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486 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 7 DOI: 10.1002/best.201400023 BERICHT Roman Geier, Thomas Mack, Erich Krebes Monitoring der Seitenhafenbrücke in Wien 1 Bauwerksmonitoring Für die Seitenhafenbrücke in Wien, die längste integrale Straßenbrücke Österreichs mit fast 130 m Gesamtlänge, wurde durch den Bauherren – die Magistratsabteilung MA 29 für Brückenbau und Grundbau in Wien – ein Mo- nitoringsystem zur Überwachung des tatsächlichen Bau- werksverhaltens gemäß dem österreichischen Merkblatt RVS 13.03.01 [1] ausgeführt. In diesem Merkblatt wird das Monitoring von Brücken und anderen Ingenieurbau- werken behandelt und u. a. grundlegende Festlegungen für die Planung solcher Systeme, die Auswahl und Aus- führung von Einzelkomponenten, die Sensorauswahl und typische Einsatzmöglichkeiten anhand einzelner Fallbei- spiele erläutert. Damit wurde versucht, den Bauherren eine abgesicherte Grundlage für die Beurteilung und Ver- gabe von Monitoringsystemen zur Verfügung zu stellen. In diesem Merkblatt wird Monitoring wie folgt definiert: Zerstörungsfreie messwertgebundene automatisierte Un- tersuchungen bzw. Überwachungen an Ingenieurbauwer- ken. Die derart erhobenen realen Daten können sowohl für die Einwirkungsseite als auch für die Widerstandsseite bereitgestellt werden. Es werden Sensoren temporär oder permanent am Ingenieurbauwerk installiert. Je nach Auf- gabenstellung können mit den Sensoren unterschiedliche physikalische Parameter (die sogenannten Messgrößen) statisch und/oder dynamisch gemessen werden. Man un- terscheidet hierbei globale und lokale Monitoringmetho- den [1]. Die Erfahrungen der Autoren aus zahlreichen Projekten im In- und Ausland innerhalb des letzten Jahrzehnts be- züglich Monitoring haben zur Definition von drei wesent- lichen Thesen geführt, die für eine erfolgreiche Anwen- dung von Monitoring von zentraler Bedeutung sind. Die- se können wie folgt zusammengefasst werden: (1) Monitoring kann und soll auch keinen Ersatz für her- kömmliche Inspektionen gemäß RVS 13.03.11 [2] darstellen und kann als ergänzende Maßnahme (Son- derprüfung) die Beurteilung durch die Bereitstellung objektiver Daten unterstützen. (2) Datenbasierte Untersuchungen sind ideal für die Be- obachtung bekannter Probleme oder Schäden bzw. deren Veränderung über die Zeit. Durch die Fokus- In den letzten Jahren wurden, aufgrund der zahlreichen Vortei- le integraler Brücken über den Lebenszyklus, vermehrt lager- und fugenlose Brücken geplant und errichtet. Die Akzeptanz seitens der Bauherren gegenüber diesem Brückentyp ist inzwi- schen auch bei größeren Tragwerkslängen bis 100 m durchaus gegeben. Bei zunehmender Länge haben jedoch Langzeiteffek- te sowie Temperaturschwankungen deutliche Auswirkungen auf die Bewegungen und damit die Boden-Bauwerks-Interak- tion, die für ein langes integrales Bauwerk bemessungsrele- vant sein können. Die in diesem Bericht präsentierte Seitenhafenbrücke in Wien ist die aktuell längste integrale Brücke in Österreich. Aufgrund einer Gesamtlänge von rund 130 m sowie einiger bautechni- scher Besonderheiten wurde vom Bauherren ein umfangrei- ches Monitoringsystem zur Überwachung des Bauwerksver- haltens ausgeschrieben und eingebaut. Dieses nimmt seit der Eröffnung des Bauwerks im November 2011 unterbrechungsfrei Messdaten auf. Es werden dauerhaft die Temperaturen und die Bauwerksbe- wegungen wie Durchbiegungen, Neigungen, Längenänderun- gen und der Erddruck am Widerlager gemessen. Die Daten werden laufend ausgewertet und in Berichten für den Bauher- ren im Vergleich zu den Annahmen der statischen Berechnung zusammengefasst, um Aufschluss über das tatsächliche Bau- werksverhalten zu geben. Monitoring of the Seitenhafenbridge in Vienna More and more bridges without bearings and expansion joints have been designed and built in recent years as a result of the numerous advantages which integral bridges have all through their life cycle. This type of a bridge with larger load bearing structures not exceeding 100 m has been accepted meanwhile also by clients. With increasing length however, temperature variations have significant effects on the movements and thus on the soil-structure interaction which, when we speak about a long integral construction, is relevant in terms of design. The Seitenhafenbridge in Vienna presented in this article is currently the longest integral bridge in Austria. Having regard to its total length of about 130 meters, the client requested and installed a complex system for the monitoring of the move- ments of the construction. This system is gathering measuring data since opening of the bridge in November 2011 without any interruptions. The monitoring system constantly measures the temperatures and the movements of the construction, like for example de- flection, inclination, length variation and earth pressure at the abutment. The data are continuously assessed and summed up in intermediary reports for the client in order to provide an overview on the actual behaviour of the structure.

Monitoring der Seitenhafenbrücke in Wien

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486 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 7

DOI: 10.1002/best.201400023

BERICHTRoman Geier, Thomas Mack, Erich Krebes

Monitoring der Seitenhafenbrücke in Wien

1 Bauwerksmonitoring

Für die Seitenhafenbrücke in Wien, die längste integraleStraßenbrücke Österreichs mit fast 130 m Gesamtlänge,wurde durch den Bauherren – die MagistratsabteilungMA 29 für Brückenbau und Grundbau in Wien – ein Mo-nitoringsystem zur Überwachung des tatsächlichen Bau-werksverhaltens gemäß dem österreichischen MerkblattRVS 13.03.01 [1] ausgeführt. In diesem Merkblatt wirddas Monitoring von Brücken und anderen Ingenieurbau-werken behandelt und u. a. grundlegende Festlegungenfür die Planung solcher Systeme, die Auswahl und Aus-führung von Einzelkomponenten, die Sensorauswahl undtypische Einsatzmöglichkeiten anhand einzelner Fallbei-spiele erläutert. Damit wurde versucht, den Bauherren eine abgesicherte Grundlage für die Beurteilung und Ver-gabe von Monitoringsystemen zur Verfügung zu stellen.

In diesem Merkblatt wird Monitoring wie folgt definiert:Zerstörungsfreie messwertgebundene automatisierte Un-tersuchungen bzw. Überwachungen an Ingenieurbauwer-ken. Die derart erhobenen realen Daten können sowohlfür die Einwirkungsseite als auch für die Widerstandsseite

bereitgestellt werden. Es werden Sensoren temporär oderpermanent am Ingenieurbauwerk installiert. Je nach Auf-gabenstellung können mit den Sensoren unterschiedlichephysikalische Parameter (die sogenannten Messgrößen)statisch und/oder dynamisch gemessen werden. Man un-terscheidet hierbei globale und lokale Monitoringmetho-den [1].

Die Erfahrungen der Autoren aus zahlreichen Projektenim In- und Ausland innerhalb des letzten Jahrzehnts be-züglich Monitoring haben zur Definition von drei wesent-lichen Thesen geführt, die für eine erfolgreiche Anwen-dung von Monitoring von zentraler Bedeutung sind. Die-se können wie folgt zusammengefasst werden:

(1) Monitoring kann und soll auch keinen Ersatz für her-kömmliche Inspektionen gemäß RVS 13.03.11 [2]darstellen und kann als ergänzende Maßnahme (Son-derprüfung) die Beurteilung durch die Bereitstellungobjektiver Daten unterstützen.

(2) Datenbasierte Untersuchungen sind ideal für die Be-obachtung bekannter Probleme oder Schäden bzw.deren Veränderung über die Zeit. Durch die Fokus-

In den letzten Jahren wurden, aufgrund der zahlreichen Vortei-le integraler Brücken über den Lebenszyklus, vermehrt lager-und fugenlose Brücken geplant und errichtet. Die Akzeptanzseitens der Bauherren gegenüber diesem Brückentyp ist inzwi-schen auch bei größeren Tragwerkslängen bis 100 m durchausgegeben. Bei zunehmender Länge haben jedoch Langzeiteffek-te sowie Temperaturschwankungen deutliche Auswirkungenauf die Bewegungen und damit die Boden-Bauwerks-Interak -tion, die für ein langes integrales Bauwerk bemessungsrele-vant sein können.Die in diesem Bericht präsentierte Seitenhafenbrücke in Wienist die aktuell längste integrale Brücke in Österreich. Aufgrundeiner Gesamtlänge von rund 130 m sowie einiger bautechni-scher Besonderheiten wurde vom Bauherren ein umfangrei-ches Monitoringsystem zur Überwachung des Bauwerksver-haltens ausgeschrieben und eingebaut. Dieses nimmt seit derEröffnung des Bauwerks im November 2011 unterbrechungsfreiMessdaten auf. Es werden dauerhaft die Temperaturen und die Bauwerksbe-wegungen wie Durchbiegungen, Neigungen, Längenänderun-gen und der Erddruck am Widerlager gemessen. Die Datenwerden laufend ausgewertet und in Berichten für den Bauher-ren im Vergleich zu den Annahmen der statischen Berechnungzusammengefasst, um Aufschluss über das tatsächliche Bau-werksverhalten zu geben.

Monitoring of the Seitenhafenbridge in ViennaMore and more bridges without bearings and expansion jointshave been designed and built in recent years as a result of thenumerous advantages which integral bridges have all throughtheir life cycle. This type of a bridge with larger load bearingstructures not exceeding 100 m has been accepted meanwhilealso by clients. With increasing length however, temperaturevariations have significant effects on the movements and thuson the soil-structure interaction which, when we speak about along integral construction, is relevant in terms of design.The Seitenhafenbridge in Vienna presented in this article iscurrently the longest integral bridge in Austria. Having regardto its total length of about 130 meters, the client requested andinstalled a complex system for the monitoring of the move-ments of the construction. This system is gathering measuringdata since opening of the bridge in November 2011 without anyinterruptions. The monitoring system constantly measures the temperaturesand the movements of the construction, like for example de-flection, inclination, length variation and earth pressure at theabutment. The data are continuously assessed and summed upin intermediary reports for the client in order to provide anoverview on the actual behaviour of the structure.

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sierung auf ein spezielles Problem kann ein maßge-schneidertes Messsystem für die Aufgabenstellungentwickelt und so eine Überwachung des Bauwerksbis zur geplanten Instandsetzung durchgeführt wer-den.

(3) Monitoringsysteme können reale Daten als Ver-gleichswerte zu den Annahmen der statischen Be-rechnung bereitstellen bzw. zur Anpassung von Re-chenmodellen an das tatsächliche Bauwerksverhal-ten für weiterführende Analysen dienen. Des Weite-ren ist es möglich, auch eine messtechnischeDokumentation des Bauablaufs komplexer Tragwer-ke durchzuführen.

Bei der Planung und Realisierung des Monitoringsystemsfür die Seitenhafenbrücke wurde konsequent These Nr. 3verfolgt, um für dieses außergewöhnliche Bauwerk Be-rechnungsannahmen mit realem Verhalten in Einklangbringen zu können und aufgrund der Ergebnisse für künf-tige Bauwerke Planungssicherheit zu erhalten.

2 Die Seitenhafenbrücke B0245 [3]

Die Seitenhafenbrücke über den Donaukanal dient alsneue Verbindung zwischen dem 2. und 11. Bezirk inWien im Zuge der neu gestalteten Seitenhafenstraße. DieBrücke wurde für Straßen-, Fuß- und Radverkehr konzi-piert. Bei einer Gesamtlänge von 128,69 m, unterteilt infünf Felder, weist die Brücke eine Breite von 15 m auf.Die Widerlager sind nicht rechtwinklig zur Straßenachseangeordnet. Bauherr dieses Objekts war die Wiener Brückenbauabteilung MA 29 für Brückenbau und Grund-bau. Die Planung erfolgte durch das österreichische Inge-nieurbüro PCD, und die Prüfung sowie die Konzeptiondes Monitoringsystems erfolgten durch Schimetta Con-sult.

Bei der Gestaltung des Tragwerks wurde auf eine Synthe-se aus Funktion, Form und Wirtschaftlichkeit Wert gelegt.Das Tragwerk selbst wurde als Massivbau ausgeführt. Die

Unterstellungen erfolgten mittels Stahlstützen, die paar-weise zu den Auflagern hin zusammengefasst wurden.Diese ermöglichten eine schlanke Silhouette der Stütz-konstruktion. Im Hauptfeld löst sich die Tragwerksplattein eine durchgeformte Rippendecke mit acht Stegen auf.Das flache Tragwerk wird durch eine hierarchische Um-lenkung der Lasten von der Fahrbahnfläche in schlanke,schräg gestellte Streben bis zu den Auflagerpunkten abge-tragen. Als oberer Abschluss dient ein gleichförmig durch-laufender Randbalken [4].

Um die Einzelspannweiten zu verkürzen und daraus fol-gend die Tragwerkshöhe zu optimieren, wurde ein fünf-feldriges Betontragwerk, das von im Querschnitt V-förmi-gen Stahlstreben in vier Zwischenauflagerlinien gestütztwird, ausgeführt. Durch diese V-Stellung in Querrichtungwurde die Ableitung horizontaler Lasten (z. B. Erdbeben-lasten) ermöglicht. In der Längsrichtung treffen sich dieStahlstreben jeweils in den Fußpunktachsen 10 und 20.Das Tragwerk baut somit auf das statische Grundsystemeines vierstieligen Rahmens auf und reiht sich somit inseiner Bauart nahtlos in den Reigen der meisten Donau-kanalbrücken ein [4].

Der Hauptblickfang der Brücke ist die Hauptöffnung mitden beiden Säulengruppen über dem Donaukanal. Dasübrige Tragwerk wurde als ca. 1 m dicke Ortbetonplatteausgeführt, die in den Bereichen der Strebenansatzpunk-te plastisch angeformt wurde. Durch die zusätzliche An-ordnung von Trägervouten wurden die Momentennull-punkte des Rahmentragwerks visuell hervorgehoben.Letztendlich wurde durch diese Variation der Tragwerks-unterkante und daraus folgend veränderter Bauhöhender realen Beanspruchung des Tragwerks Rechnung ge-

Bild 1 Ansicht der SeitenhafenbrückeView of the Seitenhafenbridge

Bild 2 Ausführungsdetail des Widerlagers [4]Detail of the abutment [4]

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tragen. Um des Weiteren das SpannweitenverhältnisHauptfeld/Seitenfeld zu optimieren, was letztlich das sta-tische Verhalten der Brücke erheblich begünstigte, wur-den beide Widerlager bewusst nach hinten gesetzt. DieseVerlängerung der Seitenfelder vermeidet außerdem loka-le Kollisionen mit der Dichtwand linksufrig und demHauptsammelkanal rechtsufrig. Die Brücke wurde ohneLager und Dilatationen als integrale Konstruktion ausge-führt [4].

Die Besonderheit des Brückenobjekts besteht in der An-wendung des Konzepts des flexiblen Widerlagers und re-präsentiert die derzeit längste Brücke in Europa mit die-sem Ausführungsdetail. Dabei werden durch eine zusam-mendrückbare Weicheinlage zwischen einem eigenstand-sicheren Erdkörper (geokunstoffbewehrter Damm) unddem Widerlager Zwangseinwirkungen auf das Tragwerkim Zuge der jahreszeitbedingten Längenänderungengänzlich vermieden. Bei der Bemessung wurde daher nurein minimaler Erddruck als Einwirkung auf das Tragwerkberücksichtigt. Um die Flexibilität des Widerlagers weiterzu erhöhen, wurden auch die einreihig angeordnetenPfähle über die obersten 4 m Pfahllänge mit einer Weich-einlage versehen.

Die Messungen sollten Aufschluss geben, ob diese durch-aus bemessungsrelevanten Annahmen bezüglich des Erd-druckes tatsächlich zutreffen und ob das Konzept des fle-xiblen Widerlagers plangemäß funktioniert. Das Monito-ringsystem wurde mit der Eröffnung des Bauwerks imNovember 2011 in Betrieb genommen.

3 Leistungsumfang Monitoring

Die zuvor erläuterten Zusammenhänge führten daher inder Planungsphase des Tragwerks beim Bauherren zumEntschluss, ein Monitoringsystem bereits bei der Aus-schreibung zu berücksichtigen und dieses gemeinsam mitder Errichtung des Tragwerks einzubauen und mit Fertig-stellung des Objekts in Betrieb zu nehmen. Integrale Brücken sind durch ihre Randbedingungen statisch unbe-stimmt gelagert, sodass Temperaturänderungen, zeitab-hängiges Betonverhalten, Vorspannung und Auflagerver-schiebungen in der Regel unerwünschte Zwangsschnitt-kräfte zur Folge haben. Bei zunehmender Bauwerkslängekönnen die aus Zwängen entstehenden Beanspruchun-gen eine maßgebliche Größenordnung erreichen, die be-messungsrelevant sein können. Aufgabenstellung für dieAuslegung eines Überwachungssystems für die Seitenha-fenbrücke waren daher im Wesentlichen folgende Punk-te, die zwischen Bauherrn, Planern und Prüfern abge-stimmt wurden, um das Verhalten des Bauwerks über dieZeit besser beurteilen zu können:

(1) Überprüfung der Ansätze für das Konzept des flexi-blen Widerlagers mit elastischen Zwischenschichtenhinter dem Widerlager mit textilbewehrten und eigen-standsicherem Erdkörper. Dazu wurden hinter einemWiderlager mehrere Erddrucksensoren eingebaut.

(2) Durchführung von Messungen der Längenänderungdes Tragwerks mittels Laser, um die Ergebnisse desErddruckes sowie der vertikalen Tragwerksverfor-mung korrelieren zu können.

32,00

128,7

32,00

Brückenmitte

T1 T2R2 R1N2

N1

N3 N4 N5N6

VE-10

0 10 20

SR,S1 – S6

N1 – N6

T1, T2

Durchbiegungssensoren

Neigungssensoren

Temperatur-Aufnehmer

L1,L2 Laser-Weg-Aufnehmer

R1,R2 Reflektorplatten

S3 S4 S5 S6S2S1SR

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......

......

........

........

Bild 3 SensorpositionenPosition of sensors

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(3) Ermittlung der statischen Verformungen (vertikal)des Bauwerks unter Benützung einer Schlauchwaageüber den jahreszeitlichen Verlauf an ausgewähltenPunkten und Vergleich mit den Annahmen der stati-schen Berechnung.

(4) Verhalten der flexiblen Stahlstützen über den jahres-zeitlichen Verlauf, insbesondere deren Lageverände-rungen durch Messung der Neigung.

(5) Ermittlung der Bauwerkstemperatur über den jahres-zeitlichen Verlauf als Grundlage für die Interpreta -tion aller anderen Messparameter.

(6) Automatische Datensicherung durch eine Messsta -tion am Brückenobjekt.

(7) Datenübertragung über eine Internetverbindung mitschneller Möglichkeit der Ergebnisdarstellung auchohne aufwendige Spezialprogramme.

(8) Laufende Berichterstattung über die gemessenen Er-gebnisse und Vergleich zu den Annahmen der stati-schen Berechnung.

Auf Basis dieser Festlegungen wurde ein maßgeschneider-tes Monitoringsystem konzipiert, welches auf bewährteKomponenten zurückgreift. Hierfür wurden – aufbauendauf der Ausschreibungsplanung zur Vergabe der Leistun-gen – eine eigene Detailplanung mit Montagepositionender Sensoren, zugehörigen Nischen und Durchbrüchen,Kabelführungsplänen und Detailzeichnungen der Lageund Ausführung von Basisstation und Sensorknoten an-gefertigt und im Planungs- und Prüfverlauf integriert. Ge-rade die vorgesehene Schlauchwaage erforderte durch diemöglichst genaue Höhenpositionierung der Sensoren imVergleich zum Referenzgeber am Widerlager besondereAbstimmung aller am Projekt Beteiligten.

Durch die Einbindung bereits im Zuge der Planungsarbei-ten wurde eine nachträgliche Aufputzmontage verhindertund das architektonische Erscheinungsbild des Brücken-bauwerks nicht beeinträchtigt. Im Zuge der Ausführungwurden Leerrohre, Zugdosen, Montageschächte und eineNische für die Basisstation von der ausführenden Firmaberücksichtigt. Für die Basisstation wurde eine ver-schließbare Stahltüre erstellt, welche in die geneigte Wi-derlagerwand in Abstimmung mit der Architektur einge-bunden wurde. Die frühe Berücksichtigung des Monito-ringsystems ermöglichte des Weiteren, dieses gemeinsammit der Bauleistung auszuschreiben und so die Investiti-onskosten im Vergleich zu den Gesamtherstellkosten desBauwerks gering zu halten. Dazu wurde eine Ausschrei-bungsplanung erstellt und die zugehörigen Positionen indas gesamte Leistungsverzeichnis als eigene Obergruppeintegriert.

4 Das Monitoringsystem4.1 Allgemeines

Um die Anforderungen aus der Praxis in Hinblick auf dieunterschiedlichsten Messaufgaben bei Bauwerken ziel-führend abdecken zu können, wurde ein digitales Moni-toringsystem (DDMS – Distributed Digital Monitoring

System) entwickelt, welches sich bereits in mehreren An-wendungen ausgezeichnet bewährt hat. Das offene Kon-zept ermöglicht grundsätzlich einen Einsatz mit den un-terschiedlichsten Sensortypen und eröffnet so der Bau-werksüberwachung viele neue Anwendungsgebiete, da ei-nerseits statische Messungen mit niedrigen Abtastratenals auch dynamische Messungen mit sehr hohen Abtast-raten von mehreren kHz möglich sind.

Gemäß der Aufgabenstellung wurde ein dementsprechen-des Messsystem konzipiert und ausgeschrieben, das allegewünschten Parameter erfassen konnte und aus folgen-den Kernkomponenten besteht:

(1) Messzentrale (1 St) – vgl. Abschn. 4.2(2) Datenknoten + Verkabelung – vgl. Abschn. 4.3(3) Laser Sensoren (2 St) – vgl. Abschn. 4.4(4) Temperatursensoren (2 St) – vgl. Abschn. 4.5(5) Schlauchwaage (7 St) – vgl. Abschn. 4.6(6) Neigungssensoren (6 St) – vgl. Abschn. 4.7(7) Erddruckgeber (6 St) – vgl. Abschn. 4.8(8) zugehörige Messsoftware (1 St) – vgl. Abschn. 4.9

4.2 Messzentrale

Für die Sammlung aller Messdaten an einem zentralenOrt sowie Speicherung und Fernübertragung der Fileswurde eine Monitoringzentrale (Basisstation) mit Daten-übertragung geplant.

Bild 4 Monitoringzentrale in der Nische im WiderlagerCentral Unit of the monitoring system in abutment

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Für die Messzentrale wurde im Widerlager Achse 0 imZuge der Ausführung eine Nische erstellt, in welcher dieKomponenten des Monitoringsystems eingebaut wurden.Die Verkabelung des Messsystems erfolgte über Leerroh-re, um eine Aufputzmontage zu vermeiden. Alle Leerroh-re wurden in der Widerlagernische gebündelt. ZumSchutz des Monitoringsystems wurde die Nische mit ei-ner speziell dafür angefertigten Stahltür als Vandalismus-schutz verschlossen.

Die Monitoringzentrale beinhaltet die komplette Steue-rung (Intelligenz) des Systems, eine unterbrechungsfreieStromversorgung USV (für eine Stunde) sowie alle Kom-ponenten zur Datenfernübertragung. Die Anlage wirdvon einem eigenen Computer überwacht und gesteuert.Das Kernstück der Anlage ist ein Linux-Server, welcherdie Messdaten der (digitalen) Sensoren aufzeichnet undsynchronisiert. Datenerfassung (bis zu 1 kHz Sampling)und Synchronisierung werden durch spezielle Echtzeit-logger durchgeführt.

Die Messwerte von Brückenverformung, Längenände-rung, Neigung, Temperatur und Erddruck werden mit1 Hz gemessen und alle 30 Minuten gemittelt abgespei-chert, da es sich dabei um statische Parameter handelt.Die Datenfernübertragung erfolgt per UMTS-Modem(Funkübertragung).

Eine digitale Sensoreinheit besteht aus einem Sensor so-wie einem 19 Bit A/D-Konverter in einem sehr robustenund je nach Anforderung spritzwasserdichten Stahlge-häuse. Die Länge des analogen Datenkabels zwischenSensor und A/D-Wandler soll möglichst kurz sein, wobeidie großen Entfernungen bis zur Basisstation über ein di-gitales Bus-Kabel geführt werden. Eine Störungsanfällig-keit gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern istdurch diese Systemkonzeption praktisch nicht gegeben.

Alternativ dazu ist es jedoch auch möglich, konventionel-le Sensoren anzuschließen, die ein analoges Spannungs-signal liefern und eine A/D-Wandlung direkt am Loggerdurchzuführen. Die Entscheidung bezüglich zentraleroder dezentraler A/D-Wandlung wird üblicherweise aufBasis des Umfelds (Verkabelungslängen, externe Stör-quellen, etc.) sowie des jeweiligen Sensors getroffen. Beider Seitenhafenbrücke wurde ein komplettes BUS-Sys-tem konfiguriert.

4.3 Datenknoten und Verkabelung

DatenknotenDurch die Zusammenfassung einzelner Sensoren mitmöglichst kurzer Analogleitung in einzelnen Datenlog-gern (Datenknoten) können diese in unmittelbarer Nähezum Server oder an einer beliebigen Stelle des Bauwerksangeordnet werden. Ziel ist es dabei, diese möglichst na-he an den Sensoren zu montieren, um störungsanfälligereAnalogleitungen kurz zu halten. Einer detaillierten Sys-templanung kommt daher in diesem Falle besondere Be-

deutung zu, da diese Datenknoten überdies auch relativteuer sind. Die digitale Sensoreinheit besteht aus dem je-weiligen Sensor und einem 19 Bit A/D-Konverter im zu-gehörigen Datenknoten.

VerkabelungWesentlicher Gesichtspunkt für den dauerhaften und stö-rungsfreien Betrieb des Messsystems stellt eine fachge-rechte Verkabelung des gesamten Systems dar. Alle Kabelwerden in Kunststoffleerrohren geführt, welche vorab indie Schalung eingelegt werden. Das Einziehen der Kabelerfolgte im Anschluss über Kabelziehschächte in dieseLeerrohre.

4.4 Lasersensoren

Um die Längenänderungen des Bauwerks infolge zeitab-hängigen Betonverhaltens und der Temperatur zu über-wachen, wurde ein berührungsloses Messsystem basie-rend auf Laser-Distanz-Sensoren vorgesehen. Der SensorL1 (vgl. Bild 3) misst die Längenänderung zwischen bei-den Widerlagern (Achse 0 – Achse 30). In Achse 0 ist derSensor montiert und in Achse 30 ist die Reflektorplatteangeordnet. Sensor L2 misst nur die Längenänderungzwischen Widerlager Achse 0 und der Stahlstütze nochvor Achse 10, da die Reflektorplatte unter dem Brücken -tragwerk am Kopf der Stahlstütze befestigt ist.

Der Laser ist nicht für Dauerbetrieb konfiguriert, sondernwird in regelmäßigen Intervallen (aktuell: Messung jedeSekunde) aktiviert und ein Messwert aufgezeichnet. Diesführt über die Erstellung von gemittelten Halbstunden-werten einerseits zu einer ausreichend großen Anzahlvon Messwerten über einen Tag und andererseits zu einerSchonung des Lasers, um eine möglichst lange Lebens-dauer zu gewährleisten.

Grundsätzlich kann auf allen opaken Materialien gemes-sen werden, wenn diese keine spiegelnden Oberflächenbesitzen. Da im Falle der Seitenhafenbrücke am Objektselbst kein eindeutiger Messpunkt festgelegt werdenkonnte, wurde auf Basis der bisherigen Erfahrungen ent-schieden, Reflektorplatten einzusetzen. Die Größe der

Bild 5 Lasersensoren noch ohne VandalismusschutzLaser sensor without protection against vandalism

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Reflektorplatten ergibt sich aus der gemessenen Länge,da einerseits bei größeren Platten die Treffsicherheit er-höht wird und andererseits der Laserpunkt mit zuneh-mender Länge auch einen größeren Durchmesser auf-weist. Um einen ausreichenden Witterungs- sowie Vanda-lismusschutz der Laser zu gewährleisten, wurden diesemit einer Abdeckung versehen und mit dem Tragwerkverschraubt. Um den Vorgang der Zieleinrichtung zu er-leichtern, wurden Montageplatten unter den Lasern vor-gesehen, welche eine feine Justierung über Stellschraubenermöglichen.

Die eingesetzten DLS-Geräte sind der Laserklasse 2 zuzu-ordnen. Dies ist wesentlich, da sich im Laserstrahl unterUmständen Personen aufhalten können. Geräte der Klas-se 2 besitzen einen sichtbaren Laser mit kleiner Leistung(< 1 mW). Eine Schädigung des Auges ist dabei nur mög-lich, wenn man für eine lange Zeitperiode (> 15 Minuten)direkt in den Laserstrahl schaut. Dabei ist zu beachten,dass im Normalfall – wenn helles Laserlicht in die Augentrifft – die Augen reflexartig geschlossen werden. DieserReflex schützt vor einer Beschädigung der Augen durchLaser der Klasse 2. Weitere Vorkehrungen wurden daherdiesbezüglich nicht getroffen.

4.5 Temperatursensoren

Ein maßgebender Parameter, welcher zur Interpretationaller weiteren Messdaten erforderlich ist, ist die jeweiligeBauwerkstemperatur. Die Messungen ermöglichen einer-seits, das tatsächlich auftretende Temperaturspiel desTragwerks im Vergleich zu den normativen Festlegungenzu prüfen, und andererseits insbesondere die Ergebnissedes Erddrucks sowie der Längenänderungen korrelierenzu können.

Die eingesetzten Sensoren sind Temperaturfühler, die aufWiderstandsänderung von Platin unter Temperatureinflussbasieren. Es handelt sich damit um Widerstandsthermome-ter vom Typ Kaltleiter. Zur Temperaturmessung wird dieelektrische Widerstandsänderung eines Platindrahtes odereiner Platinschicht genutzt. Die Platin-Temperatursensorenwerden durch den Nennwiderstand R0 bei einer Tempera-tur von 0 °C charakterisiert. Der Vorteil einer Standardisie-rung des Nennwiderstands und der Widerstandsänderungliegt in der leichten Austauschbarkeit der Temperaturfüh-

ler, ohne dass nach Austausch eine Neukalibrierung derMesskette erforderlich wird. Sensor T1 wurde im Feld zwi-schen Achse 0 und Achse 10 geplant und ausgeführt. Sen-sor T2 wurde in Tragwerksmitte montiert, bei welchemstärkere Schwankungen zu erwarten sind, da er gegenüberUmwelteinflüssen exponierter ist.

4.6 Schlauchwaage

Zur Kontrolle der vertikalen Verformungen des Trag-werks wurde die Ausführung einer Schlauchwaage ge-plant. Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Messgerätum ein hydrostatisches Setzungsmesssystem. Der Schwe-redruck des Füllmediums in einem Referenzbehälter be-lastet über eine Schlauchverbindung die einzelnenDrucksensoren, die an den unterschiedlichsten Stellenam Objekt angebracht werden. Der angezeigte Messwertentspricht der Höhendifferenz einer einzelnen System-messstelle im Bezug zur offenen Flüssigkeitsoberflächeder Referenzmessstelle oder im Ausgleichsbehälter. Beider elektronischen Schlauchwaage wird der hydrostati-sche Schweredruck als Differenzwert zur Referenzmess-stelle ermittelt und Veränderungen im absoluten Flüssig-keitsstand der Referenzmessstelle werden rechnerischausgeglichen.

Die einzelnen Messstellen messen dabei über luftdruck-kompensierte Sensoren den anstehenden Druck, derdurch den Flüssigkeitsstand auf dem System und den ein-zelnen Aufnehmern lastet. Die Messstellen können in be-liebiger Anordnung innerhalb des Messbereichs im Bau-werk selbst angebracht werden. Der genauen Planung dereinzelnen Sensorpositionen kommt daher entscheidendeBedeutung zu, da sich die Pegelhöhen nur in einem rela-tiv schmalen Band von ±200  mm einstellen lassen. DieAusführung des Tragwerks in einer Kuppe erforderte dies-bezüglich bei der Detailplanung ausreichend großeSchächte, in denen die Sensoren in der Höhenlage fein-justiert werden konnten. Da das Tragwerk jedoch relativ

Bild 6 Reflektorplatte am Widerlager Achse 30Reflector plate installed on abutment axis 30

Bild 7 Beispiel TemperatursensorExample temperature gauge

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stark bewehrt ist, war die Umsetzung der Nischen einegroße Herausforderung für alle Projektbeteiligten.

Generell handelt es sich bei der Schlauchwaage um einsehr komplexes Messsystem, welches neben einer präzi-sen Montage, der aufwendigen Verbindung der einzelnenSensoren untereinander und mit einem Referenzsensorsowie einer aufwendigen Temperaturkompensation aucheinige Vorteile aufweist. Diese können wie folgt zusam-mengefasst werden:

(1) Einfache Wartung über eine Sichtkontrolle und Sys-tementlüftung durch leicht zugängliche Entlüftungs-schrauben am Schauglas sowie transparente Leitun-gen.

(2) Sichere und schnelle Übertragung der gleichzeitig an-stehenden Daten bei Verzögerungen von nur weni-gen Millisekunden.

(3) Robuste, baustellengerechte Ausführung des Gehäu-ses, der Anschlüsse und Komponenten in einem kom-plett geschlossenen System. Einsatz von hochwertigenund korrosionsbeständigen Materialien für lange Ein-satz- und kontinuierliche Überwachungstätigkeiten.

(4) Messbereich von 0 bis 1 000 mmWs mit hoher Ge-nauigkeit in Bezug auf den Referenzsensor.

(5) Analoge Dämpfungsregelung, einstellbar von 100 bis1 Hz, bei permanenten oder temporären Umgebungs-erschütterungen. Bei der digitalen Ausführung kannzusätzlich ein gleitender Mittelwert von bis zu 40Messwerten innerhalb einer Sekunde erstellt werden.

(6) Keine Nachkalibrierung, erforderliche Parameterän-derungen und komplizierte Kompensationsrechnungsind nicht erforderlich, da spezifische Parameter desSensors im Controller selbst verarbeitet werden.

Sind keine Festpunkte vorhanden, welche ein alternati-ves Messsystem wie beispielsweise Laser, ein optischesMesssystem oder dgl. zulassen, ist die Schlauchwaage je-doch derzeit das einzige baupraktisch verfügbare Mess-system, welches Daten in der erforderlichen Genauigkeiterfassen kann.

4.7 Neigungssensoren

Zusätzlich zur Erfassung der Längenänderung und derDurchbiegung wurde die Aufzeichnung der Neigungs -änderungen ausgewählter Punkte im Messsystem mit -berücksichtigt. Dadurch sollen Aufschlüsse über das Verformungsbild des Bauwerks über den jahreszeit-lichen Verlauf sowie Schwinden und Kriechen gegebenwerden.

Die Sensoren N1 und N2 sind an der WiderlagerwandAchse 0 montiert (vgl. Bild 3), wobei Sensor N1 am Fuß-punkt der Widerlagerwand und der Sensor N2 im Rah-meneck zum Tragwerk montiert sind. Als Vorgriff auf dieErgebnisse ist anzuführen, dass die Änderung der Nei-gung bei Sensor N1 am Fußpunkt stärker ausgeprägt istals bei Sensor N2. Dieser Umstand ist auf den Einflussder flexiblen Gründung bzw. auf das steife Rahmeneckzurückzuführen.

Die Sensoren N3 bis N6 sind an den Bereichen ÜbergangStahlstütze in das Brückentragwerk montiert (vgl. Bild 3),wobei alle vier Stahlstützen in Längsrichtung in dersel-ben Achse instrumentiert wurden. Die Neigungssensorenwaren auch als redundantes Messsystem zu denSchlauchwaagen vorgesehen.

Bild 8 Schematische Darstellung SchlauchwaageSchematic representation of tube level

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4.8 Erddruckgeber

Ein maßgebender Parameter bei integralen Brücken istder Erddruck, welcher sich hinter dem Widerlager auf-baut und sich über Jahre, durch die laufenden Längen -änderungen des Bauwerks (Ausdehnung und Verkürzungdurch Temperatureinflüsse) und dadurch entstehendenVerdichtungseffekten, noch erhöhen kann.

Die Seitenhafenbrücke wurde mit einem flexiblen Wider-lager und mit bewehrter Erde für den aufgeschüttetenDamm geplant und ausgeführt. Das flexible Widerlagerwurde durch die Montage einer Weicheinlage (extrudier-tes Polystyrol) auf der Widerlagerwand verwirklicht, aufwelcher die Erddruckaufnehmer montiert wurden. DieseSensoren stellen im Wesentlichen Spannungsaufnehmerdar, welche in einer elektrischen Ausführung mit hydrau-lischem Druckkissen und Drucksensor ausgerüstet sind.Der elektrische Spannungsaufnehmer eignet sich grund-sätzlich zur Messung von Erddruck, Schalungsdruckwährend des Betoniervorganges sowie Beton- und Fugen-druck bis zu einer Druckhöhe von maximal 600 bar. In ei-nem Druckkissen, das an einen elektrischen Aufnehmerangeschlossen ist, befindet sich im geschlossenen Systemeine Hydraulikflüssigkeit (Öl oder Quecksilber je nachAnwendungsgebiet). Bei Belastung des Druckkissenswird der entstehende Hydraulikdruck auf die Membranedes elektrischen Aufnehmers übertragen und in eineSpannung proportional zur Belastung gewandelt.

Je nach Anwendungsbereich ist dieser Erddruckgeber mitunterschiedlichen Druckkissengrößen in rechteckigeroder kreisrunder Form erhältlich. Diese Größen reichenvon Durchmesser 120  mm bis zur rechteckigen Ausbil-dung mit maximal 400 mm × 400 mm Kantenlänge. Bei

der Seitenhafenbrücke wurden Erddruckgeber mit einerKissengröße von 100/200 mm eingesetzt.

4.9 Messsoftware

Die eigens für die jeweilige Messaufgabe konfigurierteSoftware kann unter Linux oder MS-Windows betriebenwerden. Alle Daten werden auf der lokalen Festplatte desServers in einer hierarchischen Struktur abgelegt. Beikontinuierlichem Datenstrom erfolgt durch die spezielleArt der Datenverarbeitung keine Unterbrechung der Auf-zeichnung. Die Zeitsynchronisation erfolgt über ein Echt-zeitsignal, wobei entweder ein Funksignal, ein GPS-Sys-tem oder ein NTP-Signal (Network Time Protocol) heran-gezogen wird.

Der Transfer aller Messdaten kann über ein konventio-nelles Modem (wurde bei der Seitenhafenbrücke ausge-führt), über GSM/GPRS/UMTS-Verbindung oder einenBreitband-Internetanschluss mit FTP und TCP/IP erfol-gen. Eine Konfigurationsdatei ermöglicht die Anpassungder Aufzeichnungsdauer für jede Messung, die Wahl desDatenformates, eine auslösergesteuerte oder kontinuierli-che Betriebsart, den automatischen Datentransfer zu ei-nem anderen FTP-Server und viele zusätzliche Optionen.

Gemäß der Grundlage des entwickelten DDMS wurde ei-ne Software gleichwertig GreenNode für den Messeinsatzausgeschrieben. Mit den Komponenten Green Eye Recor-der können die Messdaten aufgezeichnet und in kompri-mierter Form abgespeichert werden. Mit dem zugehörigenProgramm Green Eye Writer wird es ermöglicht, Messda-ten benutzerfreundlich und übersichtlich darzustellen, zubearbeiten und zu dokumentieren. Durch die Möglichkeit,einzelne Daten zu längeren Zeitverläufen zusammenzuset-zen, können auch Langzeitbeobachtungen von Tragwer-ken sehr übersichtlich dargestellt werden. Die spezielle Da-tenkomprimierung sorgt dafür, dass die Daten immer sehrgut handhabbar bleiben. Im Zuge der Installation desMesssystems wurde ein kompatibles Softwaresystem ge-mäß den oben angeführten Angaben installiert.

5 Ergebnisse

Die Messwerte aller Sensoren wurden laufend ausgewer-tet und Zwischenberichte über deren Verlauf erstellt undmit den Annahmen der statischen Berechnung vergli-chen. Nach bereits einem Jahr konnte man neben den Ef-fekten von Schwinden und Kriechen die temperaturab-hängigen Bewegungen des Tragwerks deutlich erkennen.Die Annahmen der statischen Berechnung wurden durchdie Messwerte bisher noch nicht erreicht. Bei Tempera-turschwankungen von bis zu 45 °C (–12 °C im Februar2012 und +33 °C im Juli 2012) über ein Jahr wurde einemaximale Längenänderung von rund 43 mm gemessen.

Die Messaufzeichnungen in Bild 11 zeigen deutlich dieLängenänderung der gesamten Brücke (L2) und deren

Bild 9 NeigungssensorInclinometer

Bild 10 ErddruckaufnehmerEarth pressure gauge

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Korrelation mit der Temperatur (T1 und T2). Der SensorL1 misst nur die Länge zwischen Achse 0 und Achse 10und weist daher nur geringere Längenänderungen auf alsdas gesamte Brückentragwerk.

Die Neigungen zeigten die Ausdehnung des Tragwerksausgehend vom Bewegungsruhepunkt in Brückenmitteim Sommer und die Kontraktion im Winter, wie theore-tisch ermittelt, und liegen im erwarteten Rahmen. Dievertikalen Verformungen gemessen anhand der Schlauch-waage zeigten bereits im ersten Jahr Bewegungen wie siein der statischen Berechnung ermittelt worden waren.Die maximalen vertikalen Verformungen wurden in derStatik mit 63 mm inkl. Sicherheiten ermittelt. Im erstenMessjahr wurden bereits maximale vertikale Verformun-gen von 57 mm festgestellt.

Im Gegensatz dazu wurden bei den Erddrücken nicht dierechnerisch ermittelten Werte erreicht. Mit den Erddruck-messungen konnte die Funktion des flexiblen Wider -lagers (Weicheinlage zwischen Widerlagerwand und Hin-terfüllung) nachgewiesen werden. Im ersten Jahr wurdenbisher knapp 2 % des rechnerisch berücksichtigten Erd-drucks erreicht. Im Zuge der weiteren Messungen kannfestgestellt werden, ob sich die Erddrücke im Laufe derZeit ändern oder ob das Konzept des flexiblen Wider -lagers dauerhaft funktioniert.

6 Zusammenfassung

Anhand eines bereits in der Planungsphase genau durch-dachten und in der Ausschreibung berücksichtigten Mo-nitoringkonzepts konnte ein leistungsfähiges digitales

Bild 11 Messfile: Längenänderung und Temperaturen über ein JahrMeasuring file: change in length and temperature over one year

Bild 12 Messfile: Vertikale Verformungen über ein JahrMeasuring file: vertical deformation over one year

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Autoren

Dipl.-Ing. Thomas MackSchimetta ConsultLandwiedstraße 234020 [email protected]

Dipl.-Ing. Erich KrebesAmt der Wiener LandesregierungMA 29 – Brückenbau und GrundbauGruppe BauwerksprüfungWilhelminenstraße 931160 [email protected]

Dipl.-Ing. Dr. Roman GeierSchimetta Consult Arndtstraße 891120 [email protected]

Monitoringsystem (DDMS – Distributed Digital Monito-ring System) in der Seitenhafenbrücke installiert werden,um die Bewegungen bzw. das Bauwerksverhalten derlängsten integralen Brücke Österreichs (Tab. 1) zu erfas-sen und mit den berechneten Werten abzugleichen. DieMesswerte werden auch über die nächsten Jahre hinwegüberprüft, um Erkenntnisse für weitere integrale Bauwer-ke nutzen zu können. Das installierte Monitoringsystemläuft seit Jahren stabil ohne Ausfälle oder Beschädigun-gen. Die Berücksichtigung von Monitoringsystemen be-reits in der Planungsphase ist für besondere Objekte oderdie Beobachtung des Tragwerksverhaltens über die Zeiteine gute Investition in unseren Bauwerksbestand.

Bild 13 Messfile: Entwicklung des Erddrucks über ein JahrMeasuring file: development of earth pressure over one year

Literatur

[1] RVS 13.03.01: Qualitätssicherung bauliche Erhaltung,Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten –Monitoring von Brücken und anderen Ingenieurbauwerken.Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene –Verkehr, 01.02.2012.

[2] RVS 13.03.11: Qualitätssicherung bauliche Erhaltung,Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten –Straßenbrücken. Österreichische ForschungsgesellschaftStraße – Schiene – Verkehr, 01.10.2011.

[3] KRAL, H.; KUHNLE, T.; SPINDLBÖCK, S.; KOLIK, G.: Die Sei-tenhafenbrücke in Wien – Ein Innovationsschritt im inte-gralen Brückenbau. Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012),H. 3, S. 183–191.

[4] PCD ZT-GMBH: Technischer Bericht. Einreichung B0245Seitenhafenbrücke.

Tab. 1 Wichtigste am Bau BeteiligteMain participants

Bauherr MA29 Brückenbau und Grundbau

Planer PCD ZT GmbH

Prüfer Schimetta Consult ZT GmbH

Planer und Betrieb Schimetta Consult ZT GmbHMonitoringsystem

Baufirma Strabag

Installation RED Bernard GmbHMonitoringsystem