäreohne die Kooperation mit anderenSchwerpunktpraxen und Klinikabtei-lungen bzw. -ambulanzen nicht reali-sierbar. Dies betrifft zunächst den dia-gnostischen Part, der radiologische, nu-klearmedizinische, gastroenterologi-sche, kardiologische, HNO-ärztliche,histopathologische und infektiologi-sche, seltener auch endokrinologische,urologische oder neurologische Unter-suchungen oder Eingriffe umfassenkann. Die Anbindung an ein Zentralla-bor mit Kurierdienst und Befundüber-mittlung am Tag der Blutabnahme istein weiterer unverzichtbarer Bestand-teil des medizinischen Umfeldes.

Grundvoraussetzung für die The-rapieführung ist darüberhinaus einegute Zusammenarbeit mit einer Radio-onkologie und einer Blutbank, mit chi-rurgischen und internistischen Klinik-abteilungen, in Einzelfällen auch mitanderen Institutionen.

außerdem ein nur im Ausnahmefall er-forderlicher Einsatz von antiinfektiö-sen Medikamenten bzw. von Zytokinen.Dies spart Toxizität und Kosten. Unsereeigene tägliche Erfahrung, wenngleichderzeit noch nicht mit Zahlen zu bele-gen, steht im Einklang mit den Ergeb-nissen präliminärer Untersuchungenan anderen Institutionen (K. Rolston,Houston, persönliche Mitteilung).

Aus der Sicht der ärztlichen Be-treuer ergeben sich eine Reihe von Im-plikationen aus der geschilderten Artder ambulanten Versorgung. An ersterStelle ist die Verantwortung fürSchwerstkranke bei gleichzeitigem Feh-len des breiten Rückens einer Klinik zunennen. Daraus ergeben sich nicht nurzusätzliche zeitliche Belastungen.

Immer wieder erleben wir darüberhinaus, daß Patienten in einer Situation,die nach gängigen Maßstäben eine sta-tionäre Einweisung zur Folge habenmüßte (Rezidiv einer akuten Hämoblas-tose, schwerwiegende infektiologischeKomplikation), diese konsequent ableh-nen. Die Maßgabe lautet dann, entwedereine weitere ambulante Therapie untermaximalem personellen Einsatz oderaber gar keine Therapie mehr durchzu-führen. Aufgrund der besonderen Um-stände ist die Entscheidung der Betreu-er in Richtung einer Fortführung derTherapie zumeist vorgegeben. Der dannnicht selten erzielte Behandlungserfolgrelativiert im Nachhinein die bisherigenSichtweisen des ambulant Machbarenbzw. dessen Grenzen.

Die zeitliche Inanspruchnahme beider hier vorgestellten Art ambulanter

Ambulante Pflegedienste mit enga-gierten und fachlich versierten Mitar-beitern sind mittlerweile auch in klei-neren Orten tätig. Die Kooperation mitihnen ist eine weitere Voraussetzung,durch die dem Kranken der stationäreAufenthalt erspart bleiben kann. DasSpektrum der Tätigkeiten dieser Dien-ste umfaßt neben der Grundpflege auchdie Applikation von Medikamenten so-wie die Überwachung von häuslichdurchzuführenden Infusionstherapien.

Die Tabelle 4 gibt einen Überblicküber Institutionen, die in einem opti-malen medizinischen Umfeld verfüg-bar sein sollten.

Ambulante vs. stationäreBehandlung

Aus Patientensicht steht das Verbleibenin der häuslichen Umgebung ganz imVordergrund des Interesses. Von dieserRegel gibt es nur wenige Ausnahmen.Auf dem Hintergrund der oft schwer-wiegenden Krankheitsproblematik emp-finden es die meisten der Betroffenenzumindest als Lichtblick, wenn sie nacherfolgter Therapie nach Hause können.Nach unserer Erfahrung werden dafürauch weite Anfahrtswege gern in Kaufgenommen.

Ein weiterer Grund für die zuneh-mende Akzeptanz, die die Schwer-punktpraxen erfahren, dürfte mit derKontinuität der Betreuer zusammen-hängen, die in dieser Form in der Kliniknicht zu gewährleisten ist. Eine entspre-chend gute Compliance ist in der Regeldie Folge.

Medizinisch scheint darüber hin-aus der infektiologische Aspekt beimVergleich zwischen Praxis und Kran-kenhaus von Bedeutung zu sein. DieDatenlage zu dieser Frage ist bislangzwar wenig umfassend, jedoch auf-schlußreich. Die vorliegenden Untersu-chungen deuten an, daß ambulant be-treute Patienten in Phasen kritischerNeutropenie offenbar weniger Infektio-nen akquirieren als dies unter stationä-ren Bedingungen der Fall ist. Auf demHintergrund der bisherigen Erkennt-nisse über sog. Krankenhausinfektio-nen sind die Gründe hierfür offensicht-lich.

Abgesehen von der daraus mögli-cherweise resultierenden geringerentherapie- und krankheitsbedingtenMorbidität und Mortalität, ergibt sich

| Der Onkologe Suppl 1·97

Zum Thema: Hämatologisch-onkologische Diagnostik

S 36

Tabelle 3Personelle und räumliche Rahmen-bedingungen

Personal Räumlichkeiten

Tabelle 4Medizinisches Umfeld

Diagnostik Therapie

Zentrallabor

InfektiologischesLabor

Pathologie

Röntgendiagnostik,MRT

Nuklearmedizin

Gastroenterologie

Kardiologie

HNO, Endokrinologie

Neurologie, Urologie

Mindestens 2 Ärzte

Pflegepersonal

Laborpersonal

Arzthelfer(innen)

Zentrale Lage

Räume mit Therapie-sitzplätzen

Räume mit Betten

Zugang für Liegend-kranke

Strahlentherapie

Blutbank

Chirurgie

Innere Medizin

Urologie

AmbulantePflegedienste

Page 5: Möglichkeiten der ambulanten hämatologisch-onkologischen Diagnostik und Therapie

Versorgung ist zumeist ausgeprägter alsbei der Arbeit in einer Klinik. Der regel-mäßige Besuch von Fachkongressen istdabei nicht leicht zu realisieren, hataber einen umso höheren Stellenwert,da die kliniküblichen Austauschmög-lichkeiten fehlen.

Eine Praxis ist ein selbständigesUnternehmen, wenn auch in vergleichs-weise kleinem Maßstab. Die Sicherungder eigenen Existenz und die Verant-wortung für die Arbeitsplätze der Mit-arbeiter stellten noch vor wenigen Jah-ren im niedergelassenen Bereich keinProblem dar. Diese Situation hat sichgrundlegend geändert. Fehleinschät-zungen und -investitionen, nicht zuletztauf dem Hintergrund der schwer ein-schätzbaren Entwicklungen im Ge-sundheitswesen, können heute denscheinbar überzogenen Begriff der Exi-stenzvernichtung für einen Praxisbe-treiber unversehens zur Realität wer-den lassen.

Fazit für die Praxis

Hämatologische und onkologische Dia-gnostik und Therapie sind unter geeigne-ten Rahmenbedingungen heute überwie-gend auf ambulanter Basis realisierbar. Miteinem umfassenden personellen undräumlichen Angebot, einem entsprechen-den apparativen Leistungsspektrum undeinem breiten medizinischen Umfeld, dasinsbesondere Institutionen aus den Berei-chen Strahlentherapie, Bluttransfusions-wesen und Laboratoriumsmedizin beinhal-ten sollte, kann bei den meisten betrof-fenen Patienten eine stationäre Behand-lung vermieden werden. Langfristig istdamit zu rechnen, daß auch die klinischeForschung in unserem Fachgebiet zu ei-nem guten Teil im ambulanten Bereich er-folgen wird.

Perspektiven

Die klinische Forschung ist derzeitnoch überwiegend eine Domäne derKlinikabteilungen und ist im niederge-lassenen Bereich kaum vertreten. Dieskönnte sich ändern. Die Durchführungkooperativer Studien in Schwerpunkt-praxen wird sich allein schon aus derTatsache ergeben, daß viele Patientenprimär oder ausschließlich ambulantbehandelt werden. Erste Ansätze in einesolche Richtung sind gemacht. Auf dieQualität der ambulanten Diagnostikund Therapie dürfte sich dies, entspre-chend der Erfahrung bei Klinikstudien,positiv auswirken. Von Interesse wärenu. a. vergleichende Therapiestudien,Studien zur Frage der Realisierbarkeitzunehmend aggressiver Therapien un-ter ambulanten Bedingungen sowie zuroben angesprochene Problematik in-fektiologischer Komplikationen.

In Anbetracht der gegenwärtigenKostendiskussion werden bestimmteTherapieformen, ähnlich wie in denUSA, langfristig nur noch zu verwirkli-chen sein, wenn entsprechend kosten-günstige Möglichkeiten verfügbar sind.Dafür gibt es im ambulanten Bereichvermutlich noch ein weites, bislangnicht ausreichend genutztes Potential.

Der Onkologe Suppl 1·97 | S 37