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Monetäre Theorie der Steuerüberwälzung? Author(s): G. Schmölders Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 4, H. 2 (1937), pp. 280-290 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908088 . Accessed: 10/06/2014 22:10 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.45 on Tue, 10 Jun 2014 22:10:40 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Monetäre Theorie der Steuerüberwälzung?

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Monetäre Theorie der Steuerüberwälzung?Author(s): G. SchmöldersSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 4, H. 2 (1937), pp. 280-290Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908088 .

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Monetare Theorie der Steueriiberwalzung? von

G. Schmolders

Die besondere Problematik der Lehre von den Steuerwirkungen liegt darin, daB es mit den Mitteln der theoretischen Analyse nicht ge- lingen will, allgemeine Aussagen iiber die unter bestimmten Voraus- setzungen moglichen und wahrscheinlichen Oberwalzungsvorgange, ge- schweige denn iiber die im AnschluB hieran sich vollziehenden ,,Steuer- fernwirkungen" (Uberwalzung zweiten Grades nach v. M a y r) x) zu machen, wahrend andererseits auch die empirische Uberwalzungsfor- schung nur in Ausnahmefallen halbwegs schliissige Erkenntnisse zu liefern vermag. Nachdem man erkannt hat, daB weder die Bezeichnung noch die Erhebungsform der einzelnen Steuern noch auch die vom Steuergesetz ihnen zugedachten Aufgaben maBgebend fur den Ver- lauf der Uberwalzungsvorgange zu sein pflegen, begniigt sich die t)ber- walzungslehre im allgemeinen mit der Aufstellung eines mehr oder weniger vollstandigen Schemas der tlberwalzungsmoglichkeiten und mit einer unter groBeren oder geringeren Vorbehalten angenommenen Zuordnung einzelner Steuerarten zur Gruppe der ,,iiberwalzbaren" oder ,,nichtiiberwalzbaren" Steuern im Geiste der E i c a r d o schen ,,absoluten Theorie der Steueriiberwalzung"; dariiber hinaus findet sich lediglich der Hinweis auf die Marktfaktoren, in erster Linie auf die verschiedene Elastizitat von Angebot und Nachfrage, die in ihrer ortlich und zeitlich, strukturell und konjunkturell veranderlichen Wirksamkeit die t)berwTalzungsvorgange bestimmt.

Die Bedeutung der Uberwalzungsforschung, deren theoretische und empirische Untersuchungen gerade heute angesichts der beson- deren Steuerbelastung der krisengeschwachten Volkswirtschaft als vor-

x) Auch bezeichnet als ,, Diffusion der Steuerlast" (L o t z) oder als ,,t)ber- walzungsstreuung" (Man n).

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dringliche Aufgabe der Pinanzwissenschaft erscheinen, liegt in der Pro- blemstellung der praktischen Finanzpolitik begriindet, die mit einem MindestmaB an Keibungsverlusten und volkswirtschaftlichen Nachtei- len aller Art das HochstmaB an Steueraufkommen zu erzielen bestrebt ist. Das Ziel, die Besteuerung so wirksam wie moglich der wirtschaft- lichen Leistungsfahigkeit der Besteuerten anzupassen und damit zugleich unnotige und unerwlinschte Lastenverschiebungen nach Moglichkeit zu verhindern, setzt die Kenntnis der Uberwalzungstenden- zen voraus, da jeder tfberwalzungsvorgang den Steuerdruck auf einen Steuertrager mit anderer Leistungsfahigkeit und Moglichkeiten der etwaigen Weiterwalzung verschiebt. Die Untersuchung dieser Uber- walzungsvorgange ,,ersten Grades4', die Erforschung der Steuerinzi- denz, kann dabei sicherlich fur die praktische Ausgestaltung der Fi- nanzpolitik hohere Bedeutung gewinnen als die Lehre von den im An- schluB an die Steuerinzidenz auftretenden ,,Steuerfernwirkungen"; denn einmal kann davon ausgegangen werden, daB diese Steuerfern- wirkungen der Wirtschaftskraft der Bevolkerung im Endergebnis um so weniger abtraglich sein werden, je mehr Steuerinzidenz und Lei- stungsfahigkeit zusammenfallen (z. B. Einschrankung entbehrlichen, nicht aber des lebensnotwendigen Verbrauchs), und zum zweiten be- findet sich die staatliche Finanzpolitik ihnen gegeniiber etwa in der gleichen Lage, wie die sonstige Wirtschaftspolitik gegeniiber den allge- meinen Markt- und Preisvorgangen des ungeregelten Sektors der Volks- wirtschaft, wahrend die erste Phase der Steuerwirkungen, die Uber- walzungsvorgange bis zur Steuerinzidenz, mindestens bis zu einem gewissen Grade unmittelbar durch die Auferlegung und Ausgestaltung der Steuern beeinfluBt werden kann.

Unter diesen Umstanden verlohnt es sich zweifellos, jeden Versuch eines weiteren Vordringens auf dem Wege der Erkenntnis des T)ber- walzungsprozesses aufmerksam zu verfolgen, um der kommenden Fi- nanz- und Steuerreform moglicherweise bereits gesichertere Anhalts- punkte fur die wirksame Anpassung der Besteuerung an die Leistungs- fahigkeit zu bieten, als wir sie heute besitzen. Das gilt insbesondere fur den Gedanken, die Preis- und Marktvorgange, die auch der Steuer- tiberwalzung zugrunde liegen, mit Hilfe der allgemeinen theoretischen Erkenntnisse vom volkswirtschaftlichen GesamtprozeB zu erklaren und in dieser Verbindung auch die geldtheoretischen Gedankengange der Quantitatstheorie mit ihren Aussagen iiber die Zusammenhange zwi- schen Preisniveau, Geldmenge und Giiterumsatz fiir die Erkenntnis der

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Uberwalzungsvorgange nutzbar zu machen. Auf eine derartige ,,rnone- tare Theorie der Steueriiberwalzung" lauft letzten Endes hinaus, was Oskar Englander in seinen Ausfiihrungen zur Allgemeinen Steuerlehre als eine Art ,,reiner" Theorie der Steueriiberwalzung vor- tragt und woraus er unverziiglich auch praktische Folgerungen fiir die Gestaltung des Steuersystems abzuleiten versucht *) ; tritt auch der monetare Charakter seiner Deduktionen keineswegs von vornherein explizite hervor, so ist es doch am Ende die bekannte Verkehrs- gleichung", nach der die Geldmenge und die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (einschlieBlich Giralgeld) in einem bestimmten Verhaltnis zum allgemeinen Preisniveau und zur Menge der stattfindenden Giiter- umsatze steht, auf der Englander seine Argumentation mit alien ihren xiberraschenden Ergebnissen und weitreichenden Folgerungen aufbaut. Ausgehend von dem konstruierten Fall einer Verbrauchs- steuer bei vollkommen unelastischer Nachfrage verweist Englan- der auf die Preissteigerung, die eine vorgestellte gelungene Steuer- iiberwalzung notwendigerweise zur Folge haben miiBte, fiir die jedoch nach der erwahnten quantitatstheoretischen Verkehrsgleichung im statischen System der volkswirtschaftlichen Austauschrelationen schlechterdings kein Eaum sei; zum mindesten miisse eine durch die Uberwalzung einer neu eingefiihrten Steuer auf die Verbraucher her- vorgerufene Preissteigerung sich automatisch durch Preissenkungen an anderen Stellen des volkswirtschaftlichen Prozesses ausgleichen, widri- genfalls die gestorte Verkehrsgleichung (die Erhohung der Gesamt- Preis-Summe bei unveranderter Geldmenge und Geldumlaufsgeschwin- digkeit) zwangslaufig den Ausgleich in Form deflatorischer Preis- senkung erzwingen wiirde:

,,Man darf also insbesondere nicht annehmen, daB dann, wenn mehrere oder selbst alle Giiter von Verbrauchssteuern getroffen werden, eine Riickwalzung der Steuer von dem einen belasteten Gut auf das andere nicht moglich sei und die Steuer daher auf dem Verbraucher haften bleibe. Denn die Giitermenge in der V o 1 k s wi r t s c h a f t ist die gleiche geblieben und ebenso die durch Geldmenge und Umlaufsgeschwisdig- keit des Geldes gegebene Gesamtpreissumme. Es kann sich daher auch der Preisstand als Durchschnitt aller Preise im ganzen nicht andern, und das gleiche Einkommen muB

^Englander, Oskar, Allgemeine Steuerlehre und Steueriiberwalzung, Briinn-Prag-Leipzig-Wien 1935. - Ders., in Englander-Schranil, Finanzwissenschaft und tschechoslowakisches Finanzrecht, Brunn-Prag-Leipzig- Wien 1935.

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ebensoviel, wenn auch unter Umstanden andere Giiter kaufen wie vor Auflegung der Steuer" *).

Aus der Konstanz der Gesamtpreissumme bei unveranderter Geld- menge und Geldumlaufsgeschwindigkeit wird demnach die Dnmog- lichkeit jeder echten Steueriiberwalzung auf den Verbraucher gefolgert, da diesem selbst bei volliger Un- elastizitat seiner Nachfrage wiederum stets eine ,,Riickwalzung" in Form einer Preissenkung bei anderen Warengattungen zugute komme ; der Verbraucher wird von den Verbrauchssteuern nach dieser Theorie grundsatzlich nicht getroffen, vielmehr wirkt die gesamte Verbrauchs- besteuerung ,,iru Sinne einer proportionalen Herabsetzung aller Ein- kommen, und es bestatigt sich im allgemeinen die alte Diffusions- theorie'* 2).

Die spate Ehrenrettung der Diffusionstheorie Canards, die hier versucht wird, ist aus zwei Griinden besonders bemerkenswert. Einmal fiihrt sie, wie diese, in konsequenter Fortfiihrung ihres Grund- gedankens zur tlberzeugung von der Nutzlosigkeit nicht nur des Nach- denkens iiber die Frage der Verteilung der Steuerlast, sondern auch der praktisch-politischen Bemiihungen des Steuergesetzgebers urn die opti- male soziale Ausrichtung seines Steuersystems; zum anderen erscheint hier, ahnlich wie in der Konjunkturtheorie, nunmehr in der Finanz- wissenschaft eine neue Variante der ,,experimentellen Quantitatstheo- rie", die die geistreiche Veranschaulichung der Zusammenhange zwi- schen Geld- und Giiterseite der Volkswirtschaft, wie sie die Verkehrs- gleichung bietet, zur Ableitung mechanistischer Zwangslaufigkeiten in der volkswirtschaftlichen Wirklichkeit miBbraucht. Der Denkfehler, auf dem hier wie dort der FehlschluB von der mechanistischen Manipu- lierbarkeit des volkswirtschaftlichen Gesamtprozesses durch einfache Datenanderung auf der einen oder der anderen Seite der Verkehrsglei- chung und von der zwangslaufigen Konstanz der zweiten bei unver-

2) E n g 1 a n d e r a. a. O. S. 38 bzw. 86, Sperrung von mir. a) A. a. O. S. 41 bzw. 89. Am Ende des Abschnittes iiber die Steuerwirkungen

infolge Auferlegung von Verbrauchssteuern wird allerdinga noch ganz beilaufig die Moglichkeit einer Veranderung der Faktoren der Quantitatsgleichung er- ortert. Die sich daraus ergebenden Steuerwirkungen stellen aber nach E n g - lander nur ,,Nebenwirkungen4' dar, auf lange Sicht ergeben sich die oben ge- schilderten ,,endgiiltigen" Wirkungen, die auch den finanzpolitischen Folgerungen fiir die Gestaltung des Steuersystems zugrunde gelegt werden (vgl. auch unten S. 289).

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anderter erster Seite dieser Gleichung beruht, geht aus wenigen t)ber- legungen hervor.

Die Verkehrsgleichung veranschaulicht die funktionellen Beziehun- gen zwischen Geld- und Giiterseite der Volkswirtschaft an Hand eines eindrucksvollen Bildes. Da der Preis der Geldausdruck fur die Markt- lage der Giiter ist, wird er sowohl von Anderungen des Angebots, also von gliterseitigen Verschiebungen des Gleichgewichts, wie von Ande- rungen der Nachfrage und anderen geldseitigen Vorgangen aller Art beeinfluBt. Dem Erkenntniswert dieser Formel tut es dabei keinen Ab- bruch, da6 sie iiber den W e g , auf dem sich die Einfliisse von der Geld- wie von der Giiterseite auf die Gesamtpreissumme geltend machen konnen, nichts aussagt; ob eine Geldvermehrung durch Ver- trauensschadigung oder durch eine anderweit veranlaBte Nachfrage- steigerung eine ,,inflatorische" Preissteigerung hervorruft, oder ob sie als echte Initialziindung eine Vermehrung der zumTausche gelangenden Giitermengen herbeifiihrt, ob eine erhohte produktionsseitige Aktivi- tat sich durch Steigerung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes oder Giralgeldes von selbst finanziert oder ob sie eine vermehrte Noten- ausgabe erfordert, dariiber schweigt die pyfchische Weisheit der quanti- tatstheoretischen Mengenformel, die sich auf diese Weise den Nimbus der Unfehlbarkeit bewahrt, ohne doch an Anschaulichkeit zu verlieren. Auf der anderen Seite verleitet diese Vieldeutigkeit der in der Verkehrs- gleichung zum Ausdruck kommenden Beziehungen immer wieder dazu, von einem einseitigen Standpunkt aus Zwangslaufigkeiten in die For- mel hineinzuinterpretieren, die mit ihrem eigentlichen Sinn wenig oder gar nichts mehr zu tun haben und infolgedessen, richtig betrachtet, auch von ihrem Wahrheits- und Erkenntnisgehalt nicht mehr gedeckt werden.

So liegt es zweifellos bei derjenigen Richtung monetarer Kon- junkturtheorie, die, wie Irving Fisher es tut, das eigentliche We- sen der wirtschaftlichen Wechsellagen mit periodischen Geldwert- schwankungen identifiziert und das Vorhandensein eines konjunkturel- len Auf und Ab auf der GiiterseUe der Wirtschaft schlechterdings leugnet; Geldwertstabilisierung und Beseitigung der Wirtschafts- schwankungen sind dieser Auffassung nur zwei Vokabeln fur die gleiche Sache, da fur sie die Komponenten der linken Seite der Verkehrsglei- chung ebenso die ausschlieBlichen und vollstandigen Bedingungen der rechten Seite sind, wie sie ihrerseits von deren Komponenten bedingt werden. Die Erfahrungen der Vereinigten Staaten mit einer Wahrungs-

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und Konjunkturpolitik, die sich trotz mancher Skepsis gegeniiber dieser neuen Heilslehre im ganzen doch wohl weitgehend auf diese mecha- nistische Interpretation der Verkehrsgleichung verliefi, haben die Welt inzwischen eines besseren belehrt 1) ; freilich zugleich die Flwt der Wah- rungsprojekte, die sich aus vermeintlich besserem Verst&ndnis der Grundformel urn neue und stichhaltigere Interpretationen bemuhten, ins Grenzenlose anschwellen lassen !

Unter diesen Umstanden wird man dem Versuch, die viel miB- brauchte Formel der Quantitatstheorie nunmehr in der Finanzwissen- schaft zur Eichtschnur fur den Aufbau der Steueriiberwalzungslehre zu machen, von vornherein mit einem gesunden MiBtrauen entgegen- sehen miissen. Die Verkehrsgleichung, die die Aufgabe erfiillt, die man- nigfaltigen Beziehungen zwischen der Geld- und der Giiterseite des volkswirtschaftlichen Gesamtprozesses in einem anschaulichen, gleich- nishaften Bilde verstandlich zu machen, kann nicht ohne weiteres als endgultiger mathematischer Ausdruck auch der Beziehungen ihrer ein- zelnen Komponenten untereinander angesehen werden; fehlt doch den Komponenten der ,,Gleichung" jene Homogenitat mathematischer GroBen, die die Grundlage jeder Eechenhaftigkeit, insbesondere der Vergleichbarkeit und Vertauschbarkeit der einzelnen Glieder auf beiden Seiten der Gleichung darstellt. Mit Eecht geht B r a e B bei seiner Untersuchung der Zusammenhange zwischen Steuersystem und Preis- niveau denn auch davon aus, daB allein der Geldwert (der reziproke Ausdruck des Preisniveaus) als abhangige Variable betrachtet werden darf, wahrend die restlichen drei Faktoren unabhangig sind 2). Mit anderen Worten: die Faktoren ,,Geld" und ,,Giralgeld" sind zwar zweifellos bis zu einem gewissen Grade gegenseitig substituierbar, ihre Beziehungen erschopfen sich aber keineswegs in dem in unserer Formel zwischen ihnen sichtbaren Pluszeichen; eine Ausweitung der giralen Zahlungsmittel gegeniiber dem Bargeldumlauf, wie sie im konjunk- turellen Aufschwung erfahrungsgemaB vorkommt, wirkt keineswegs ebenso wie eine gleich groBe Steigerung des Bargeldumlaufs, der viel- leicht lediglich die Konsumenteneinkommen (Beamtengehalter) ver- groBert, ohne eine zukiinftige Steigerung der Produktionslei stung in Aussicht zu stellen. Die Addition der beiden heterogenen GroBen ist also im Eahmen dessen, was die Verkehrsgleichung, gewissermaBen als

x) Schmolders, Die Konjunkturpolitik der Vereinigten Staaten. Leipzig 1934.

a) B r a e B , Steuersystem und Preisniveau, Leipzig 1933.

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Momentbild des volkswirtschaftlichen Gesamtprozesses, veranschau- lichen will, sicherlich berechtigt, keineswegs sind aber die beiden Kom- ponenten beliebig substituierbar, wenn es sich etwa urn die Beurteilung der konjunkturellen Lage oder dergleichen handelt.

Noch weniger erscheint es zulassig, aus der mathematischen For- mulierung der Beziehungen, die zwischen Geld- und Gliterseite des volkswirtschaftlichen Gesamtprozesses bestehen, einen Anspruch auf das Bestehen echter Zwangslaufigkeiten und niathematischer Ab- hangigkeiten innerhalb der Glieder der Verkehrsgleichung zu kon- struieren und aus dieser willkiirlichen Interpretation nunmehr kon- krete SchluBfolgerungen fiir den Verlauf der Uberwalzung einzelner Steuerarten abzuleiten, wie dies Englander versu.cht. Die Frage nach dem Steuertrager - und nur sie interessiert im Rahmen des Uberwalzungsproblems - laBt sich aus den Beziehungen zwischen Geld- menge, Giiterumsatz und Preisniveau nicht beantworten, weil es fiir die rechte Seite dieser Gleichung ganz gleichgliltig ist, b e i w e m die durch die Steuerinzidenz erzwungene Verbrauchseinschrankung im Gefolge einer Verbrauchsbesteuerung eintritt, ob bei dem Konsumen- ten oder dem Produzenten oder Handler oder endlich anteilig bei alien oder einigen von ihnen. Ebenso ist es vollig willkiirlich, zu behaupten, die bei einer gelungenen Uberwalzung eintretenden Preiserhohungen miiBten sich durch Preisriickgange bei anderen Giitern ausgleichen, so daB im Endergebnis eine gleichmaBige Verteilung der Steuerlast auf alle Arbeitseinkommen eintrete; einen derart zwingenden, mathe- matischen Zusammenhang zwischen den Komponenten ihrer rechten Seite darf man in die Verkehrsgleichung nicht hineininterpretieren x), zumal jeder Akt des Giiterumsatzes ja gleichzeitig einen Geldumlauf bedeutet und damit auch auf der linken Seite der Gleichung modifi- zierend wirksam wird.

Erscheint somit die Verkehrsgleichung nach ihrer ganzen Anlage als ungeeigneter Ausgangspunkt fiir allgemeine Erkenntnisse iiber die konkreten Steueriiberwalzungsvorgange, so ist damit nichts gegen ihre Brauchbarkeit fiir die Veranschaulichung des Gesamtzusammenhanges zwischen Geld- und Giiterseite der Volkswirtschaft gesagt; soweit in diesem Gesamtzusammenhang die Auferlegung einer Steuer und die

J) Es ware das eine ahnliche Argumentation wie in dem bekannten Trug- schluB: ,,wenn 100 Arbeiter in einem Tag ein Haus bauen, so braucht ein Arbeiter 100 Tage dazu !" Uber die Englander sche Voraussetzung von der Substituier- barkeit der Produktionsfaktoren vgl. unten S. 289.

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Verwendung ihres Aufkommeng eine Rolle spielt x), behalt die Verkehrs- gleichung durchaus ihren Wert als anschaulicher Ausdruck der jeweils eingetretenen Veranderungen beider Seit en dieses Zusammenhanges. Die Vorgange der Steueriiberwalzung in dem engeren Sinne, wie er allein fur die eingangs erwahnte finanzpolitische Fragestellung in Betracht kommt, spielen sich jedoch auf einer ganz anderen Ebene ab, als die Steuerfernwirkungen, derenEndergebnis erst im Gesamtzusammenhang des Wirtschaftsprozesses in Erscheinung tritt; die Frage nach dem Steuertrager, die die Uberwalzungstheorie beschaftigt, ist fiir die Veran- schaulichung des Gesamtprozesses, in den ,,irgendwo" auch die Steuer* last eingeht, mehr oder weniger gleichgiiltig. Aber auch wenn man nicht die eigentliche Steueriiberwalzung, sondern die Gesamtheit der ,,Steuerwirkungen" verfolgen will, ist es unzulassig, einzelnen an sich denkbaren Konstellationen der Gleichung den Vorzug vor alien iibrigen zu geben und daraus konkrete Steuerwirkungen vorauszusagen, an- statt samtliche nioglichen Beziehungen der Steuererhebung und Steuerverwendung gleichwertig nebeneinanderzustellen und in ihrer finanz- und volkswirtschaftlichen Bedeutung zu erlautern; dabei wiirde sich namlich zeigen, daB die verschiedenen Moglichkeiten der Steuer- iiberwalzung und der Steuerfernwirkungen, soweit sie den volkswirt- schaftlichen GesamtprozeB beriihren, ausnahmslos in entsprechenden Datenandefungen der Verkehrsgleichung zum Ausdruck kommen kon- nen, so daB diese iiber die konkreten Wirkungen der Steuern unter be- stimmten Voraussetzungen selbst iiberhaupt keine Aussage zu machen vermag. EineallgemeineUmsatzsteuerbeispielsweise kannindemMaBe, in dem die Wiederverausgabung ihres Aufkommens durch den Fiskus ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen nicht kompensiert, je nach dem Verlauf der Uberwalzungsvorgange und der sich an die Steuerinzidenz ankniipfenden Fernwirkungen entweder das Gesamtpreisniveau er- hohen (,,gelungene Uberwalzung") und dafiir die Menge der Giiter- umsatze beeintrachtigen (Absatzriickgang) oder, statt dessen oder da- neben auch auf der Geldseite der Verkehrsgleichung in Erscheinung treten, wo sie die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (z. B. durch In- angriffnahme von Ersparnissen oder Horten zur Steuerzahlung) erhoht oder durch entsprechende Kaufkraftschwachung der Steuertrager die wirksame Geldmenge herabsetzt. Aber w e 1 c h e von diesen Moglich- keiten im einzelnen Fall eintritt, ob die Uberwalzung gelingt und damit eine dauernde Erhohung des Preisniveaus auf Kosten der Giitermenge

x) Vgl. B r a e B a. a. 0.

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oder unter Zuhilfenahme bisher ruhender Geldmittel oder einen Aus- gleich durch entsprechende Preisriickgange bei anderen Glitern herbei- fiihrfc, ob andererseits die nicht gelungene tlberwalzung oder Kiick- walzung die Kapitalbildung zugunsten einer Mobilisierung latenter Kaufkraft zu Konsumzwecken schwacht oder ihrefseits die Konsum- aufwendungen der Produzenten und gegebenenfalls ihrer Arbeitnehmer beeintrachtigt, das sind Fragen, auf die auch die Verkehrsgleichung jegliche Antwort schuldig bleibt; Willkiir ist es jedenfalls, mit der be- quemen Pramisse ,,ceteris paribus" bestimmte Moglichkeiten nach der einen oder anderen Eichtung generell auf Kosten der anderen heraus- zuheben.

Ein Beispiel mag dies noch weiter verdeutlichen. Der seinen Anteil an der Inanspruchnahme und Verausgabung von Teilen des Volks- einkommens steigernde Fiskus entzieht der Volkswirtschaft durch die Steuererhebung Kaufkraft, um sie an einer anderen Stelle wieder zu- zufiihren. Geschieht dies durch eine allgemeine Umsatzsteuer, so ist eine dadurch hervorgerufene Steigerung des Preisspiegels nach der monetaren Theorie der Steueriiberwalzung ,,ceteris paribus" u n - m 6 g 1 i c h , da (vgl. Englander) ,,die Giitermenge in der Volks- wirtschaft die gleiche geblieben ist und ebenso die durch Geldmenge und Umlauf sgeschwindigkeit des Geldes gegebene Gesamtpreissumme". Ware das ein Beweis fur die Unmoglichkeit einer echten Steuer- iiberwalzung, so konnte auch etwa eine allgemeine Erhohung der F r a c h 1 1 a r i f e , die der Wirtschaft zusatzliche Kosten auferlegt, ,,ceteris paribus" nicht in erhohten Giiterpreisen zum Ausdruck kom- men; sie miiBte vielmehr ebenso, wie Englander dies fur die Um- satzsteuer behauptet, entsprechende Preisriickgange bei ,,anderen" Artikeln hervorrufen, so da8 die Gesamtpreissumme sich nicht andert, die dieser Auffassung durch Geldmenge und Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ein- fur allemal festgelegt erscheint. Eine derartige Aus- legung der Quantitatstheorie heiBt aber das Pferd beim Schwanz auf- zaumen; denn selbsb die kiihnsten Verfechter monetarer Wirtschafts- theorie werden nicht behaupten wollen, daB gerade die Gejdmenge und die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (immer einschli^Blich des so ungeheuer labilen Giralgeldes) grundsafczlich der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht sein miiBten, wahrend die Preise und Giiter- mengen lediglich als abhangige Variable und nicht vielmehr gerade als bestimmende Faktoren einer Datenanderung im volkswirtschaft- lichen GesamtprozeB auftreten konnten.

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Weder die Steueruberwalzungsfrage noch das Problem der Steuer- fernwirkungen im volkswirtschaftlichen GesamtprozeB lassen sich nach alledem durch die mechanistische Auffassung der Verkehrsgleichung besser oder volktandiger beantworten, als dies schon bisher mit den einfachen Mitteln der theoretischen Analyse moglich war1). Vollig verfehlfc aber erscheint es, aus dem Eintreten irgendwelcher moglicher Steuerfernwirkungen eine proportionale Verteilung der Steuer- last im Sinne der optimistischen Diffusionstheorie Canards zu fol- gern, wie dies Englander mit aller Bestimmtheit tut 2). Die Vor- aussetzung - und wohl zugleich die Erklarung fiir die ganze Art der Englander schen Deduktionen - ist hierbei eine vollige Frei- ziigigkeil und gegenseitige Substituierbarkeit der Pro- duktionsfaktoren, wie sie in diesem Grade nicht einmal die klassische Lehre vertreten hat; ausgehend von der Voraussetzung, alles Einkommen sei Arbeit seinkommen, und zwar sei ,,alle Arbeit gleichartig in dem Sinne gegenseitiger Ersetzbarkeit" 3), fiihrt Eng- lander aus, es wende sich die unter dem EinfluB der unveranderten Faktoren der Verkehrsgleichung infolge eingetretener Preissenkungen geringer entlohnte Arbeitskraft solange der Fabrikation von Gutern zu, bei denen kein Nachfrageausfall eintritt, bis jedem ein seinem bis- herigen Einkommen entsprechender Teil des Einkommens fiir Staats- zwecke entzogen sei, und das gleiche gelte bei Einbeziehung von Boden und Kapital. Hier liegt nicht nur eine unzulassige Vereinfachung vor, deren Zuriickfuhrung auf die Bedingungen der Wirklichkeit unter- lassen wird, sondern ein Mangel an Wirklichkeitssinn, den sich eine ihrer Aufgabe bewuBte Finanztheorie nicht leisten kann; denn bei Annahme einer derart weitgehenden Substituierbarkeit der Produk- tionsfaktoren untereinander schwindet mit den Gegebenheiten der unterschiedlichen steuerlichen Leistungsfahigkeit der Steuersubjekte zugleich die Grundlage und Voraussetzung des ganzen Problems der Steuerliberwalzung.

Die Probleme der Steuerliberwalzung und die Fragen nach der volkswirtschaftlich richtigen Verteilung der Steuerlast sind nach alle- dem durch die Eenaissance der Diffusionstheorie unter Zuhilfenahme quantitatstheoretischer Gedankengange nicht allgemeingiiltig zu losen.

*) Vgl. insbesondere die L a m p e sche Steuerwirkungslehre im Worterbuch. der Volkswirtschaft, 4. AufL, Bd. Ill, S. 529 ff.

2) Vgl. oben S. 283. 3) A. a. 0. S. 40. Finanzarchiv. N. F. 4. Heft 2. 19

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Sie sind es noch weniger mit Hilfe einer ,,reinen Theorie* ', die von der vollstandigen Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren unterein- ander ausgeht, um daraus die proportionate Verteilung der Steuerlast zu folgern, und die willkiirlich einer der moglichen Konstellationen der Verkehrsgleichung den Vorzug gibt, um an ihr den Verlauf der TJber- walzungsvorgange zu ,,beweisen". So erfreulich eine Bereicherung der Uberwalzungslehre von der Seite der allgemeinen Markt- und Preis- theorie auch ware, so muB zum mindesten der Englander sche Versuch in dieser Eichtung als gescheitert angesehen werden; allge- meingiiltige Voraussagen iiber konkrete Uberwalzungsvorgange bei be- stimmten Steuerarten sind nun einmal auch mit Hilfe des Denkschemas der Quantitatstheorie nicht moglich. Vielmehr bleibt die Finanzwissen- schaft fiir die Erforschung der steuerlichen Lastenverteilung im kon- kreten Einzelfall nach wie vor auf die empirische Tatsachenfeststellung angewiesen; die Wiederbelebung der gliicklich iiberwundenen Diffu- sionstheorie Canard scher Pragung in der allgemeinen Formulie- rung, wie sie die monetare Theorie der Steueriiberwalzung heute ver- sucht, kann sie nur in die Irre flihren.

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