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Universität Potsdam WiB e. V. An-Institut Studiengang Schulmanagement Modul 5.4. Schulpraktikum Betreuender Dozent: Prof. Dr. Hans Leutert Kurs SMMA-08 Praktikumsbericht Schulpraktikum an der Integrierten Gesamtschule „Georg-Christoph- Lichtenberg“ in Göttingen-Geismar vom 27.10. 07.11.2008 Eingereicht von Katharina Schlumm Mail: [email protected] Potsdam, den 20.11.2008

Möglichkeiten und Grenzen von Personalentwicklung in … · Universität Potsdam WiB e. V. – An-Institut Studiengang Schulmanagement Modul 5.4. Schulpraktikum Betreuender Dozent:

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Universität Potsdam

WiB e. V. – An-Institut

Studiengang Schulmanagement

Modul 5.4. Schulpraktikum

Betreuender Dozent: Prof. Dr. Hans Leutert

Kurs SMMA-08

Praktikumsbericht

Schulpraktikum an der Integrierten Gesamtschule „Georg-Christoph-

Lichtenberg“ in Göttingen-Geismar vom 27.10. – 07.11.2008

Eingereicht von Katharina Schlumm

Mail: [email protected]

Potsdam, den 20.11.2008

Inhaltsverzeichnis

II

Inhaltsverzeichnis

Seite

Inhaltsverzeichnis II

Abkürzungsverzeichnis III

Abbildungsverzeichnis IV

Anlagenverzeichnis V

1. Vorstellung der Praktikumsschule 1

2. Thematischer Schwerpunkt des Praktikums 4

3. Tabellarische Übersicht über die Praktikumsaktivitäten 5

4. Curriculare Vorgaben am Beispiel des Fachs Mathematik 8

4.1. Rahmenrichtlinien für die Integrierte Gesamtschule 8

4.2. Schulinternes Curriculum 10

5. Evaluation der Tischgruppenarbeit 14

5.1. Pädagogische Entwicklungsbilanz 2002-2004 14

5.2. Lernausgangslage einer Tischgruppe 18

5.3. Beobachtungsergebnisse einer Tischgruppe 21

5.4. Befragung zur Tischgruppenarbeit 24

6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen 27

Anlagen 32

Literaturverzeichnis 36

Abkürzungsverzeichnis

III

Abkürzungsverzeichnis

AÜ Arbeits- und Übungsstunden

AWT Arbeit – Wirtschaft - Technik

ca. circa

D Deutsch

d. h. das heißt

En Englisch

f folgende

GR Gesellschaftslehre/Religion

Ku Kunst

Ma Mathematik

NW Naturwissenschaften

PEB Pädagogische EntwicklungsBilanz

S. Seite

Sp Sport

TUT Tutorinnenstunde

vgl. vergleiche

WB Wahlbereich im Ganztagsbetrieb

WP Wahlpflichtfach

u. a. unter anderem

Abbildungsverzeichnis

IV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Foto der IGS Göttingen: Schule und Erfolge. Powerpoint-

Präsentation der Schule, Folie 4

Abbildung 2 Übersicht über das Cluster: Schule und Erfolge. Power-

point-Präsentation der Schule, Folie 5

Abbildung 3 Foto aus der Lernwerkstatt Mathematik, eigene Aufnah-

me.

Abbildung 4 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2004).

Abbildung 5 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2002-2004).

Abbildung 6 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2004).

Abbildung 7 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2004).

Abbildung 8 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2004).

Abbildung 9 Pädagogische EntwicklungsBilanz (PEB 2004).

Anlagenverzeichnis

V

Anlagenverzeichnis

Anlage 1 Auszug aus den Rahmenrichtlinien für Integrierte Ge-

samtschulen im Land Niedersachsen im Fach Mathema-

tik

Anlage 2 Auszug aus dem schulinternen Lehrplan für das Fach

Mathematik in der Jahrgangsstufe 7

Anlage 3 Stundenplan der Klasse 7.3 an der IGS Göttingen

Anlage 4 Fragebogen für Schülerinnen und Schüler zur Tisch-

gruppenarbeit

Kapitel 1: Vorstellung der Praktikumsschule

1

1. Vorstellung der Praktikumsschule

Die Integrierte Gesamtschule „Georg-Christoph-Lichtenberg“ befindet sich im

Stadtteil Göttingen-Geismar und ist eine von insgesamt drei Gesamtschulen

der Stadt.

Abbildung 1: Foto der IGS Göttingen

Gegründet wurde sie 1975, nachdem eine Planungsgruppe aus Lehrern, El-

tern, Wissenschaftlern, Politikern und Architekten sich zuvor in Malmö kon-

zeptionelle Anregungen aus dem schwedischen Schulsystem geholt hatte.

„Die hier gesammelten Eindrücke flossen vom pädagogischen bis zum archi-

tektonischen Konzept in die Planung einer Schule ein, die auf der grünen

Wiese als Alternative zum klassischen deutschen Schulsystem gedacht

war.“1

1 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2006): Jahrbuch Ganztagsschule, S. 218 aus: Brammer, Peter: 25 Jahre

Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule Göttingen-Geismar in: Beispiele einer pädagogischen

Lernkultur, Heft 6, Göttingen 2001, S. 47.

Kapitel 1: Vorstellung der Praktikumsschule

2

Das Schulkonzept lebt seither von den Grundgedanken der Heterogenität,

der Förderung und der Ermutigung. „Ähnlich wie in skandinavischen Schul-

systemen wurde von vornherein das Konzept der Planungsgruppe eingehal-

ten, das vorsieht, von jeder Fachleistungsdifferenzierung abzusehen.“2

„Auch heute nach 30 Jahren trägt dieses Konzept. Die Einführung einer

Fachleistungsdifferenzierung wird nicht diskutiert.“3

In der IGS Göttingen lernen zurzeit ca. 1500 Schülerinnen und Schüler in

den Jahrgängen 5 – 13 und arbeiten 135 Lehrerinnen und Lehrer, 30 Mitar-

beiterinnen und Mitarbeiter sowie sechs Sozialpädagoginnen und Sozialpä-

dagogen (in Teilzeit und in den vier Integrationsklassen) . Diese Größe bietet

unzählige Möglichkeiten an Lernangeboten wie Werkstätten, Theater, Kino,

Bibliothek, Zirkus, Spielezentrale, Sportmöglichkeiten, Computerräume, Mu-

sikräume, Billard und Mensa. Gleichzeitig kann eine so große Schule un-

überschaubar sein und Angst machen. Daher ist für jeden Jahrgang, der im-

mer aus sechs Parallelklassen (Stammgruppen) besteht, ein eigener Bereich

in der Schule konzipiert, das Cluster. „In diesen Clustern erfahren Schüler

und Lehrer Geborgenheit, Zugehörigkeit, Verantwortlichkeit und Gestal-

tungsmöglichkeiten.“4

Die Grundlage der gesamten Organisation ist das Konzept einer Teamschu-

le. Geführt wird die IGS Göttingen von einer kollegialen Schulleitung aus acht

Personen (Schulleiter, Organisationsleiter, Didaktischer Leiter, Sek. I-Leiter,

zwei Sek. II-Koordinatoren, zwei zugewählte Lehrkräfte für Kooperationen,

Haushalt und Integrationsklassen/Sonderpädagogik). Die eigenverantwortlich

agierenden Jahrgangsteams bestehen aus jeweils 12-15 Lehrerinnen und

Lehrern, die auch hauptsächlich in ihrem Jahrgang unterrichten. Jede Klasse

2 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2006): Jahrbuch Ganztagsschule, S. 218 aus: Stimpel, Hans-Martin: Die

Einzigartigkeit des deutschen Bildungswesens, Göttingen 2005.

3 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2005):Gesamtschulen entwickeln sich. Die Blaue Reihe, S. 77.

4 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2006): Jahrbuch Ganztagsschule, S. 220.

Kapitel 1: Vorstellung der Praktikumsschule

3

setzt sich aus heterogen gebildeten Tischgruppen zusammen, in denen

meist sechs Kinder miteinander lernen und arbeiten.

Abbildung 2: die Architektur eines Clusters

Neben der Berücksichtigung von individuellen Wünschen sind für die Bildung

der Tischgruppen entscheidend: Geschlecht, Grundschulempfehlung bzw.

Leistungsvermögen und Migrationshintergrund. „Teamfähigkeit und Selbstor-

ganisation werden gestärkt, der zukünftige Chef sitzt mit seinen zukünftigen

Mitarbeitern im Team zusammen.“5

5 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2006): Jahrbuch Ganztagsschule, S. 220.

Kapitel 2: Thematischer Schwerpunkt des Praktikums

4

2. Thematischer Schwerpunkt des Praktikums

In der IGS Göttingen gibt es aufgrund des Modellcharakters der Schule be-

reits eine Vielzahl von internen und externen Evaluationen. Ebenso wurde

das erfolgreiche Konzept der Schule oft publiziert.

Dennoch ist das tägliche Erleben der funktionierenden Teamstruktur auf allen

Ebenen immer wieder neu faszinierend und fesselnd. Interessant sind für

mich das Agieren der kollegialen Schulleitung, die Gremienarbeit, die Leis-

tungsrückmeldung mit Lernentwicklungsberichten und auch die Mitgestal-

tungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler.

Besonders spannend aus der Perspektive der aktuellen Veränderungen in

der Schullandschaft und der Schulstruktur des Landes Brandenburg ist je-

doch das Lernen an der IGS Göttingen ohne Fachleistungsdifferenzierung.

Das bewusste Ausschöpfen der Lernpotenziale durch die Heterogenität der

Schülerinnen und Schüler kommt vor allem in der Arbeit der Tischgruppen in

den Klassen zum Tragen.

Aus diesem Grund habe ich mich dafür entschieden, die Tischgruppenarbeit

als Schwerpunkt meines Praktikums an dieser Schule zu sehen. Auf Vor-

schlag des Schulleiters Wolfgang Vogelsaenger galt der Jahrgangsstufe 7

mein vorrangiges Interesse. Die dort lernenden Schülerinnen und Schüler

zeichnen sich für meinen Arbeitsschwerpunkt aus durch:

gute Einarbeitung in die Vorteile und die Funktionen der Teamstruktur

zwei Jahre Erfahrungen in dieser Lern- und Arbeitsweise

evaluierte Lernausgangslage zu Beginn der Jahrgangsstufe 5

zwei Jahre Lernentwicklung an der IGS Göttingen.

Kapitel 3: Tabellarische Übersicht über die Praktikumsaktivitäten

5

3. Tabellarische Übersicht über die Praktikumsaktivi-

täten

Datum Aktivitäten

27.10.2008

Kennen lernen der Schule:

- Gespräch mit dem Schulleiter Herrn Vo-

gelsaenger

- Schulrundgang

- Materialauswahl für die Datenanalyse

- Eingrenzen des thematischen Schwer-

punktes für das Praktikum

- Gespräch mit einer der beiden Tutorinnen

der Klasse 7.3 zur Beobachtung einer

Tischgruppe

28.10.2008

Datenanalyse

Finden der Beobachtungsschwerpunkte

Unterrichtsbeobachtung einer Tischgruppe aus

Klasse 7 in Mathematik (2 Stunden)

29.10.2008

Datenanalyse

Unterrichtsbeobachtung einer Tischgruppe aus

Klasse 7 in Mathematik (2 Stunden)

Arbeit am Praktikumsbericht

30.10.2008

Entwicklung eines Schülerfragebogens für die

Tischgruppe

Datenanalyse

Teilnahme an der PÄDIKO (Pädagogisch-

Kapitel 3: Tabellarische Übersicht über die Praktikumsaktivitäten

6

didaktische Konferenz)

Arbeit am Praktikumsbericht

31.10.2008

Datenanalyse

Unterrichtsbeobachtung einer Tischgruppe aus

Klasse 7 in Mathematik (2 Stunden)

Arbeit am Praktikumsbericht

02.11.2008

Datenanalyse

Arbeit am Praktikumsbericht

03.11.2008

Unterrichtsbeobachtung einer Tischgruppe aus

Klasse 7 in Deutsch (2 Stunden)

Durchführung und Auswertung der Befragung

der Schülerinnen und Schüler

Arbeit am Praktikumsbericht

04.11.2008

Teilnahme an der Beratung der kollegialen

Schulleitung

Interview mit dem Fachkonferenzleiter Mathema-

tik Rainer Böhm

Arbeit am Praktikumsbericht

05.11.2008

Rückgabe aller Materialien und Verabschiedung

von der Schule

vorläufiger Abschluss des Praktikumsberichts

Fahrt an die Montessori-Schule in Hofheim bei

Frankfurt/Main zum Schulbesuch als „kritische

Freunde“ auf Einladung von Wolfgang Vogelsa-

Kapitel 3: Tabellarische Übersicht über die Praktikumsaktivitäten

7

enger

Kennen lernen der Besuchsgruppe aus insge-

samt neun Reformschulen des Verbundes „Blick

über den Zaun“

06.11.2008

Unterrichtsbeobachtungen

Kennen lernen der Schule

Gesprächsrunden mit Schülerinnen und Schü-

lern, Eltern, Lehrkräften

07.11.2008

Rückmeldung mit Lehrkräften, Eltern, Schülerin-

nen und Schülern

Rückmeldung an Schulleitung

Rückreise nach Potsdam

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

8

4. Curriculare Vorgaben

4.1. Rahmenrichtlinien für die Integrierte Gesamtschu-

le im Fach Mathematik

In den einleitenden Worten der Rahmenrichtlinien, die seit August 2003 in

Kraft gesetzt sind, wird besonders der Begriff „Unterrichtskultur“ betont, mit

dem alle das Unterrichtsgeschehen beeinflussenden Strukturen und Verän-

derungen gemeint sein sollen. Unterricht existiert nicht losgelöst von gesell-

schaftlichen Entwicklungen. Die Rahmenrichtlinien fordern zu einer Unter-

richtskultur auf, „welche die Lernenden aus der rein passiven Rolle der Be-

lehrten heraushebt und die Lehrenden nicht nur als Experten der möglichst

reibungslosen, fehlerfreien Vermittlung von Fachwissen sieht.“6 Besonders

betont wird der Fokus auf handlungsorientierten Unterricht.

Hierbei geht es vorrangig um die Vermittlung grundlegender, fachübergrei-

fender Lernkompetenzen sowie die Berücksichtigung individueller Lernstra-

tegien. „Der Schwerpunkt der Rolle der Lehrenden verschiebt sich von Ex-

perten des Fachwissens zu Experten des Lernens.“7

Diese Rahmenrichtlinien gelten für alle Integrierten Gesamtschulen des Lan-

des Niedersachsen, jedoch nicht für andere Schulformen. Umso mehr muss

betont werden, dass sie keine expliziten Angaben zu Lerninhalten oder Lern-

niveaus von Grund- und Erweiterungskursen enthalten. Vielmehr orientieren

sich die Inhalte an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz im

Fach Mathematik und stellen somit Mindestanforderungen dar. Darüber hin-

aus werden in den einleitenden Hinweisen Varianten aufgeführt, wie die För-

derung von Schülerinnen und Schülern bei Lerndefiziten oder bei Unterforde-

rung aussehen könnte. So sollten Lernangebote für besonders leistungsstar-

ke Schülerinnen und Schüler bereitstehen, die „über die gestellten Anforde-

6 Rahmenrichtlinien(2003): S. 9.

7 Rahmenrichtlinien(2003): S. 9.

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

9

rungen des Jahrgangs weit hinaus gehen können.“8 Hervorgehoben wird in

diesem Zusammenhang, dass der Unterschied nicht ausschließlich in der

Anzahl der zu bearbeitenden Aufgaben bestehen solle. Da das Unterrichts-

konzept der IGS Göttingen seit nunmehr 30 Jahren besteht und umgesetzt

wird, scheinen hier die Rahmenrichtlinien genau den Intentionen des Kon-

zepts zu folgen.

In der Anlage 1 ist der Ausschnitt aus den Rahmenrichtlinien aufgeführt, von

dem ich einen Bruchteil in der Umsetzung im Unterricht der 7. Klasse wäh-

rend meines Aufenthalts an der IGS Göttingen beobachten und erleben

konnte.

Ein Abschnitt der Rahmenrichtlinien widmet sich den Aufgaben der Fachkon-

ferenzen. Hier finden sich zwei Hinweise zum Umgang mit der Leistungsdif-

ferenzierung, in denen es heißt, dass es zu den Aufgaben der Fachkonferenz

gehört:

„im schuleigenen Lehrplan die äußere Fachleistungsdifferenzierung

zwischen Erweiterungs- und Grundkursen so aufeinander abzustim-

men, dass Kurswechsel möglich sind,

Kriterien der Leistungsmessung und –bewertung aufzustellen und kon-

tinuierlich weiterzuentwickeln.“9

In Bezug auf das Konzept der IGS Göttingen ohne äußere Fachleistungsdif-

ferenzierung ist der folgende Hinweis in den Rahmenrichtlinien von Bedeu-

tung: „Lernentwicklungsberichte sind am pädagogischen Leistungsbegriff

orientiert. Sie sind für einen offenen, binnendifferenzierten Unterricht eine

besonders geeignete Form der Rückmeldung.“10 In den Jahrgangsstufen 5 –

8 folgt die Schule dieser Empfehlung und wertet die Leistungen ohne Noten-

8 Rahmenrichtlinien(2003): S.27.

9 Rahmenrichtlinien(2003): S.80.

10 Rahmenrichtlinien(2003): S.77.

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

10

zeugnisse. Auch hierin scheinen sich die Rahmenrichtlinien an das seit Jah-

ren bewährte Schulkonzept der IGS anzulehnen.

4.2. Schulinternes Curriculum

Das Schulcurriculum der IGS Göttingen basiert auf der Grundvoraussetzung,

die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler zu nutzen, um bestmöglich

fördern und ermutigen zu können. So erscheint es mir sinnvoll, an dieser

Stelle die Grundpfeiler des Differenzierungskonzepts der Schule für das Fach

Mathematik den Ausführungen zum schulinternen Curriculum Mathematik

voranzustellen. Innere Differenzierung reagiert auf Vielfalt durch:

„Verschiedenen Lerntypen gerecht werden; beide Gehirnhälften an-

sprechen,

Gemeinsames Lernen bei differenzierten Lernanforderungen und auf

individuellen Wegen,

Verbindung von Lernen mit der außerschulischen Erfahrungs- und Le-

benswelt der SchülerInnen,

Differenzierte Förderung der kognitiven, emotionalen und sozialen

Entwicklung,

Mathematik-Lernwerkstatt – Handlungsorientierung, Projektorientie-

rung, Anwendungsbezug,

Lernen mit Kopf, Herz und Hand,

Förderung von selbstständigem, eigenverantwortlichem Lernen,

Von- und miteinander lernen in heterogenen Tischgruppen, Teamar-

beit,

Anerkennung und Bejahung von Vielfalt und Heterogenität der Lern-

tempi, Lernniveaus und Lernstile,

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

11

Sinnliche Vielfalt der Unterrichtsangebote durch Vielfalt im Medienein-

satz,

Lebensbezogene, integrative Förderdiagnostik,

Gleichrangigkeit von fachlichem, methodisch-strategischem, sozial-

kommunikativem und praktischem Lernen,

Ergänzung des lehrgangsorientierten Unterrichts durch Stationenler-

nen, Wochenplanarbeit, Projektunterricht usw.,

Lernbereitschaft durch Neugier, Faszination und Erwartungen wecken,

Wechsel von Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit.“11

Die Umsetzung dieses enorm hohen Anspruchsniveaus erfolgt in ebenso

vielfältiger Weise. Der Leiter der Fachkonferenz im Fach Mathematik Rainer

Böhm konnte mir darüber sehr umfassend Auskunft erteilen. Zunächst ein-

mal verlangt das Konzept von allen Lehrkräften im Vergleich zu anderen

Schulen ein deutlich größeres Engagement, höhere Kompetenzen und einen

wesentlich größeren Zeitaufwand. Jede Lehrkraft, die an der IGS Göttingen

unterrichtet oder unterrichten möchte, muss sich dessen stets bewusst sein.

Die gesamte Unterrichtsplanung, -durchführung und –nachbereitung basiert

auf binnendifferenzierenden Maßnahmen. Es reicht nicht, die mathemati-

schen Inhalte in verschiedene Anforderungsniveaus zu gliedern. Das Ange-

bot unterschiedlicher Lernwege zieht die intensive persönliche Zuwendung,

individuelle Hilfestellung, gestaltete Lern- und Arbeitsmittel sowie größere

Methodenvielfalt nach sich. Daraus ergeben sich zwangsläufig Grundsätze

der individuellen und schulinternen Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen

und Lehrer.

Unbedingt in diesem Kontext zu nennen ist auch die Leistungsrückmeldung

durch Lernentwicklungsberichte. Die Lehrkräfte müssen in die Lage versetzt

werden, eine Diagnose von fachlichen, kognitiven und sozialen Kompeten-

11

Böhm, Rainer (1998): Das Konzept der inneren Differenzierung, S. 21.

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

12

zen der Schülerinnen und Schüler in guter Qualität vornehmen und die Lern-

und Persönlichkeitsentwicklung aller beobachten, beschreiben und rückmel-

den zu können. Zum Teil ist die Organisation der Schule hierbei eine nicht

hoch genug anzuerkennende Unterstützung, wenn Doppelbesetzungen oder

Teilungsstunden möglich sind.

An dieser Stelle ist es erwähnenswert, dass die Mehrheit des Kollegiums in-

zwischen mehr als 20 Jahre Erfahrungen mit der Binnendifferenzierung und

den individuellen Lernentwicklungsberichten sammeln konnte. Mir wurde im

Gespräch jedoch überzeugend geschildert, dass das Einlassen auf die kon-

zeptionellen Grundlagen der Schule immer wieder unterschiedlich gut ge-

lingt. Das Umdenken auf die Nutzung der Heterogenität der Schülerinnen

und Schüler war und ist oft für die Lehrkräfte ein langer, beschwerlicher Weg.

„Leistungen ergeben sich durch die Vielfalt der Angebote, denn Vielfalt ist ein

wesentliches Element von Differenzierung.“12 Als Beweis für diese Aussage

konnte Rainer Böhm zahlreiche Beispiele aus dem Mathematikunterricht und

Projekten nennen, in denen sich die verschiedenen Lernsituationen mit viel-

fältigen Lern- und Arbeitsmitteln und Methoden zu einem beeindruckend brei-

ten Lernangebot verbinden. Ein Blick in die Lernwerkstatt Mathematik unter-

streicht diese Aussage zusätzlich:

12

Böhm, Rainer: Zitat aus dem Interview mit mir am 04.11.2008.

Kapitel 4: Curriculare Vorgaben im Fach Mathematik

13

Abbildung 3: Foto aus der Lernwerkstatt Mathematik

Hier findet sich auch ein thematisch passender Spruch an der Wand – Faszi-

nation empfinden wir über unsere sinnlichen Erfahrungen. In den Projekten

der Lernwerkstatt wird der handlungsorientierte Ansatz der Rahmenrichtlinien

im Fach Mathematik bestmöglich und umfassend umgesetzt.

Zusammenfassend ist zu nennen, dass die Schule ihrem eigenen Anspruch

an den Umgang mit Heterogenität im Fach Mathematik gerecht wird, in dem

sie Übungsmaterialien vorwiegend auf mehreren Anforderungsniveaus an-

bietet, vielfältige Lernsituationen und Unterrichtsmethoden vorbereitet, indivi-

duelle Leistungsrückmeldungen gibt sowie die Kompetenzen der Lehrkräfte

weiterentwickelt.

In der Anlage 2 ist der Teil des schulinternen Lehrplans nachlesbar, den ich

zu einem kleinen Teil im Unterricht in der Umsetzung verfolgen konnte.

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

14

5. Ergebnisse bisheriger Evaluationen

5.1. Pädagogische Entwicklungsbilanz 2002-2004

Eine Vielzahl von Evaluationen wurde in den vergangenen Jahren von ver-

schiedenen Institutionen über die Qualität der schulischen Bildung an der

IGS durchgeführt, zum Teil auch im Vergleich mit anderen Integrierten Ge-

samtschulen oder auch Gymnasien im Land Niedersachsen. Es ist an dieser

Stelle unmöglich, alle Ergebnisse zu thematisieren. Ich habe mich daher ent-

schlossen, passende Kernaussagen der letzten Studie zu meinem themati-

schen Schwerpunkt exemplarisch zu verwenden.

Eine sehr umfangreiche Studie über diese Schule ist die Pädagogische Ent-

wicklungsbilanz (PEB 2002-2004), die unter anderem die Aussagen der

Schülerinnen und Schüler bezüglich ihrer Lernsituation der Jahre 2002 und

2004 gegenüberstellt. Die Items wurden allerdings für die Erhebung im Jahr

2004 zum Teil verändert oder neu hinzugefügt. So gaben die Schülerinnen

und Schüler zum Anteil von differenzierten Aufgabenstellungen und von Wo-

chenplanarbeit/Stationen im Jahr 2004 erstmals Auskunft:

Abbildung 4: Ergebnisse aus PEB 2004

In den beiden Diagrammen ist ersichtlich, dass eine übergroße Mehrheit aller

Schülerinnen und Schüler der Schule die Arbeit mit differenzierten Aufga-

benstellungen und nach Wochenplänen bestätigt hat.

Differenzierte Aufgabenstellungen Wochenplanarbeit/Stationen

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

15

Gleichzeitig wurde mit dieser Studie eine Weiterentwicklung der Schule und

des Unterrichts im Vergleich zu 2002 deutlich, denn der Frage: - ich weiß,

was ich am Ende des Schuljahres wissen muss – stimmten 2004 mehr Schü-

lerinnen und Schüler zu (Abbildung 5 links). Ebenso bestätigte 2004 ein hö-

herer Prozentsatz aller Schülerinnen und Schüler, dass sie im Unterricht ler-

nen, wie man lernt (Abbildung 5 rechts):

Abbildung 5: Ergebnisse aus PEB 2002-2004 (Farbe rot für 2004)

Aber auch die Lehrerinnen und Lehrer wurden nach ihrer beruflichen Situati-

on an der IGS Göttingen befragt. Die Vergleichsdaten in den folgenden Dia-

grammen (Farbe blau) beziehen sich auf Aussagen der Lehrkräfte aller Inte-

grierten Gesamtschulen im Land Niedersachsen. Es ist unschwer zu erken-

nen, dass der Verbleib an der Schule (Abbildung 6) und die Zufriedenheit mit

den organisatorischen Gegebenheiten (Abbildung 7) an der IGS Göttingen

stets größer sind:

Abbildung 6: Ergebnisse aus PEB 2004 (Farbe rot für IGS Göttingen))

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

16

Abbildung 7: Ergebnisse aus PEB 2004 (Farbe rot für IGS Göttingen))

Die Schülerinnen und Schüler aller Integrierten Gesamtschulen wurden zum

Unterrichtsausfall und zum Lehrer-Schüler-Verhältnis befragt. Auch hier liegt

das Ergebnis der IGS Göttingen in allen Kategorien über dem Durchschnitt

der anderen Schulen (Abbildung 8):

Abbildung 8: Ergebnisse aus PEB 2004 (Farbe rot für IGS Göttingen)

Interessant ist auch das Verfolgen der Entwicklung der erreichten Schulab-

schlüsse gegenüber den Grundschulempfehlungen über mehrere Jahrgänge.

So wurden die Daten der Absolventen am Ende der Jahrgangsstufe 10 der

Jahre 2002-2004 ausgewertet. Dabei ergibt sich das erfreuliche Ergebnis,

dass ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler die Grundschulempfeh-

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

17

lung mit seinen Leistungen übertreffen konnte. Darunter sind auch etliche

Schülerinnen und Schüler mit der Berechtigung zum Abitur, obwohl ihnen am

Ende der Grundschulzeit ein Hauptschulabschluss empfohlen wurde (Abbil-

dungen 9):

Abbildung 9: Ergebnisse aus PEB 2004

(Legende: blau (Berechtigung zum) Abitur

lila Realschulabschluss

weiß Hauptschulabschluss

grün ohne Abschluss)

Weitere interessante und relevante Ergebnisse liste ich im Folgenden nur

stichpunktartig auf:

Positive Bewertung der beruflichen Situation liegt über dem Durch-

schnitt.

Benotung berücksichtigt individuelle Lernentwicklung und ist kein

Ranking.

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

18

Schülerinnen und Schüler fühlen sich wohl in der Schule.

Fachliches Niveau des Unterrichts und die Ausstattung der Schule

sind hoch.

87% der Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich gesund, obwohl zwei Drit-

tel älter als 45 Jahre und die Hälfte älter als 50 Jahre sind.

5.2. Lernausgangslage einer Tischgruppe

Die Sitz- und Arbeitsordnung in den Klassen wird zu Beginn jedes Schuljah-

res neu festgelegt. Ohne Hinweise der Tutorin habe ich mir eine Tischgruppe

ausgewählt, die von mir in den folgenden Tagen besonders beobachtet wur-

de. Diese Gruppe arbeitet wie alle anderen erst seit einigen Schulwochen in

dieser Zusammensetzung gemeinsam an ihren Aufgaben.

Für die sechs Schülerinnen und Schüler dieser Tischgruppe wurde folgende

Bildungsgangempfehlung durch die jeweils abgebende Grundschule ausge-

sprochen:

Leon Hauptschulabschluss (HS)

Margarita Realschulabschluss (RS)

Nico Realschulabschluss (RS)

Jana Realschulabschluss (RS)

Melissa Hauptschulabschluss (HS)

Mehtap Abitur

Eine Schülerin dieser Gruppe war zu Beginn der 5. Jahrgangsstufe noch

nicht in dieser Klasse. Für die anderen wurde durch die Georg-August-

Universität Göttingen die Lernausgangslage zum Zeitpunkt der Aufnahme an

der IGS festgestellt und dokumentiert. Zu dieser Studie gehörten ein Lese-,

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

19

ein Mathematiktest sowie ein Test zu kognitiven Grundfähigkeiten. Die An-

gaben im folgenden Auszug aus dieser Studie erfassen jeweils den prozen-

tualen Anteil richtiger Antworten der Schülerinnen und Schüler in jedem Test:

Name Lese-

test

Mathematik-

test

Wortanalo-

gien

Figuren-

analogien

empfohl.

Abschluss

Leon 47,4 12,5 35,0 32,0 HS

Margarita 63,2 68,8 45,0 72,0 RS

Nico 52,6 56,3 50,0 64,0 RS

Jana 21,1 50,0 35,0 12,0 RS

Melissa 36,8 43,5 40,0 20,0 HS

höchster

Klassen-

wert

84,2 87,5 80,0 96,0

Leon und Melissa (beide Empfehlung zum Hauptschulbesuch) erreichten im

Mathematiktest Ergebnisse unter 50%, Leon sogar weit darunter. Im Test

„Figurenanalogien“ spielten ebenfalls mathematische Fähigkeiten eine Rolle.

Auch hier blieben beide unter dem Durchschnitt der Klasse. Bei diesem Test

zeigten sie allerdings beide bessere Leistungen als Jana (Empfehlung zum

Realschulbesuch). Im Test „Wortanalogien“ schnitt Melissa ebenfalls etwas

besser als Jana ab, die mit Leon ergebnisgleich war. Unerwartete Ergebnis-

se in Bezug auf die Abschlussempfehlung der Grundschule ergaben sich

auch im Lesetest, denn auch hier lag Jana im Vergleich zu den Ergebnissen

der Klasse weit zurück.

Schon bei der Betrachtung der Testergebnisse dieser einen Schülergruppe

der Klasse zeigt sich eine Diskrepanz zwischen dem Anteil richtiger Antwor-

ten und der Abschlussempfehlung der abgebenden Grundschule. Aus der

Empfehlung lässt sich nicht automatisch auf die zu erwartenden Leistungen

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

20

schließen. Wenn die Schülerinnen und Schüler nicht durch die Schule vorzei-

tig in abschlussrelevante Kurse aufgeteilt werden, bleiben genügend Raum

und Gelegenheit, sich auf die tatsächlich erbrachten Leistungen zu konzent-

rieren. Das belegen auch die folgenden Auszüge aus den Lernentwicklungs-

berichten dieser Schülergruppe. Die Leistungsrückmeldungen ohne Bezug

auf mögliche Abschlüsse stempeln nicht vorschnell ab, sondern motivieren

zu mehr Anstrengungen:

Name

empfohl.

Ab-

schluss

Fazit zur TG-Arbeit Leistungen in Mathematik

Leon HS TG phasenweise gut Grundanforderungen zum Teil

erreicht

Margarita RS

Entwicklung zu

ernsthafterer Arbeit

erkennbar

gute Fortschritte, mittlerer bis

erweiterter Schwierigkeitsgrad

erreicht

Nico RS

Entwicklung zu

ernsthafterer Arbeit

erkennbar

verschiedene Schwierigkeits-

grade gewählt, aber Teilberei-

che nicht bearbeitet

Jana RS

Entwicklung zu

ernsthafterer Arbeit

erkennbar

Grundanforderungen zum Teil

erreicht, aber auch mittlerer

Anforderungsbereich zum Teil

erreicht

Melissa HS

Entwicklung zu

ernsthafterer Arbeit

erkennbar

Grundanforderungen fast alle

erreicht, jedoch manchmal nur

in Teilbereichen erfolgreich

Mehtap Gym.

Entwicklung zu

ernsthafterer Arbeit

erkennbar, mehr

Ehrgeiz entwickeln

Grundanforderungen zum Teil

erreicht, aber auch im mittleren

Anforderungsbereich erfolg-

reich gearbeitet

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

21

In diesem kurzen, zusammengefassten Ausschnitt aus den Lernentwick-

lungsberichten ist erkennbar, dass die Lernergebnisse nicht immer Leis-

tungsniveaus zugeordnet werden können. Erwartungsgemäß zeigten Marga-

rita, Nico und Mehtap die besten Erfolge im Lernen. Aber auch sie haben

Teilbereiche nicht bearbeitet oder Grundanforderungen manchmal nicht er-

reicht.

Das Lernen in ihrer Tischgruppe nehmen aber offenbar alle sehr ernst, wenn

auch mit unterschiedlichem Erfolg. Es ist zu vermuten, dass dieser Lernort

für die gesamte Gruppe persönlich bedeutsam geworden ist. Die Schülerin-

nen und Schüler konnten bereits über zwei Schuljahre das ernsthafte und

gemeinsame Arbeiten in dieser Sozialform kennen lernen und einüben.

5.3. Beobachtungsergebnisse einer Tischgruppe

Während meiner Unterrichtsbeobachtungen war ich ausschließlich im Unter-

richt der beiden Tutorinnen anwesend. Das hatte den Vorteil, dass hier die

Tischgruppen meist auch gemeinsam so arbeiten konnten, da die Klasse

dann in ihrem Klassenraum war. Für einen besseren Überblick ist in den An-

lagen der Stundenplan dieser Klasse dargestellt. Meine Unterrichtsbeobach-

tung fand in den Fächern Deutsch (D), Mathematik (Ma) sowie in den Ar-

beits- und Übungsstunden (AÜ) statt.

Die von mir ausgewählte Tischgruppe setzt sich aus sechs Kindern zusam-

men: vier Mädchen und zwei Jungen. Sie fiel mir besonders auf, weil der

körperliche Entwicklungsstand der Mädchen und Jungen und auch der bei-

den Jungen untereinander sehr verschieden ist. Des Weiteren ist ein Kind mit

Migrationshintergrund dabei. Damit stellt diese Gruppe für meine Beobach-

tungen eine hinreichende Repräsentanz aller Tischgruppen dar. Meine zahl-

reichen Beobachtungen fasse ich wie folgt zusammen:

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

22

5.3.1. Lösen von Problemaufgaben in Textform

Bereits das Vorlesen der Aufgabenstellung hat ein Kind ohne Zeitverzöge-

rung übernommen. Die anderen Kinder der Gruppe steckten die Köpfe zu-

sammen, saßen oder lagen dabei zum Teil auf dem Tisch. Sie waren äußerst

konzentriert und sprachen durch diese Sitzanordnung auch sehr leise. Es hat

sich niemand aus dieser Arbeitsphase zurückgezogen. Sie wussten offen-

sichtlich, dass das Ergebnis der Gruppe nur gut werden kann, wenn sich alle

anstrengen. Sie haben auch bereits in dieser Problemlösungsphase gemein-

sam geklärt, wer das Resultat der Gruppe präsentieren soll.

5.3.2. Lösen von Wiederholungsaufgaben

Diese Lernphase in Mathematik zog sich über mehrere Unterrichtsstunden

und sollte Defizite im Rechnen mit Brüchen aufzeigen und bestenfalls behe-

ben. Es war auffallend, dass die von mir beobachtete Tischgruppe über diese

Arbeitsphase meist zusammenblieb, obwohl die Sozialform frei wählbar war.

Die Arbeitsaufgaben waren in zwei Niveaustufen gestellt. Somit konnte jeder

für sich den Schwierigkeitsgrad selbst bestimmen. Da sich die richtigen Lö-

sungen immer an der Tafel befanden, war die Selbstkontrolle jederzeit

machbar und eine zusätzliche Bewegungsmöglichkeit geschaffen.

Die beobachtete Tischgruppe hat sich entschieden, frühestens am Ende ei-

ner Stunde die Kontrolle der Lösungen vorzunehmen. Dadurch konnten sie

über einen längeren Zeitraum sehr konzentriert arbeiten. Sie achteten auf ein

schnelles Arbeitstempo, um viele Aufgaben zu schaffen. Auffallend war, dass

alle Schülerinnen und Schüler nur Lösungswege notierten, die ihnen selbst

einleuchteten. Es ist vorhersehbar, dass nicht alle gleich schnell arbeiten.

Dadurch gab es auch immer wieder kurze Phasen der Einzel- oder Partner-

arbeit. Die nötige Denkzeit wurde sich gegenseitig zugestanden. Gab es aber

eine besonders gute Lösungsidee, wurde sie spontan laut kommuniziert.

Dann wurden alle sehr aufmerksam, fragten auch nach. Diese Form der An-

erkennung der Denkleistung brachte eine sofortige Bestätigung für die Schü-

lerin oder den Schüler.

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

23

Hierbei war gut wahrzunehmen, dass die Leistungsstärkeren besonders her-

ausgefordert waren, wenn sie die Rechenregeln oder die Lösungsvarianten

erklären müssen. Wird bei Defiziten sofort nachgefragt, ist somit natürlich

auch die unterrichtende Lehrkraft entlastet. Das Notieren des Lösungsweges

war ebenfalls sehr individuell geprägt. Selbst wenn die Gruppe zunächst die

Lösung gemeinsam diskutiert hat, konnte der schriftlich festgehaltene Weg

bei allen sehr verschieden sein.

5.3.3. Gemeinsame Aufgabe für die gesamte Tischgruppe

Auch die Lehrerin im Fach Deutsch ist Tutorin dieser Klasse. Sie hatte eine

Aufgabenstellung vorbereitet, die ein Gesamtergebnis jeder Tischgruppe ver-

langte. Zunächst gab es kurze individuell zu lösende Aufgaben, die dann in

der Gruppe diskutiert und zu einem inhaltlichen und optischen Gruppener-

gebnis zusammengeführt werden sollten. Diese Arbeitsphase war sehr auf-

schlussreich für mich, zeigte sie doch eindeutig die Dominanz der Mädchen

in dieser Tischgruppe. Die beiden Jungen wurden während der Arbeit von

den Mädchen mehrmals aufgefordert, ihren inhaltlichen Beitrag zu leisten.

Offensichtlich kamen ihnen aber das Thema und auch die Art der Bearbei-

tung wenig entgegen. Sie waren beide bemüht, sich einzubringen, jedoch nur

mit mäßigem Erfolg. Alle vier Mädchen waren bei dieser Arbeit schneller und

erfolgreicher. Dennoch beteiligten sich alle gleichermaßen an der Diskussion.

Ich konnte wahrnehmen, dass sich alle eine eigene Meinung zum Ergebnis

gebildet hatten und diese auch offensiv vertraten. Alle wurden angehört. Je-

der durfte ausreden. Den schriftlichen Teil der Aufgabe haben zwei Mädchen

ohne Diskussion übernommen. Mit dem Endergebnis dieser Gruppenarbeits-

phase schienen alle zufrieden gewesen zu sein.

Zusammenfassend kann ich hervorheben, dass diese Tischgruppe offen-

sichtlich Arbeitsregeln verinnerlicht hat, scheinbar als Gesamtgruppe arbeits-

fähig ist und sie trotzdem individuelle Besonderheiten zulassen. Dadurch ar-

beiten sie rücksichtsvoll miteinander und haben auch den Erfolg der gesam-

ten Gruppe im Blick.

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

24

5.4. Befragung zur Tischgruppenarbeit

Die Befragung der gesamten Klasse mit einem Fragebogen sollte die Be-

obachtungsergebnisse einer Tischgruppe durch eindeutige Tendenzen in

den Antworten aller bestätigen oder revidieren. Die Fragestellungen bezie-

hen sich daher vorrangig auf die Motivation für das gemeinsame Lernen in

den Tischgruppen.

76% aller befragten Schülerinnen und Schüler sind der Überzeugung, Regeln

für die Arbeit in den Tischgruppen aufgestellt zu haben und dass das Einhal-

ten dieser Regeln von den Lehrkräften eingefordert wird (Fragen 1 und 3).

Nur ein Viertel aller Befragten glaubt, dass alle Kinder ihrer Tischgruppe das

Einhalten dieser Regeln immer beachten würden (Frage 2). Das Arbeiten

nach festgelegten Normen in der Tischgruppe scheint also einer großen

Mehrheit in der Klasse sehr bewusst zu sein.

Zu den folgenden Motiven zur Tischgruppenarbeit gab es eine mehrheitliche

Zustimmung:

Alle kommen zu Wort (Frage 4). (insgesamt: 85% - beobachtete

Gruppe: 100%)

Mehr Ideen entstehen (Frage 5). (insgesamt: 72% - beobachtete

Gruppe: 83%)

Eigenes Wissen weitergeben (Frage 6) (insgesamt: 78% - beobachte-

te Gruppe: 83%)

Hilfe bei Lernschwierigkeiten erhalten (Frage 7) (insgesamt: 90% - be-

obachtete Gruppe: 100%)

Spaß beim gemeinsames Arbeiten (Frage 8) (insgesamt: 86% - beo-

bachtete Gruppe: 100%)

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

25

Teamarbeit für später lernen (Frage 12) (insgesamt: 82% - beobachte-

te Gruppe: 65%).

Diese Ergebnisse erlauben das Fazit, dass eine große Mehrheit der Schüle-

rinnen und Schüler sowohl das Arbeiten in ihrer Tischgruppe als angenehm

und erfolgreich empfindet als auch die Tischgruppe als den Ort begreift, an

dem Defizite besonders gut abgebaut werden können. Die von mir im Unter-

richt beobachtete Tischgruppe gab bei den genannten Gründen ein beson-

ders eindeutiges Votum ab. Oft stehen alle Mitglieder der Gruppe gleicher-

maßen hinter den in der Befragung vorgegebenen Aussagen. Eine Wortmel-

dung in der abschließenden offenen Frage bekräftigt dies noch: „ …weil ich

gerne mit den Leuten aus der TG zusammen arbeite und es Spaß macht.

Und es ist auch interessant, mal die Ergebnisse der anderen zu hören.“13

Nur etwas mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler glaubt, in der

Tischgruppe die eigenen Stärken besonders gut einsetzen und für alle nut-

zen zu können. Davon sind in der beobachteten Tischgruppe jedoch nur 17%

der Befragten überzeugt, was den niedrigsten Wert im Vergleich zu allen an-

deren Tischgruppen bedeutet. Aus meiner Perspektive könnte ein Grund für

diese Abweichung sein, dass nur eine Schülerin die Empfehlung für den

gymnasialen Bildungsgang hat. Somit spiegelt diese Gruppe auch nicht den

repräsentativen Querschnitt der Schule wider, denn der Anteil der höchsten

Bildungsgangempfehlung liegt über 60% in jeder Jahrgangsstufe. Des Weite-

ren machten mir die Schülerinnen und Schüler in persönlichen Gesprächen

dieser Tischgruppe oft deutlich, dass sie im Fach Mathematik noch etliche

Wissenslücken und Defizite überwinden müssten. Da die Befragung sich

ausschließlich auf das Fach Mathematik bezogen hat, spielt vermutlich die

eigene Selbstwahrnehmung eine vordergründige Rolle.

Niemand in der von mir beobachteten Tischgruppe glaubt, sich in dieser Ar-

beitsform weniger anstrengen zu müssen (Frage 11), was in der gesamten

13

Antwort aus der beobachteten Tischgruppe auf die Frage: was ich sonst noch zur Arbeit in der TG

sagen möchte (Befragung der Klasse zur Tischgruppenarbeit)

Kapitel 5: Evaluation der Tischgruppenarbeit

26

Klasse noch 20% der Kinder meinen. Sie erleben scheinbar in allen Tisch-

gruppen das Lernen in dieser Struktur als einen aktiven Prozess, der sie

auch entsprechend fordert.

Die Befragungsergebnisse werte ich als Bestätigung meiner Beobachtungen

in einer zufällig ausgewählten Tischgruppe. Die Schülerinnen und Schüler

nehmen die Lernarbeit in ihren Tischgruppen sehr ernst, können helfend und

rücksichtsvoll miteinander umgehen, fühlen sich dort von den anderen ange-

nommen und wertgeschätzt und wissen, dass ihnen bei Lernschwierigkeiten

geholfen wird. Sie erkennen die festgelegten Normen der Zusammenarbeit

an und bemühen sich um ihre Einhaltung. Die heterogene Zusammenset-

zung der Gruppen scheint zu garantieren, dass es keine Ausgrenzungen

gibt, sondern ganz im Gegenteil sehe ich die bewusste Nutzung der ver-

schiedenen Lernvoraussetzungen als Lernerfolgsgarantie.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

27

6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

Aufgrund zahlreich vorliegender Untersuchungsergebnisse aus internen und

externen Evaluationen erscheint es für mich sinnvoll, die Zusammenfassung

mit einem Auszug aus dem Bericht der Schulinspektion zu beginnen:

„Schullaufbahnempfehlungen und die Vergabe von Schulabschlüssen an der

Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule liegen im Vergleich zu anderen

Gesamtschulen in Niedersachsen über dem Durchschnitt. Diese Ergebnisse

erreicht die Schule ohne Maßnahmen äußerer Fachleistungsdifferenzierung.

Das Wiederholen einer Klasse gilt als Ausnahmefall.“14

In dieser Aussage wird bereits deutlich, dass das Konzept der IGS Göttingen

nicht nur zu herausragenden Leistungen und hoher Zufriedenheit bei allen

Beteiligten führt, sondern auch ein Beispiel gebendes Zukunftsmodell dar-

stellt. Alle bisherigen reformpädagogischen Ansätze haben unübersehbar

den gemeinsamen Anspruch, dass „Vertrauen in die Kräfte der Kinder und

der Jugendlichen Ausgang allen lerndidaktischen Denkens ist (Montessori:

Hilf mir, es selbst zu tun!), dass aber Anregungs- und Stützstrukturen (vorbe-

reitete Umgebung und Zeitrahmen) wichtig sind.“15

Durch die fehlende äußere Fachleistungsdifferenzierung in der IGS Göttin-

gen ist zunächst eine Stützstruktur geschaffen, die innerhalb jeder Klasse die

größtmögliche Heterogenität als Grundlage bildet. Das allein wäre allerdings

noch keine Voraussetzung für optimale Lernanreize. In der IGS konnte ich

wahrnehmen, dass das Kollegium bewusst vielfältige Formen der Binnendif-

ferenzierung nutzt und sich damit didaktisch in der Unterrichtsplanung und -

gestaltung auf diese Heterogenität einstellt. Dazu gehören unter anderem

Lernwerkstätten, Wochenplanarbeit, Stationenlernen, Portfolios, individuelle

Rückmeldungen durch Lernentwicklungsberichte u.a. Positive Lerneffekte

konnte ich ebenso beobachten, wenn Lernaufträge in unterschiedlichen An-

14

Bericht der Schulinspektion an der IGS Göttingen (2004), S. 9.

15 Bönsch, Manfred (2006): Selbstgesteuertes Lernen in der Schule, S. 234.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

28

forderungsniveaus den Schülerinnen und Schülern angeboten wurden, wobei

ihnen freie Wahl gewährt wurde. Eine breite Kompetenzentwicklung steht

ebenfalls bei der Unterrichtsplanung im Vordergrund – Lernen mit Kopf, Herz

und Hand. Dieser Ansatz fordert zwangsläufig „ … eine aktivierende und in-

dividualisierende Tätigkeits- und Aufgabenkultur geradezu heraus.“16 Ich

konnte mich davon überzeugen, dass im Fach Mathematik in den Arbeits-

und Übungsphasen des Unterrichts und auch in den Formen der Leistungs-

überprüfung überwiegend Aufgabenstellungen genutzt werden, die eine Ver-

netzung mit bereits erworbenem Wissen ermöglichen, mehrere Lösungswe-

ge zulassen und zur Entwicklung des Denkens beitragen. Wie ich aus vielen

Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern entnehmen konnte, ist dieser Fo-

kus auf die Aufgabenkultur Konsens im gesamten Kollegium und wird in der

Regel in allen Unterrichtsfächern umgesetzt.

Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum dieses seit über 30 Jahren erfolg-

reich praktizierte Modell bisher so wenig von anderen Gesamtschulen oder

weiteren Schulformen übernommen wurde, werden kann oder wird. Die Er-

gebnisse zeigen eindeutig, dass die bewusste Nutzung der Heterogenität von

Schülerinnen und Schülern ein Schlüssel zum Erfolg ist.

„Gesamtschulen, die eine äußere Differenzierung betreiben, holen sich das

falsche Ideal homogener Gruppen des dreigliedrigen Schulsystems ins eige-

ne Haus.“17 Des Weiteren machen es die aktuellen Rahmenbedingungen

und rechtlichen Vorgaben für Schulen schwer, geeignetere Vorstellungen

vom Schulleben durchsetzen zu können. Etliche Studien in den letzten Jah-

ren haben deutlich gezeigt und nachgewiesen, dass sich die Schulen in die-

se Richtung, die die IGS Göttingen aufzeigt, entwickeln müssen, „um die

16

Leutert, Hans (2008): Skript im Baustein 5.2. im Zusatzstudium aus Neue Praxis der Schulleitung, S.

3.

17 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2006): Jahrbuch Ganztagsschule, S. 220.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

29

Kinder und Jugendlichen angemessen zu fördern, zu fordern und die Bil-

dungschancen sozial gerechter zu gestalten.“18

Die Grundlage für eine gute Bildungspolitik und für gute Schulen ist ein Men-

schenbild, das vom Humanismus geprägt ist. Es geht hierbei um die grund-

sätzliche Einstellung zum Menschen und zum Lernen. Hierbei sind die grund-

legenden Kategorien „gegenseitiger Respekt, Akzeptanz von Individualität

und Heterogenität, das Wahrnehmen der Schüler/innen als ganzheitliche

Menschen, eine Fehler- und Lobkultur und die Übernahme von Verantwor-

tung“19

Dieser hohe Anspruch ist in der IGS Göttingen überall spürbar und wird kon-

tinuierlich weiterentwickelt. Das belegen nicht allein die guten Evaluationser-

gebnisse. Er ist auch daran erkenn- und erlebbar, wie offen, freundlich und

zugleich respektvoll alle an der Schule Beteiligten miteinander umgehen.

Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern fühlen sich wohl, verstanden

und gleichermaßen gefordert, woraus das gute Schulklima entsteht. Die kol-

legiale Schulleitung führt die Schule so, dass die Lehrerinnen und Lehrer sich

in ihrer Arbeit wertgeschätzt fühlen und im Team Verantwortung übernehmen

können. Durch die Organisationsstruktur als Teamschule gelingt eine optima-

le Lehrerkooperation und –kommunikation. „Ohne häufige Absprachen unter

den Kollegen, die in einer Klasse unterrichten, und ohne den Konsens der

gesamten Schule über dieses Lernarrangement, könnte dieser hohe An-

spruch an Teamarbeit nicht erreicht werden.“20 Ebenso haben die Schülerin-

nen und Schüler und ihre Eltern viele Gelegenheiten, sich aktiv in das Schul-

leben einzubringen. „Lernen funktioniert am besten in einer angstarmen At-

mosphäre, in der man sich sicher fühlt und die anderen Teammitglieder ein-

schätzen kann, in der man anderen nicht ausgeliefert ist, sondern unterstützt

18

Vogelsaenger, W. „et al.“ (2007) in: Bildungschancen in der neuen Ganztagsschule, S. 68.

19 Vogelsaenger, W. „et al.“ (2007) in: Bildungschancen in der neuen Ganztagsschule, S. 69.

20 Vogelsaenger, Stefanie (2008) in: Pädagogik, Heft 10, S. 26.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

30

und respektiert wird.“21 So erleben die Schülerinnen und Schüler ihre Ler-

numgebung und ihren Schulalltag, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer. In

diesem Sinn habe ich die IGS Göttingen als eine lernende Organisation er-

lebt und schätzen gelernt.

Zum Ende des Schulpraktikums hatte ich die Gelegenheit, das Verfahren und

die Wirkungen von „Peer Reviews“ zu erleben. Dieser Teil meiner Erfahrun-

gen muss losgelöst vom thematischen Schwerpunkt des Praktikums betrach-

tet und soll an dieser Stelle auch nicht ausgewertet werden. Die Integrierte

Gesamtschule „Georg-Christoph-Lichtenberg“ in Göttingen ist Mitglied im

Schulverbund „Blick über den Zaun“. Dieser Zusammenschluss reformpäda-

gogisch arbeitender Schulen führt zur Qualitätsentwicklung regelmäßige Be-

suche in allen Schulen durch. Dabei werden Methoden von „Peer Reviews“

genutzt, um voneinander lernen und Rückmeldungen zur Weiterentwicklung

der besuchten Schule geben zu können. Ein solcher Besuch fiel in die Zeit

meines Praktikums an der IGS. Die Besuchsgruppe bestand aus ca. 20

Lehrkräften - vorwiegend in Schulleitungsfunktionen – und war für drei Tage

in der Montessori-Schule in Hofheim zu Gast, eine Schule in freier Träger-

schaft.

Die besuchte Schule hatte den Besuchern vorher ein aktuelles Problem der

Schule mitgeteilt und einen entsprechenden Zeitablauf geplant. Es gab eine

Vorstellung der Schule und des Problems, zahlreiche Unterrichtsbesuche,

Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Schülern, Lehrkräften und

Eltern sowie eine punktuelle Dokumentenanalyse. Natürlich ergab sich eben-

so ein reger Austausch von Erfahrungen in den vielen Gesprächen außer-

halb des geplanten Programms. Die Schule hatte sich sorgfältig auf die Be-

suchsgruppe vorbereitet. Die Rückmeldung hatte eine große Bedeutung für

ihre weitere Arbeit.

21

Vogelsaenger, Stefanie (2008) in: Pädagogik, Heft 10, S. 26.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen

31

Das Auftreten der Besucherinnen und Besucher aus den befreundeten Schu-

len war von großem Interesse und Wertschätzung der geleisteten Arbeit ge-

prägt. Sehr behutsam wurde das Fazit für die einladende Schule zusammen-

gefasst. Die Rückmeldung ging an die breite Schulöffentlichkeit und wurde

dankbar aufgenommen. Durch meine Beobachterrolle konnte ich den enor-

men Wert dieser Form der Schulentwicklung gut erahnen. Mit den persönli-

chen Erfahrungen als Schulvisitatorin im Land Brandenburg ist das Verfahren

von „Peer Reviews“ aus meiner heutigen Sicht ein exzellentes Beispiel dafür,

wie Schulen aufeinander zugehen und gemeinsam neue Wege der Quali-

tätssicherung und –entwicklung beschreiten könnten. Besonders für Schulen

innerhalb einer Region kann das Verfahren eine gute Möglichkeit eröffnen,

gemeinsam Bildungslandschaften zu entwickeln und zu vervollkommnen.

Abschließend soll noch einmal der Schulleiter der IGS Göttingen Wolfgang

Vogelsaenger zu Wort kommen, denn dieses Zitat aus seinen Veröffentli-

chungen bringt in prägnanter Form die Erfolgsstrategie und den Charme sei-

ner Schule zum Ausdruck. Damit bedanke ich mich gleichzeitig bei ihm und

bei Stefanie Vogelsaenger für zwei ereignisreiche, anregende Wochen an

der IGS und die hervorragende Unterstützung und sehr angenehme Betreu-

ung.

„Eine Schule, die konsequent von ihren Strukturen her auf Heterogenität,

Förderung und Ermutigung setzt, kann allemal mit Erfolgen aufwarten. Die

wichtigsten Gelingensbedingungen sind eine gute Mischung der Begabun-

gen, eine wirkliche Teamarbeit auf allen Ebenen (Schulleitung, Jahrgangs-

teams, Klassenteams und Tischgruppen), die Einbeziehung von Eltern, ein

breit angelegter Bildungsbegriff und eine Schulatmosphäre, die geprägt ist

von Vertrauen, Anerkennung und dem allseitigen Einhalten von sinnvollen

und transparenten Regeln.“22

22

Vogelsaenger, W. „et al.“ (2005) in: Gesamtschulen entwickeln sich. Die Blaue Reihe, S. 80.

Anlagen

32

Anlagen

Auszug aus den Rahmenrichtlinien für das Fach Mathematik

Anlagen

33

Auszug aus dem schulinternen Curriculum

Fachbereich: Mathematik Jahrgang: 7 Stand: 9.09.2008/Ho

„Thema“

1.1 Inhalte

1.2 Prozessbezogene

Kompetenzen

Methoden

Plus und

Minus

Bruchrech-

nung II

Rationale Zahlen darstellen,

ordnen und vergleichen

(ganze Zahlen, Dezimalzah-

len u. Brüche)

Koordinatensystem auf alle

vier Quadranten erweitern

Addieren und Subtrahieren

von rationalen Zahlen.

Brüche vervielfachen

Brüche multiplizieren und

dividieren

Positive und negative Zah-

len multiplizieren und divi-

dieren

Mathematisch argumentieren

Problemlösen:

Zurückführen auf Bekanntes:

Modellieren:

Guthaben und Schulden;

Bewegungen auf der Zahlengera-

den

Werkzeuge: Lexika,

Schulbücher, Internet

Mathematisch argumentieren

Problemlösen:

Muster und Beziehungen zwischen

Zahlen und Figuren untersuchen.

Modellieren:

Einfache Realsituationen in ma-

thematische

Modelle übersetzen

Spiele mit Minuszah-

len

Anwendungen:

Ein eigenes Bank-

konto

Anwendungen:

Getriebe am Beispiel

der Fahrradgang-

schaltung

Komplexe Getriebe

Hinweise auf Lehrbuch, Quellen, Literatur, Materialien, Rahmenrichtlinien, Tests

Grundlage der Unterrichtseinheiten sind das Lehr- und Arbeitsbuch „Mathe live 7“, Klett-Verlag,

niedersächsische Rahmenrichtlinien IGS: Mathematik

Anlagen

34

Stundenplan der Klasse 7.3

Zeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

7.50-8.35 D D AÜ NW

8.35-9.20 En WP En TUT NW

Pause

9.40-10.25 D En AÜ AWT Sp

10.25-11.10 AÜ En GR AWT Sp

Pause

11.25-12.10 GR GR Ma WP Ma

12.10-12.55 GR GR WP WP AÜ

Essen/Freizeit

14.00-14.45 NW Ma WB Ku

14.45-15.30 NW AÜ WB Ku

Anlagen

35

Liebe Schülerin, lieber Schüler,

nachdem ich die Arbeitsweise eurer TGs im Mathematikunterricht beobachten und erleben konnte, interessiert mich deine eigene Meinung dazu, um das Bild für mich abzurunden. Kreuze bitte die Angaben an, die auf dich zutreffen.

Ich bin ein … Mädchen

Junge

Ich arbeite in Mathe-matik vorwiegend…

in den Grundanforderun-gen

in den erweiterten Anforderun-gen

Nr. trifft zu trifft

nicht zu

weiß nicht

1 Wir haben Regeln für die Arbeit in der TG.

2 Wir achten alle auf die Einhaltung der Re-geln.

3 Die Lehrerinnen und Lehrer achten auf die Einhaltung der Regeln.

Ich arbeite gern in meiner TG, weil …

4 … alle hier genügend zu Wort kommen.

5 … uns in der Gruppe mehr Ideen einfallen.

6 … ich mein Wissen und Können an andere weitergeben kann.

7 … mir bei Lernschwierigkeiten geholfen wird.

8 … das Arbeiten gemeinsam mehr Spaß macht.

9 … ich die Stärken und Schwächen der ande-ren so viel besser kennen lerne.

10 … ich hier meine Stärken besonders zeigen und einsetzen kann.

11 … ich mich manchmal nicht so anstrengen muss.

12 … ich hier für später lernen kann, wie im Team gearbeitet wird.

Was ich sonst noch zum Lernen in der TG sagen möchte:

____________________________________________________________________ ____________________________________________________________________

Literaturverzeichnis

36

Literaturverzeichnis

Rahmenrichtlinien für die Integrierte Gesamtschule im Fach Mathema-

tik (2003), Niedersächsisches Kultusministerium

Pädagogische Entwicklungsbilanz (PEB) der Integrierten Gesamtschu-

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Literaturverzeichnis

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Leutert, Hans (2008): Wie gehe ich im Unterricht professionell mit Auf-

gaben um? in: Neue Praxis der Schulleitung: Stuttgart, F 2.43.

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tungen und kognitive Fähigkeiten nach dem Übergang in die Sekun-

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Lichtenberg-Gesamtschule Göttingen-Geismar, Übergangsstudie der

Georg-August-Universität Göttingen.