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773 Molekulare Liehtzerstreuung in festen K~rpern. I. Lichtzerstreuung im kristallinischen Quarz und ihre Temperatur abh~ngigkeit ~). Von Gr~ Landsberg in 31oskau. Mit 4 Abbildungem (Eingegangen am 16. Mai 1927.) Die Lichtzerstreuung im kristallinischen Quarz wurde untersucht und ihre Ab- h~ngigkeit yon der Temperatur als ein Beweis des molekularen Charakters des Prozesses gedeutet. Die Frage naeh der molekularen Liehtzerstreuung wurde seit Lord R ayl eigh mehffaeh behandelt. Theoretiseh ~st sichergeste]lt, dal] dieser Ei[ekt a11i Dichteschwankungen zuriickge~i]hrt werden mu[3~). Es liegt also nahe, einen Zusammenhang zwischen dem Mechanismus der molekularen Lichtzerstreuung in ~esten KSrpern und der Debyesehen Auffasung der spezi[ischen W~rme anzunehmen3). Dieser Zusammellhang maeht die Frage naeh der Liehtzerstreuung in festen KSrpern besonders interessant. Dureh die bekannten Untersuchungen yon Cabannes, Strutt, Gans, Raman und seinen Mitarbeitern and yon anderen wurde die Frage naeh der Liehtzerstreuung in Gasen and Fl~issigkeiten, wenigstens in ihren wesentlichsten Zfigen, beantwortet. Die Liehtzerstreuung in festen KSrpern wurde dagegen experimente]l ganz wenig untersucht. In einem kurzen Ansatz teilte Strutt 4) einige Beobachtungen am Quarz- kristall mit und sprach dabei dig Vermutung aus, dal] tier beobachtete E[~ekt yon ~remden Beimengungen abh~ngt. In einer kurzen Note suchte Raman s) die Ergebnisse yon Strutt a]s echte moleku]are Lieht- zerstreuung zu deafen. Raman hat auch selbst einige Beobaehtungen iiber diesen Et[ekt angestel]t, die er in seinem Buche mitteiltS). Unter diesen Umstgnden scheint es uns lohnend, das Problem der Liehtzerstreuung in ~es~en KSrpern experimentell wieder au~zunehmen. w 1. Beobaehtungen ~iber die Lichtzerstreunng in einem Quarzkristall. Die wich~igste Bedingung, deren Einhaltung ~i~r den 1) Vorgetragen am 5. Russischen Physikertage (Dezember 1926). 2) H. A. L or en tz, Les theories statistiques en thermodynamique 1916, S. 42. s) L. Brillouin~ Ann. de phys. 17, 88--120, 1922. ~) R. J. Strutt, Proe. Roy. Soe. (A) 95, 476, 1919. s) C.V. Raman, Nature 109, 42~ 1922. 6) D e r s e 1 b e, 51oleeular Diffraction of Light, Calcutta 1922, Kap. VI, S. 76 u. ff. ~ehe auch R. (Cans, Ann. d. Phys. 77, 323, 1925

Molekulare Lichtzerstreuung in festen Körpern. I

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773

M o l e k u l a r e L i e h t z e r s t r e u u n g in f e s t e n K ~ r p e r n . I.

Lichtzerstreuung im kristallinischen Quarz und ihre Temperatur abh~ngigkeit ~).

Von Gr~ Landsberg in 31oskau.

Mit 4 Abbildungem (Eingegangen am 16. Mai 1927.)

Die Lichtzerstreuung im kristallinischen Quarz wurde untersucht und ihre Ab- h~ngigkeit yon der Temperatur als ein Beweis des molekularen Charakters des

Prozesses gedeutet.

Die Frage naeh der molekularen Liehtzerstreuung wurde seit

Lord R a y l e i g h mehffaeh behandelt. Theoretiseh ~st sichergeste]lt, dal] dieser Ei[ekt a11i Dichteschwankungen zuriickge~i]hrt werden mu[3~). Es

liegt also nahe, einen Zusammenhang zwischen dem Mechanismus der

molekularen Lichtzerstreuung in ~esten KSrpern und der Debyesehen

Auffasung der spezi[ischen W~rme anzunehmen3). Dieser Zusammellhang maeht die Frage naeh der Liehtzerstreuung in festen KSrpern besonders

interessant.

Dureh die bekannten Untersuchungen yon C a b a n n e s , S t r u t t , G a n s , R a m a n und seinen Mitarbeitern and yon anderen wurde die

Frage naeh der Liehtzerstreuung in Gasen and Fl~issigkeiten, wenigstens

in ihren wesentlichsten Zfigen, beantwortet. Die Liehtzerstreuung in

festen KSrpern wurde dagegen experimente]l ganz wenig untersucht. In

einem kurzen Ansatz teilte S t r u t t 4) einige Beobachtungen am Quarz- kristall mit und sprach dabei dig Vermutung aus, dal] tier beobachtete

E[~ekt yon ~remden Beimengungen abh~ngt. In einer kurzen Note suchte

R a m a n s) die Ergebnisse yon S t r u t t a]s echte moleku]are Lieht-

zerstreuung zu deafen. R a m a n hat auch selbst einige Beobaehtungen iiber diesen Et[ekt angestel]t, die er in seinem Buche mitteiltS).

Unter diesen Umstgnden scheint es uns lohnend, das Problem der Liehtzerstreuung in ~es~en KSrpern experimentell wieder au~zunehmen.

w 1. B e o b a e h t u n g e n ~iber die L i c h t z e r s t r e u n n g in e i n e m

Q u a r z k r i s t a l l . Die wich~igste Bedingung, deren Einhaltung ~i~r den

1) Vorgetragen am 5. Russischen Physikertage (Dezember 1926). 2) H. A. L or en tz, Les theories statistiques en thermodynamique 1916, S. 42. s) L. Brillouin~ Ann. de phys. 17, 88--120, 1922. ~) R. J. S t ru t t , Proe. Roy. Soe. (A) 95, 476, 1919. s) C.V. Raman, Nature 109, 42~ 1922. 6) D e r s e 1 b e, 51oleeular Diffraction of Light, Calcutta 1922, Kap. VI, S. 76 u. ff.

~ehe auch R. (Cans, Ann. d. Phys. 77, 323, 1925

774 Gr. Landsberg,

Erfolg yon Untersuchungen dieser Art notwendig ist, ist, wie bekannt, eine strenge Begrenzung des Lichtbiindels und eine vollstgndige Beseitigung jedes fremden Lichtes. Ais besonders geeignete Lichtquelle erwies sich die Punktliehtlampe. Obwohl ihre Integralintensitgt (ich arbeitete mit einer Lampe yon E d i s w a n , 100 K) viel geringer ist als dieienige einiger anderer Liehtquellen (Quarz- oder Kohlenbogenlampe), kann sie jedoch viel besser ausgenutzt werden.

Das Versuchsschema ist aus der Fig. 1 ersichtlich. P Punk~lieht- lampe, Ediswan, 100K. Z 1 erstes Objektiv, d ~--- 4era, f ~ Sere. L, zweites Objektiv, d ~ 11,5 cm, f ~ 36 cm mit Diaphragma in D.

F I

I

L_

F i g . 1. I . I

L~ drittes Obiektiv , d ----- 4 era, f ~ S era. Z ein Messinggef~13, in dem Meh der untersuehte Kristall (3,5 X 3,5 X 2,5 em s) befindet. Nit Strom- heizung und Gasflamme l~l~t sich die Temperatur des Gef~es ganz langsam bis auf 5000 abs. bringen. D 1 und J0: die Diaphragmen, welche die Anordnung gegen fremdes Lieht schiitzen und ein sehr scharfes Licht- btindel ausschnitten. K 1 erster schwarzer Hohlk6rper zur Absorption des durchgehenden Lichtes. K 2 zweiter schwaxzer ttohlk(irper, weleher als Untergrund dient. K photographische Kamera zur Aufnahme des zerstreuten Lichtbiindels. 2V Holzkamera fiir die Lampe. M Leitungs- r(ihren, welche die Objektive verbinden.

S~mtliche Apparate und LeitungsrOhren waxen innen mit schwarzem Sammet iiberzogen oder mit Lampenru~ geschwgrzt.

In elnem dunklen Raume und mit ausgeruhtem Auge kann man mit dieser Apparatur die Spur des Liehtbiindels in einem ganz durchsiehtigen und klaren Quarzkristaiie mtihelos erkennen. Mittels einer besonders hergestellten, sehr lichtstarken Kamera wurde eiae vergrSl3erte Aufnahme

Molekulare Lichtzerstreuung ia festen KSrpern. 775

dieses Lichtbtindels erhalten (siehe Fig. 2). Ein zweites Quarzsttick

zeigie ungefghr dasselbe Bild.

w 2. Einf lul ] tier T e m p e r a t u r . Um einen sicheren Beweis zu

haben, da~ der beobachtete Effekt in Wirk]ichkeit ein moleku]arer ist

und nicht dutch ~remde Beimengungen bedingt wird, versuchte ich die

his ietzt nicht untersuchte Abhgngigkei~ der Intensitgt des zerstreuten

Lichtes yon der Temperatur festzuste]len. Wenn w i r e s n~mlich mit

molekularer Liehtzerstreuung zu tun haben, wird die [ntensitgt des zer-

streuten Liehtes durch die wohlbekann~e Y ormel ausgedriiekt:

j _ _ ~ n~ ,e~ . (O~ ~,

wo z die Kompressibili~, n

den Brechungsexponenten be-

zeichnen und /~, T, 2V, )~ die

gewOhnliche Bedentung haben.

x nnd n ~.0 ~/~n\~ andern

sich bel Steigerung der Tempe-

ratur nur ganz wenig (weniger als 1% anf 2000). Dement-

spreehend mug J linear mit der

absoluten Temperatur zu-

nehmen; bei Erw~rmung auf

ein paar Hundert Grad sollte diese Intensit~,~szunahme der

Beobaeh~ung leicht zug~nglieh

werden. Um das Zerspringen ]b la des ziemlieh groflen Kristalls Fig. 2.

t : 300 sec t = 300 sec bel der Erw~rmung bis etwa T = 4900 abs. T ~ 2900 abs. 5000 abs. zu vermeiden, mug

man diese Operation ganz vorsichtig ausfOhren. Bei meinen Versachen

dauerte der gesamte Erw~rmungsprozel] 1~/~ his 2 Stunden.

w 3. E rgebn i s se . Die photographisehen Aufnahmen des zer-

streuten Liehtbiindels vor, w~hrend und naeh der Erw~rmung wurden mehrmals ausgefiihrt, wobei slch stets eine regelmiil]ige Intensit~ts-

steigerung mit der Temperaturzunahme zeigge, welehe ganz roh als pro- portional der absoluten Temperatur geschittzt werden kann, was aueh aus

den hier wiedergegebenenPhotographien Nr. 1 a, b und Nr. 2 a, k (Fig. 2 und 3)

776 Gr. Landsberg,

ersichtlich ist. Die Photographien wurden auf Ilford extra-sensitiv P1a~ten aufge~ommen, und f~ir iedes Paar wurden zwei benachbarte Teile yon einer grolten zerschni~enen Platte benu~zt. Die Entwicklung jedes Paares erfolgte gleichzeitig im selben Trog mi~ Hydrochinonentwic, kler and dauerte 6 Minu~en bei 170 C.

Die Photographien l~r. 1 (Fig. 2) entsprechen einer Expositionszeit yon 300 sec, die Temperatur des Kristalls war 2900 abs. (17r. 1 a) und 490 ~ abs. (Nr. I b). Die Expositionszeiten filr h'r. 2 (Fig. 3) waren bzw. 500 sec bei 2909 abs. (h'r. 2a) und 300 sec bei 490 ~ abs. (Nr. 2 b). Ich

2 b Fig. 3. 2 a

t = 300 sec t ~ 500 sec

T ~ 4900 abs . T ~--- 2900 abs .

versuchte aaf diese Weise die [ntensit~tsvermehrung', welche durch die Erw~rmung bedingt war, dutch eine Verminderung der Expositionszeit zu kompensleren. Die Photographien zeigen deu~lich, dal]

1. die I n t e n s i ~ des zerstreu~en Lichtes mi~ der Temperatur des Krlstalls steigt (Nr. 1);

2. die Intensit~t des zerstreuten Lichtes der absohten Temperatur des Krisfalls ungef~hr proportional ist.

Die Photographien Nr. 3 (Fig. 4) geben einen Kontrollversuch wieder, welcher mif einem Wiirfel aus gewShnlichem Spiegelglas ausgefi~hrt wurde. Dieser Glaswiirfel, welcher dieselben Dimensionen wie der Quarz-

Molekulare Lichtzerstreuung in festen KSrpern. 777

krlstall hat, zerstreut ungef~hr hnndertmal mehr Licht als Quarz. Daraus

folgt zweifellos, da~3 dieser E[fekt yon Inhomogenitaten des Glases ab- h~ngt und mlt der Mo]ekularzerstreuung, bis vielleieht auf wenige Prozente, niehts zu tun hat. Um diese Aufnuhme bequem machen zu kSnnen, wva'de die Intensit~t der Lampe mittels entsprechender Diaphrag- men abgesehwaehf. Die Photographien ~r. 3 wurden bei einer Expositions-

3 b Fig. 4. 3 a

t = 120see t = 1 2 0 s e c

T = 4 9 0 o abs. T = 2 9 0 o abs.

zeit yon 120see und bei den Temperaturen 2900 abs. (Nr. 3a) und 4900 abs. (Nr. 3 b) anfgenommen und zeigen keine merklichen Intensitats- unterschiede.

Ein Tell des Lichtes, welches yore Gias ausgeht, ist Phosphoreszenz- licht; abet seine Intensitgt ist viel geringer als die Intensitgt des zerstreuten Lichtes, woriiber man durch Absch~tzung des unpolarisierten Teiles eht Urteil gewinnen kann. Das Lieht, welches yore Quarzkristall zerstreut wurde, zeigt keine merkliche Polarisation, was leicht verst~tndlich ist. Das Quarzstiick, welches mir zur Verfiigung stand, war namlich quer zur ttauptachse geschnitten; zerstreutes polarisiertes Lieht mufite deshalb durch eine dicke Sehicht eines doppelbrechenden Mediums hindurch- gehen und verwandelte sieh dabei in elliptisch-polarisiertes; und da alas Lichtbiindel etwa 4 mm breit war, so mugte es in seinen verschiedenen

Zeitschrif t i i i r l~hysik. Bd. X L I I I . 5 2

778 Gr. Landsberg, 5[olekulare Lichtzerstreuung in festen KSrpern.

Teilen zu Ellipsen ~erschiedener Exzentrizitat und orientierung Anlal] geben. )[an wird also sehlieiJlieh vollstandige Depolarisation erwarten k~innen.

Z u s a m m e n f a s s u n g : Die in dieser Arbeit ~estges~ellte Tatsache der ungetahr proportionalen Abhangigkeit der ~ntensitiit der Lieht- zerstreuung im Quarz yon der absoluten Temperatur betraehte ich als einen Beweis des m o l e k u l a r e n Charakters dieser Zerstreuung.

Eine quantitative Untersuehung der Intensifier des zerstreuten Lichtes und ihrer Abh~ngigkei~ yon der Temperatur ist im Gange.

Die vor]iegende Arbeit wurde im [nstitut liir theoretische Physik der 1. Universitat Moskau ausgefiihrt. Dem Direktor des Instituts, Herrn Professor L. Mande l s t am, mSchte ich aueh an dieser Stelle fiir die Uberlassung des Themas und fiir sein st~ndiges Interesse and seine wertvol]en Ratsehliige meinen innigsten Dank aussprechen.

N a e h t r a g b e i der K o r r e k t u r . Quantitative Beobaehtungen, welche im Gange sind, zeigen, dad im untersuchten Kristall ungefi~hr 25 % tier zerstreuten Intensitat dureh Unhomogenit~iten bedingt sind, wahrend die iibrigen 75% auf die Molekularzerstreuung fallen. Der letztere Anteil steigt mit der Tempera~ur linear.

Moskau, Institut f. theoret. Physik d. 1. Universitat, 10. Mai 1927.