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Informationen aus dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Heft 3 Dezember 2004 Cholesterinbiosynthese vollständig entschlüsselt Letztes Enzym der Biosynthese identifiziert Neues Wissen aus dem Datendschungel Digitale Literaturanalyse Rechts oder links – das ist die Frage Zilien steuern Asymmetrieachse AIDS mit seinen eigenen Waffen schlagen Impf-Virus als Hoffnungsträger An der Zelle statt am Tier Tierschutzforschungspreis an GSF-Wissenschaftler Nobelpreisträger überreicht GSF-Doktorandenpreise Produktives Netzwerk Ausgezeichnet mit dem Paula und Richard von Hertwig-Preis Überfall im Auge – Uveitis mensch + umwelt

mu 3 04-druck€¦ · komplementär zu den DNA-Abschnitten der Cholesterin-biosynthese sind, an Basen angelagert hatten, leuchtete das Erbgut. Die Doktorandin Daniela Laubner fand

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Informationen aus dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und GesundheitHeft 3 Dezember 2004

Cholesterinbiosynthesevollständig entschlüsseltLetztes Enzym der Biosynthese identifiziert

Neues Wissen aus dem DatendschungelDigitale Literaturanalyse

Rechts oder links – das ist die FrageZilien steuern Asymmetrieachse

AIDS mit seinen eigenen Waffen schlagenImpf-Virus als Hoffnungsträger

An der Zelle statt am TierTierschutzforschungspreis an GSF-Wissenschaftler

Nobelpreisträger überreicht GSF-DoktorandenpreiseProduktives NetzwerkAusgezeichnet mit dem Paula und Richard von Hertwig-Preis

Überfall im Auge – Uveitis

mensch+umwelt

Das GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit erarbeitet wissenschaftliche

Grundlagen, um die Gesundheit des Menschen und seiner natürlichen Lebensgrundlagen

nachhaltig zu schützen. Ziel ist es, Risiken für Mensch und Umwelt zu erkennen, Mechanis-

men der Krankheitsentstehung zu entschlüsseln, Grenzen der Belastbarkeit von Mensch

und Umwelt abzuschätzen und Konzepte zur dauerhaften Prävention und Heilung zu

entwickeln.

Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., der größten

öffentlichen Forschungsorganisation Deutschlands, bringen wir unsere Arbeiten in die

Programme der Forschungsbereiche „Erde und Umwelt“ sowie „Gesundheit“ ein.

Die GSF ist eine Einrichtung des Bundes und des Freistaates Bayern. Ihr gehören rund

1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Das Gesamtbudget beträgt 140 Millionen Euro.

Impressum:Herausgeber:GSF – Forschungszentrum fürUmwelt und Gesundheit GmbHin der Helmholtz-Gemeinschaft

Redaktion:Sonja Duggen, Cordula Klemm,Michael van den Heuvel, Heinz-Jörg Haury, GSF-Öffentlichkeits-arbeit, Neuherberg, Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg, Telefon: (089) 3187 - 2804unter Mitarbeit von Monika Wiedemann und Brigitte SchmidE-Mail: [email protected] Wide Web:http://www.gsf.de/Aktuelles/mensch+umwelt/

Fotos und Zeichnungen:Ulla Baumgart, Holger Maier,BMU, Jerzy Adamski, FabianMühlberger, Bernd Müller, Michael van den Heuvel, Gerhard Przemeck, Sven Reese,F. M. Schmidt, Hartmut Gerhards,Antonio Cosma, Gerd Sutter

Titelbild: Im Genomanalysezen-trum der GSF wird das Erbgutim großen Maßstab analysiert.Verschiedene GSF-Institute nut-zen die Ausstattung, um den Ur-sachen menschlicher Erkrankun-gen auf die Spur zu kommen.Foto: Bernd Müller

Layout:Karl-Heinz Krapf

Belichtung und Druck: Gerber + Ulleweit

Gedruckt auf Recyclingpapier

Mensch+Umwelt erscheint dreimaljährlich. Der Bezug ist kostenlos.Auszüge aus diesem Heft dürfen oh-ne jede weitere Genehmigung wie-dergegeben werden, vorausgesetzt,dass bei der Veröffentlichung dieGSF genannt wird. Um ein Beleg-exemplar wird gebeten. Alle übrigen Rechte bleiben vorbehalten.

ISSN 0949-0671

2 mensch+umwelt 3/2004

Ein attraktives

Umfeld für den

wissenschaftli-

chen Nachwuchs:

Die GSF vergibt

35 Promotionssti-

pendien an Hoch-

schulabsolventen

aus aller Welt.

✍Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hat an der GSF seit jeher einen hohen Stellenwert. Einneues koordiniertes Förderprogramm wird nun die Attraktivität der Forschungseinrichtung für qualifizierteDoktorandinnen und Doktoranden weiter erhöhen und ihnen bestmögliche Arbeitsbedingungen bieten.

Erstmals im Jahr 2005 vergibt die GSF 35 Stipendien für Promotionen innerhalb der Forschungsprogramme der programmorientierten Förderung. Als interdisziplinäre Forschungseinrichtung bietet die GSF hervorragende Arbeits-möglichkeiten und möchte für ihre Doktorandinnen und Doktoranden eine Campusatmosphäre schaffen, in der siesich mit der GSF und der Helmholtzgemeinschaft identifizieren können. Zu diesem Zweck werden den Doktorandenbewusst auch instituts- und disziplinübergreifende Veranstaltungen von hoher wissenschaftlicher Qualität angebo-ten, die den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Programmen der GSF ermöglichen. Neben der wissen-schaftlichen Ausbildung legen die Betreuer des Programms auch Wert auf die Vermittlung von Kenntnissen zum Beispiel in Projektmanagement, Betriebswirtschaft oder der Präsentation wissenschaftlicher Fragestellungen in derÖffentlichkeit. Die vielseitige Förderung bildet somit eine gute Ausgangsbasis für die weitere berufliche Laufbahnund soll später im Lebenslauf möglichst vieler Jungwissenschaftler als karrierefördernder Meilenstein erscheinen.

Prof. Dr. Dr. Ernst-Günter Afting

Wissenschaftlich-Technischer Geschäftsführer

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Zuviel Cholesterin im Blut lässt die Arterien verkal-ken. Ohne geht es jedoch auch nicht: Cholesterinregelt die Verformbarkeit der Zellmembranen.

Mangelt es an diesem Metaboliten, können Brustkrebs,Prostatakrebs oder Alzheimer entstehen. Ist die Biosyn-these schon während der Embryogenese gestört, kön-nen Fehler in der Körpersymmetrie der Kinder auftreten,das Herz etwa befindet sich dann rechts, die Leber links.Außerdem ist es möglich, dass Finger zusammenwach-sen (Syndactylie), sich sechs Finger an einer Hand ent-wickeln (Polydactylie) oderdass die Kinder einen gerin-geren Intelligenzquotientenhaben.■ Die Stärke der Anomalienvariiert deutlich: Währendmanche Babys schon tot ge-boren werden, können Kindermit einer Syndactylie – bis aufdiese Bürde – normal leben.Forscher des Genomanalyse-zentrums der GSF haben einewichtige Entdeckung ge-macht, mit der diese Missbil-dungen vermutlich verhindertwerden können: Sie identifi-zierten das letzte unbekannteEnzym der Cholesterinbiosyn-these. „Zu Beginn unserer Ar-beit waren zwar alle Schritte,Intermediate und Produkteder Biosynthese bekannt, daszwölfte Enzym auf dem Wegzum Cholesterin fehlte abernoch“, sagt Jerzy Adamski,Leiter der Arbeitsgruppe. UmMedikamente entwickeln zukönnen, muss man alle Zwi-schenschritte kennen.Schließlich soll nur eine be-stimmte Stufe aktiviert odergehemmt werden. ■ „Ein Enzym ist uns untervielen anderen Proteinen beider Charakterisierung aufge-fallen, weil bekannt war, dasses in der Maus die Steroid-biosynthese katalysiert“, soAdamski. Damals bekannt als17beta-Hydroxysteroiddehydrogenase 7 (HSD17B7), re-duziert es tatsächlich nicht nur Estron zu Estradiol, son-dern auch Zymosteron zu Zymosterol, ein Zwischenpro-dukt der Cholesterinbiosynthese. Die Arbeitsgruppe umAdamski stellte nun Mausmutanten her, um zu untersu-chen, welche Folgen es hat, wenn die Enzyme fehlen.Denn arbeitet eines der Enzyme der Cholesterinbiosyn-these nicht, sind die Tiere missgebildet. Auch Versuchemit Hefe zeigen: Ohne das dem HSD17B7 entsprechendeProtein Erg 27 kann die Mutante nur mit einem Ergoster-ol-Zusatz – einem Analogon des Säuger-Cholesterins –

leben. Das letzte unbekannte Enzym der Cholesterinbio-synthese war entdeckt. ■ Die Pharmaindustrie kann mit diesem Wissen Medika-mente entwickeln, die den Cholesterinmangel spezifischan bestimmten Stufen der Biosynthese kompensieren. „Uns stellte sich nun die Frage, warum sich während derEmbryogenese nur bestimmte Gewebe anormal ent-wickeln, wenn doch Cholesterin – wie bisher angenom-men – in jeder Zelle gebildet wird“, erläutert Adamski.Um dieser Frage nachzugehen, schleusten die Forscher

mit fluoreszierenden Farb-stoffen markierte RNA-Se-quenzen, so genannte Son-den, in die Zellen eines Mausembryos. Überall dort,wo sich die Sonden, diekomplementär zu den DNA-Abschnitten der Cholesterin-biosynthese sind, an Basenangelagert hatten, leuchtetedas Erbgut.

■ Die Doktorandin DanielaLaubner fand heraus, dassbeim Embryo anders als an-genommen nur bestimmteBereiche gefärbt waren.

Cholesterin wird hier nur beispielsweise im Gehirn, imGesicht, im neuronalen Gewebe sowie an Händen undFüßen produziert. Genau dort also, wo bei Neugebore-nen auch Defekte beobachtet werden können. Dabeiführt der Funktionsverlust eines bestimmten Enzyms zueiner charakteristischen Fehlbildung. „Interessant ist,dass diese nicht um so schlimmer ist, je früher die Cho-lesterinsynthese gestört ist“, betont Adamski. Anschei-nend können häufig andere Enzyme aufgrund ihrer Multifunktionalität den Ausfall des defekten Enzyms teilweise kompensieren.

Cholesterinbiosynthesevollständig entschlüsselt

Das letzte unbekannte Enzym der Biosynthese wurde identifiziert

mensch+umwelt 3/2004 3

Um noch unbekannte

Proteine zu identifizieren,

werden die Eiweiße extra-

hiert und mit 2D-Elektropho-

rese und Silberfärbung nach-

gewiesen. Dr. Gabriele Möller

betrachtet ein 2D-Gel eines

Nieren-Proteinextraktes.Foto: Bernd Müller

Das nun entdeckte Enzym

17beta-Hydroxysteroid-

dehydrogenase 7 (HSD17B7)

katalysiert die Umwandlung

von Zymosteron in Zymos-

terol.Grafik: Jerzy Adamski

■ Das Team um Adamski hat da-mit zwei herausragende Erkennt-nisse gewonnen: Embryos müssenwie Erwachsene ihr Cholesterinselber produzieren. Deshalb wares in der Vergangenheit auch sinn-los, der Mutter Cholesterin zu ge-ben, um den Embryo zu behan-deln: Die Feto-Plazentale-Schrankelässt den Metaboliten nicht zumEmbryo durch. ■ Der heranreifende Mensch bil-det jedoch – und das ist die zweiteNeuigkeit – im Gegensatz zumadulten Organismus das Choleste-rin nur in bestimmten Organen. ■ „Statt direkt das fehlende Cho-lesterin im Embryo ersetzen zuwollen, könnten nun etwa spezifi-sche Enzyme ergänzt werden“, er-klärt Adamski. Der Therapie wur-den neue Wege eröffnet. ■ Sonja Duggen

Literatur:G. E. Herman et al.: Disorders of cholesterolbiosynthesis: prototypic metabolic malformati-on syndromes. Hum. Mol. Genet. 12 (2003)R75-88.

D. Laubner, R. Breitling and J. Adamski: Em-bryonic expression of cholesterogenic genes isrestricted to distinct domains and colocalizeswith apoptotic regions in mice. Brain. Res.Mol. 115 (2003) 87-92.

Z. Marijanovic et al.: Closing the gap: Identifi-cation of human 3-ketosteroid reductase, thelast unknown enzyme of mammalian choleste-rol biosynthesis. Mol. Endocrinol. 17 (2003)1715 - 1725.

4 mensch+umwelt 3/2004

Stundenlanges Surfendurch digitale Bibliothe-ken, um Informationen

über Gen-Expressionsmusteroder Interaktionen zwischenProteinen zu bekommen, kön-nen Wissenschaftler in Zukunftverkürzen: Ein paar Klicks mitder Maustaste und beispiels-weise ein Gewebeprofil für einbestimmtes Gen wird erstellt.„Damit ein Wissenschaftler soschnell an das in über 15 Millio-nen Publikationen verstreuteWissen kommt, mussten wirdie Datenflut zunächst struktu-rieren“, erklärt Dr. Holger Maiervom GSF-Institut für Experi-mentelle Genetik.

Diese Bildschirmaufnahme zeigt die Web-Benutzerschnittstelle von Wi-

kiGene. Abgebildet ist eine Zusammenfassung und Kurzübersicht zum

menschlichen Gen HNF4A.

Auf dieser In-

ternetseite

ist die Web-

Benutzer-

schnittstelle

von LitMiner

zu sehen.

Man sieht ei-

ne Liste von

Geweben

und Orga-

nen, die mit

dem Begriff ‚MODY’ – einer Dia-

betes-Form – assoziiert sind. Die

Aufstellung der damit verknüpf-

ten Gewebe und Organe wurde

vollautomatisch mit Hilfe einer

statistischen Co-Zitierungsana-

lyse auf der Basis von etwa

zwölf Millionen PubMed-Ab-

stracts erzeugt.

Eine Seite weiter: Hier sind Gene

aufgelistet, die mit der Bezeichnung

‚MODY’ assoziiert sind. Fotos: Holger Maier

Während verschiedener Entwick-

lungsstadien der Maus findet die

Cholesterinbiosynthese nur in ei-

nigen Geweben statt. Etwa wie

hier angefärbt im Gehirn, im Ge-

sicht und im Bereich der Finger. Ist

die Biosynthese gestört, sind eben

diese Körperteile missgebildet.Foto: Jerzy Adamski

Neues Wissen aus deGemeinsam Erkenntnisse aus digitaler Lite

■ Software, die versucht, dasmenschliche Sprachverständnisnachzuahmen, befindet sich noch ineinem frühen Entwicklungsstadium.Zu variabel sind Sprache und Stilder Autoren, als dass ein Pro-gramm das Wissen aus dem Ge-flecht herausfiltern könnte. EineReihe von Wissenschaftlern mit die-ser Aufgabe zu beschäftigen, würdezwar sehr gute Ergebnisse liefern,wäre aber sehr zeitaufwändig undvor allem teuer. Statistische Verfah-ren aber, die sich darauf beschrän-ken Schlüsselbegriffe zu erkennen,können Millionen von Publikationeninnerhalb kurzer Zeit verarbeiten. ■ LitMiner, ein in der ArbeitsgruppeBioDV (Biologische Datenverarbei-

tung) am Institut für ExperimentelleGenetik entwickeltes Werkzeug,kann Texte statistisch analysieren.Mit Hilfe dieses Systems definiertendie Forscher zunächst die vier Kate-gorien ‚Gen oder Protein’, ‚Gewebeoder Organ’, ‚Krankheit oder Phäno-typ’ und ‚chemische Stoffe’. Dannordneten sie alle vorkommendencharakteristischen Begriffe undSymbole diesen bestimmten Grup-pen zu und berücksichtigten dabeiauch ihre Synonyme und verschie-dene Schreibweisen.■ Die so entstandenen Listen um-fassen etwa 50 Millionen Vermerke.„Für jedes Gen berechneten wirnun, wie häufig es gemeinsam miteinem anderen Gen, einer Krank-heit, einem chemischen Stoff odermit einem Gewebe oder Organ indem selben Artikel gefunden wur-de“, so Maier. Werden nämlich zweiBegriffe mit einer spezifisch biologi-schen oder medizinischen Bedeu-tung gemeinsam in einer Zusam-menfassung erwähnt, so kann mithoher Wahrscheinlichkeit davonausgegangen werden, dass diesnicht zufällig geschieht, sonderndass ein Zusammenhang zwischendiesen Begriffen besteht. Kommenbestimmte Wortpaare besondershäufig gemeinsam vor, kann derForscher diese Publikationen perKnopfdruck auswählen und mussdann nur noch diese Vorauswahlsichten.■ Die Arbeitsgruppe BioDV hofft,dass sich in Zukunft dank LitMinerauch einige aufwändige Laborexpe-rimente erübrigen werden. Das Sys-tem kann nämlich auch verdecktesWissen aufspüren und so mögli-cherweise neue Genfunktionen auf-klären. „Angenommen, es gäbe 50Publikationen über einen Einflussvon Gen A auf Gen B und weitere 60Veröffentlichungen über einen Ein-fluss von Gen C auf Gen D. Weiterangenommen, es existierten außer-dem zehn Texte über eine Bezie-hung zwischen Gen B und Gen C,dann könnte ein Einfluss von Gen Aauf Gen D abgeleitet werden, ob-wohl hierzu kein einziger Text publi-ziert wurde und auch nie ein ent-sprechendes Experiment durchge-führt wurde“, erklärt Maier. Einmenschlicher Experte müsste schonsehr mit einem Gebiet vertraut seinund einen großen Überblick über

mensch+umwelt 3/2004 5

m Datendschungeleratur verknüpfen

Links:LitMiner: http://andromeda.gsf.de/litminerWikiGene: http://andromeda.gsf.de/wikiWikipedia: http://www.wikipedia.org

die Literatur haben, umsolche verdeckten Bezie-hungen aufspüren zu kön-nen.

■ Auch wenn die erziel-ten Vorhersagen immerunter dem Vorbehalt gese-hen werden müssen, dasssie nicht auf einem wirkli-chen Verständnis der Texteberuhen, ist es Maier undseinen Kollegen dennochgelungen, eine große Men-ge an Informationen ein-zelnen Wissenschaftlernzugänglich zu machen.Doch die Forscher habennoch größere Visionen: Siewollen die gesamte wis-senschaftliche Literaturstrukturieren. Grundlagefür ihr Vorhaben ist daswebbasierte Annotie-rungssystems „WikiGene“,das von jedem Wissen-schaftler aufgerufen wer-den kann und leicht zu er-lernen ist. WikiGene ba-siert auf der gleichen Tech-nik und der gleichen Ideewie die Online-Enzyklopä-die Wikipedia, bei der vieletausend freiwillige Autorengemeinsam Artikel erstel-len und bearbeiten. Das Besondere daran: Jeder Benut-zer kann alle Artikel verändern, auchsolche, die von anderen erstelltwurden. WikiGene greift diese Ideeauf: Es stellt die von LitMiner vor-hergesagten Gen-Beziehungenübersichtlich dar und ermöglicht esinteressierten Forschern diese Vor-hersagen zu überprüfen. Offensicht-lich falsche Beziehungen könnengelöscht und neue Beziehungen hin-zugefügt werden, um so die Qualitätnach und nach zu verbessern. „Wirhoffen, dass sich möglichst vieleFreiwillige beteiligen. Denn selbstgrößere Einrichtungen sind überfor-dert, sollten sie alle veröffentlichtenErkenntnisse systematisieren“, soMaier. ■ In einer weltweiten Gemein-schaftsaktion aber könnte jeder In-teressierte Daten miteinander ver-knüpfen oder bestehende Assozia-tionen löschen und so dazu beitra-gen, dass genregulatorische Kaska-den und Netzwerke entdeckt und vi-sualisiert werden. Damit Informatio-

nen nicht dauerhaft zerstört werden,protokolliert WikiGene sämtlicheVeränderungen. „Wir verbinden mitdiesem Projekt zwei Vorzüge mitein-ander: den großen Durchsatz derstatistischen maschinellen Literatur-analyse mit dem Qualitätsvorteil derMitarbeit menschlicher Experten“,betont Maier. Dass dieses Konzeptfunktionieren kann, liegt am Profitdes Einzelnen: Jeder Wissenschaft-ler, der ein wenig Zeit investiert, umDaten zu sammeln und zu struktu-rieren, hat im Gegenzug freien Zu-griff auf alle Daten, die andere bei-getragen haben.■ Sonja Duggen

Literatur:H. Shatkay, R. Feldman: Mining the biomedical literature in the genomic era: an overview. J. Comput. Biol. 10(6) (2003) 821-55.

Statt sich im Bücherwald zu verirren,

können Wissenschaftler nun mit Hilfe von

LitMiner sogar neue Erkenntnisse aus

dem digitalen Datendschungel schürfen. Foto: mvdh

6 mensch+umwelt 3/2004

M anche meinen, lechts und rinkskann man nicht velwechsern.Werch ein Illtum!“ An Biologie hat

der Dichter Ernst Jandl wohl nicht gedacht,als er seine Sentenz formulierte. Und doch –auch die Natur kann sich irren mit rechtsund links, etwa bei der Anordnung der Orga-ne in unserem Körper. Herz und Milz liegenzum Beispiel normalerweise links, die Leberrechts. Auch doppelt vorhandene Organesind unterschiedlich ausgeprägt: drei Lun-genlappen rechts, zwei links. Diese gene-tisch gesteuerte Asymmetrie ist für Anord-nung und Orientierung der Organe wesent-lich. Werden in der Embryonalentwicklung

„lechts und rinks verwechsert“, kann dasschwere Erkrankungen oder gar den Todbedeuten. Besonders, wenn das Herz be-troffen ist.■ Schon sehr früh in der Embryonalent-wicklung dreht sich der anfangs symmetri-sche Herzschlauch nach rechts und bildetdann eine Schleife nach links. Diese Schrit-te entscheiden über die korrekte Anord-nung der inneren Strukturen des ‚Pump-werks’. Ein Vertauschen von rechts undlinks ist fatal: In die Körperperipherie wirdsauerstoffarmes Blut gepumpt, in die Lun-ge sauerstoffreiches. Kinder, die mit die-sem Fehler geboren werden, sind so nichtlebensfähig, können heute aber mit einerOperation oft gerettet werden.■ Auch bei Tieren gibt es solche Fehlent-wicklungen. Immer wieder stieß Dr. GerhardPrzemeck vom GSF-Institut für Experimen-telle Genetik auf Rechts-links-Defekte, als erMausembryonen für ein eigentlich ganz an-deres Projekt – über das Molekül Delta 1 –präparierte. Delta 1, wie sein zugehörigesGen seit langem ein Forschungsschwer-punkt im gesamten Institut, spielt zwar be-kanntermaßen bei einer Reihe embryonalerEntwicklungsprozesse eine Rolle, war abermit der Lateralisation nie in Verbindung ge-bracht worden. Bei Embryonen von Maus-mutanten, denen das Gen fehlt, fand Prze-

meck häufig Rechts-links-Vertauschungen.Etwa jeder zweite Embryo war betroffen,die Entscheidung ‚rechts oder links’ also of-fensichtlich völlig zufällig. Die systemati-sche Suche nach der Ursache des Fehlersführte zum Primitivknoten. Diese Strukturin Form einer winzigen Keule wird sehrfrüh im Embryo angelegt und ist vermut-lich zentraler Organisator der Entwicklung.Der Knoten besteht aus vielen kleinen Zel-len mit jeweils einer Zilie, und der geordne-te Schlag der Zilien bewegt das Fruchtwas-ser von rechts nach links, wie japanischeWissenschaftler entdeckten. Offenbar trägtdas zur korrekten Ausbildung der Rechts-

links-Achse im Em-bryo bei.■ Will man eine der-art kleine Strukturwie den nur rund 80Mikrometer großenPrimitivknoten unter-suchen, kommt manmit einem herkömm-lichen Mikroskopnicht weit. Kein Pro-blem in einer multi-disziplinären Einrich-tung wie der GSF:„Hier sind so vieleExperten versam-melt, man muss nurein paar Häuser wei-tergehen. Das ist einRiesenvorteil“, betontPrzemeck. Er wende-te sich ans Institut fürPathologie, das überein Raster-Elektro-nenmikroskop (REM)verfügt, und fand zu-gleich in Prof. UlrichHeinzmann einenMitstreiter für seine

Studie. Die REM-Aufnahmen zeigten, dassder Primitivknoten von Delta-1-Mutantenungleichmäßig geformt ist und zusätzlichgroße, zilienlose Zellen besitzt. Vermutlichverhindert die geringe Zahl der Flimmer-härchen einen gleichmäßigen Strom desFruchtwassers, was zu einem Rechts-links-Defekt führen kann. Dieser überra-schende Befund der GSF-Wissenschaftlerweist dem Molekül Delta 1 auch für diekorrekte Lateralisation in der Embryonal-entwicklung eine wichtige Rolle zu, zumin-dest bei Mäusen. Ob das auch für denMenschen gilt, bleibt zu prüfen.■ Sibylle Kettembeil

Literatur:G. K. H. Przemeck et al.: Node and midline de-fects are associated with left-right developmentin Delta 1 mutant embryos. Development 130(2003) 3-13.

S. Pfister et al.: Interaction of the MAGUK familymember Acvrinp 1 and the cytoplasmic domainof the Notch ligand Delta 1. J. Mol. Biol. 133(2003) 229-235.

M. Hrabé de Angelis, J. 2nd McIntyre, A. Gossler:

Maintenance of somite borders in mice requi-res the Delta homologue DII1. Nature 386(1997) 717-721.

Rechts oder links –das ist die FrageFeine Zilien im Primitivknoten steuern die korrekte Asymmetrieachse im Embryo

Spritzen statt Schlucken – gelängees, HIV durch therapeutischesImpfen statt durch hoch wirksa-

me antivirale Medikamente (HAART)in Schach zu halten, könnten MillionenInfizierte aufatmen, denn die medika-mentöse Therapie bremst zwar die Vi-rusvermehrung effektiv und kann denAusbruch von AIDS lange hinauszö-gern. Aber die meisten Patienten müs-sen sich mit erheblichen Nebenwir-kungen abfinden, oft gibt es Problememit Resistenzen und die Behandlungist kostspielig. Diese Nachteile soll ei-ne neue therapeutische Impfung mitgentechnisch veränderten Viren ver-meiden, die am GSF-Institut für Mole-kulare Virologie entwickelt wurde. Ei-ne erste klinische Studie zu dieserImpfung schlossen die Wissenschaft-ler vor kurzem mit ermutigenden Er-gebnissen ab: Obwohl in der klini-schen Phase-1 Studie lediglich Ver-träglichkeit und Sicherheit des Impf-stoffs getestet wurden, steigerte dieImpfung bei einigen Probanden zu-mindest kurzfristig auch die Immunre-aktion gegen das HIV-Protein Nef.■ „Ziel des Impfens ist es, das Immun-system bereits HIV-infizierter Patientenmit Hilfe eines Vektor-Impfstoffs so zustimulieren, dass der Ausbruch vonAIDS hinausgezögert oder sogar ver-hindert wird“, erklärt Professor VolkerErfle, Direktor des GSF-Instituts fürMolekulare Virologie, der die Studiegemeinsam mit Professor Frank Goe-bel, dem Leiter der AIDS-Ambulanz an den Münchner Innenstadt-Klinikenund Wissenschaftlern des MünchnerKlinikums Rechts der Isar initiierte unddurchführte. Als Impf-Vektor nutzendie Forscher harmlose MVA-Viren, indie der Bauplan für das HIV-ProteinNef eingeschleust wurde. Nef wurdeals Zielstruktur gewählt, weil es im Le-benszyklus des Virus eine entschei-dende Rolle spielt: Es wird von infi-

Die Herzdrehung ist bei allen Wirbeltieren und dem Men-

schen gleich. Ein symmetrisch angelegter Herzschlauch

krümmt sich erst nach rechts und bildet dann eine Schlei-

fe nach links. Ein weiteres Merkmal der Links-Rechts Dif-

ferenzierung ist eine Rotation des Embryos gegen den

Uhrzeigersinn, wodurch bei der Maus der Schwanz auf

der rechten Körperseite zu liegen kommt (vereinfachte

Darstellung). Grafik: Gerhard Przemeck

AIDS mit seinImpf-Virus gibt Hoffnung auf n

Die Arbeitsgruppe vom GSF-Institut

für Molekulare Virologie: Silja Bühler,

Rashmi Nagarai und Antonio Cosma.Foto: IMV

mensch+umwelt 3/2004 7

P rof. Jean-Marie Buerstedde wurde mit dem diesjährigen Felix-Wankel-Tierschutzforschungspreis ausgezeichnet. Der Direktordes GSF-Instituts für Molekulare Strahlenbiologie erhielt den

mit 30 000 Euro dotierten Preis für seine Arbeiten zur Etablierung derHühner Zell-Linie DT40 als genetisches Modellsystem.■ Um die Funktionen von vielen neu entdeckten Gene aufzuklären,werden oft so genannte ‚knock-out-Mausstämme’ hergestellt; ihreGene sind durch homologe Rekombination zerstört. Diese Experi-mente sind jedoch aufwändig und haben die Anzahl der Maus-Tier-versuche erheblich erhöht. Dabei kann im Prinzip die Funktion vielerGene auch in Zellkulturexperimenten untersucht werden. HumaneZell-Linien eignen sich aufgrund geringer Rekombinationsaktivität al-lerdings nur bedingt, während sich, wie Buerstedde zeigen konnte,Genknock-outs in DT40 Zellen sehr einfach durchführen lassen. Da-her setzen heute viele Labors diese Zell-Linie erfolgreich für die Un-tersuchung von einzelnen Genen und genetischen Netzwerken ein. DT40 kann sicher nicht alle ‚knock-out-Experimente’ in Tieren erset-zen, da zum Beispiel Genfunktionen im Zusammenhang mit komple-xen Krankheiten nicht vollständig in Zellkultur aufklärbar sind. Den-noch haben die Arbeiten mit DT40 dazu geführt, dass ‚Knock-outs’ inMäusen nicht automatisch als einzig sinnvolle Experimente in An-griff genommen werden. ■ Der Felix-Wankel-Forschungspreis wurde 1972 gestiftet und wirdin der Regel jährlich durch die Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen verliehen. Mit ihm sollen in erster Linie Arbeiten ausgezeichnetwerden, die dazu beitragen, Versuche am lebenden Tier zu ersetzenund dem Tierschutzgedanken allgemein dienlich und förderlich sind. ■ Beatrix Leser

An der Zelle statt am TierDer Felix-Wankel-Tierschutzforschungspreis geht dieses Jahr an einen GSF-Wissenschaftler

Für die Etablierung der Hühner Zell-Linie DT40 als geneti-

sches Modellsystem erhielt Jean-Marie Buerstedde, Direk-

tor des GSF-Instituts für Molekulare Strahlenbiologie, den

Felix-Wankel-Tierschutzforschungspreis. Foto: F. M. Schmidt

zierten Zellen bald nach der Infektion ge-bildet und sorgt für eine möglichst effek-tive Vermehrung des Virus. Ohne Nefbricht AIDS nicht aus. Funktioniert dieImpfung, schlägt sie den Erreger mit sei-nen eigenen Waffen: Die eingeimpftenVektoren befallen Körperzellen und re-gen sie zur Bildung von Nef an, wodurchdie Immunantwort gegen Nef stimuliertwird.■ Dass das Immunsystem prinzipiellHIV auch aus eigener Kraft kontrollierenkann, zeigen so genannte LTNP-Patien-ten (long-term non-progressors), dieseit mindestens fünf bis zehn Jahrendas Virus auch ohne Therapie in Schachhalten. Dies gelingt ihnen, weil ihr Im-munsystem anders auf eine HIV-Infekti-on reagiert: „Bei diesen Patienten bleibtdie Anzahl der CD4-positiven T-Zellennach der Infektion konstant erhöht“, er-läutert Dr. Antonio Cosma vom GSF-Ins-titut für Molekulare Virologie. „Norma-lerweise steigt die Zahl der CD4-Zellennach der Infektion zwar an, fällt dannaber auf sehr niedrige Werte ab“. CD4-positive T-Zellen sind so genannte Hel-ferzellen, die das Immunsystem stimu-lieren und dadurch schützende Immun-antworten aktivieren. HIV attackiert die-se Zellen, daher sinkt ihre Zahl nach ei-ner Infektion in der Regel ab. „Unsere

Idee war nun, durch die Impfung dieImmunantwort so anzuregen, dassder CD4-Level hoch bleibt“, erläutertCosma.■ Alle geimpften Patienten waren seitlängerem HIV-infiziert und wurden mitHAART behandelt, was auch währendder klinischen Phase-1 Studie zu-nächst fortgesetzt wurde. Mehr als einJahr nach Beginn der Impfungen sindlaut Cosma die ersten Ergebnisse er-mutigend: „Von zehn geimpften Pati-enten stieg bei acht die Zahl der Nef-spezifischen CD4-Zellen nach der Imp-fung an.“ Bei keinem der Patientenwar dieser Zelltyp vorher nachweis-bar, es zeigte sich somit eine deutli-che Immunreaktion auf die Zielstruk-tur HIV-Nef. Der am besten auf dieImpfung ansprechende Patient schafftes seit über einem halben Jahr, dasVirus aus eigener Kraft zu kontrollie-ren, nachdem die medikamentöseTherapie abgesetzt wurde. Allerdingswaren die anderen Patienten, die miteiner Therapie-Unterbrechung einver-standen waren, nicht so erfolgreichund mussten wieder anti-virale Medi-kamente erhalten. Eine Verbesserungerhoffen sich die Wissenschaftlerdurch Fortführung der Impftherapie.■ Monika Gödde

Literatur:N. L. Letvin: Progress Toward an HIV Vaccine. Annu Rev Med (2004).

C. J. Pitcher et al.: HIV-1-specific CD4+ T cells aredetectable in most individuals withactive HIV-1 infection, but decline with prolongedviral suppression. Nat Med 5 (1999) 518- 25.

A. Cosma et al.: Therapeutic vaccination withMVA-HIV-1 nef elicits Nef-specific T-helper cell res-ponses in chronically HIV-1 infected individuals.Vaccine 22 (2003) 21-29.

nen eigenen Waffen schlagenneue HIV-Therapie

Die Abwehr ist aktiviert: Die MVA-

Nef-Impfung bewirkte eine typische

Nef-spezifische CD4-Immunreaktion.Grafik: Antonio Cosma

Typische MVA-Plaques sind auf

den Fibroblasten des Hühnerembryos

entstanden.Foto: Gerd Sutter

■ T. Hammerschmidt, H. P. Zeitler, M. Gulich, R. Leidl: A comparison of different strategies to collect standard gamble utilities. Medical Decision Making 24(5) (2004) 493-503Die Autoren untersuchen am Beispiel von Patienten mit Diabetes mellitusunterschiedliche Erhebungsverfahren zur Bewertung des Gesundheitszu-stands – eine bei der Analyse der Wirtschaftlichkeit von Behandlungen

Berichte + PublikationenEine Auswahl

zentrale Frage. Sie zeigen, wie die Wahl des Erhebungsverfahrens die Er-gebnisse beeinflussen kann, dass – mit Einschränkungen – aufwändige In-terviews durch schriftliche Befragungen ersetzt werden können und dassPatienten auch die Möglichkeit nutzen, schwierigen Bewertungsentschei-dungen auszuweichen.

■ A. Icks, B. Haastert, A. Gandjour, J. John, H. Löwel, R. Holle, G.Giani, W. Rathmann, KORA Study Group: Cost-effectiveness of diffe-rent screening procedures for type 2 diabetes: The KORA survey 2000. Diabe-tes Care 27 (2004) 2120-2128 Ein im Rahmen des KORA Survey 2000 gemeinsam mit dem DeutschenDiabetes-Zentrum durchgeführtes Teilprojekt hat gezeigt, dass bei den 55-bis 74-jährigen Personen der Augsburger Bevölkerung die Prävalenz desunentdeckten Diabetes ebenso hoch war wie die des bekannten Diabetes.Basierend auf den Studiendaten wurden nun mit Hilfe von gesundheitsöko-nomischen Entscheidungsmodellen verschiedene Screening-Strategien be-züglich ihrer Kosten-Effektivität für die Erkennung von Typ-2-Diabetikernverglichen. Dabei zeigte sich, dass eine Einschränkung der HbA1c-Messungund des oralen Glukose-Toleranztests auf Personen mit Risikofaktoren zwarvordergründig Kosten spart, aufgrund der geringeren Sensitivität letztlichaber doch weniger kosteneffektiv ist.

■ E. Mahabir, K. Jacobsen, D. Peters, J. Needham, J. Schmidt:Mouse antibody production test: Can we do without it? Journal of VirologicalMethods 120 (2004) 239-245In dieser Studie wird die Sensitivität verschiedener Nachweismethoden fürdie zwei in Versuchstierhaltungen häufig vorkommenden, für Mäuse patho-genen Viren MHV und MMV, beschrieben. Die routinemäßig verwendetenMethoden Maus-Antikörper-Produktionstest, Virus Plaque Test und PCRzeigten sehr große Sensitivitätsunterschiede. Die Relevanz dieser Differen-zen für den Virusnachweis in biologischen Materialien wird diskutiert.

■ G. A. Drexler, S. Rogge, W. Beisker, F. Eckardt-Schupp, M. Z.Zdzienicka, E. Fritz: Spontaneous homologous recombination is decreasedin Rad51C-deficient hamster cells. DNA Repair 3 (2004) 1335-1343Homologe Rekombination (HR) ist bekannt als Mechanismus, der in derMeiose zum Austausch genetischen Materials mütterlicher beziehungswei-se väterlicher Herkunft führt. HR in mitotischen Zellen ist überwiegend fürdie Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSB) verantwortlich. HR-De-fekte sind eng assoziiert mit erhöhter genomischer Instabilität und Tumori-genese. Die Autoren haben einen neuen episomalen pGrec Rekombinati-ons-Vektor konstruiert, der zwei mutierte Allele des eGFP Gens (enhancedgreen fluorescent protein) enthält. Allein HR kann das funktionelle eGFPGen wiederherstellen. Die grüne Fluoreszenz der Zellen ist ein Zeichen fürseltene spontane Rekombinationsereignisse. Mit diesem Vektor analysier-ten die Wissenschaftler die chinesische Hamsterzell-Mutante CL-V4B(rad51C), deren phänotypische Merkmale, genomische Instabilität und er-höhte Empfindlichkeit gegen clastogene und DNA-vernetzende Agenzien,die Frage aufwarfen, ob sie rekombinationsdefekt ist. Wir konnten zeigen,dass die HR-Rate in der Mutante signifikant vierfach niedriger ist als in denisogenen Wildtypzellen. Das bedeutet, dass das RAD51C Gen eine wichtige,aber keine essentielle Rolle für HR spielt.

■ G. A. Drexler, S. Wilde, W. Beisker, J. Ellwart, F. Eckardt-Schupp, E. Fritz: The rate of extrachromosomal homologous recombinationwithin a novel reporter plasmid is elevated in cells lacking functional ATM pro-tein. DNA Repair 3 (2004) 1345-1353Das ATM Protein, das homozygot inaktiviert in Ataxia telangiectasia (A-T)Patienten ist, gilt als Schlüsselprotein bei der Regulation der zellulären Ant-worten auf exogene Agenzien wie ionisierende Strahlen. Es wird ebenfallsbenötigt für die Kontrolle der physiologischen Prozesse des zellulären DNAMetabolismus. Es konnte gezeigt werden, dass auch unbehandelte A-T-Zel-len unter anderem spontane genomische Instabilität und Defekte im Telo-mermetabolismus zeigen. Mit dem Rekombinationsvektor haben die Auto-ren etwa 40-fach erhöhte extrachromosomale Rekombinationsraten in A-T-Zellen im Vergleich zu den isogenen, mit dem ATM-Gen komplementiertenund sich wie Wildtyp verhaltenden Kontrollzellen nachweisen können. DieBefunde zeigen, dass spontane Hyper-Rekombination in A-T-Zellen unab-hängig vom Chromatinstatus ist. Es ist denkbar, dass die starke Erhöhungder extrachromosomaler Rekombination eine wichtige Rolle für die Instabi-lität der Telomere sowie für den Verlauf viraler Infektionen von A-T-Zellenspielt.

■ N. Kawakami, S. Lassmann, Z. Li, F. Odoardi, T. Ritter, T.Ziemssen, W. E. Klinkert, J. W. Ellwart, M. Bradl, K. Krivacic, H.Lassmann , R. M. Ransohoff, H. D. Volk, H. Wekerle, C. Lining-ton, A. Flugel: The activation status of neuroantigen-specific T cells in the tar-get organ determines the clinical outcome of autoimmune encephalomyelitis. J.Exp. Med. Jan 19; 199(2) (2004) 185-97Diese Arbeit entstand im Rahmen eines Projekts der Abteilung für Neuroim-munologie des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in dem die Funktionund das Schicksal autoaggressiver T-Zellen im Verlauf der T-Zell-vermittel-ten Experimentellen Autoimmun-Enzephalomyelitis (tEAE) der Lewisratte

8 mensch+umwelt 3/2004

Keine einfache Formel für Krebs:Selenmangel führt nicht automatisch zu malignen Tumoren

Selen ist ein Spurenelement, das in Form der Aminosäure Se-lenocystein in etwa 25 verschiedene, zum großen Teil lebens-

notwendige Proteine eingebaut wird. Viele der Selenoproteine sindEnzyme, die das sehr reaktive Selenocystein als essentiellen Bau-stein für die katalytische Wirkung im aktiven Zentrum tragen. Vieleder Selenoenzyme wiederum spielen eine zentrale Rolle im Redox-Metabolismus der Zelle wie zum Beispiel Glutathionperoxidasenund Thioredoxinreduktasen und sorgen für die Reduktion reaktiverSauerstoffspezies und die Aufrechterhaltung des lebensnotwendi-gen reduzierenden Milieus innerhalb der Zelle. Reaktive Sauerstoffspezies werden für viele pathologische Prozessewie zum Beispiel die Initiation und Aufrechterhaltung von Entzün-dungsprozessen verantwortlich gemacht. Chronische Entzündun-gen sind wiederum der Nährboden, auf dem bestimmte Tumorenentstehen. Deshalb werden reaktive Sauerstoffspezies auch oft mitder Entstehung und Entwicklung von malignen Tumoren in Bezie-hung gesetzt. Im Umkehrschluss wird Tumorpatienten von vielenÄrzten die Einnahme von Selenpräparaten empfohlen. Dass biologischen Zusammenhänge komplexer sind und sich nichtauf die einfache Formel „Selenmangel = Krebs“ bringen lassen,geht aus einer Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Prof. Ge-org Bornkamm am Institut für Klinische Molekularbiologie und Tu-morgenetik der GSF, der Gruppe von Dr. Dietrich Behne am Hahn-Meitner-Institut in Berlin und der Gruppe von Dr. Siegfried Janz derNational Institutes of Health (NIH) hervor, die im April 2004 in Can-cer Research veröffentlicht wurde. Um die Bedeutung des Selen-mangels für die Entstehung von Krebs zu untersuchen, haben sichdie Autoren auf das Mausplasmozytom konzentriert, einem Tumor,der als Paradebeispiel für das Zusammenspiel zwischen geneti-schen Faktoren und Umwelteinflüssen bei der Tumorentstehunggilt. Damit ein Mausplasmozytom entsteht, müssen verschiedeneUmstände zusammentreffen: Etwa die Entwicklung eines durch Plastik oder höherkettige Kohlenwasserstoffe (Pristan) induziertenFremdkörpergranuloms, genetische Prädisposition (Balb/c) sowiedie Haltung der Mäuse unter nicht zu sauberen Hygienebedingun-gen, damit sich eine aktive Darmflora und Peyer´sche Plaques imDarm ausbilden. Die Wissenschaftler untersuchten die Entstehungvon Plasmozytomen in Mäusen, die entweder mit normaler odermit selenarmer Kost ernährt wurden. Nach dreimaliger Pristanap-plikation entwickelten wie erwartet etwa 50 Prozent der Mäuse inder Kontrollgruppe innerhalb von zehn Monaten ein Plasmozytom,wohingegen überraschenderweise die selenarm ernährten Mäusegegenüber der Entstehung von Plasmozytomen geschützt waren,obwohl ihre Zellen eine höhere Raten an Mutationen aufwies. Diehistologische Untersuchung zeigte, dass sich bei ihnen auch beimehrmaliger Pristanapplikation kein typisches entzündliches Gra-nulom entwickelt, das als Nährboden für das Plasmozytom dient.Der Grund hierfür ist, dass Monozyten und neutrophile mono-nukleäre Zellen von selenarm ernährten Mäusen nicht oder vielschwächer auf Locksubstanzen wie Chemokine und Thioredoxinreagieren.Diese Arbeit macht deutlich, dass man in jedem einzelnen Fall ge-nau auf das Zusammenspiel verschiedener Mechanismen bei derTumorentstehung achten muss und sich strikt vor Verallgemeine-rungen hüten sollte.

Diese Publikation ist erschienen in:■ K. Felix, S. Gerstmeier, A. Kyriakopoulos, O. M. Ho-ward, H. F. Dong, M. Eckhaus, D. Behne, G. W. Born-kamm, S. Janz: Selenium deficiency abrogates inflammation-de-pendent plasma cell tumors in mice. Cancer Research 64 (2004)2910-2917

analysiert werden. Mit den retroviral konstruierten T-Zellen, die das Gendes Green Fluorescent Proteins (GFP) exprimieren und die die Autorenmittels Fluoreszenz-aktivierter Zell-Sortierung (FACS) isolierten, unter-suchten die Wissenschaftler das Verhalten und die Wirkung unterschied-lich pathogener T-Zelllinien im Verlauf der tEAE.

■ W. S. Tirsch, P. Stude, H. Scherb, M. Keidel: Temporal order ofnonlinear dynamics in human brain. Brain Research Reviews 45 (2004)79-95In dieser Arbeit wird die etwa Ein-Minuten-Periodizität des menschli-chen Wach-EEGs mit Hilfe der nicht linearen, dynamischen Systemtheo-rie (Chaosanalyse) beschrieben.

■ P. Zhu, E. Martin, J. Mengwasser, P. Schlag, K-P. Janssen, M.Göttlicher: Induction of HDAC2 expression upon loss of APC in colorec-tal tumorigenesis. Cancer Cell, May vol. 5 (2004) 455-463Die Acetylierung von Histonproteinen hat einen wesentlichen Einflussauf die Organisation von DNA in Chromatin. Bei vielen Formen vonKrebs erwartet man eine therapeutische Modulation dieser Organisationvon Chromatin durch Hemmung der Histondeacetylasen durch kleineMoleküle wie Buttersäure oder Valproinsäure. Bei einigen Formen derLeukämie wurde der Grund für die fehlerhaft Organisation von Chroma-tin im Austausch von Bruchstücken zwischen Chromosomen und derBildung von Hybridproteinen identifiziert. Gründe für fehlerhafte Acety-lierung im Karzinomen epithelialen Ursprungs waren bisher nahezu un-bekannt. Die vorliegende Publikation zeigt, dass im Rahmen der Darm-krebsentstehung die Histondeactelyase 2 vermehrt gebildet wird, wennder Tumorsuppressor des Darms, APC, verloren geht. Diese Entdeckungstellt eine Verbindung zwischen der Funktion von APC und der Modifika-tion von Chromatin her. Zusätzlich wird einem einzigen Mitglied aus derFamilie der Histondeacetylasen eine spezifische Funktion zugeordnetund dieses Mitglied, die HDAC2, als besonders aussichtsreicher Kandi-dat für die Suche nach spezifischen chemischen therapeutischenHemmstoffen identifiziert.

■ P. Bernhardt, W. Friedland, H. G. Paretzke: The role of atomicinner shell relaxations for photon-induced DNA damage. Radiation and En-vironmental Biophysics 43 (2004) 77-84Mit Hilfe des biophysikalischen Simulationsprogramms PARTRAC wur-de der Einfluss von Ionisationen innerer Schalen von Atomen in derDNA mit anschließender Relaxation auf die dadurch in der Zelle indu-zierten Schäden durch Photonenstrahlung unterschiedlicher Energie de-tailliert untersucht. Diesen Prozessen wird in der Literatur eine herausra-gende biologische Wirkung zugesprochen. Es zeigte sich, dass die An-zahl der Prozesse dieser Art bei nicht zu niedrigen Photonenenergien (> 1 keV) im Vergleich zur Anzahl der induzierten DNA-Doppelstrang-brüche klein ist. Auch folgt ihre Abhängigkeit von der Photonenenergienicht den gemessenen Werten der biologischen Wirksamkeit für biologi-sche Endpunkte wie Chromosomenaberrationen, Mutationen und Zell-inaktivierung. Daraus ist zu folgern, dass Ionisationen innerer Schalenvon DNA-Atomen im Allgemeinen nicht ausschlaggebend für die Strah-lenwirkung sind.

■ U. A. Fill, M. Zankl, N. Petoussi-Henss, M. Siebert, D. Regulla:Adult female voxel models of different stature and photon conversion coefficient for radiation protection. Health Phys. 86 (2004) 253-272Die Erstellung dreier Voxelmodelle aus medizinischen Bilddaten vonFrauen unterschiedlicher Statur wird skizziert und Tabellen von Organ-dosiswerten bei externem Einfall von Photonenstrahlung für diese un-terschiedlichen Modelle werden präsentiert. Diese Arbeit stellt erstmaligOrgandosen für realistische Menschmodelle von Frauen zusammen underlaubt die Abschätzung von Organdosen abhängig von der Statur.

■ U. C. Gerstmann, G. Rosner, P. Schramel: Bioavailability of239+240Pu and 137Cs in aerosols and deposited dusts: a comparativ studyby fractional extraction. Radiat. Environ. Biophys. 43 (2004) 111-117Die Bioverfügbarkeit von Plutonium und 137Cs in Luftstäuben, in abgela-gertem Staub und in der obersten Bodenschicht wurde untersucht.Durch sequenzielle Extraktion wurde gefunden, dass sich sowohl Pluto-nium als auch 137Cs am leichtesten aus dem Luftstaub lösen lassen, wo-bei ein größerer Anteil von Plutonium organisch gebunden ist. 137Cs inLuftstaub ist biologisch deutlich höher verfügbar als in abgelagertenStäuben und im Boden.

■ W. F. Heidenreich, T. I. Bogdanova, A. G. Biryukov, N. D.Tronka: Time trends of thyroid cancer incidence in Ukraine after the Cher-nobyl accident. J. Radiol. Prot. 24 (2004) 283-293In der Arbeit wird das Auftreten von Schilddrüsentumoren bei Ukrai-nern, die zur Zeit des Reaktorunfalls von Chernobyl Kinder waren, miteiner Technik untersucht, die viele Unsicherheiten der Dosimetrie ver-meidet. Das zusätzliche absolute Risiko pro Dosis nimmt nach drei Jah-ren etwa linear bis zumindest neun Jahren nach dem Unfall zu und istkaum abhängig vom Alter der Kinder zum Zeitpunkt des Unfalls.

Patente + Technologietransfer

Müll schluckt Dioxine:Intelligenter Einsatz von Abfällen ver-mindert Dioxinbildung

Wissenschaftler des GSF-Instituts für Ökologische Chemie haben einneues Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe sich die Bildung von

Dioxinen im Abgas von Verbrennungsanlagen erheblich reduzieren lässt.Durch Beimischung unproblematischer Schwefelverbindungen erreich-ten sie im Labor eine Dioxinminderung bei der Verbrennung des Materi-als von bis zu 99 Prozent. Da auch der ganz normale Hausabfall erhebli-che Mengen an Schwefelverbindungen enthalten kann, eröffnet diesesVerfahren völlig neue Perspektiven im Sinne einer Kreislaufwirtschaft fürMüllverbrennung aber auch für andere Verbrennungsanlagen wie etwaKohlekraftwerke. Eine Erteilungdes Patentes in USA und Europaund somit auch in Deutschlandwird in Kürze erfolgen. Dass bei der Verbrennung von Ab-fällen im Abgas Dioxine entstehenkönnen, ist altbekannt, stellt aberdie Rauchgasreinigungstechnikder Müllverbrennungsanlagenauch heute noch vor große Her-ausforderungen. Dass aber durchZugabe bestimmter Abfälle dieBildung von Dioxinen deutlich re-duziert werden kann, ist neu. ImLabor stellten Dr. Dieter Lenoirund Dr. Karl-Werner Schrammvom GSF-Institut für ÖkologischeChemie zunächst eine repräsenta-tive Mischung an Hausmüll zu-sammen. Bei deren Verbrennungentstanden übliche Dioxinmengenin Höhe von durchschnittlich 52Pikogramm pro Gramm Brennstoff. In einem zweiten Schritt mischtendie Wissenschaftler dem Hausmüll nacheinander verschiedene schwe-felhaltige Verbindungen in unterschiedlich hohen Gewichtsanteilen vonein bis zehn Prozent bei. Das Ergebnis überraschte selbst die Wissen-schaftler am GSF-Institut für Ökologische Chemie: „Bereits mit einer Zu-gabe von nur fünf Gewichtsprozenten Amidosulfonsäure reduzierte sichdie Dioxinbildung um 97 Prozent“, betont Lenoir. Natürlich handelt essich bei diesen so genannten Inhibitoren allesamt um für die Umwelt un-gefährliche Verbindungen, die bei der Verbrennung rückstandsfrei elimi-niert werden.Genau die schwefel- und stickstoffhaltigen Verbindungen, die in den La-bors des GSF-Forschungszentrums zum Einsatz kamen, finden sich aberauch natürlicherweise in beinahe jeder Hausmüllmischung. Aber siekönnten auch in Form von Gipsabfällen, Autoreifen, Abraummaterialoder sogar bestimmten pharmazeutischen Abfällen dem normalen Ver-brennungsmaterial zugesetzt werden. Damit ließe sich zweierlei errei-chen: Zum einen wären sowohl die Dioxinbildung im Abgas als auch derdamit verbundene hohe Aufwand für die anschließende Rauchgasreini-gung drastisch reduziert. Und zum anderen könnten Abfälle selbst quasials Wertstoffe für eine umweltfreundliche Entsorgung intelligent zumEinsatz kommen.Um Testreihen auf großtechnischen Maßstab anzuheben, suchenSchramm und seine Kollegen nun nach einem Industriepartner, der sei-ne Anlage zur Verfügung stellt.

„Verringerung von Dioxinen in Verbrennungsgasen“ Angemeldet beim Europäischen Patentamt unter der Nummer 01226389und beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 19953418

Falls Sie mehr über die das Verfahren wissen möchten, wenden Sie sichbitte an unseren Patente- und Technologietransfer oder direkt an:

Dr. Karl-Werner Schramm GSF-Institut für Ökologische Chemie Tel. 089/3187-3147E-Mail: [email protected]

Auskunft über GSF-Patente sowie Informationen zum Technologietransfer bei: Dr. Josef-K. Gerber

Patente & TechnologietransferTel.: 089/3187-2481, Fax: 089/3187-4000E-Mail: [email protected]

Manchmal ist es nützlich, dass

der normale Hausmüll aus einem

Gemisch unterschiedlicher Mate-

rialien besteht: Schwefel- und

stickstoffhaltige Verbindungen

reduzieren die Dioxinbildung im

Abgas von Verbrennungsanlagen

erheblich. Foto: BMU

mensch+umwelt 3/2004 9

wurde in diesem Jahr an Doktoranden aus den Institu-ten für Entwicklungsgenetik, Molekulare Virologie undMolekulare Immunologie sowie der Klinischen Koope-rationsgruppe Umweltdermatologie und Allergologieverliehen.■ Preisträgerin Dr. Clara Lubeseder-Martellato unter-suchte das Guanylat-Bindungs-Protein-1 (GBP-1), einEiweiß in Endothelzellen, das spezifisch während ent-zündlicher Reaktionen exprimiert wird. Sie konnte zei-gen dass GBP-1 bei der Schuppenflechte, dem Kapo-sisarkom – einer Folgeerscheinung der Infektion mitHIV – und nach Drogenkonsum überrepräsentiert ist. ■ Dr. Alexandra Tallafuß wurde für ihre Arbeit über dieAnlage und frühe Entwicklung von bestimmten Hirn-arealen in embryonalen Zebrafischen ausgezeichnet.

■ Dr. Gerhard Mittler erhielt den Doktorandenpreis fürseine Arbeit über die Regulation der RNA-PolymeraseII-Transkription durch einen humanen Multiprotein-komplex. Nicht alle Gene, die im menschlichen Erbgutvorhanden sind, werden auch abgelesen (transkribiert)und schließlich in Proteine übersetzt. Mittlers Arbeituntersucht an einem Beispiel wie die Transkription ei-nes Gens durch einen Proteinkomplex reguliert wird. ■ Dr. Caren Vollmert wurde für die Entwicklung vonMethoden und Geräten zur in vitro Exposition vonmenschlichen Keratinozyten von Probanden mit atopi-schem Ekzem mit gasförmigen Schadstoffen ausge-zeichnet.■ Gülnilhal Yüksekdag

Im Rahmen der Autumn Lec-ture anlässlich der Jahresta-gung des Vereins der Freun-

de und Förderer der GSF (VdFF)referierte der NobelpreisträgerProf. Erwin Neher über die „Re-gulation der Neurotransmitter-und Hormonausschüttung durchKalzium und zyklisches AMP“.Im Anschluss daran überreichteer die Doktorandenpreise 2004des VdFF und der bayerischenVolksbanken Raiffeisenbanken.Der vom VdFF ausgeschriebenePaula und Richard von Hertwig-Preis für interdisziplinäre Zu-sammenarbeit 2004 wurde amAbend bei einem gemeinsamenAbendessen verliehen. ■ Der 1944 geborene Biophysi-ker Prof. Erwin Neher, Direktor des Max-Planck-Institutsfür biophysikalische Chemie in Göttingen, erhielt 1991 zu-sammen mit dem Mediziner und Zellphysiologen Prof.Bert Sakmann vom Max Planck-Institut für medizinischeForschung in Heidelberg den Nobelpreis für die Ent-deckung von Ionenkanälen in der Zellhülle. ■ Gemeinsam mit GSF-Geschäftsführer Dr. Hans Jahreißund dem Vorsitzenden des Vereins der Freunde und För-derer der GSF, Dr. Carl-Heinz Duisberg, überreichteNeher den Trägern des Doktorandenpreises Urkundenund Schecks. Ausgezeichnet wurden wieder herausra-gende Dissertationsarbeiten auf den Gebieten Umwelt-forschung, Biologie und Gesundheitsforschung. Der seit1997 verliehene und mit jeweils 1500 Euro dotierte Preis

10 mensch+umwelt 3/2004

Nobelpreisträger überreicht GSF-DoktorandenpreiseProf. Dr. Erwin Neher ist Festredner auf der Autumn Lecture 2004

Erwin Neher (li.), Nobelpreisträ-

ger für Medizin, und GSF-Ge-

schäftsführer Hans Jahreiß bei

der Autumn Lecture 2004.

Die Träger des Doktorandenpreises und ihre Betreuer: Vordere Reihe, v.l.n.r.: Laure

Bally-Cuif, GSF-Institut für Entwicklungsgenetik, Clara Lubeseder-Martellato, Nobel-

preisträger Erwin Neher, Gerhard Mittler, Caren Vollmert, Heidrun Behrendt, Klini-

sche Kooperationsgruppe Umweltdermatologie und Allergologie der GSF. Hintere

Reihe, v.l.n.r.: Michael Stürzl, Institut für Molekulare Virologie der GSF, Michael

Meisterernst, Institut für Molekulare Immunologie der GSF, Hans Jahreiß, Kaufmän-

nischer Geschäftsführer der GSF und Carl-Heinz Duisberg, Vorsitzender des Vereins

der Freunde und Förderer der GSF. Fotos: Ulla Baumgart

Der mit 5000 Euro dotierte Paulaund Richard von Hertwig-Preisfür interdisziplinäre Zusam-

menarbeit wurde in diesem Jahr ansieben Wissenschaftler aus der GSFund der Medizinischen Fakultät derLMU München verliehen. Dr. AndrejKhandoga, Andreas Stampfl, Dr. Shi-nji Takenaka, Prof. Holger Schulz, Ro-man Radykewicz, Dr. Wolfgang Krey-ling und Prof. Fritz Krombach aus denGSF-Instituten für Toxikologie und In-halationsbiologie sowie der Chirurgi-schen Forschungsabteilung der LMUMünchen erhielten die Auszeichnungfür eine gemeinsame Publikation inder Zeitschrift Circulation*. Die Veröf-fentlichung befasst sich mit den Aus-wirkungen kleinster Schadstoffpartikelin der Luft auf die Leberfunktion.■ Prof. Martin Göttlicher, Direktor desGSF-Instituts für Toxikologie, würdigtein seiner Festrede die Bedeutung derArbeit. Viele epidemiologische Studienweisen darauf hin, dass erhöhte Luft-verschmutzung und die damit vorkom-menden kleinsten Schadstoffpartikel(kleiner als 0,1 Mikrometer Durch-messer) in der Atemluft mit gesteiger-ten Lungen- und Herz-Kreislauferkran-kungen zusammenhängen. In der jetztpreisgekrönten Arbeit wurden die Aus-wirkungen der aus der Lunge in dieLeber einwandernden Kleinstpartikelund ihre negativen Einflüsse auf die

Leberfunktion beziehungsweise ihreSpätfolge auf die Herzblutgefäße un-tersucht: Mittlerweile ist bekannt, dassultrafeine Partikel aus der Lunge vorallem in der Leber akkumulieren. DieLeber ist an entscheidenden Funktio-nen wie der Glucosefreisetzung, der Fi-brinogen-Produktion, der Umsetzungvon Hormonen oder der Freisetzungvon Cholesterin beteiligt. Die Einlage-rung von Schadstoffen in der Leberkann daher zur Beeinträchtigung die-ser Funktionen oder zu Leberschädenführen und dadurch bereits vorhande-ne Herzerkrankungen verschlimmern.Außerdem konnte gezeigt werden,dass ultrafeine Partikel Blutplättchen-Akkumulation in den die Leber versor-genden Kapillaren induzieren.■ Der Preis erinnert an das Werk derWissenschaftler Paula und Richardvon Hertwig. Beide waren interdiszi-plinär in den Bereichen Genetik, Mor-phologie sowie Strahlenbiologie undStrahlenschutz tätig. Mit dem Preiswürdigen der VdFF und das GSF –Forschungszentrum für Umwelt undGesundheit herausragende fachüber-greifende wissenschaftliche Leistun-gen entsprechend der Leitlinie derGSF, interdisziplinäre Forschungs-ansätze auf das Spannungsfeld zwi-schen Umwelt und Gesundheit anzu-wenden.■ Gülnilhal Yüksekdag

Über den Preis für interdisziplinäre Zusammenarbeit freuten sich: Fritz

Krombach, Holger Schulz, Roman Radykewicz (vordere Reihe, von links),

Wolfgang Kreyling, Andrej Khandoga, der Vorsitzende des Vereins der

Freunde und Förderer der GSF Carl-Heinz Duisberg, Andreas Stampfl und

Shinji Takenaka (hintere Reihe, von links) Foto: Ulla Baumgart

mensch+umwelt 3/2004 11

Produktives NetzwerkForscherteam erhielt Paula und Richard von Hertwig-Preis

Kurz notiert

■ Bayerns Kultusministerin MonikaHohlmeier übergab am 16. Septemberdas Gläserne Labor der GSF offiziell sei-ner Bestimmung. Das Schülerlabor wur-de von der GSF mit großzügiger Unter-stützung der Helmholtz-Gemeinschafteingerichtet und soll Schulklassen dieMöglichkeit geben, durch experimentel-les Arbeiten ein tieferes Verständnis fürNaturwissenschaften zu entwickeln.

Als „die richtige Antwort auf PISA- und

OECD-Studie“ bezeichnete die bayeri-

sche Kultusministerin Monika Hohlmei-

er das Gläserne Labor, als sie die Ein-

richtung offiziell eröffnete. Foto: mvdh

■ Die GSF erhält den BayerischenFrauenförderpreis 2004. Zusammenmit zwei weiteren Unternehmen wird siefür ihre Maßnahmen zur Verbesserungder Chancengleichheit von Frauen undMännern mit dem vom BayerischenStaatsministerium für Arbeit und Sozial-ordnung, Familie und Frauen vergebe-nen Preis ausgezeichnet.

■ Als neues Mitglied aus den BereichenWissenschaft und Wirtschaft wurdeProf. Stefan H. E. Kaufmann, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Ber-lin in den Aufsichtsrat der GSF berufen.

■ Das Institut für Strahlenbiologie stehtjetzt unter der Leitung von Prof. Friede-rike Eckhardt-Schupp. Die GSF-Wis-senschaftlerin wurde zum 1. August alskommissarische Direktorin eingesetzt.

■ Dr. Manfred Kirchner, Institut fürÖkologische Chemie, wurde in die Ar-beitsgruppe „Passivsammler“ der VDI /DIN-Kommission Reinhaltung der Luftberufen.

■ PD Dr. Philippe Schmitt-Kopplin,Institut für Ökologische Chemie, wurdein das Editorial Board der internationalrenommierten Zeitschrift „Electrophore-sis“ berufen.

■ Prof. Thomas Meitinger, GSF-Institutfür Humangenetik, wurde in das Scienti-fic Advisory Council für die neu geschaf-fene Forschungsabteilung GenetischeMedizin der Europäischen Akademie inBozen berufen.

* „Ultrafine particles exert prothrombotic but not inflammatory effects on the hepatic microcirculation inhealthy mice in vivo“, erschienen in Circulation 109 (2004) 1320-1325

aufzuspüren, kombinierten dieWissenschaftler immunologischeund proteomische Methoden.Zunächst ‚zerlegten’ sie das ge-samte Proteininventar der Netz-haut mit einem hochauflösendenzweidimensionalen Trennverfah-ren, fixierten die getrennten Protei-ne auf einer Polymermatrix und in-kubierten die so exponierten Pro-teine mit Blutserum der Pferdepati-

enten. Die im Serum enthaltenenAutoantikörper binden dann spezi-fisch an einzelne der aufgetrenntenProteine und lassen sich über einezweite Immunbindungsreaktionnachweisen. Die Zielproteine die-ser doppelten Immunreaktion kannman dann isolieren und mit einemhochempfindlichen massenspek-trometrischen Verfahren identifizie-ren. Auf diese Weise konnte die Ar-beitsgruppe vier Autoantigene derPferde-Netzhaut nachweisen, diean der Entstehung der Uveitis be-teiligt sind. ■ Erstaunliches entdeckten dieWissenschaftler, als sie einigeUveitis-Pferde über längere Zeitbeobachteten: Die Immunreaktionveränderte sich. Bei neuen Entzün-

Überfall im AugeUveitis – eine menschliche Autoimmunkrankheit wird am Modell Pferd aufgeklärt

Aggressive Immunzellen

greifen plötzlich körperei-

gene Proteine an. Im er-

krankten Auge (rechts)

löst sich die Netzhaut ab.Fotos: Sven Reese, Hartmut Gerhards

Die Uveitis ist eine bis heutenicht heilbare, sehr schmerz-hafte Augenentzündung. In

Deutschland leiden rund 400.000Menschen daran. Ähnlich wie dieMultiple Sklerose ist die Uveitis ei-ne schubweise verlaufende Au-toimmunkrankheit, die sich gegenkörpereigene Proteine richtet. Undebenso wird sie mit Cortison undimmunsuppressiven Medikamen-ten behandelt. Diese ha-ben allerdings starke Ne-benwirkungen, weshalbWissenschaftler die genau-en Krankheitsmechanis-men genauer erforschenund neue Therapien ent-wickeln wollen. Im Rah-men einer gemeinsamenKlinischen Kooperations-gruppe zwischen GSF undLMU haben Forscher bei-der Organisationen vielversprechende Ansätzenicht nur zum Verständnisder Uveitis, sondern darü-ber hinaus von Autoim-munkrankheiten allgemeinentwickelt.■ Dr. Marius Ueffing undDoktorandin Stefanie Hauck vomGSF-Institut für Humangenetik (Lei-ter: Prof. Thomas Meitinger) sowieDr. Cornelia Deeg vom Institut fürTierphysiologie der LMU (Prof.Bernd Kaspers) machen sich zuNutze, dass auch Pferde spontanan Uveitis erkranken. Auch bei ih-nen bringen vermutlich Erreger wieViren oder Pilze das Immunsystemdazu, plötzlich körpereigene Protei-ne anzugreifen. Die Folgen der hef-tigen Entzündungsreaktionen, soUeffing und Deeg, „gleichen einemfeindlichen Überfall durch eigeneTruppen: Aggressive Immunzellendringen ins Auge ein und zerstörenalles, was sie als vermeintlichfremd erkennen. Infolgedessen löstsich die Netzhaut in Teilen ab, dieRegelmäßigkeit der hochgeordne-ten Gewebestruktur geht völlig ver-loren. Es kommt zu regelrechtenVerwerfungen.“■ Um autoantigen wirkende Protei-ne im Zusammenhang mit Uveitis

dungsschüben kamen neben denzuvor identifizierten noch andereAntigene ins Spiel. Dabei erweiter-te sich nicht nur das Antigen-Spek-trum, sondern auch der Schwer-punkt verschob sich. Jetzt warenvor allem die ‚neuen’ Antigene fürdie Entzündungsreaktion verant-wortlich, während die ‚alten’ an Be-deutung verloren. Offenbar, so in-terpretieren Ueffing und Deeg die-

sen Befund, steht am An-fang einer Uveitis die fehl-geleitete Immunreaktionauf eines oder wenige Au-toantigene und dehnt sichdann auf weitere aus. „Soein heißgelaufenes Im-munsystem ist dann offen-bar so fehlgesteuert, dasses immer mehr eigeneProteine als Fremdkörperangreift.“■ Die ‚neuen’ angegriffe-nen Proteine stammenvermutlich aus den Zer-störungsreaktionen im ent-

zündeten Auge.Dort werden nun Ei-weiße freigesetzt,die sonst in Zelleneingeschlossensind, ohne Kontaktzum Immunsystem.„Eine Theorie dazulautet, dass solcheProteine bestimmte

Strukturen besitzen, die etwa auchauf der Oberfläche von Bakterienoder anderen Erregern zu findensind“, erläutern die Wissenschaft-ler, „und solche Strukturen zu er-kennen, ist ja die Aufgabe des Im-munsystems.“ Wiederum überra-schend war die Feststellung, dassdie neu hinzukommenden Autoanti-gene auch für sich allein eine Uvei-tis auslösen können, wie sich imRattenmodell erwies.■ Sibylle Kettembeil

Literatur:C. A. Deeg et al.: The Uveitogenic Potential ofRetinal S-Antigen in Horses. Invest. Ophthalmol.Vis. Sci. 45 (2004) 2286.

F. Steinbach et al.: Equine immunology:offspring of the serum horse. Trends Immunol.23(5) (2002) 223-225.

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