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Deutsches Volksliedarchiv Musical: Das unterhaltende Genre by Armin Geraths Review by: Nils Grosch Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 49. Jahrg. (2004), pp. 230-234 Published by: Deutsches Volksliedarchiv Stable URL: http://www.jstor.org/stable/30043732 . Accessed: 13/06/2014 05:17 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Deutsches Volksliedarchiv is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.127.178 on Fri, 13 Jun 2014 05:17:46 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Musical: Das unterhaltende Genreby Armin Geraths

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Musical: Das unterhaltende Genre by Armin GerathsReview by: Nils GroschLied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 49. Jahrg. (2004), pp. 230-234Published by: Deutsches VolksliedarchivStable URL: http://www.jstor.org/stable/30043732 .

Accessed: 13/06/2014 05:17

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Kounadis (Nr. 12) und der chilenischen Singerin und Liedermacherin Violeta Parra (Nr. 15). Gdinzlich unbearbeitet lief Mogmann das jiddische Partisanenlied Shtil die nacht iz ojzgeshternt von Hirsch Glik, das einst durch Peter Rohland in das Repertoire der bundesrepublikanischen Folkbewegung gelangt war.

Teil I der vierten CD Cantastorie bringt alle vier Stiicke der LP Wechselbad/ Unruhiges Requiem von 1983. Spitestens hier wird eine gewisse Verwandtschaft des Gesangsstils von Mofmann und Wolf Biermann deutlich. Der Titel der CD ist in- spiriert durch einen sizilianischen Singer, der von Ort zu Ort zieht und dem Publi- kum Geschichten teils sprechend, teils singend vortrdgt; keine davon dauert weniger als 20 Minuten - so wie Moflmanns Unruhiges Requiem, dessen zweite Version auf dieser CD erscheint. Anlass ffr diese Komposition war die Ermordung des Arztes Albrecht Pflaum, genannt Tonio, in Nicaragua. Die Zweitfassung des Unruhigen Requiems entstand in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Heiner Goebbels, der zu dem Text, den Mofgmann anfinglich nur mit Gitarrenbegleitung versehen hatte, eine Collage aus Musik und Gerdiuschen schuf. Dabei tritt, wie Thomas Rothschild damals in seiner Kritik schrieb, die Musik in einen Dialog mit dem Text: ))Hier ist ein Kollektivwerk entstanden, das die Unterschiede der Individualitditen nicht zudeckt, sondern thematisiert.,, Musikalisch und in ihrem Umfang kleiner dimensioniert, je- doch inhaltlich sehr unterschiedlich sind die weiteren drei »,gesungenen Geschichteno: Die Romanze von der Johanna Arg dokumentiert das Leben einer frei erfundenen Person zur Zeit des Vormirz und der 1848er-Revolution. Von sehr eindringlicher Wirkung sind der Nachruf auf einen Achtundsechziger, der Selbstmord begangen hat (Fehlanzeige), und die Serenata Serena, ein Liebeslied in spanischer und deutscher Sprache, das auf einem spanischen Wiegenlied basiert.

Teil II der vierten CD schlieglich - wortspielerisch Apokriifen iiberschrieben - be- steht aus sechs Liedern aus der Apo-Zeit 1968/69, die bisher noch nicht ver6ffentlicht worden waren. Fiinf dieser Dokumente damaliger politischer Auseinandersetzungen sind durch einen privaten Konzertmitschnitt iberliefert. Den Abschluss der Apokriifen bildet ein Lied, das wdhrend einer Fernsehsendung des Siidwestfunks im ,>Wartesaal Baden-Baden(( aufgenommen wurde. Es driickt den Konflikt des politischen Singers aus, der vorwiegend bei Aktionen ohne Gage auftritt, aber wie jedermann seinen Lebensunterhalt verdienen muss; der sich dariiber im Klaren ist, dass sich die Funktion und Bedeutung seiner Lieder Tndert, wenn diese in den Medien dargeboten werden.

Gisela Probst-Effah, K6ln

Musical: Das unterhaltende Genre. Hg. von Armin Geraths. Laaber: Laaber, 2002 (Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 6). 352 S., Abb., ISBN 3-89007-426-X.

Ein wissenschaftlicher Diskurs zum Musical ist in Deutschland noch immer eine schwierige Sache: Die Fachliteratur ist zumeist in englischer Sprache publiziert, Noten und Libretti sind schwer zuginglich, und die an deutschen Biihnen gezeigte Auswahl ist einseitig. So haben oft Vorurteile die Oberhand, bei denen elitdire Skepsis beziiglich der populiren Kultur und latenter Antiamerikanismus einander die Hand geben. Ein Hand- buch, das fiber die Geschichte, die komplexe Dramaturgie, die Produktionsstruktur, die

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6konomischen Grundlagen des Broadway- und West-End-Musicals - die einen histo- risch gewachsenen, wesentlichen Unterschied zum mitteleuropdiischen Theatersystem bedeuten - sowie iiber die Gattungsvielfalt und die vielschichtige Asthetik informiert, scheint somit dringend willkommen. Ginge es indes nach den in der Einleitung des

Herausgebers Armin Geraths gesteckten Zielen, so liefge sich das vorliegende Buch als Versuch einer Zementierung solcher Vorurteile und Missverstindnisse verstehen, die

dem notwendigen wissenschaftlichen Diskurs wahrlich keinen Gefallen tut. Gerath setzt hier selbst den disthetisch-funktionellen Rahmen durch Begriffe wie

,,Entlastung, Kompensation, und Erholung,, die er als »,Leitbegriffe des unterhalten- den Musiktheaters« festlegt (S. 25). Musicals, die diese Grenzen uberschreiten, miss- brauchen seiner Ansicht nach die Gattung. Die hieraus entwickelte, schon im Titel des Bandes implizierte Setzung zu verteidigen und damit die Vielfalt der musikdramatur- gischen Realisierungen, die die Theaterkultur des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat, einseitig zu verengen, ist primdires Ziel seiner Argumentation. Im Schussfeld seiner

solchermafgen zu Zirkelschliissen tendierenden Angriffe steht vor allem der amerikani- sche Komponist und Texter Stephen Sondheim, der, wie schon hdiufig in theaterkriti- schen Debatten, gegen seinen grofgen und erfolgreichen britischen ,,Antagonisten, Andrew Lloyd Webber ausgespielt wird. Aussagen wie die, dass der Produzent und

Regisseur Harold Prince sowie der Kritiker der New York Times Frank Rich >>in selbst-

geniigsamen Enthusiasmus« Sondheim ,,sekundierto hditten (S. 19), haben in einem Handbuchtext einfach nichts verloren. Hier wird deutlich, wie gezielt Missverstindnis- se geradezu geschirt werden, schon indem Geraths solche Behauptungen ohne die

notwendigen Erliuterungen diber die Besonderheiten des amerikanischen Finanzie-

rungs- und Produktionssystems sowie der Rolle des theaterkritischen Journalismus in den Raum stellt. Angesichts der selbst auferlegten Zirkularitrit muss eine derartige Polemik immer auf den Autor solcher Zeilen selbst zuriickfallen, auch wenn etwa von ,,linkslastigem Dekonstruktivismuso als

,,ideologisch verstrahltem Terraino (S. 193) oder von Sondheims angeblicher ,»genialer Laienhaftigkeit« (S. 194) die Rede ist, nur weil dieser in einem Interview die musikalische Charakterisierung seiner Figuren in

Pacific Ouvertures auf die Leitmotivtechnik des Films hinweist: Wer ein wenig von Hollywood'scher Filmmusik (oder gar von Filmmusiktheorie) versteht, weift, dass hier eine dramaturgisch kommunikationsfdhige Kompositionsweise thematisiert ist, die im Musical, gerade bei Sondheim, konsequente Anwendung findetr- wie sie mit der von Geraths zum Vergleich herangezogenen Evita-Verfilmung gar nichts zu tun hat.

Geraths' ausfiihrlicher Artikel diber Sondheim und Lloyd Webber im Kontext der

1970er-Jahre zeigt nun auch, worum es dem Autor offensichtlich geht: Um den (durchaus nicht erbrachten) Beweis, dass auf der einen Seite Lloyd Webbers Werk im

Vergleich zu Sondheims als ,,h6herrangig eingestuft< werden kann, und auf der anderen um eine Rechtfertigung dieser Bewertung durch einen einseitigen, primdir ideologisch bestimmten Diskurs. So werden die Studentenunruhen der 70er-Jahre und die >Black-

Powero-Bewegung, die in der Tat fur viele der seinerzeitigen Musicals den politischen Hintergrund bilden, in einer bodenlosen Missachtung der unter Historikern und Sozial- wissenschaftlern differenziert gefiihrten Debatte iber diese Phase mehrfach mit dem Naziterror vor 1933 verglichen statt auf ihre Ursachen befragt. Dass das Musical Cabaret

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selbst diesen Vergleich ziehe, ist allerdings eine haarstraiubende und durch nichts zu beweisende Auslassung: In der Tat wird dort der Naziterror der Weimarer Republik thematisiert, aber er wird durchaus nicht mit der Studentenbewegung in Zusammen- hang gebracht. Im Gegenteil wird er in Cabaret - ob zutreffend oder nicht - im Kontext einer angeblich unpolitischen, auf pure ,Unterhaltung, zielenden populdiren Musiktheaterkultur diskutiert, wie sie Geraths fir allein selig machend hilt.

Letztlich koppelt Geraths seine Beurteilung der Gattung primair an die Kriterien des gewihlten Sujets (bzw. dessen gesellschaftlicher oder ideologischer Berechtigung) und der musikalischen Eingdingigkeit. Der Umgang mit Begriffen wie Melodie oder der Vergleich zur Operngattung gerdit Geraths derartig holzschnittartig, dass seine fachwissenschaftliche Unkenntnis stdindig durchscheint. >>Was fur ein wirres, dilletanti- sches Verstdindnis der Oper, - so kommentiert er hochndisig Sondheims Aussagen zu einer Gattung, von der der Komponist selbst zugibt, sie nicht richtig zu verstehen: Geraths wiiste Beschimpfungen geraten deswegen so peinlich, weil er den darin zu Grunde gelegten Kriterien selbst oft nicht gerecht werden kann. Hinter der Gegen- uiberstellung eines solchermafen falschen, linken Intellektualismus Sondheims mit

jener >iiberschdiumenden schdpferischen Energie<, »,Spontaneitdit< und »Instinkto auf Seiten Lloyd Webbers, der »>kein Dichter, kein Philosoph und schon gar kein Ideo-

loge( sei (S. 223), scheint eine nur oberflaichlich naive, tatsdichlich aber bedenklich-

ideologische Sichtweise auf, die keinem der beiden gegeneinander ausgespielten Kom-

ponisten gerecht wird - und auch nicht dem Anspruch eines wissenschaftlichen Handbuchs. Vor einer wertenden Kritik, die auch in einem Handbuch durchaus ihren Platz haben darf (es geht mir weder urn eine Einforderung von Objektivitdit noch urn eine Rechtfertigung Sondheims), muss allerdings eine ernsthafte wissenschaftliche

Auseinandersetzung mit den historischen Fakten - im Falle des Musicals vor allem mit der musikalischen Dramaturgie, der Rezeption - und der diese thematisierenden wissen- schaftlichen Literatur stehen.

Die musikdramaturgische Tendenz der >>Concept Musicals,, fort von den narrati-

yen >Book Musicalso hin zu neuen, nonlinearen Erz~hlstrukturen, in denen die musi- kalische Nummer, insbesondere das Lied als ,pastiche songo mit seinem spezifischen Verweischarakter, eine neue Funktion erhielt, sind in der musik- und theaterwissen- schaftlichen Literatur etwa zu Sondheim, Prince und Kander diskutiert worden. Ge- raths ignoriert diese ffir das Musical entscheidende Debatte, die aus dem Kontrast heraus auch die musikalische Dramaturgie von Musicals erkliren hilft, die sich an traditionellen Erziihltechniken orientieren (ohne diese als »altbacken, desavouieren zu

miissen). Wenn Geraths meint, Cabaret habe >>alle die Merkmale, aufgewiesen, die oin Westside Story als konstitutiv herausgehoben wurden« (S. 185), so dibersieht er gerade diesen wesentlichen Umstand in der musikalisch-dramaturgischen Substanz der ver-

glichenen Werke. Und einen der zentralen Aspekte der von ihm thematisierten Phase.

Gespickt mit anregenden I*iberlegungen ist der Gershwin-Artikel des zweiten

Herausgebers des Bandes, Christian Martin Schmidt. Dieser Text zeigt deutlich die

Perspektive des an Klassischem geschulten Musikhistorikers, der fur die Beschiiftigung mit dem » unterhaltenden Genreo nach Rechtfertigungen, so in Sch6nbergs Lob Gershwins, sucht und fuir den Kategorien wie »>Kunstprodukto und >interne Qualitit<

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auf der einen, »>Quantitdt und Intensitiit der Rezeption, [...] die man Erfolg nennto auf der anderen Seite einander entfernt gegendiberstehende iisthetische Kriterien sind, deren Verbindung erst eingehender Reflexion bedarf. Dass sich Schmidt in seinem als

Essay angelegten Text Uiber viele Seiten auf die Verwendung von Gershwins Konzert- werken in jiingeren Filmen konzentriert, ist im vorliegenden Handbuch nur schwer zu

rechtfertigen. Angesichts des nicht gelieferten gattungshistorischen Vergleichsrahmens erscheint dann auch Schmidts Beobachtung, dass der Musik in Gershwins Musicals - Schmidt wihlt mit Of Thee I Sing und Let "Em Eat Cake besonders schlecht durch

Quellen dokumentierte Beispiele aus - »gliedernde und formbildende Kraft< zukomme

(S. 134f.), noch nicht als Beweis ffir die »hohe Qualitdit seiner Musik.

Enttiuschend oberfldichlich sind die beiden der Einleitung folgenden Artikel zur

Operette von Peter Hawig und zum Musical zwischen den Weltkriegen von Riidiger Bering sowie der abschliefgende Text zu Filmoperette und Filmmusical. Hier er- scheinen die entsprechenden Kapitel der Geschichte des populiren Musiktheaters als

Abfolge bedeutender Meister und Werke, im Mittelpunkt stehen Sujets, selten Fragen des Stils, der Dramaturgie und Komposition. Mit erstaunlicher Selbstverstindlichkeit schreiben die Autoren vorbei an den Ergebnissen aktueller Forschungsliteratur. Merk-

wiirdig mutet an, dass das Kapitel iiber die Operette mit der Jahrhundertwende (zum 20. Jahrhundert) endet, die Phase danach wird allenfalls als Ausblick behandelt.

Berings Kapitel beginnt mit der >Musical Comedy«. So haben wir zwar viele Seiten zu Offenbach (die hier nichts zu suchen haben), die amerikanische Operette, das »>Ameri- can Vaudeville< und die >Ziegfeld Follies« (wesentliche Wurzeln des »>Musicals<), aber auch das grofge Berliner, Wiener und Pariser Unterhaltungstheater des ersten Jahrhun- dertdrittels, das gerade den theaterhistorischen Umbruch ins 20. Jahrhundert signali- sierte und nur teilweise die Gattungsstridnge des 19. weitertrug, die Revueoperetten von Charell und Abraham, die gainzliche Umstellung des Theatersystems und die daraus folgenden Produktionen bleiben unerwdihnt. Diese offenkundigen Schwdichen, die die Konzeptionslosigkeit des ganzen Bandes zeigen, k6nnen durch zwei wirklich exzellente Artikel nur teilweise kompensiert werden.

Einen wesentlichen Beitrag bedeutet Kim H. Kowalkes Text zum Musical zwischen Oklahoma! und Hair, jene als >Golden Age of Musical< titulierte Phase. Mit erfreulicher Genauigkeit und einer ungeheueren Werkkenntnis untersucht Kowalke die Stficke jener Epoche auf ihre dramaturgischen Strukturen hin, bringt dabei ge- botene Klarheit in eine Begrifflichkeit von >,Untergattungen,, ohne auf die im journa- listischen Tagesgebrauch vorherrschende, schlagwortartige Genretypologie herein- zufallen. So bietet er z.B. mit scharfen Argumenten sowohl beziiglich Werk, Form, Stil und Produktion als auch bezdiglich der Rezeption in einer empfindlichen historischen Phase diberzeugende Einsichten in den Erfolg von Oklahoma!; relativiert somit die von der Theaterkritik einseitig wahrgenommene, allein strukturell begriindete Neuheit des Werkes als Markstein zur Geschichte des >>Musical Play<. Kowalke bietet einen wert- vollen Zugang zum Musical-Genre auch iiber die Epoche hinaus. So reicht sein Blick- winkel von der >>Musical Comedyo iber die Integration von Opernelementen an den

Broadway-Theatern bis hin zum >>Concept Musical«, wobei er dankenswerterweise

Begriffe und Fakten in wiinschenswerter Art klarlegt und Liicken fiillt, die andere Texte vorliegender Publikation hinterlassen haben.

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Die Produktionssphdire des Musicals, ein immer auf komplexer Zusammenarbeit beru- hendes Genre, ist gerade fir eine deutsche Leserschaft Schliisselmoment der Werkent-

stehung, aber auch fur den Gattungswandel im Laufe des 20. Jahrhunderts. Produzent, ,Director(<, >,Tryout,, ,»Revivalo etc. sind Begriffe, die der deutschen Theaterlandschaft entweder anders konnotiert sind oder keine Rolle spielen. An West End und Broadway haben sie wesentlichen Anteil an dem, was das Publikum abends im Theater sieht und

h6rt. Es erstaunt deshalb, dass das Kapitel zu diesem Bereich, fur den Wolfgang Jansen als hervorragender Kenner gewonnen werden konnte, als Exkurs gekennzeichnet ist.

Das Musical wird im Herausgebervorwort als Leitgattung des Musiktheaters eti- kettiert. Seine grofge Wirkung auch diber im engeren Sinne dramatische Formen hin- aus in den gesamten Bereich der populi.ren Kultur hinein, ihre disthetische, kommer- zielle und kommunikative Vernetzung mit der populdiren Asthetik scheinen der deut- schen Musicalforschung noch keineswegs selbstverstindlich zu sein. Der ein Jahr zuvor erschienene achte Band der Handbuchreihe haitte den Autoren in dieser Hinsicht sicherlich zahlreiche korrigierende Anregungen geben k6nnen.

Nils Grosch, Freiburg i.Br.

Musikhandschrifren von Pfdlzer Wandermusikanten in den Museen der Burg Lichten-

berg, von Mackenbach und Breitenbach: Thematischer Katalog. Bearbeitet von Paul

Engel und Gottfried Heinz. Bad Honnef: Bock [2003] (Musik in der Pfalz 1). 77 S., mus. Not., ISBN 3-87066-845-8.

Bibliographie zur Musikgeschichte in der Pfalz. Hg. von Christian Speck. Bad

Honnefi Bock [2003] (Musik in der Pfalz 2). 192 S., ISBN 3-87066-884-9.

Seit 1952 erklingt am Tag der Amtseinfiihrung des neu gewdihlten amerikanischen Prisidenten der Zeremonienmarsch Hail America. Komponiert hat ihn der in den USA als Kapellmeister zu Ruhm gekommene, 1874 als Sohn eines Kleinbauern im

pfdlzischen Erdesbach bei Kusel geborene Georg Drumm. Seiner wird in heimat-

geschichtlichen Publikationen und in der regionalen Tagespresse als eines exponierten Vertreters des in der Westpfalz zwischen den 1830er-Jahren und dem Ersten Welt-

krieg beheimateten, danach als Gewerbe eingeschrinkt und zeitlich begrenzt noch betriebenen Wandermusikantentums hdiufig gedacht. Ein Vergleich mit anderen loka- len und regionalen Herkunftszentren von Wandermusikern - im 19. Jahrhundert z dazu das b6hmisch-sdichsische Erzgebirge, Zillertal in Tirol, Salzgitter oder

Hundeshagen im Eichsfeld - zeigt eine stets gleiche Ausgangslage: Es war dies eine

spezifische Form der Arbeitsmigration, ein Weg, der wirtschaftlichen Misere der Heimat zu entkommen. Aus der Westpfalz wanderten um die Mitte des 19. Jahr- hunderts viele Menschen nach Amerika aus, andere suchten nach alternativen Wegen einer Existenzsicherung und fanden sie in der Musik. Ein betrdichtlicher Teil der mdnnlichen Bev6lkerung der Region war in diesem quasi als Handwerk verstandenen Metier tdtig. So zdhlte etwa eine Gewerbestatistik von 1908 in Jettenbach, einem Dorf mit rund 1000 Einwohnern, fiber 100 Berufsmusiker. Schon wihrend der Schuljahre erlernten viele Knaben bei ilteren, erfahrenen Musikern das Spiel eines oder - wie im Fall von Georg Drumm - auch mehrerer Instrumente, um dann als so genannte

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