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Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010 7 Hintergründe der Unruhen des 1. und 2. September 2010 Mosambikanische Revolte Am 1. und 2. September dieses Jahres kam es in Maputo und anderen größeren Städten Mosambiks zu Demonstrationen. Auslöser der Proteste waren die Preissteigerungen bei einer Reihe von Basisgütern, wie Brot, Strom, Wasser, Benzin. Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei starben dreizehn Menschen und mehr als 400 wurden verletzt. Wie kam es zu der Eskalation und welche Hintergründe liegen der Eskalation zugrunde? Von Tabea Behnisch osambik ist ein Paradox. Ein Erfolgs- beispiel, aber immer noch eines der ärmsten Länder der Welt.“, kommentierte der Botschafter Großbritanniens, Shaun Clearly, die Unruhen. Seit Jahren verzeichnet Mosambik ho- he Wirtschaftswachstumsraten (durchschnittlich etwa 8 Prozent). Gleichzeitig steigen die Armuts- raten. Die Unruhen als sichtbares Zeichen einer extremen sozio-ökonomischen Ungleichheit führen zu einer öffentlichen Diskussion des mo- sambikanischen Entwicklungsmodells. Preissteigerungen Die Erhöhung der Preise liegt vielen Faktoren zugrunde. Der Preis für Brot und Benzin wird zwischen den Privaten, wie den Bäckern des Landes, und dem Staat festgesetzt. Vor den Pro- testen verlangten die Bäcker eine Preiserhöhung, da der Preis für Weizen in den vorherigen Mona- ten extrem zugenommen hatte. Aber nicht nur der Weizenpreis ist in den letzten Monaten in die Höhe geschnellt. Die durchschnittliche Preiser- höhung bei Gemüse und Obst betrug in den letz- ten sechs Monaten 34 Prozent. Die extremsten Preiserhöhungen gab es bei: Salat (94 Prozent), Kohl (64 Prozent), Tomaten (55 Prozent) und Zwiebeln (37 Prozent). Ein wesentlicher Faktor für diese Verteuerung ist die Entwertung des Metical gegenüber dem südafrikanischen Rand. Die Inflationsrate betrug Ende August 17 Prozent (zum Vergleich: von September 2008 bis August 2009 betrug diese nur 1 Prozent). Für eine Stadt wie Maputo, in der etwa 94 Prozent der kon- sumierten landwirtschaftlichen Produkte impor- tiert werden, hat das gravierende Auswirkungen. Für die Erhöhung der Wasser- und Strompreise war die mosambikanische Regierung direkt ver- antwortlich. Nach eigenen Angaben sah sie sich gezwungen, die Preise anzuheben, nachdem sie drei Jahre lang niedrig gehalten wurden. Ungerechte Politik Die Proteste können als Zeichen der Verzweif- lung und als Ausdruck von Menschen gewertet werden, die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind. Einer Politik, die nicht der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommt. De- ren zentrales Element ist die Unterstützung von Großprojekten. So wird in den neuen Strategie- papieren an den Internationalen Währungsfonds angekündigt, sich in den nächsten Jahren weiter- hin primär auf Großprojekte und den Bergbau zu konzentrieren. Landwirtschaft wird lediglich unter „Soziale Ausgaben“ aufgeführt und auch die Unterstützung mosambikanischer Unterneh- men wird nicht erwähnt. Dabei wäre die Un- terstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, v.a. in der Landwirtschaft, dringend notwendig, um die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. So fordert Dipac Jaintil, Direktor der Banco de Moçambique und ehemaliger Mit- arbeiter der Weltbank, dass die Regierung sich abkehren müsse von der bisher praktizierten Un- terstützung der Mega-Projekte, um stattdessen kleine und mittlere Unternehmen zu fördern. Denn nur so könne das Wirtschaftswachstum beibehalten, neue Jobs geschaffen und soziale Ruhe hergestellt werden. Weiterhin fordert er, dass die Verträge mit den Großunternehmen neu verhandelt werden müssten, um sicher zu gehen, dass diese mehr Steuern zahlen. Problematisch ist auch die festgelegte Dauer der Steuererleich- terungen. So hat MOZAL beispielsweise 50 Jahre zugesprochen bekommen. Nachdem die mosambikanische Regierung merkte, dass die Proteste nicht abklingen wür- den, machte sie einen Rückzieher und versprach das Einfrieren der Preise bis zum Ende des Jah- res. Außerdem bildete der Präsident das Kabinett um und entließ unter anderem den Landwirt- schaftsminister. Ob nachhaltige Maßnahmen zu einer gerechteren Teilhabe der Bevölkerung am Wirtschaftswachstum geschaffen werden, bleibt zu hoffen. „M Forderung nach Entschädigung Während der Demonstrationen ging die Polizei mit Tränengas, Gummi- knüppeln und Schusswaffen gegen die Demonstranten vor. Dabei star- ben dreizehn Menschen und über 400 Personen wurden verletzt. Das Centro de Integridade Pública (CIP) wirft der Polizei vor, dabei gegen elementarste Regeln verstoßen zu haben. In ihrem Dokument „Policía sem preparação, mal equipada e corrupta“ stellen sie zwei zentrale Forderungen: • die Einberufung einer parlamenta- rischen Ermittlungskommission mit Beteiligung der Zivilgesellschaft, um die gewaltvollen Handlungen der Po- lizei zu untersuchen • die Entschädigung der Opfer dieser polizeilichen Gewalt Das Dokument, in dem detailliert die Handlungen der Polizei beschrie- ben werden, kann auf der Web- site des CIP eingesehen werden: www.cip.org.mz/ Per SMS zum Protest Interessant ist, wie zu den Protesten aufgerufen wurde. Diese wurden nicht etwa von einer politischen Organisation initiiert, sondern durch eine SMS, die massenweise weiter- geleitet wurde. Um weitere Proteste zu unterbinden, wies die mosambikanische Regie- rung die Telefonanbieter an, die SMS-Dienste an den Protesttagen zu unterbinden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde dadurch massiv verletzt. Die aufgeschreckte Regierung wollte daraufhin das geplante Vorhaben der Registrierung aller Besitzer von SIM-Karten besonders schnell über die Bühne bringen, was aber logistisch nicht möglich ist. Mittlerweile wurde die Registrierung auf das nächste Jahr verschoben.

Mosambikanische Revoltekkmosambik.de/content/wp-content/uploads/2014/10/KKM_RB81_Revolte.pdfSo fordert Dipac Jaintil, Direktor der Banco de Moçambique und ehemaliger Mit-arbeiter

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Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010 7

Hintergründe der Unruhen des 1. und 2. September 2010

Mosambikanische RevolteAm 1. und 2. September dieses Jahres kam es in Maputo und anderen größeren Städten Mosambiks zu Demonstrationen. Auslöser der Proteste waren die Preissteigerungen bei einer Reihe von Basisgütern, wie Brot, Strom, Wasser, Benzin. Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei starben dreizehn Menschen und mehr als 400 wurden verletzt. Wie kam es zu der Eskalation und welche Hintergründe liegen der Eskalation zugrunde?

Von Tabea Behnisch

osambik ist ein Paradox. Ein Erfolgs-beispiel, aber immer noch eines der

ärmsten Länder der Welt.“, kommentierte der Botschafter Großbritanniens, Shaun Clearly, die Unruhen. Seit Jahren verzeichnet Mosambik ho-he Wirtschaftswachstumsraten (durchschnittlich etwa 8 Prozent). Gleichzeitig steigen die Armuts-raten. Die Unruhen als sichtbares Zeichen einer extremen sozio-ökonomischen Ungleichheit führen zu einer öffentlichen Diskussion des mo-sambikanischen Entwicklungsmodells.

Preissteigerungen

Die Erhöhung der Preise liegt vielen Faktoren zugrunde. Der Preis für Brot und Benzin wird zwischen den Privaten, wie den Bäckern des Landes, und dem Staat festgesetzt. Vor den Pro-testen verlangten die Bäcker eine Preiserhöhung, da der Preis für Weizen in den vorherigen Mona-ten extrem zugenommen hatte. Aber nicht nur der Weizenpreis ist in den letzten Monaten in die Höhe geschnellt. Die durchschnittliche Preiser-höhung bei Gemüse und Obst betrug in den letz-ten sechs Monaten 34 Prozent. Die extremsten Preiserhöhungen gab es bei: Salat (94 Prozent), Kohl (64 Prozent), Tomaten (55 Prozent) und Zwiebeln (37 Prozent). Ein wesentlicher Faktor für diese Verteuerung ist die Entwertung des Metical gegenüber dem südafrikanischen Rand. Die Inflationsrate betrug Ende August 17 Prozent (zum Vergleich: von September 2008 bis August 2009 betrug diese nur 1 Prozent). Für eine Stadt wie Maputo, in der etwa 94 Prozent der kon-sumierten landwirtschaftlichen Produkte impor-

tiert werden, hat das gravierende Auswirkungen. Für die Erhöhung der Wasser- und Strompreise war die mosambikanische Regierung direkt ver-antwortlich. Nach eigenen Angaben sah sie sich gezwungen, die Preise anzuheben, nachdem sie drei Jahre lang niedrig gehalten wurden.

Ungerechte Politik

Die Proteste können als Zeichen der Verzweif-lung und als Ausdruck von Menschen gewertet werden, die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind. Einer Politik, die nicht der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommt. De-ren zentrales Element ist die Unterstützung von Großprojekten. So wird in den neuen Strategie-papieren an den Internationalen Währungsfonds angekündigt, sich in den nächsten Jahren weiter-hin primär auf Großprojekte und den Bergbau zu konzentrieren. Landwirtschaft wird lediglich unter „Soziale Ausgaben“ aufgeführt und auch die Unterstützung mosambikanischer Unterneh-men wird nicht erwähnt. Dabei wäre die Un-terstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, v.a. in der Landwirtschaft, dringend notwendig, um die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. So fordert Dipac Jaintil, Direktor der Banco de Moçambique und ehemaliger Mit-arbeiter der Weltbank, dass die Regierung sich abkehren müsse von der bisher praktizierten Un-terstützung der Mega-Projekte, um stattdessen kleine und mittlere Unternehmen zu fördern. Denn nur so könne das Wirtschaftswachstum beibehalten, neue Jobs geschaffen und soziale Ruhe hergestellt werden. Weiterhin fordert er,

dass die Verträge mit den Großunternehmen neu verhandelt werden müssten, um sicher zu gehen, dass diese mehr Steuern zahlen. Problematisch ist auch die festgelegte Dauer der Steuererleich-terungen. So hat MOZAL beispielsweise 50 Jahre zugesprochen bekommen.

Nachdem die mosambikanische Regierung merkte, dass die Proteste nicht abklingen wür-den, machte sie einen Rückzieher und versprach das Einfrieren der Preise bis zum Ende des Jah-res. Außerdem bildete der Präsident das Kabinett um und entließ unter anderem den Landwirt-schaftsminister. Ob nachhaltige Maßnahmen zu einer gerechteren Teilhabe der Bevölkerung am Wirtschaftswachstum geschaffen werden, bleibt zu hoffen.

„M Forderung nach Entschädigung

Während der Demonstrationen ging die Polizei mit Tränengas, Gummi-knüppeln und Schusswaffen gegen die Demonstranten vor. Dabei star-ben dreizehn Menschen und über 400 Personen wurden verletzt. Das Centro de Integridade Pública (CIP) wirft der Polizei vor, dabei gegen elementarste Regeln verstoßen zu haben. In ihrem Dokument „Policía sem preparação, mal equipada e corrupta“ stellen sie zwei zentrale Forderungen:• die Einberufung einer parlamenta-

rischen Ermittlungskommission mit Beteiligung der Zivilgesellschaft, um die gewaltvollen Handlungen der Po-lizei zu untersuchen

• die Entschädigung der Opfer dieser polizeilichen Gewalt

Das Dokument, in dem detailliert die Handlungen der Polizei beschrie-ben werden, kann auf der Web-site des CIP eingesehen werden: www.cip.org.mz/

Per SMS zum Protest

Interessant ist, wie zu den Protesten aufgerufen wurde. Diese wurden nicht etwa von einer politischen Organisation initiiert, sondern durch eine SMS, die massenweise weiter-geleitet wurde. Um weitere Proteste zu unterbinden, wies die mosambikanische Regie-rung die Telefonanbieter an, die SMS-Dienste an den Protesttagen zu unterbinden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde dadurch massiv verletzt. Die aufgeschreckte Regierung wollte daraufhin das geplante Vorhaben der Registrierung aller Besitzer von SIM-Karten besonders schnell über die Bühne bringen, was aber logistisch nicht möglich ist. Mittlerweile wurde die Registrierung auf das nächste Jahr verschoben.